Der Neumarkt Dresden - archivierter Strang

  • Zitat von "Bert"

    geht es denn bei der VVK jetzt endlich los, oder sind die Bagger auf dem letzten Bild nur eine optische Täuschung???

    Nun, ich war Mitte letzter Woche auf dem Neumarkt und habe diese Baugeräte auch gesehen. Das sind irgendwelche Rammen, die diese Stahlträger gegen das Grundwasser in den Boden rammen. "Echte" Baufahrzeuge habe ich nicht sehen können und die Baugrube sah noch immer sehr verlassen aus.

  • So, das Albertinum ist das also auf dem Foto. Okay, und ist das Ganze nur eine besonders "schöne" Plane für die Renovierung oder was soll das?

    Ich weiß übrigens gar nicht, wieso Ihr so über das Eckgebäude an der Münzgasse lästert (die Edelplatte mit den vielen Gauben). Das ist doch wirklich ein gewisser Lichtblick im Vergleich etwa zum Polizei-Anbau am Neumarkt und neben dem Hilton und den Altmarkt-Häuserzeilen so ziemlich das einzige Dresdner Gebäude aus DDR-Zeiten, was sich wenigstens ansatzweise ans historische Dresden anlehnt. Besser solche Dinger als Kulturpaläste der die richtig häßlichen Platten in der Wilsdruffer Straße (von der Prager mal ganz abgesehen)!

  • Ich glaub da wird auch eher drüber gelästert, dass man diese Gebäude nun versucht, historisierend zu gestalten obwohl man sonst ja immer Rekos kaputtredet :zwinkern:

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • @ das Schloßgespenst
    Schau dir dieses Photo an und du verstehst sofort, was ich mit den "auffälligen Gauben" meinte! :lachen:

  • das albertinum sieht doch so nicht schlecht aus - mal was modernes im barocken dresden!
    ich finde man sollte die baustellen-fassade auch in zukunft erhalten!

    war natürlich nur blödsinn... :zwinkern:

  • eindrückliches bild, welches die problematik der gauben verdeutlicht.
    die vergleichende methode "nichts so schlimm wie" halte ich indes für unangebracht.man sollte jedes objekt für sich sehen. insofern ist auch dieses gebäude ein dorn im auge für den neumarkt. die einhaltung gewisser prinzipien des gebäudes aus ddr-zeiten kann nicht über die schwäche bei der dachgestaltung hinwegtäuschen. die seitliche verglasung der gauben ist ein solches gestalterisches manko, das jedoch verbessert werden kann, ohne dass gleich das ganze gebäude abgerissen werden müßte. auch sonst wäre sicherlich fassadentechnisch noch einiges verbesserungsmöglich.

    für mich ist das hilton in der nachbarschaft ebenfalls ein problematisches objekt (fensterformat, -versprossung, bauvolumen ohne echte gliederung,...), dessen man sich einmal annehmen sollte.

  • Mit dem Hilton hat Stefan vollkommen recht. Ich finde auch, dass das Hilton irgendwie garnicht so richtig in Dresden rein passt. Es hat weder was barockes, edles oder besonderes an sich. Sowas sollte garnicht in der DDer Altstadt stehen.

  • Zitat von "Remy"

    Mit dem Hilton hat Stefan vollkommen recht. Ich finde auch, dass das Hilton irgendwie garnicht so richtig in Dresden rein passt. Es hat weder was barockes, edles oder besonderes an sich. Sowas sollte garnicht in der DDer Altstadt stehen.


    Man muß das historisch sehen:
    Es war damals in den 80er Jahren ein Anfang. Eine Abkehr von der bis dahin praktizierten Verfahrensweise, alles Alte plattzumachen und durch quaderförmige Betonklötzer zu ersetzen.

    Kurz vorher noch war der Platz um den Goldenen Reiter und die "Straße der Befreiung" (heute wieder "Hauptstraße") neu bebaut worden mit WBS70 Einheits-6-Geschossern!

    Deshalb muß man eigentlich dankbar sein, daß da kein viereckiger Klotz steht.
    Und man kann es ja noch verschönern!

    Und in 30 Jahren wird es vielleicht auch mal ersetzt werden.

  • Ehrlich gesagt, mir wäre eine möglichst hässliche Platte lieber gewesen. Mit diesem Bau, der jetzt auch "verschönert" wird, werden sich die meisten Dresdner wohl abfinden und das Bedürfnis, den Komplex abzureißen, ist nicht hoch. Eine Platte würde wohl, so wie der Polizeianbau, ohne weiteres abgerissen werden.

    --
    Aenos

  • Ein Termintip an die Dresdner:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    Auf unserer 7.Fraktionssitzung am Dienstag, dem 25.Nov., 17 h Zi. 211 im Rathaus behandeln wir im TOP 5.19 (gegen 18 Uhr) den vorhabenbeszogenen Bebauungsplan r. 626 Dresden - Altstadt I, Neumarkt, Quartier //.1 - An der Frauenkirche/Rampische Straße, hier:1.Beschluss über anregungen sowie Stellungnahmen; 2. Satzungsbeschluss und Billigung der Begründung zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan.

    Der TOP ist öffentlich. Falls ein Vertreter der Gesellschaft Wiederaufbau historischer Neumarkt daran teilnehmen möchte, ist dies grundsätzlich einschließlich Rederecht möglich.


    Da sollten möglichst viele von Euch hingehen, da die Bürgerfraktionen und die Volkssolidarität, von der die Sitzung ist, im Dresdner Stadtrat auf unserer Seite sind.

  • Scheint ja leider nicht auf Resonanz zu stoßen. Geht denn jemand von den Dresdnern hin? Ich würde mich über einen Bericht freuen. Vielleicht sind auch Vertreter der GHND da.

  • Hallo,

    so, Diplomarbeit ist abgegeben und nun hoffe ich wieder etwas mehr Zeit zu haben... Also ich war vorgestern mal kurz am Neumarkt und hatte auch erst überlegt, die Kamera mitzunehmen. Aber viel Wesentliches ist noch nicht passiert: bei Prisco stehen 2 Kräne zu vielleicht 1/4 Höhe (weiß nicht, warum die nicht schon ganz aufgebaut wurden - das dauert doch höchstens 1-2 Tage) und sonst tut sich in der Baugrube leider noch nichts. Allerdings hat es die letzten 2 Wochen praktisch jeden Tag mehr oder weniger geregnet und der Boden dürfte sehr schlammig sein. Vielleicht kommt es daher zu einer Bauverzögerung, da Baufahrzeuge nicht gefahrlos in die Grube fahren können.
    Die VVK ist gerade dabei das Areal mit Stahlplanken rundherum abzudichten. Nebenbei werden auch noch die letzten Außenmauern der Keller abgerissen und die Grube weiter ausgehoben. Ich bin doch erstaunt wie relativ klein das Areal ist, denn auf den Bildern wirkt es immer recht groß.
    Beim Polizeigebäude ist die Front zur Landhausstraße abgerissen und der Schutt wird gerade abgetragen. Abrisstermin für den kompletten Bau soll nächstes Jahr im Spätsommer sein und man ist auf einem guten Weg.
    Bei der Baywobau stehen die Außenmauern des Erdgeschosses der Apotheke und des Hotel de Saxe. Alles wie auf den Bildern bei der GHND-Seite zu sehen, aus Stahlbeton. Bei "meinem" Haus, Landhausstr. 4 wurde noch nicht mit dem Hochbau angefangen. Beim Vorbeilaufen war ich etwas verwirrt: die linken und rechten Schaufenster der Salomonisapotheke gehen im Rohbau bis auf den Fußboden. Ich habe mir dann mal das Modell angeschaut und dort ist dies auch so. Ich dachte eigentlich, dass bei einem Leitbau dieser auch komplett rekonstruiert wird und nicht nur teilweise?! Bei den anderen historischen Gebäuden, die "freiwillig" gebaut werden, kann ich eine Angleichung an heutige Bedürfnisse noch verstehen, aber nicht bei den Leitbauten. Kann aber natürlich sein, dass die Lücke des Schaufensters noch geschlossen wird und man eine Brüstung bekommt.


    Quelle: http://www.neumarkt-dresden.de">http://www.neumarkt-dresden.de Hier sieht man, dass das Eckfenster einen Sims hat.


    Quelle: http://www.neumarkt-dresden.de">http://www.neumarkt-dresden.de Im Modell und wie es jetzt auch aussieht in der Ausführung: kein Sims der Fenster.

    Abgesehen davon (und der Stahlbetonbauweise) macht das Areal bisher einen sehr guten Eindruck und man kann jetzt schon spüren, wie gewaltig das Hotel de Saxe einmal ausgesehen haben muss - und zum glück auch wieder aussehen wird!

    Schräg hinter dem Info-Pavillon verlegen zZt Lehrlinge auf einer Anschaufläche Pflastersteine. Und es sieht verdammt gut aus. Kann es kaum erwarten, bis damit begonnen wird, den eigentlichen Neumarkt zu bepflastern.

  • Es ist nun mal so, daß die Stadt den Investoren inzwischen freie Hand, auch bei den sogenannten Leitbauten, läßt. Hauptsache, es sieht einigermaßen historisch aus. Auch bei der VVK werden aus den Leitbauten plötzlich simple Fassadenrekonstruktionen, die dem Anspruch der Anfangszeit kaum genügen. Das Haus zur Glocke wird zum Beispiel ahistorisch um ein Stockwerk aufgestockt. Die Einwände des Gestaltungsbeirats, dem auch Heinrich Magirius angehört, werden von der Stadt ignoriert. Langsam entwickelt sich das, wenn man alles zusammenzählt (Abriß der Keller, Stahlbeton, Leitbauten werden nicht exakt rekonstruiert, Grundrisse der Leitbauten nicht wiederhergestellt) zu einem ganz großen PFUSCH. Spielt dem Disneyland-Vorwurf nur in die Hände.


    Hierzu eine Veröffentlichung des Stadtrates Werner Klawun von der Volkssolidarität:


    Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, verehrte KollegInnen Stadträte, liebe Dresdner Mitbürger,


    Vor uns liegt die Vorlage V4063 vom 1.6.2004: Der vorhabensbezogene Bebauungsplan Nr. 626, Dresden Altstadt I, Neumarkt, Quartier II.1 an der Frauenkirche / Rampische Straße, 74 Seiten stark, zur Beschlussfassung über Anregungen und Stellungnahmen, Satzung und Billigung der Begründungen mit einer Zustimmung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Bau: 11 : 0 : 0.

    Alles ist darauf angelegt, dass hier ohne Debatte entschieden werden könnte.


    Mit keinem Wort wird in diesem riesigen Dokument erwähnt, dass es zu dieser Problematik ein Bürgerbegehren der Dresdner Bürger mit 63 000 Unterschriften gibt, die dem Oberbürgermeister bereits im vergangenen Jahr übergeben wurden.


    In der Begründung des Bebauungsplanes wird in sehr widersprüchlicher Art und Weise einerseits auf das städtebaulich-gestalterische Konzept vom 28.6. 1996, modifiziert am 1.12.2001 und am 17.1.2002, Bezug genommen, andererseits werden die Einwände der durch den Oberbürgermeister eingesetzten Gestaltungskommission weitgehend ignoriert.


    Dies geht aus einem Schreiben von Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Magirius vom gestrigen Tage hervor, in dem es heißt: dass „die Kommission sich mit der Aufstockung des Hauses „Zur Glocke“, die nun erfolgen soll, nicht einverstanden erklären kann.“ Weiterhin gibt Prof. Dr. Dr. h.c. Magirius zu Bedenken: „ Leider ist es nicht das einzige Mal, dass der Rat der Gestaltungskommission zwar angehört wird, aber Folgerungen aus deren Beschlüssen nicht gezogen werden. Ich glaube, im Namen der Kommission zu sprechen, wenn ich die Beratungstätigkeit als oft wenig befriedigend bezeichne“.


    Im persönlichen Gespräch hatte Prof. Magirius mir gegenüber erläutert, dass er damit nicht im Namen des Leiters der Kommission, Herrn Bürgermeister Feßenmayr spricht.


    Er vermisste den respektvollen Umgang mit den Vertretern der vom Oberbürgermeister berufenen kompetenten Vertreter der besonderen Tradition Dresdens.


    Der Umgang mit dem besonders sensiblen Herzstück unserer Stadt, dem Neumarkt rund um die wiedererstandene Frauenkirche.


    Weiterhin werden in dem Bebauungsplan mit einem Federstrich die zwei in diesem Quartier vorgesehen Rekonstruktion der Häuser in Fassadenrekonstruktionen reduziert.

    Das widerspricht sowohl der Gestaltungssatzung, als auch dem erklärten Willen der Gestaltungskommission und einer großen Mehrheit der Dresdner Bürger, welche sich mit dem Wiederaufbau des historischen Dresdner Neumarktes befasst haben.


    Das ist die einhellige Meinung aller derjenigen, die den archäologischen Wiederbau der Frauenkirche bewirkt haben, wie


    Professor Dr. Hans Nadler, der Nestor der sächsischen Denkmalpflege,

    der durch die unverzeihliche Ignoranz der Stadtverwaltung und deren Hofierung eines zweifelhaften “Investors aus seiner Wirkungsstätte entfernt wurde,


    des Landesbischofs a.D., Dr. theol. Johannes Hempel,

    Prof. Blobel, der Dresdner Nobelpreisträger, z.Zt. New Yorck.

    die Mitbegründer der Stiftung Wiederaufbau Frauenkirche,

    Pfarrer Dr. theol. Karl-Ludwig Hoch und Dr. Christoph Hoch,

    des Historikers Prof. Dr. Hans-Joachim Neidthardt,

    des Sprechers der Gestaltungskommission, Herrn Dr. Heinrich Magirius

    und aller anderen Persönlichkeiten, die ich seit gestern erreichen konnte.

    Auch der Ortsbeirat Altstadt beschwerte sich, dass er nicht zu diesem Bebauungsplan angehört wurde.


    Deshalb muss diese Vorlage in den Ausschuss zurückverwiesen werden, was ich im Namen der Bürgerfraktion hiermit beantrage.

  • À propos Pfusch und Disneyland:

    So sehr ich die möglichst historische Bebauung des Neumarkts herbeisehne, das Hotel des Saxe ist eigentlich schon ein bißchen problematisch. Denn hier wird eben nichts rekonstruiert, was ohne Harris und Ulbricht noch stehen würde, sondern ein Gebäude, das die Dresdner bereits Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen hatten, das also selbst die ältesten noch lebenden Dresdner nicht mehr gekannt haben.

    Ich kann's nicht genau begründen, aber ich war immer der Meinung, daß Rekonstruktionen den Zustand kurz vor dem Krieg wiederherstellen sollen, bzw. wenn der Abriß nach dem Krieg erfolgt war, dann den Zustand vor dem Abriß, nicht aber irgendwelche Zustände, die schon seit über 100 Jahren passé sind (Man könnte sonst auch etwa in Frankfurt anstelle des Technischen Rathauses Frankfurt in der Braubachstraße auch Altstadthäuser aus dem Mittelalter rekonstruieren. Die waren aber bereits Anfang des 20. Jahrhunderts dort abgerissen worden wegen des Baus einer Straßenbahnlinie und durch pseudoalte Häuser ersetzt worden, von denen heute noch etwa zwölf dort stehen, so daß ein seltsamer Mischmasch entstehen würde).

    Ich hätte deshalb anstelle des Hotel de Saxe eher einen angepaßten Neubau errichtet, der sich unauffällig neben den Rekos einfügt. Das gründerzeitliche Postamt, das an dieser Stelle über 50 Jahre gestanden hatte zu rekonstruieren stand wohl nie zur Debatte - weil es an den Neumarkt stilistisch eigentlich gar nicht paßte. Aber es stand vor dem Krieg nun mal da.

    Wie gesagt, gut aussehen wird das neue Hotel bestimmt, aber es ist eben ein Gebäude von vorgestern.

  • Hallo, nun habe ich mich also doch entschlossen, hier Mitglied zu werden und das eine oder andere zum Gespräch beizutragen. Vielleicht kennt mich der eine oder andere noch aus den Gästebüchern von QF und GHND, wo ich gelegentlich meine Meinung hinterlassen habe....

    Ich bin übrigens seit 1.7. d.J. Wahl-Dresdner und habe meine vorige Wahl-Heimatstadt Hamburg hinter mir gelassen....

    Zum Thema: Die Grundangst, die in den letzten beiden Einträgen steckt, ist doch die des Verlusts an *Authentizität*. V.a. Du, Philipp, bist ja seit Jahren ein eifriger Kämpfer in dieser Hinsicht. Was hast Du nicht alles zum Thema Kellerproblematik geschrieben!

    Ich kann den Anliegen von Beibehaltung der historischen Keller, der historischen Grundrisse sowie der historischen Bauweise durchaus folgen. Allerdings halte ich das für völlig illusorisch.

    -Zum Thema Grundrisse: Die alten Grundrisse sind in vielen Fällen nicht mehr zeitgemäß und müssen flexibel interpretierbar sein dürfen. Ich lebe hier in Dresden z.B. selbst in einem Altbau, der vor 5 Jahren grundsaniert wurde und wo die Grundrisse massiv verändert wurden. Ich finde meine neue Wohnung (Maisonette im Altbau - das gab's damals nicht) absolut passend zu meiner Familiensituation mit 4 Kindern und fände es schade, wenn ich einer Altbauwohnung leben müsste, wo der ganze Lärm einer so großen Familie auf einer Etage stattfindet.

    -Zum Thema Bauweise: Was bin ich froh über die Tatsache, dass man den Stahlbeton erfunden hat!! Von Hamburgs Innenstadt würde fast nichts mehr stehen, wenn nicht z.B. die ganzen Kontorhäuser aus den 20er Jahren in Stahlbeton erbaut wären. Ich verachte die Platte, aber der Werkstoff Beton ist ein Segen für die Menschheit! Wenn man ihn ansprechend verkleidet, ist die Bauweise völlig legtim.

    -Die Keller: Ich finde, dem Bauherrn muss hier die Freiheit gelassen werden, selbst zu entscheiden. Auch wenn noch ein bisschen Keller dasteht: Die originalen Gebäude sind weg, und die Neubauten werden nicht deswegen zu authentischen Denkmalen, weil sie auf alten Kellern stehen. Der Vergleich mit der Frauenkirche hinkt, weil hier ein Großteil der Ruinensubstand noch zur Verfügung stand.

    -Die Authentizität: Ich plädiere für Mut, diesen ganzen Authentizitäts-Wahn, der uns von Denkmalpflege und Architektenschaft gleichermaßen aufgezwungen wird, hinter uns zu lassen. Das Hotel de Saxe, die Salomonis-Apotheke und die anderen Häuser, die nach historischem Vorbild hoffenlich in großer Zahl bald den Neumarkt schmücken werden, sind nicht durch Keller, Grundrisse oder bestimmte Bauweisen in ihrer Existenz "authentisch" und deswegen legitim. Sie sind legitim, weil diese Zeit danach ruft, dass diese geschundene Stadt ihre in Krieg und Wiederaufbau weitestgehend verlorene Identität wiederfindet. Diese Häuser sind authentischer Ausdruck einer Zeit, die der gesichtslosen und funktionalistischen Architektur überdrüssig geworden ist und nach einer Bauweise verlangt, die sinnlich, erhebend, ja ganz einfach "schön" ist.
    Wir brauchen nicht die Keller, um uns dafür zu rechtfertigen, dass die neuen Häuser am Neumarkt eben doch nicht die Originale sind. Diese Diskussion ist so was von verkopft und verkrampft! Sie lässt nur zwei Optionen zu: entweder alles genau so wie es war - was unmöglich ist und in den heutigen Zeiten keinem Investor zugemutet werden kann - oder aber Abschied von der Rekonstruktion zu nehmen und alles neu zu erdenken und zu erschaffen den. Was für ein Korsett! Müssen wir uns das wirklich antun?

    Der ganze historisierende Schmuck an den Gründerzeitbauten: War dieses in industrieller Massenfertigung erzeugte Chaos aus Zierrat aus allen Epochen etwa authentisch? Natürlich, weil die Leute das damals so wollten! Die Gründerzeit ist bekannt durch ihr enormes Bedürfnis nach Pracht und Prunk. Wir lieben diese Häuser und fragen nicht danach, ob es z.B. kunstgeschichtlich "legitim" war, all diese Stile so zu vermischen....

    Oder denkt an den Prinzipalmarkt in Münster - einst von der Kritik verrissen, nun hochgelobt als "kritische Rekonstruktion". Mir sind die Disneyland-Spottrufe egal, ich lasse mir das Recht nicht nehmen, mich über die schönen Häuser mit neuen Grundrissen ohne alte Keller zu freuen....!

  • Der Prinzipalmarkt in Münster ist aber kein besonders gutes Beispiel. Denn hier wurde - sehr gelungen wie ich finde - die alte Bebauung einfach in vereinfachter Form, aber in derselben Architektursprache nachgebildet. So wie in Berlin am Pariser Platz die Häuser Sommer und Liebermann, mit denen wohl so ziemlich jeder ganz gut leben kann.

    Das, worüber sich die Leute hier im Forum teilweise so massiv aufregen sind aber doch die Prico-Bauten, die mit einem treppenartigen Glasdach und anderen Extras mit der örtlichen Bautradition komplett brechen! Das ist das schlimme!

  • Bei den Beiträgen, auf die ich mich bezog, ging es nicht um das Prisco-Areal, sondern um die Bauten in historischer Architektursprache, nämlich um das VVK-Areal sowie das Hotel de Saxe. Um die Ängste, dass diese - im Prinzip sehr begrüßenswerten - Bauten nicht authentisch genug ausfallen könnten, ging es mir.

  • Thomas Filip

    Also dann, herzlich willkommen. Und in der Tat, Deine Argumente haben einen gewissen Charme und sind nicht leicht von der Hand zu weisen. Nur finde ich, daß es die Planungsgeschichte am Neumarkt, die schon zu DDR-Zeiten mit der Leitbau-Diskussion wesentlich an Fahrt gewann, nicht zuläßt, daß die Stadt, weil es so leichter ist, die Aufbauphilosophie von Jahrzehnten so einfach über Bord schmeißt. Das schafft nur Verbitterung unter all` den alten Kämpfern, die durch zahlreiche Initiativen erst die Voraussetzungen für die heutige Neubebauung schufen. Wenn die Stadt nun plötzlich das Leitbauprinzip mit Füßen tritt, zeigt sie auch, wie egal ihnen die Leistung jener ist. Ursprünglich waren es ja auch nur 15 Leitbauten. Das hätte doch als Ehrerbietung möglich sein müssen.

    Abgesehen vom Neumarkt ist aber ganz generell zu fragen, ob man tatsächlich Stahlbeton für traditionelle Architektur will. Zwar leben wir im 21. Jahrhundert, das heißt aber nicht, daß Stahlbeton und die Ziegelhintermauerungstechnik nicht koexistieren könnten. Einfamilienhäuser werden wie selbstverständlich hochgeziegelt, auch wenn es sich um keine Rekonstruktionen handelt. Hinzu kommen die energietechnischen Vorteile von Ziegelmauern gegenüber Beton, da sie zum Beispiel Wärme länger halten können. Auch ist wohl nicht von der Hand zu weisen, daß Ziegelmauern Jahrhunderte halten können, während Stahlbeton nach 100 Jahren total verschlissen ist. Schlechter Beton sogar schon wesentlich schneller, wie man an den Plattenbauten exemplarisch vorführen kann. Bewegungen im Erdreich oder die Ausdehnungen bzw. das Zusammenziehen durch Hitze und Kälte werden von Stahlbetonmauern schneller und öfter durch Setzrisse beantwortet.

    P.S. Solange es sich um moderne Architektur handelt, sollte man aus obigen Gründen unbedingt Stahlbeton verwenden. :zwinkern:

    P.P.S. Abgesehen davon vermitteln Ziegelmauern, wenn man sie bei der Bauausführung erkennt, ein menschlicheres Antlitz. Vielleicht auch, weil es sich über Jahrhunderte hindurch bewährt hat. Ich glaube, man sollte den Stahlbeton ocker einfärben. Das Grau ist entsetzlich.