Der Neumarkt Dresden - archivierter Strang

  • Stefan, also Neumarkt 16, denke ich, wird mit großer Wahrscheinlichkeit als Fassadenrekonstruktion kommen. Aber das macht die restlichen Entwürfe auch nicht besser. War ja am vergangenen Wochenende vor Ort. Abgesehen von den gelungenen Fassadenrekos ist ein Gang durch die "Altstadt" wie ein Gang durch ein Minenfeld. Man sucht immer nach der "schönsten Route". Um so schlimmer ist es, daß diese Dilettanten und Antiästhetiker vom Stadtrat immer neue Minen zulassen :x . Ich hasse diese Bande wirklich von ganzem Herzen.

    "Willst du eine Stadt vernichten, baue Kisten, Kisten, Kisten!"

  • Philon, ich bleibe auf dem Teppich; was bleibt mir weiter übrig? Wollte hier auch keine Mobilmachung in Gang setzen :zwinkern: . Es ist nur völlig frustrierend zu sehen, wie Politiker und Investoren es schaffen den Neumarkt zu verhunzen. Das beginnt mit dem Advanta-Riegel im Westen und endet mit dem "Neuen Palais" im Osten. Dazu die tollen Kompromisse, die wir jetzt an der Töpfergasse geniessen dürfen....aber natürlich bleibe ich auf dem Teppich. Es geht ja auch nur um die Träume einer Anzahl Nostalgiker, die dummerweise den Sinn für Schönheit mit in die Wiege gelegt bekommen haben. Es gibt tatsächlich Studien, die besagen daß man den Sinn für Schönheit einfach hat oder man hat ihn eben nicht. Angeboren sozusagen. Manchmal wünschte ich mir, ich hätte ihn nicht bekommen. Dann würden Spaziergänge durch Dresden nicht so wehtun. Werden die Gebäude gebaut, die momentan in Planung sind, d.h. "moderne Annährung"andie Bebauung der Wilsdruffer Straße, das "Ei" am Schützhaus und vieleicht noch das Gewandhaus als Sahnehäubchen, werden leider viele von uns bzgl. ihrer Träume auf dem Teppich bleiben müssen. Aber nichts für ungut. Stehe immer noch unter den frischen Eindrücken der Fluchttreppe am Landhaus und der tollen Schmetterlingskonstruktion am Postplatz; wie gesagt, sehr frustrierend! :weinen:

    "Willst du eine Stadt vernichten, baue Kisten, Kisten, Kisten!"

  • @ Armin:

    Na ja, meine kleine Mahnung bezog sich - wie nikos schockierte Reaktion - auch in erster Linie auf den mittlerweile gelöschten post von uaoj36.
    Ich habe dich nur en passant mit angesprochen, weil ich nach deiner Wutäußerung fürchtete, ihr würdet euch jetzt gegenseitig hochschaukeln :zwinkern:

  • Philon

    Hab ich auch so verstanden. Dieses Gefühl des Übergangenwerdens und die Ohnmacht etwas wirklich Effektives dagegen zu tun lassen die Hormone manchmal durchdrehen. Das Problem teile ich, denke ich, mit vielen der Anwesenden hier im Forum.

    "Willst du eine Stadt vernichten, baue Kisten, Kisten, Kisten!"

  • Zitat

    Dieses Gefühl des Übergangenwerdens und die Ohnmacht etwas wirklich Effektives dagegen zu tun lassen die Hormone manchmal durchdrehen.

    Ich denke auch das viele hier (ichselber inklusive) manchmal etwas aehnliches fuehlen.
    Man sollte aber doch bitte bis zehn zaehlen und tief atemholen bevor man etwas postet.Die Sache hilft man nicht durch all zu viel Impulsivitaet, Ruhe bewahren und objektiv bleiben sollte das Kredo sein.

    P.S.Bei mir hilft es immer sehr gut um etwas gegen Boxsaecke zu hauen um
    die Agression los zu werden.Eine Idee vielleicht? :boxenrot:

  • Tja, schwieriges Thema. Ich kann die "Wutanfälle", die sich aus dem Gefühl der Machtlosigkeit ergeben, schon gut verstehen. Leider bringen die einen auch nicht weiter.
    Man müsste halt eine Partei des Wiederaufbaus gründen mit einem ästhetischen Manifest. :) Ich stelle immer wieder in Gesprächen fest, dass den meisten Menschen der kulturelle Verlust in seinen ganzen Dimensionen gar nicht bewusst ist. Die meisten haben nur von der Zerstörung Dresdens und Hamburgs gehört. Wenn ich denen Fotos von Nürnberg oder Frankfurt vor dem Krieg zeige, kommen die aus dem Staunen nicht mehr raus ;)

    "Nürnberg leuchtet wahrlich in ganz Deutschland wie eine Sonne unter Mond und Sternen"
    (Martin Luther)

  • Armin
    Du hast mir mit jedem Satz aus dem Herzen gesprochen.
    Ich glaube die Symbiose zwischen Leuten wie Feßenmayr und seinen „Stararchitekten“ funktioniert nach dem altbekannten Prinzip, das so trefflich im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ beschrieben wird. Feßi dabei allegorisch als tumber Kaiser, der sich von cleveren Pseudoprofis einreden lässt, dass er mit ihren Bauprojekten kühne und zukunftsweisende Architektur auf den Weg bringt, die aber eben leider die Lieschen und Fritzchen Müllers dieser Welt intellektuell weit überfordert.
    Mir kommt die Galle hoch wenn ich an von Dörings Statements beispielsweise zum Gewandhaus denke und dann (aus garantiert seriöser Quelle) erfahre, wo der Mann selber wohnt: Dresden Striesen, gutbürgerliche Villengegend mit weitgehend erhaltener Vorkriegsbebauung. Mein (ganz in der Nähe wohnender) „Informant“ kennt sich nach eigener Einschätzung „nicht so gut in Baustilen aus“, aber nach seinen Beschreibungen ist von Dörings Dresdner Wohnsitz eine typische Stadtvilla aus wilheminischer Zeit. Glaub mir Armin, die haben kein wesentlich anderes „Ästhetik-Verständnis“.

  • Solange ein Walter - Wiesen - Weidauer noch "Ehrenbürger" dieser Stadt ist, dem wir dieses entsetzliche Stadtbild des heutigen Dresdens zu verdanken haben, solange werden wir wohl damit leben müssen, dass auch andere in Dresden rücksichtlos ihre Ziele weiter verfolgen.

    Hätte es diese Kulturbarbaren nicht gegeben, Dresden wären sehr viele Gebäude und Straßenzüge nach dem Krieg erhalten geblieben! Sophienkirche, Neustädter Rathaus, Große Meißner Straße, Villa Rosa, Rampische Straße, Austellungsgelände und unzählig viele private Häuser von denen sich die meisten kein Bild mehr machen können...

  • Vielleicht schreibe ich diese Gedanken nicht in der richtigen Rubrik, aber ich möchte sie trotzdem loswerden. Der p.t. Moderator möge diese Zeilen, sofern nötig, getrost verschieben. Dresden dient mir hier nämlich nur als Beispiel, man kann wohl dutzende andere Städte für einen ähnlichen Vergleich heranziehen.

    Das Stadtgebiet von Dresden weist eine Gesamtfläche von 328,30 km² auf. Die Innere Altstadt "verschlingt" davon heiße 0,83 km², also verschwindend wenig möchte man meinen. Nun engagieren sich dort mit viel Hingabe und Liebe zahlreiche Bürger für einen möglichst originalgetreuen Wiederaufbau dieses ehemals glanzvollen Flecken. Sie wollen das alte Gesamtbild wiederherstellen, die Geschichte sichtbar machen, dem Ort wieder seine Seele geben. Wieso schaffen es manche Modernisten einfach nicht, den Traditionalisten dieses winzige Fleckchen der Stadt für die Verwirklichung ihrer Träume zu überlassen? Weil der Ort prestigeträchtig ist? Ja, aber das ist er doch aufgrund seiner Geschichte und ihrer erneuten Sichtbarmachung. Er bezieht sein Prestige nicht daraus, dass ein abgehobener Dekonstruktivist dort seine Blech-Glas-Klötzchen hinstellt. Brauchen wir Spannung, Diskussion, Kontrast oder sonstwie marketingtauglich formulierten Unfug? Fürchtet sich die Dekonstruktivisten-Truppe so vor der Vergangenheit, dass sie keinen Schritt zurückweichen kann? Können die ihre modernistischen Träume nicht auf den übrigen 327,47 km² der Stadt verwirklichen? Wie kann man nur so überheblich und unerbittlich sein?

  • Schlapfen

    Wahrscheinlich haben sie einfach Angst, daß nach Fertigstellung eines solchen Viertels die Leute immer mehr davon wollen. Sie versuchen, auf ihre Weise, Schadensbegrenzung zu betreiben.

    @ Bautzen-Fan

    Ja, so stelle ich mir das auch in etwa vor. Dieser Gedanke, daß sie uns für intellektuell überfordert halten, treibt mir schon wieder die Zornesröte ins Gesicht. Ich denke, ich werde die Idee mit dem Sandsack vieleicht wirklich mal probieren.........kommt ein großes Bild von von Döring drauf! :gg:

    "Willst du eine Stadt vernichten, baue Kisten, Kisten, Kisten!"

  • Schlapfen

    Hi...könntest du dich bitte einmal bei mir mit richtigem Namen und Wohnortangabe melden? Ich würde Deinen Beitrag gerne im Leserbriefteil des aktuellen Neumarkt-Kureirs abdrucken...

    Herzliche Grüße
    Stefan Hertzig
    mailto:stefan.hertzig@gmx.de">stefan.hertzig@gmx.de

  • Auf der Seite der GHND e.V. gibt es einen Artikel der in der "Sächsiche Zeitung" veröffentlicht wurde. Einige Auszüge:

    Zitat

    Diskussion. Architektur und Städtebau stehen in Dresden am Scheideweg: Wie entwickelt sich die Stadt jetzt weiter?

    Mit dem Wiederaufbau der Frauenkirche hat Dresden ein architektonisches Juwel mit internationaler Ausstrahlung. Beim Kolloquium „Stadt Raum Fluß“ der Sächsischen Akademie der Künste ging es unter dem Kunsthistoriker Jürgen Paul am Sonnabend darum, wie ihr Niveau künftig auf andere Stadtbauten übertragen werden kann. [...] Es fehle vor allem an der handwerklich meisterlichen Leistung dort, kritisierte Annette Friedrich, ehemals Stadtplanerin in Dresden, nun in Heidelberg tätig. „Der Anspruch hätte viel höher sein müssen, das darf man nicht einfach in drittklassige Hände geben.“ Der geplante Ansatz der Leitbauten sei gar nicht ernsthaft betrieben worden. [...] Der Architekt Peter Kulka kritisierte, „der Postplatz ist ungenießbar, dabei ist der Zwinger mindestens genauso bedeutend wie die Frauenkirche. Jetzt liegt er hilflos da vor lauter Licht und Lampendesign.“ Engelbert Lütke-Daldrup: "Dresden sei bereits jetzt eine moderne Stadt, sagte Jürgen Paul. Sie werde also solche von den Dresdnern aber kulturell nicht akzeptiert."

    Für den Kultursoziologen Karl-Siegbert Rehberg ist die Rekonstruktion des Neumarktes in dieser Form Ausdruck eines gravierenden Wertewandels, „Zeichen einer geschichtstrunkenen Nostalgie“.

    Der Architekt Peter Kulka hält den historisierenden Neumarkt für misslungen. Die Stadt könne nicht durch Heile-Heile-Segen wieder aufgebaut werden.

    http://www.neumarkt-dresden.de/\r
    http://www.neumarkt-dresden.de/ Der Artikel ist unter "News" zu finden.

    http://www.sz-online.de/nachrichten/base.asp?ausgabe=301\r
    http://www.sz-online.de/nachrichten/bas ... usgabe=301

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Es scheint, Herr Kulka verwendet die gleichen hohlen Flosskeln wie die Herren in Frankfurt:

    Zitat

    Ich war acht Jahre alt, als Dresden zerstört wurde. Vieles wurde im Nachhinein idealisiert. Niemand möchte heute mehr in Häusern leben, in denen kein Sonnenstrahl in die Wohnung fällt.

    Dr. Nadler würde sich im Grab umdrehen, wenn er dies hören könnte. Das Gebäude mit dem wohl wenigsten Lichteinfall im Zentrum ist paradoxerweise die Synagoge und das Pyramidenhaus a la Mussolini.

    Am meisten ärgert mich aber das:

    Zitat

    Dresden muss auch Ort für eine progressive Jugend und deren Vorstellungen werden. Im Moment scheint es mir zu viele Liebhaber der älteren Generation zu geben.

    Mitnichten! Man läßt uns nur nicht wie wir wollten! Die alten, Herr Kulke, Herr Hänsch, Herr Feßenmayr, ...., sind die Verhinderer!!!!

  • Zitat von "Exilwiener"


    Am meisten ärgert mich aber das:


    Er ist sehr widersprüchlich, der Herr Kulka,
    denn weiter vorn schreibt er richtig:

    Zitat


    Die einzelnen Bevölkerungsgruppen haben sich außerhalb des Zentrums ihre Viertel gesucht, so zum Beispiel die Jugend die Neustadt.


    Das müßte ihm doch eigentlich zu denken geben,
    daß sich seine progressive Jugend ausgerechnet im denkmalgeschützten gründerzeitlichen Kiez-Millieu der äußeren Neustadt wohl fühlt.

  • Miwori

    Richtig! Und es gibt noch mehr davon:

    Zitat

    Für mich stehen diese Bauten dafür, dass Dresden in allem Unglück auch immer Glück hatte. Es war ein Glück, dass Dresden nach dem Krieg nicht unter den damaligen Bedingungen sofort wiederhergestellt wurde. Es war ein Glück, dass es Leute gab, die versuchten, die Reste von Semperoper, Frauenkirche und Schloss zu bewahren.

    Aussage und Widerspruch sogar in zwei nacheinander folgenden Sätzen. So, als hätte das eine nichts mit dem anderen zu tun. Abgesehen von der Gemeinheit - Löffler würde dazu sogar "Kulturbarbarei" sagen -, dass er den Nichtwiederaufbau nach dem Krieg als Glück (sic!) bezeichnet. Das ist also der Grund und der Verdienst, warum Weidauer Ehrenbürger wurde. Ich bin leider zu blöd, um dieses Glück zu begreifen. Die armen Polen tun mir wirklich leid, dass sie ihre Altstadt gleich nach dem Krieg wieder aufgebaut haben und nun eine von der Unesco als Weltkulturerbe ausgezeichnete Innenstadt besitzen. Hätten auch die Warschauer das gleiche Glück wie die Dresdner gehabt, dann würde es auch heute noch so wunderschön aussehen wie...

  • Ich finde dieses Interview auch sehr fragwürdig:

    Zitat

    Die momentane Seligkeit der Menschen beim Anblick des Neumarkts erschreckt mich ein wenig, andererseits mache ich mir Gedanken, was die Ursachen dafür sind. Ich stelle mir die Frage, an wen wendet sich dieses Disneyland? Man glaubt, es handle sich um die eigene Identität, aber es ist nicht einmal die Identität der Vorfahren. Von Leitbauten war die Rede, aber außer der Frauenkirche selbst finde ich eigentlich bisher keinen wirklichen Leitbau im Neumarkt-Viertel.

    Eigentlich hat er recht, aber ich werde den Verdacht nicht los, er wünschte sich lieber die Verwirklichung der Entwürfe beispielsweise aus den Siebzigern. Schreibt er doch zu zeitgemäßer Architektur:

    Zitat

    Es ist eine unbestimmte Angst vor dem Neuen. Moderne Architektur vermittelt kaum wie die traditionelle durch Masse und Ornament Geborgenheit. Sie wird industriell gefertigt, und viele Gremien reden mit. August der Starke konnte machen, was er wollte. Wenn Sie heute bauen, müssen Sie zahllose Leute beteiligen und die Entwürfe zigmal ändern. Gute Architektur zu machen ist unter diesen Bedingungen sehr schwer. Alle glauben, sie könnten da mitreden. Eine Stadt ist kein Wohnzimmer, das sich jeder nach eigenem Geschmack einrichtet, sondern ein öffentlicher Raum. [...] Diese Diskussionen haben oft provinzielle Züge. Ich frage mich, ist es schon wieder die Stadt hinter den sieben Bergen?

    Nach dem Motto: die Bevölkerung hat doch keine Ahnung!


    Apropos:

    Zitat

    Am umstrittensten war die Bebauung des Neumarktes nach historisierendem Vorbild. Die etwa 100 Teilnehmer des Kolloquiums waren mehrheitlich der Ansicht, dass diese Bauten nicht als Leitbild für die Innenstadt gelten dürfen.

    War jemand am Samstag dort?

  • An Kulkas Aussagen erkennt man meiner Meinung nach hauptsächlich, wie das Bedürfnis nach architektonischer Schönheit kleingeredet wird, weil es als Gefahr für die schöne neue Welt mit ihren Glaskästen angesehen wird. Das Kolloquium hat andererseits eigentlich weitestgehend die Positionen der GHND vertreten, indem "echte" Leitbauten verlangt werden anstatt reinen Fassaden. Aber mit einem Mann wie Feßenmayr wird sich daran wohl kaum was ändern. Vor dem QIII graut es mich jetzt schon.

  • Zu dem Wikipedia-Link, den Exilwiener vor einiger Zeit angegeben hat:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Neumarkt_%28Dresden%29#B.C3.BCrgerbegehren\r
    de.wikipedia.org/wiki/Neumarkt_% ... erbegehren

    Offenbar ist mittlerweile der Satz, dass das Verhalten der Stadt Dresden im Hinblick auf das Bürgerbegehren fragwürdig sei, wieder aus dem Text verschwunden.