Gründerzeitliche Passagen und Kaufhäuser

  • Zitat von "Schloßgespenst"


    Gar keine: Am Mauritiusplatz in WI stand bis in die 60er Jahre das hier:
    http://www.thorsten-reiss-verlag.de/Wiesbadener_An…usplatz_alt.jpg

    Wow.. das erste Tietz-Warenhaus mit Weltkugel außerhalb Berlins. Wirklich schade, dass es abgerissen wurde.

    ... aber wenn Wiesbaden auf die Weltkulturerbeliste kommt kann man ja evtl. mal über eine Reko diskutieren. Vielleicht als luxuriöses Warenhaus à la Galeries Lafayette oder KaDeWe, nur kleiner. Die Feuerwache könnte man als Kulturzentrum nutzen oder evtl. dort sogar einen Löschzug stationieren.

    Die 60er & 70er haben in Westdeutschland wohl wirklich gnadenlos gewütet, da fällt mir so viel ein wie z.B. das o.g. Warenhaus, das Augustabad in Baden Baden, Hotel Carlton in Frankfurt, der Sportpalast in Berlin, der Kölner Hof in Köln, das Rathaus in Essen, der Altonaer Bahnhof... einfach Wahnsinn was man damals beseitigt hat, heute würde all das strengstens unter Denkmalschutz stehen.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Zitat von "Booni"


    Die 60er & 70er haben in Westdeutschland wohl wirklich gnadenlos gewütet, da fällt mir so viel ein wie z.B. das o.g. Warenhaus, das Augustabad in Baden Baden, Hotel Carlton in Frankfurt, der Sportpalast in Berlin, der Kölner Hof in Köln, das Rathaus in Essen, der Altonaer Bahnhof... einfach Wahnsinn was man damals beseitigt hat, heute würde all das strengstens unter Denkmalschutz stehen.

    Nichts gegen den Sportpalast, aber wenn es um Westberlin geht, dann fallen mir sofort weitaus schlimmere Abriß-Frevel der 60er/70er ein:
    Anhalter, Lehrter und Potsdamer Bahnhof (einer schöner als der andere) oder auch das Haus Vaterland. Aber jetzt sind wir im falschen Faden...

  • Zitat von "Schloßgespenst"

    Nichts gegen den Sportpalast, aber wenn es um Westberlin geht, dann fallen mir sofort weitaus schlimmere Abriß-Frevel der 60er/70er ein:
    Anhalter, Lehrter und Potsdamer Bahnhof (einer schöner als der andere) oder auch das Haus Vaterland. Aber jetzt sind wir im falschen Faden...

    ...diese Gebäude wurden auch nicht wiederaufgebaut aber okay, b.t.T.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Zitat von "Jörn"

    Die Stollwerkhauspassagen gibt es in veränderter Form immer noch! Ich glaube nicht dass die heutige Form irgendwas mit der alten zu tun hat, aber die Neue ist auch sehr geschmackvoll mit einem klassischem Touch!

    Nachforschungen meinerseits ergaben, dass das Gebäude nach dem Krieg modern umgebaut wurde und vor einigen Jahren wieder an den alten Stil angelehnt renoviert wurde. Leider wurde weder das Stollwerckhaus noch die Passage rekonstruiert.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • So, auf Harmonicas Wunsch noch ein bisschen mehr über die Kaisergalerie:

    Die Kaisergallerie an der Ecke Friedrichstraße/Behrenstraße führte mit einem Knick auf die Straße "Unter den Linden". Sie wurde nach Mailänder und Brüsseler Vorbild erbaut und 1873 eröffnet.
    Neben der Kaisergalerie gab es noch die deutlich größere Friedrichstraßenpassage, deren Ruine heute als Kulturzentrum Tacheles dient (früher führte diese Passage von der Friedrichs- zur Oranienburger Straße) und die sehr kleine Lindengalerie, die aber mehr ein Nebenausgang des Metropoltheaters war.
    Erbaut wurde sie vom Actien Bauverein "Passage", dessen Aktien am 1. Juli 1870 an der Berliner Börse ausgegeben wurden. Die Bauarbeiten wurden 1871 begonnen. Am 19.03.1873 wurde die Passage im Beisein zahlreicher prominenter Leute eingeweiht, auch der Kaiser war anwesend (seitdem trug die Passage auch erst den Namen Kaiser-Galerie), 3 Tage später wurde sie für den Publikumsverkehr freigegeben.
    Das Gebäude hatte meiner Meinung nach sehr viel Ähnlichkeit mit der berühmten Gallerie Vittoria Emanuelle II in Mailand, nur halt kleiner und schlichter. Die Fassaden der Passage wurden ornamentreich mit Terracotta verkleidet über der sich dann das schlichte, spitz zulaufende Dach als Glas-Stahlkonstruktion erhob.
    Ín der Kaisergalerie waren zahlreiche Läden und Einrichtungen vertreten, unter anderem ein Hotel, das Kaiserpanorama (ein Vorfahre des Kinos), ein Panopticum (zuerst Castan's Panopticum, nach dessen Umzug 1888 ins gegenüberliegende Pschorr-Bräu-Gebäude [das übrigens heute noch steht], dann das neugegründete Passage-Panopticum und im Knick der Passage das Café Keck, dessen Mittelpunkt nach einer Renovierung 1890 eine Kopie des Springbrunnens, welcher im Jahr 1890 dem Sultan von Marokko vom Kaiser geschenkt wurde.
    Von 1930-31 erfolgte dann ein großer Umbau der Passage im Stil der Neuen Sachlichkeit, der dem Gebäude viel von seinem Flair nahm. Direkt über dem Erdgeschoss wurde ein neues, gewölbtes Glasdach eingezogen und die Schaufensterfront deutlich schlichter gestaltet. Das obere Dach wurde abgebrochen, so dass die oberen Geschosse jetzt direkt mit Tageslicht versorgt wurden.
    Interessanterweise wurde 1938/1939 für den Ufa-Film "Die Geliebte" in den Babelsberger Filmateliers ein Teil der Passage in seiner ursprünglichen Form nachgebaut. Hierbei wurden alle Einzelheiten in Gips nachgebaut, lediglich die Raumproportionen wurden zugunsten der Kamerabewegungen verändert.
    Am 1. März 1943, beim ersten Luftangriff auf Berlin, wird die Passage bis auf einen Rest an der Ecke Friedrichsstraße/Behrenstraße zerstört, dieser Rest gerät bei den letzten Kampfhandlungen 1945 in Brand. Bis 1957 standen noch die Ruinen an der Ecke Friedrichsstraße/Behrenstraße 3 Stockwerke hoch in den Himmel, heute steht dort das zweifellos gelungene Grand Hotel.

    Leider sind die Bauakten der Passage im Krieg verbrannt, doch es gab zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften u.ä. so dass es meiner Meinung möglich sein müsste, das Gebäude zumindest äußerlich und den Passageninnenraum zu rekonstruieren.

    Wer sich mehr für dieses Gebäude interessiert sollte sich das Buch "Die Kaisergalerie" von Johann Friedrich Geist besorgen, dort finden sich auch zahlreiche Informationen zu den Mietern, wo ich besonders das Passage-Panopticum interessant finde, neben dem Haus Vaterland sicherlich eine der eindrucksvollsten Freizeiteinrichtungen der Gründerzeit.

    Zu guter letzt nochmal ein paar Fotos von Bildindex.de:

    Kurz nach der Eröffnung:

    Die Fassade Unter den Linden:

    Detail des Giebels zur Ecke Friedrichstraße/Behrenstraße:

    Der Innenraum, links in der Rotunde das Café Keck:

    Details der Innenfassade:


    Einer der Räume:

    weitere Aufnahmen der Passage:

    Der Innenraum nach dem Umbau:

    Die oberen Geschosse (die Laufstege wurden zur Evakuierung bei Brand eingebaut):


    Nach dem Krieg:



    PS: Sorry wenn der Text manchmal etwas blöd klingt, hab halt einfach o.g. Buch überflogen und manches rausgeschrieben.

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    Karl Kraus (1874-1936)

  • Passage Royale (oder du Roi?) in Brüssel. Auch sehr schön! Leider habe ich aus irgendeinem Grund nur zwei abendl. Aufnahmen und keine Außen- oder Tagesaufnahmen gemacht... :peinlich:

  • Das fehlte noch auf der Liste: http://www.wandsbek.de/Rundgang/Stationen/Station09.htm\r
    http://www.wandsbek.de/Rundgang/Stationen/Station09.htm

    Auf der verlinkten website wird behauptet, dies sei das zweitälteste Kaufhaus Deutschlands(?) Die auf der website abgebildete Inneneinrichtung ist leider nicht mehr vorhanden. Da sieht es von innen aus wie in jedem anderen Kaufhaus.

  • Mal ein paar unbekanntere:

    Kaufhof Wuppertal-Elberfeld:

    Quelle: http://www.rausch-schild.de">http://www.rausch-schild.de


    Karstadt Remscheid-Lennep:

    Quelle: http://www.pipeline.de">http://www.pipeline.de


    Karstadt-Stammhaus in Wismar (wird - obwohl es ein kleines Karstadt-Haus ist nicht verkauft):

    Quelle: http://www.lumma.de">http://www.lumma.de

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Habe ein Paar "schöne" Kontraste aus Kopenhagen...

    "Magasin du Nord" von vorne, Richtung Kongens Nytorv...

    Und die Rückseite...

    Ich glaube von drinnen war es auch nicht das, was es von außen bzw. vornbe verspricht...

    Und das Illum...



  • Für den Neubau des Magasins du Nord wurde die letzten Häuser aus dem 17 JH. abgerissen (das war ca. 1955). :boese: Solche moderne Kaufhäuser gibt es in den meisten Städten Dänemarks...

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Entschuldigt, dass ich diesen Thread noch mal hervorkrame, aber:

    1. Hat das Thema wirklich Potential 8) und

    2. Suche ich dringend ein hochauflösendes Bild der nicht mehr existenten Kaisergalerie von Berlin (Ecke UdL/Friedrichstraße, heute Westin Grand Hotel). Hier wurde mal eines von flickr eingestellt, leider kann ich es partout nicht finden. :? Kann mir jemand helfen, bitte?

  • Zitat

    Unter dem Namen "Karzentra" existierte dann bis 1968 im ehemaligen Bormass-Gebäude ein Kaufhaus, welches danach abgerissen wurde und durch einen Neubau der Karstadt AG ersetzt wurde


    Ja, eine von Wiesbadens schlimmsten städtebaulichen Freveln der 60er Jahre. Für den Karstadt-Neubau wurde damals übrigens nicht nur das historische Kaufhaus abgerissen, sondern auch die rückwärtig an der Neugasse gelegene alte Feuerwache. (die übrigen Häuser auf dem Bild, darunter auch das Schenksche Haus ganz links, sind erhalten)

    Ich frage mich ernsthaft, ob es den Kaufhausketten heute genauso schlecht gehen würde, wenn sie ihre vom Krieg verschonten Prachtbauten aus der Kaiserzeit nicht zugunsten von Neubauten abgerissen hätten, sondern originalgetreu erhalten und gepflegt, ggfs. durch Anbauten erweitert hätten. Ich glaube, manch ein Kunde würde ein historisches Prunk-Kaufhaus der gesichtlosen "Mall" vorziehen - sofern Angebot und Preise stimmen. Dem Görlitzer Karstadt hat seine erhaltene Pracht zwar letztendlich auch nicht weitergeholfen, aber das hat ja andere Gründe.

  • Zitat von "Schloßgespenst"


    Ich frage mich ernsthaft, ob es den Kaufhausketten heute genauso schlecht gehen würde, wenn sie ihre vom Krieg verschonten Prachtbauten aus der Kaiserzeit nicht zugunsten von Neubauten abgerissen hätten, sondern originalgetreu erhalten und gepflegt, ggfs. durch Anbauten erweitert hätten. Ich glaube, manch ein Kunde würde ein historisches Prunk-Kaufhaus der gesichtlosen "Mall" vorziehen - sofern Angebot und Preise stimmen. Dem Görlitzer Karstadt hat seine erhaltene Pracht zwar letztendlich auch nicht weitergeholfen, aber das hat ja andere Gründe.

    Eben. Und deswegen hat das eine mit dem anderen rein gar nichts zu tun. Das Problem von Karstadt liegt darin, dass es sich durch die ganzen Nebengeschäfte (Bank, Versicherung etc) verzettelt hat. Der Rubel rollt ja im Einzelhandel komischerweise immer noch.

  • Zitat von "Kindvon2dresdnern"

    Eben. Und deswegen hat das eine mit dem anderen rein gar nichts zu tun. Das Problem von Karstadt liegt darin, dass es sich durch die ganzen Nebengeschäfte (Bank, Versicherung etc) verzettelt hat. Der Rubel rollt ja im Einzelhandel komischerweise immer noch.

    Ja, das natürlich auch. Obwohl ja allgemein das Ende des klassischen Warenhauses aufgrund geänderten Käuferverhaltens prophezeit wird. Aber ich meinte vor allem die geringe Kaufkraft in Görlitz wegen Einwohnerschwund, hoher Arbeitslosenquote und Konkurrenz durch polnische Nachbarstadt.

    @ Palantir

    Ein richtiges Foto dieses Gebäudes sehe ich hier zum ersten Mal, aber ich habe mal ein Bild mit Blick in die Kirchgasse aus den 50er oder 60er Jahren gesehen, auf dem man seitlich am Bildrand einen repräsentativen Altbau mit Karstadt-Schild erkennt - das wird dasselbe gewesen sein. Offenbar wurde das historische Kaufhaus von Karststadt genutzt, bis man sich zum Rundumschlag entschied und alles inklusive der genannten Nachbarbauten zugunsten des Neubaus abriß. :(

  • Ehemalige Kaisergalerie Friedrichstraße/Behrenstraße/UdL

    Zitat von "Erbsenzaehler"

    Danke, aber das Bild hab ich natürlich schon gefunden ;) Mir ging's um ein flickr-Bild, das hier mal eingestellt wurde, das auch die Nachbarbebauung an der Friedrichstraße detailgetreu zeigte.

    Wenn du so ein Bild kennst, immer her damit! 8)

    Ick kenn sogar zwee, wenn De Dich hiermit bejnüjen kannst:

    Ca. 1900

    Ca. 1910

    Bilder sind gemein und frei.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Der Abriss ist natürlich Mist gewesen. Schon aufgrund der Zerstörung des Bauschmucks. Also, ich denke, darüber dürfte in der Forumsgemeinde fast Konsens herrschen.

    Aber das jetzige Gebäude ist so schlecht nicht. Es passt sich durchaus ein, nutzt auch das für das Rheinland typische Backstein-Element. Die Seitenachsen haben altstädtische Fensterrahmen, die Hauptachse bildet ein mit Giebel bekrönter Risalit. Das Gebäude wirkt allerdings postmodern. Ist das wirklich die Fassung von 1969? Das kann ich mir kaum vorstellen. Oder ist das eine Fassadenüberarbeitung, die etwa 1990 stattgefunden haben könnte?...