• Sieht im ersten Moment für mich ein bisserl bieder, sprich fuffzigerjahremäßig, aus. Natürlich, besser alles das meiste, was derzeit in Bärlin gebaut wird, aber es kommt mir auch ein bisserl als ein Patzschke aus den Anfangsjahren vor. Womöglich schaut das ganze Teil in Natura jedoch eh besser aus als auf den Bildern - hoffentlich.

  • "Fünfziger" trifft es meiner Ansicht nach recht gut. Im ersten Augenblick musste ich sofort an "KuLiNaTra" denken. Wenn der alte Henselmann noch erlebt hätte, dass seine Weberwiese einen derartigen Wiedergänger an die Seite gestellt bekommt, wäre er sicherlich not amused.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Ich habe die Bilder gepostet, weil einige User im Forum darum gebeten hatten. Wie "fuffziger" sieht es meiner Meinung nach eigentlich nicht aus, sondern klassisch und schön. :smile: Ja, das Gebäude sieht in real besser aus, und in Dresden könnte man ja froh sein, man würde dort etwas ähnliches bekommen. Mir jedenfalls gefällt das Gebäude recht gut, ich würde mit Sicherheit lieber darin wohnen, als in meiner ätzenden 60er-Jahre Betonbude.

    bilderbuch

    Wärst du bitte einmal so freundlich, uns ungebildeten Wessies die Begriffe "Weberwiese, Henselmann und Kuli-Kalinka" oder so ähnlich zu erklären? Weberwiese erscheint mir dunkel wie eine Berliner U-Bahnstation, aber ich würde mich freuen, wenn du uns deutlicher machen könntest, was Du mit all diesen (mir fremden Begriffen) meinst.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Bist du schnell, bin ich auch schnell.

    Hermann Henselmann schuf bis 1952 das Hochhaus an der Weberwiese in Ostberlin und kreierte damit den Leitbau für die folgenden fünf Jahre. Für den verwendeten Stil prägte man schon damals, nicht zuletzt angeregt durch die Sowjets, den Begriff der Nationalen Tradition. Die ständigen Kursänderungen im Bereich der Architektur (man denke an die Laubenganghäuser an der Stalinallee), für die gerade Henselmann als einer der bekanntesten DDR-Architekten ein mehr oder oft auch weniger gutes Gespür besaß, sorgten nicht selten für verhaltenen Spott. So entstand auch der Begriff "Kulinatra", was übersetzt soviel wie Kurt Liebknechts Nationale Tradition hieß. Der Kurt, wohl ein Neffe vom Karl, war Präsident der Deutschen Bauakademie und damit Vollstrecker der steten Wendungen des Politbüros in Architekturfragen.

    edit:

    Zwei gerade entdeckte Schmankerl...

    DER SPIEGEL 34/1951 -
    Kalte Asche und Spucke

    DER SPIEGEL 20/1952 -
    Die deutschen Wühler

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Hey, ich bin nicht schnell, ich bin eine lahme Ente :smile: Ich konnte mit den Begriffen wirklich nicht viel anfangen, werde mir das gleich mal zu Gemüte ziehen. Vielen Dank!!

    Was das Gebäude der Patzschkes betrifft: Doch , es sieht in real wirklich sehr gut aus. Wir sind ja einiges gewohnt in Deutschen Städten, also ich denke immer wieder an Dresden und denke, schade dass man gerade dort, wo es notwendig wäre, nicht klassischer baut.

    Wobei natürlich der Stil in exakt dieser Form auch nicht unbedingt nach Dresden passen würde, zu streng-klassizistisch für eine Barockstadt meiner Meinung nach. Andererseits wäre es sicherlich viel besser, als diese ganzen Untaten wie "Wilsdruffer Kubus" et cetera.....warum nicht den Postplatz ein bischen neo-klassizistisch? Die Gründerzeitbauten bis 1945 bzw. die ja sogar bis in die 50er Jahre am Dresdner Postplatz standen, waren ja auch nicht unbedingt sehr "barock". Schade dass man in Dresden nicht so was zulässt!! Ich finde das wirklich sehr bedauerlich!!

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Wenn ein neu errichtetes Gebäude vom Stil her mit 50´er Jahre-Bauten assoziiert wird, schließt das ja nicht aus, daß er schöne Ansätze haben kann, bzw. sogar schön sein kann. Mich erinnert er z. B. in mancher Hinsicht an die 50´er-Bauten am Dresdner Altmarkt, welche ich auch vergleichsweise gelungen finde.
    Und wie Exilwiener schon sagte: um Längen besser als der aktuelle Berliner Durchschnittsbau. :applaus:

    "Willst du eine Stadt vernichten, baue Kisten, Kisten, Kisten!"

  • Die Assoziation zum DDR-50er Jahre "Stalinbarock" finde ich nicht falsch. Das Patzschke-Gebäude erinnert tatsächlich an die DDR-Bautradition der 50er, aber alle diese Gebäude wie z.b. Dresdner Altmarkt etc. stehen heute unter Denkmalschutz. Das ist also eher als Kompliment zu werden, der Altmarkt in Dresden gehört ja zu den besten Nachkriegsbauten der DDR.

    Das Gebäude der Patzschkes finde ich eine Wohltat, verglichen mit dem Glas-Stahl-Betonkisten Schrott, den man heute allenhalben baut. Seltsamerweise sind Projekte dieser Art in Berlin viel üblicher als in Dresden.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Das liegt daran daß die wenigen Traditionalisten wie Patzschke, Kollhoff, Nöfer, Kahlfeldt alle Berliner Architekten sind (von dort kommt also die Avantgarde) und entsprechend häufig dort bauen. Andere Städte haben da im Vergleich zu Berlin das Nachsehen, was neoklassische Architektur angeht. Da ist Berlin das Zentrum und der Rest Provinz mit Durchschnittsmoderne.
    Patzschke Architekten realisieren aber z.B. auch in Stuttgart gerade einen Neubau, das Palais am Reitweg (siehe thread).

    In dubio pro reko

  • Und hier noch was zum Naschen:

    ich hatte vorhin gesehen, jemand anders im Thread hatte dieses Meisterwerk in der Wielandstr. ebenso gesehen. Ich schwöre aber bei Gott, zum Zeitpunkt des Fotographierens wusste ich das nicht! Sonst hätte ich es nicht fotographiert. Die Wieland ist eine unscheinbare Strasse, ganz hübsche normale Gründerzeitbauten, aber nach mehrmaligem durchgehen fiel mir ziemlich bald auf, wie aussergewöhnlich schön dieses Gebäude ist. Alleine die Statuen sind ja Meisterwerke.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

    2 Mal editiert, zuletzt von Petersburg (25. Mai 2012 um 21:44)

  • Danke Petersburg! An die Lebens- und Aufenthaltsqualität unserer geliebeten Gründerzeithäuser kommt meiner Meinung nach keine Architektur mehr heran. Man kann nur hoffen, dass möglichst viele die kommenden Jahrhunderte überdauern werden. Etwas, wovon alle Nachkriegsgebäude träumen dürften :)

  • Das Haus in der Wielandstraße ist wohl der Prototyp der in der Nach-Kaiserzeit (und auch schon davor) heftig diffamierten "Geschwürhäuser" wie sie in Berlin zu Hunderten anzutreffen waren. Mich haben diese "Protzkästen" irgendwie schon als Kind fasziniert, als ich ähnliches, nur mit einem Zug ins Gigantische, in Madrid und Barcelona gesehen habe. Wußte damals natürlich noch nicht was Historismus ist, aber die Gebäude übten eine Faszination aus, der ich mich auch als Knirps nicht entziehen konnte, zumal mir so was aus den tristen deutschen Nachkriegsstädten unbekannt war. Wiesbaden kannte ich damals allerdings noch nicht :rolleyes:
    Bin mal auf dieses Buch gespannt:
    Gebr. Mann Verlag :: Schnrkellos , 978-3-7861-2650-8

    Wird bestimmt eine höchst interessante aber auch deprimierende Lektüre werden sad:)

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • ....und hier gleich noch was Nettes:

    Ich bin zur Zeit auf dem Fotographier-Trip, schon gemerkt? :wink:

    Das Ding sieht in real wesentlich imposanter aus, da auch viel größer als übliche Gründerzeitbauten. Steht direkt am Kudamm, dort finden sich wirklich phantastische Gebäude. Zu so was sind die Polemiker heute (die sich für "Baukünstler" halten) gar nicht mehr fähig! Ich muss sagen, obgleich mir natürlich auch dieses hier gefällt, ist die Wielandstr. doch mein Favorit. Ein selten schönes Gebäude. Das Kudamm-Gebäude ist protzig, was auch legitim ist, aber der Wielandstrassen-Bau ist reine Poesie.

    Das hier ist allerdings das absolute Meisterwerk:

    OK, war ein Scherz .... :wink::blink: Lassen Sie's bitte stehen, Herr Moderator, ich werde es selbst in den nächsten Tagen wieder löschen, bischen Ironie muss zwar sein, aber mir tun dann doch die Augen weh wenn ich es zu oft sehe....lol :lachentuerkis: Dieses Scheusal steht nur wenige Minuten entfernt von wunderschönen Altbauten. Ist kaum zu glauben, oder?

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Ich empfehle jedem sich mal das Patzschke-Projekt anzusehen, es sieht in real wirklich besser aus und ist m.E. richtungweisend! Klar, die Poesie-architektur Kudamm-Nähe ist unerreichbar, aber die Patzschkes haben zumindest etwas begriffen, was man ja von unseren Herren/Damen Stadtplanern (in Dresden treffenderweise MARX und ENGEL)leider nicht sagen kann!

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Danke für die Updates, handelt es sich beim Nachbargebäude des Neubaus in der Krummen Strasse um einen entstuckten Gründerzeitler? Der Neubau in der Pestalozzistr. gefällt mir auch ausgezeichnet.

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • @Breslau06
    Es handelt sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um einen entstuckten Gründerzeitler.
    Leider wird dieser mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit in nächster Zeit nicht wieder bestuckt.
    Viel wahrscheinlicher ist bei einer kommenden Sanierung eine 15 Zentimeter dicke Dämmschicht aus Styropor welche dem Erscheinungsbild sicher nicht zuträglich sein dürfte!

  • Weiter geht es mit 2 ebenfalls aktuellen Bauprojekten.

    In der Nehringstraße ist dieser Lückenfüller vor ca. einem halben Jahr bezogen worden:

    Insgesamt ganz "solide" mit dem benachbarten Gründerzeitler mit schöner Jugenstil-Ornamentik kann aber auch dieses Projekt bei weitem nicht mithalten:

    Bing-Maps Link: Bing Maps - Anfahrtsbeschreibungen, Verkehrsinfos und Straßenbedingungen

    Gleich um die Ecke im Horstweg befindet sich dieser Neubau kurz vor der Fertigstellung:

    Bing-Maps Link: Bing Maps - Anfahrtsbeschreibungen, Verkehrsinfos und Straßenbedingungen

    Eigene Fotos vom 01.07.2012

  • Danke für die bebilderten Mitteilungen, 7UP.
    Die unschöne horizontale Fenstergliederung im Mittelbereich des Neubaus am Horstweg hat m. E. Besseres verhindert; von fehlender Bossierung, Gesimsen oder Fassadenstruktur will ich gar nicht reden...

    ____

    Hier ein Projekt der Bauwert-Gruppe in der Knesebeckstraße 56-59.
    http://www.businessnetwork-berlin.com/2012/04/bauwer…-kurfurstendamm


    Eine deutliche Verbesserung der jetzigen Optik des Kastens:
    Knesebeckstraße 56 - Google Maps

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Bei Betrachtung der realisierten Patzschke - Projekte, kann man in DD nur etwas neidvoll nach Berlin schauen, in der Hoffnung, dass wenigstens ein Teil solcher soliden Architektur nach Sachsen hinüberschwappen möchte.
    Es macht direkt Freude, diese neuen Gebäude zu sehen, die m. E. in gewisser Kontinuität zum gewachsenen Bestand stehen.
    Offenbar besinnt man sich in B. u. a. auf Bautraditionen des Berliner/Preuss. Klassizismus.
    Glückwunsch, wenn ´s so weiter gehen sollte.

    Hier in DD aber von solch eleganten Architekturen nach wie vor kaum eine Spur, höchstens noch in den peripheren Bereichen der Stadt, bei vergleichsweise bescheideneren Projekten.

    Man sehe sich aber nur einmal den Postplatz in DD an.
    Die meisten Forumsteilnehmer kennen bereits diese hausgemachte Misere.

    Hier in DD, findet sich an Neubauten überhaupt keine Spur von leicht gräzisierendem Neoklassizismus, nicht einmal ansatzweise.
    Dabei könnte das der Barockstadt durchaus gut zu Gesicht stehen.
    Statt dessen ein ausuferndes, steriles Konglomerat von einfallslosen, aufdringlichen Kuben, allerliebsten Metallgestängen - überall - und bald fast flächendeckend, ld. nicht nur am Postplatz.
    Dazu kommen noch die Rudimente der ehm. Hauptpost und ein umstrittenes "Denkmal".
    Aber ich möchte nicht weiter abschweifen . . .

  • @Palantier
    yep, gebe dir gerne Recht optisch eine Verbesserung.
    Dazu trag wohl insbersondere der deutlich höhere Steinanteil an der Fassade bei.
    Meistens gilt je höher der Steinanteil desto höhere Wertigkeit der Fassade.