Gladbeck - New-Urbanism-Projekt

  • Zitat von "Heimdall"

    Vorab soviel: Die Entscheidung für den Autoverkehr ist durchaus eine auch Entscheidung, keine Zwangsläufigkeit gewesen. Niemand zwang den Mensch zur Beschleunigung.


    Ich denke nicht dass sich irgendwer in dieser Zeit dem Konzept der Motorisierung wirklich wiedersetzen konnte, Gedanken an Luftverschmutzung und Ölknappheit waren noch weit weg, der Individualverkehr wurde zuhnemend auch zum Wirtschaftsfaktor.
    Und man darf nicht vergessen dass auch der innerstädtische Gütertransport durch den LKW revolutioniert wurde.
    Man schaue sich nur in Berlin die riesigen Flächen an die vorher von der Eisenbahn (Güterbahnhöfe) eingenommen wurden, die heute frei sind, nein, es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, da führte in den Industrienationen kein Weg vorbei.
    Man hätte sicherlich im Einzelfall etwas an den Dimensionen feilen können, aber man muss Entwicklungen im Kontext der Zeit sehen, aus der Ferne urteilen ist zu einfach.


    Zitat von "Heimdall"

    Das Ornament ist also sicherlich nicht verschwunden, weil sich die Menschheit insgesamt nur noch in der Geschwindigkeit von Automobilen bewegte.


    Nein, aber es war ein Faktor in der Argumentation.

    Zitat von "Heimdall"

    Über Motorisierungsgrad und stagnierende Bevölkerungsentwicklung der nächsten Jahrzehnte ließe sich natürlich trefflich streiten.


    Sicher, aber das Automobil und der Güterverkehr, egal wie nun angetrieben, werden sicher nicht verschwinden.
    Und trotz Migration werden unsere Städte wohl nicht mehr pro Jahrzeht zweistellig wachsen.

    Zitat von "Heimdall"


    Bei Stalins "Sozialistischem Realismus" stimmt die Aussage zwar, doch seine ebenfalls nicht zimperlichen Nachfolger setzten immerhin auch die "moderne" Platte durch.


    Zu diesem Zeitpunkt waren im Westen die Weichen aber schon gestellt.
    man bedenke, Hansaviertel und Stalinallee wurden zur gleichen Zeit errichtet.
    Auch kam man im Westen schon Ende der 60er teilweise schon wieder weg von der Grossiedlung, im Osten wurde feste mang so weiter gebaut.

    Zitat von "Heimdall"


    Unter Hitler (mal abgesehen davon, daß dessen Neoklassizismus auch recht ornamentarm war) war das Bauhaus nicht wirklich verboten, sondern nur aus dem staatlichen und privaten Rahmen verdrängt.


    Auflösung des Bauhauses, Berlin 1933.
    Dass z.B: ein Eiermann sich mit Industriebauten am Leben hielt sind doch Randerscheinungen.
    Offizielle Leitlinien waren Heimatstil und KlassizismusXXL, so wurde das in den 50ern empfunden, dass man das differenzierter betrachten muss ist mir klar, wurde aber nicht getan.

    Zitat von "Heimdall"

    Ursprünglich gab es aus dem Kreis um Goebbels Bestrebungen, die Tradition des Bauhauses als modernen nordischen Stil zu etablieren. Hierbei spielte die Zeischrift "Kunst der Nation" eine wichtige Rolle.

    Das sind doch Strohhalme, der Grossteil der radikalmodernen Architekten verliess das Land (zwar nicht nur aus künstlerischen Gründen, aber egal) oder beschränkte das eigene Wirken auf nachrangige Objekte.

    Zitat von "Heimdall"


    Später hatte das Bauhaus durchaus seinen Platz im NS-System - allerdings nur beim Industrie- und Gewerbebau.


    Das Bauhaus hatte überhaupt keinen Platz, es wurde nämlich 1933 aufgelöst.
    Nicht immer alle moderne Architektur in D mit dem Bauhaus gleichsetzen.
    Ein Sagebiel zählt auch zur moderne, bekam weiter Aufträge, allerdings kam seine konservativere Geschmacksrichtung der Moderne nach dem Krieg auch nicht mehr zum Zug.

    Zitat von "Heimdall"

    Ein avantgardistischer Architekt wie Giuseppe Terragni baute beispielsweise in Como eine faschistische Parteizentrale in einem Stil, der heute als ausgesprochen modernes Modell präsentiert würde.


    Das gilt aber nur für die Anfangszeit.
    Auch unter Stalin wurde anfangs noch konstruktivistisch weitergebaut, einfach weil Bauprojekte eine Gewisse Vorlaufzeit haben, und Regime ihre Zeit brauchen die Machtbasis aufzubauen.
    Aber alle drei Systeme haben gemein das, durchaus vorhandene, moderne Tendenzen immer mehr abnahmen.
    Aus dem Blickwinkel der 50er wurde dass dann stark vereinfacht, zum Stigma für Bauformen die bei der Obrigkeit genehmer waren.
    Erneut es ist hier auch gar nicht von Belang wie es letztendlich wirklich war, sondern wie es später empfunden wurden.

    Zitat von "Heimdall"


    Das führte jetzt etwas von Gladbeck weg (wenngleich es damit verwoben ist), und ich denke, wir sollten diese Diskussion nicht noch weiter führen, um einer erneuten Löschung keinen Anlass zu geben.


    Ich denke nicht dass es einen wirklichen Grund gibt etwas zu verschieben, das Thema Gladbeck steht noch, der Ton ist friedlich, wenn es mehr zu Gladbeck zu sagen gibt, kann man das tun, ich denke soviel Exkurs verträgt das Thema.

  • Zitat

    Heimdall hat Folgendes geschrieben:

    Das gilt aber nur für die Anfangszeit.

    Also dass die faschistische Architektur in Italien nur in der Anfangszeit "Bauhaus-mäßig" gewesen wäre stimmt nun wirklich nicht. Wer mal mit offenen Augen und ein bißchen Geschichtswissen durch Italien fährt, der wird das in den italienischen Städten kaum übersehen können. Die faschistische Architektur sieht von 1925 bis 1942 aus wie etwas monumentaleres Bauhaus. Oft steht man in Rom, Mailand oder Palermo vor einem Gebäude, das man in die 50'iger oder 60'iger Jahre einordnen würde und wundert sich dann, wenn 1930 oder 1940 als Erbauungsdatum im Reiseführer oder auf einer Tafel angegeben ist.
    Allenfalls wandeln sich die Materialien, von Beton zu Marmor, im Laufe der Zeit, aber auch das nicht durchgängig.

  • Zitat von "Oliver"

    Das sagt viel aus über die Zukunftsfähigkeit des Bauhaus aus. Der Städtebau ist da schon um einiges weiter (Fußgängerzonen, Verkleinerung überdimensionierter Straßenräume etc.).


    Es käme auch niemand darauf den International Style als aktuellen Architekturstil zu bezeichnen.

    Zitat von "Oliver"


    Schauen Sie sich bitte die Speerschen Bauten an und vergleichen dies mit denen von Schlaun oder Neumann. Ich erkenne keinen Zusammenhang, weil bei Speer einfach die Verspieltheit und fröhliche Farbgebung fehlt. Eher erkenne ich einen Durchdringung mit der Altmoderne, weil hier die Allgemeinen Körper (Kubus, Kugel etc.) ins gigantische gebracht wurden.


    Ich bitte sie, Barock war doch als Vergleich überhaupt nicht aktuell.
    Der Trend ging seit Beginn des 19 Jh schon zu sparsamerer Ornamentierung, das würde ich ganz einfach unter Mode abtun, so wie der originale Klassizismus schon lange zuvor deutlich einfacher in der Formensprache war als vieles vorangegangenes.
    Die aktuellen Stile waren nun radikale Moderne à la Bauhaus, oder gedämpfte Moderne mit Neoklassizistischen, Art-Deco oder expressionistischen Einflüssen,
    Und da wissen wir beide doch ziemlich genau wo man Speer einornden muss.

    Zitat von "Oliver"

    Außerdem sind die verwendeten Materialien (Marmor, große Fenster etc.) der Neuen Reichskanzlei fast identisch mit denen des Barcelona Pavillions.


    Sie sind vermutlich der erste der versucht den Zusammenhang herzustellen.
    Bestimmte Elemente (offene Räume vollkommene Ornamentlossigkeit hier, statisch sinnlose Säulen, Mosaike, andere dekoelemente dort) wären am anderen Bau jeweils undenkbar.
    Da man kaum zwei Gebäude mit so unterschiedlichen Nutzungen und Grössen vergleichen kann, habe ich einen besseren Vergleich.

    Mies' Pavillion der Barcelonaaustellung 1929, und Speers Pavillion von 1937, der Priser Weltaustellung, formal gleicher Zweck, völlig unterschiedliche Aussenwirkung.

    Aber um mich nochmal zu erklären, ich wollte keinesfalls irgendwelche politischen Umkehrschlüsse andeuten.

  • Zitat von "Philon"

    Also dass die faschistische Architektur in Italien nur in der Anfangszeit "Bauhaus-mäßig" gewesen wäre stimmt nun wirklich nicht.


    Sie war nie wirklich "Bauhaus-mässig" sie ähnelte mitunter in der Formensprache, aber das war mehr oder weniger Zufall da beides Kinder ihrer Zeit waren.

    Allein die Rundbögen des Colosseo Quadrato waren in der internationen Moderne des CIAM undenkbar.

    Die Übergangszeit in Italien hat eben etwas länger gedauert, aber gegen Ende wurden die Neoklassizistischen Tendenzen doch immer ausgeprägter, in gleichem Masse wie die Bezüge zum Antiken Rom immer ausgeprägter wurden, und das bestimmte letztendlich die Aussenwirkung und nur um die ging es mir, die Diskussion der Details von Faschistischer/Frühsowjetischer Architektur ist zwar interessant, aber eigentlich nicht von Belang.
    Es geht mir beim Einfluss auf die Nachkriegsmoderne lediglich um die zeitgenössische Wahrnehmung des Baugeschehens dieser Zeit, und die kann sich durchaus von der Realität unterscheiden.
    Können wir uns also darauf einigen dass, ob berechtigt oder nicht, aus sicht der 50er und 60er, die Internationale Moderne, sowohl personell als auch was die Reputation angeht, die Diktaturen unbeschadeter überstanden hat als viele andere Stile?

  • Ersetze man Bauhaus etwas allgemeiner durch Moderne und ich gehe sogar mit, nur ist das wie gesagt nicht das was für die Aussenwahrnehmung faschistischer/"unfreier" Architektur im Allgemeinen letzendlich entscheidend war.

    Und zum Schluss sah das in Italien so aus.

    http://korkos.club.fr/ing-05.jpg
    http://korkos.club.fr/ing-06.jpg

    Ironischerweise könnte ich mir jedes dieser Gebäude heute in der Friedrichstrasse vorstellen, soviel zum Sinn ideologischer Architekturdebatten.

  • Zitat

    Ersetze man Bauhaus etwas allgemeiner durch Moderne und ich gehe sogar mit


    Kann man machen, auch wenn ich den Begriff "Moderne" wiederum etwas unspezifisch finde (da gehört ja z.B. auch der Expressionismus, der Heimatstil oder sogar Stalins Neobarock und Speer Neoklassizismus noch dazu). Sinnvoll wäre irgendeine Begrifflichkeit "dazwischen", nicht so spezifisch wie "Bauhaus", aber auch nicht so allgemein wie "Moderne".

  • Bitte beachtet, dass eigene Themen in eigene Fäden gehören.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.