Der Neumarkt Dresden - archivierter Strang

  • Die Stadt Dresden beginnt nun, die historischen Straßen rund um den Neumarkt anzulegen. Die Steine sind z.T. gebraucht und als Stadtmobiliar werden stählernde Fahrradständer, lehnenlose, aalglatte Bänke :aufdenkopf: und Papierkörbe verwendet. Die Bänke werden in Nähe der Frauenkirche mit Sandstein verleidet. Einzig historisch und in diesem Falle wirklich ein Segen, werden die Kandelaber sein. Bis zur Weihe der Frauenkirche sollen die Arbeiten zum größten Teil abgeschlossen sein. Ursprünglich sollte der Baubeginn im Frühjahr sein, aber auch das ist typisch für Dresden... :kopfwand:

  • Christian, wo hast du das mit den lehnenlosen Bänken her? In der SZ stand heute, dass in unmittelbarer Nähr zur Frauenkirche Sandsteinbänke stehen sollen und weiter entfernt (was auch immer das heißen mag) Holz/Stahl-Bänke. Gab es irgendwo bereits einen Artikel zur Architektur des Stadtmobiliars?

    Dass die Steine nicht "fabrikneu" sind, stört mich nicht soooo sehr. So sind sie etwas abgeschlissen und machen der Platz vielleicht sogar historischer. Auf den neuen Steinen der Sophienstraße/Theaterplatz läuft es sich jetzt auch besser als vor 5 (?) Jahren als sie neu verlegt wurden.

  • ja, Harmonica gegen die Steine hab ich auch nichts, ich kann zwar nicht abschätzen welcher Schaden dadurch in den drei Straßen entstand, denen man die Steine entriss. (Ich bin in vielen Fällen für den Erhalt von Straßenpflaster). Aber ansonsten finde ich das an sich aus dem Grund, den auch du benennst nicht schlecht. In der DNN, um deine Frage zu beantworten war ein Artikel indem man besonders auf die schnörkellosen Bänke aus Stahl hinwies. Kein Photo. Es geht auch hier schlicht ums Prinzip: Warum muss es modern sein? Warum muss der Aufzug zur Tiefgarage gläsern sein? Warum schnörkellose Bänke neben teils prachtvollen Kandelabern? Warum Advantariegel neben Taschenbergpalais etc.? Warum sind wir diejenigen, die glauben das Rad neu erfunden zu haben? Es geht mir schlicht auf den Geist!

  • christian

    kann deinen unmut verstehen. mir geht es ähnlich. solange aber hier im forum bei den von die aufgezählten beispielen immer wieder von "modern" und nicht von "modernistisch" gesprochen wird, ist es wie wasser auf die mühlen für die modernisten. modern hat nichts mit einem baustil zu tun. dagegen ist diese kontrastarchitektur des modernismus eben nur ein zur doktrin erhobener stil. und es muß sich in soweit etwas ändern, damit traditionelle architektur gleichberechtigt neben der modernistischen existieren kann.

  • wir hatten ja mal das thema stadtmöblierung - ein sehr wichtiges. mir ist auch unverständlich, warum man diese so oft unharmonisch gestalten muss. es erscheint mir wie ein kindischer reflex der modernisten: "wenn ihr schon diese furchtbar albackenen kandelaber aufstellen dürft, dann setzen wir wenigstens darunter ein paar stählerne nackte mülleimer als kontrast durch".
    da die gesamtästhetik und v.a. die ästhetik des kandelabers darunter leiden, ist diese aggression ja erfolgreich.
    das ist alles eine folge davon, dass in den amststuben die falschen rückwärtsgewannten modernisten-geister sitzen, die ohne rücksicht ihre verkorkste ideologie durchsetzen müssen:
    eigentlich wollen wir keine frauenkirche; wenn schon frauenkirche, dann wenigstens modernistische leuchten; wenn schon leider traditionelle leuchten, dann wenigstens modernistische mülleimer; wenn keine modernistischen mülleimer, dann wenigstens ein paar modernistische plaketten an die leuchten; usw...
    modernisten sind wie schlecht erzogene köter: wo sie sind, müssen sie ein häufchen hinterlassen (z.b. einen modernistischen aufzug), und wenn das mit dem häufchen nicht klappt, dann wenigstens eine duftmarke (z.b. in form eines modernistischen mülleimers).
    schlimm und peinlich zugleich.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Neues vom Neumarkt bei der GHND:


    "Prisco-Areal (Quartier I)


    Die Aushubarbeiten sind nahezu abgeschlossen, die historischen Keller für immer verschwunden. „Wir haben beim Ausheben der Baugrube keine Bomben gefunden“, sagt Prisco-Partner Kai von Döring sichtlich erleichtert. Am kommenden Wochenende (Samstag 19.00 Uhr) wird auf der bislang größten Baustelle am Neumarkt die Grundsteinlegung mit einem Feuerwerk aus Licht und Musik, präsentiert von Kunstpreisträger Tom Roeder, gefeiert. Nach der Grundsteinlegung sollen die Fundamente für die drei Kräne gelegt und die riesige Betonboden-Platte gegossen werden. Die Vermietung der Gebäude ist noch nicht abgeschlossen, das Interesse aber nach Auskunft von Eigentümer Arturo Prisco groß: „Schon heute hätten wir alle Läden vermietet haben können“, so Prisco. Doch der Italiener will keine Filialisten, sondern Leute mit außergewöhnlichen Ideen.


    VVK-Projekt (Quartier II)


    Die Arbeiten am VVK werden laut Auskunft von VVK-Chef Uwe Gabler in Kürze beginnen: „Ende Oktober rollen die Bagger an. Spätestens im November laden wir zur Grundsteinlegung ein.“


    Abriss des Erweiterungsbaus am Polizeipräsidiums (Quartier III)


    Nachdem die Sanierung des gründerzeitlichen Polizeipräsidiums nahezu abgeschlossen ist, haben nun die Abrissarbeiten an dem aus DDR-Zeiten stammenden Erweiterungsbaus am Polizeipräsidiums begonnen. Da aus Sicherheitsgründen von einer Sprengung abgesehen werden musste, wird das Gebäude Schritt für Schritt demontiert: Fenster werden ausgebaut, die Sandsteinverkleidung abgenommen. Der Abriss des Polizeipräsidiums macht den Weg frei für die Wiederkehr wichtiger historischer Bauten wie z.B. des Palais Hoym.


    Baywobau-Areal (Quartier IV)


    Auf dem Quartier IV ist der Baufortschritt derzeit am deutlichsten zu sehen: Bei der Salomonis-Apotheke hat bereits der Hochbau begonnen, beim Hotel de Saxe und den übrigen, zur Landhaus- sowie zur Moritzstraße gelegenen Häusern dürfte der Tiefbau in Kürze abgeschlossen sein. Auffällig sind die Ausführung der Häuser als Stahlbeton-Bauten sowie die strukturelle Verbindung der in historischem Gewand auftretenden Neubaten mit dem Tiefgaragen-Bauwerk."


    Quelle: http://www.neumarkt-dresden.de/news.html


    Vielleicht kann ja ein Dresdner ein paar aktuelle Fotos machen?

  • ....aber schnörkellos und glatt heisst ja nicht schlagmäßig dass sie Dinger "modern" sind!
    Klassizistische Bänke/Lampen sind ja auch nicht gerade voller Schnörkel etc!

  • "Ausführung als Stahlbetonbauten"


    Ich könnt kotzen. Selbst ein primitives Einfamilienhaus wird hochgeziegelt. Es war doch von Anfang an eigentlich Konsens, Ziegel zu verwenden.

    Nur deswegen wurden auch die Keller abgerissen. Sie stören, wenn mal eben Stahlbeton dahinrotzen will. Ich bin stark enttäuscht.

  • Ich bin echt beeindruckt - das geht ja jetzt richtig zügig voran in DD! Da bin ich echt gespannt auf Bilder. Aber Freund Prisco hätte statt einer tollen Grundsteinlegungs-Show lieber überlegen sollen, ob er nicht den einen oder anderen Keller rettet.

    Naja, und über die Dächer dieses Blocks haben wir hier ja genug geflucht. À propos? Was macht eigentlich PeterBerlin? Ist er auch im neuen Forum angekommen oder plant er gerade einen Eierwurf- Anschlag auf Prisco?

    Na jedenfalls scheint jetzt die Phase des jahrelangen Planens und der Präsentationen vorbei zu sein, und sogar das häßliche Polypei-Hauptquartier verabschiedet sich. Freuen wir uns doch erstmal über all das, da sind mir Kleinigkeiten wie Sitzbänke erstmal relativ egal...

  • Zitat von "der_Sauerländer"

    Neues vom Neumarkt bei der GHND:
    Vielleicht kann ja ein Dresdner ein paar aktuelle Fotos machen?

    Na, ich kann versuchen, heute mal wieder ein paar Bilderchen zu machen. Kann aber nichts versprechen, da ich momentan ziemlich im Stress bin.

    Es stimmt, dass die Baywobau Stahlbeton verwendet. Aber ich dachte, dass sich das nur auf den Keller beschränkt (Statik? Grundwasser?) und der restliche Baukörper in Ziegelbauweise aufgebaut wird. Ich war allerdings auch seit 2 Wochen nicht mehr am Neumarkt, also kann ich nichts genaues sagen. Wie gesagt, heute Nacht oder im Lauf des morgigen Tages könnte ich neue Bilder präsentieren.

    Mich überrascht der zügige Baufortschritt auch etwas. :schockiert:

    Stimmt, wo ist eigentlich PeterBerlin hin? Vielleicht gönnt er sich auch nur einen Urlaub...

  • Was macht eigentlich PeterBerlin? Ist er auch im neuen Forum angekommen oder plant er gerade einen Eierwurf- Anschlag auf Prisco?


    Hallo Gespenst und Harmonica und alle andern, :D:D ja ich dachte mir schon das Fehlen meiner Hetzkampagnen muss ja schon auffällig gewesen sein. Nein, ich wusste nicht dass ihr umgezogen seid, und hatte es jetzt aus Zufall gefunden. Ich hatte die alte Adresse zig mal probiert, und es dann irgendwann aufgegeben. Ausserdem war aber auch mein PC 4 Wochen lang ausser Betrieb.

    Übrigens: Nein, wo denkst du hin - ein Ei, für Prisco?

    Mit so etwas Harmlosem würd ich den Kerl nicht davonkommen lassen.....

    Ich mein das übrigens ernst: der Typ macht mich dermaßen wütend, allein wenn ich sein Foto sehe (gezwungenermaßen auf der GHND Seite, wie er sich Machohaft und "stolz" über sein nichtd mal mittemäßiges Projekt beugt), dann krieg ich was an mich. ER hat Geld, er hat Milllionen, hat aber Null Kultur und noch weniger IQ, behauptet aber doch glatt, er liebte Dresden - und baut dann so eine MEGA Scheisse. Excuse my french, aber auf einen groben Klotz - ein grober Keil, anders kann man das nicht ausdrücken wie der die Dresdner Bürgerhäuser mit Füßen tritt und auf das Kulturerbe der Dresdner spuckt. Mal im Ernst: Dieser Mensch verhunzt ein UNESCO WELTERBE, und konterkariert meiner Ansicht nach die einzige Chance zum kompletten Wiederaufbau einer Deutschen Altstadt/historische Innenstadt, die wir überhaupt haben! Oder wo haben wir diese Chance noch? [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon]? Berlin Potsdamer Platz? Stuttgart? Köln ? Kassel? Düren? Emden?

    Diese Chance besteht (jedenfalls vermutlich zu unserer Lebenszeit) nur noch in Dresden - und dann kommt j emand wie er, und baut Glasdächer und Klötze und Modernismu. Und kommt dabei noch ausgerechnet aus einem Land wie Italien, denen Venedig, Firenze und Rom nicht gestohlen wurden...na, klasse. Einfühlungsvermögen? Er weiss wohl nicht mal wie das buchstabiert wird. Nein, da würde mir kein Ei reichen, für den....nur der HAFTBEFEHL!
    :boese:

  • Prisco ist nicht die Grösste Probleme, wie läuft es anders in Dresden?
    Altstadtmarkt wird nicht wiederaufgebaut!
    Neustädtlermarkt wird nicht wiederaufgebaut!
    Pragerstrasse wird nicht wiederaufgebaut...

    Es ist besser ein grosses Ganz wie München zu haben mit moderne Gebäuden als nur eine kleine Marktplatz mit keine. Dresden braucht ein ganz wiederaufbau, nicht nur ein Marktplatz.....

  • Peter

    Ich kann irgendwo nicht verstehen, warum Du auf Priso so überreagierst und ihn mit Polemik überziehst.

    Wenn Du sagst, er würde Dresden nicht lieben, weil er Stahlbeton neben die Frauenkirche quetschen würde, dann kann ich das Argument auch auf Dich anwenden. Denn was verstehst Du unter Stahbetonbauten?

    Gegen den Abriß der Keller hast Du nicht protestiert. Es war Dir egal. Ich habe in früheren Äußerungen darauf hingewiesen, daß der Erhalt der Keller die Voraussetzung gegen den Disneyland-Vorwurf ist. Nur durch ihren Abriß wird es den Investoren nun ermöglicht, Stahlbeton hochzuziehen und sich nicht an die traditionelle Ziegeltechnik zu halten, wie es Deine Baywobau momentan betreibt. Was findest Du daran unwichtig, Leitbauten, die man selbst vom Grundriß her rekonstruieren will, vorher ihrer originalen Keller zu berauben?

    Aber glaube mir, ich würde trotz Deiner Indifferenz gegenüber den Kellern Dir nie vorwerfen, daß Du Dresden nicht liebst. Das ist halt eine Einstellungssache.

    Vielleicht bin ich auch da zu empfindlich, daß es mir fast körperlich weh tut, wenn die letzten originalen Überreste der alten Dresdner Bürgerhäuser beseitigt werden, obgleich sie ja nur unter der Erdoberfläche liegen.

    Es sei nochmal daran erinnert, daß es um ausgewählte Keller geht, wie es der achteckige Hofkeller des Weigelschen Hauses - einmalig in seiner Form - war. Da vieles durch MüBau, VVK, Baywobau und Prisco nun auf immer verloren ist, müssen die letzten Anstrengungen auf die Keller der Rekonstruktionen in spe konzentriert werden. Die GHND gibt mit ihrer Rampischen Straße 29 ein kaum zu übertreffendes Vorbild. Die Keller des Hotel Stadt Rom, des Dinglingerhauses, des Tierschen Hauses, des Caesarschen Hauses, des Köhlerschen Hauses, des Regimentshaus und des Schützhauses müssen bewahrt werden, um ein Zeugnis an Kontinuität der Jahrhunderte für die nachfolgenden Generationen zu bewahren.

    Um das zu erreichen, muß die Initiierung des Bürgerentscheids vom Gericht endlich durchgesetzt werden. Aber die Juristen lassen sich ja anscheinend viel Zeit.

    Was wäre denn die Frauenkirche wert, wenn sie in Stahlbeton ausgeführt worden wäre? Peter, das Stadtbild ist vieles, aber nicht alles!

  • Ach ja, das ist ja die alte Streitfrage zu diesem Thema:
    Was ist das schlimmste:

    a) daß die Keller abgerissen werden
    b) daß am Neumarkt teilweise modernistische Architektur entsteht
    c) daß die Wände aus Beton gebaut werden
    d) wenn gar nichts passiert und die Brachen um due Frauenkirche bleiben

    (Sie können noch jemanden anrufen...)

    Für so ziemlich jede der 4 Anworten haben wir hier im Forum jemanden gehabt, der "hier" schreit, und jeder hat auch irgendwie recht. Mich ärgert auch auch alles maßlos. Aber da ich deswegen weder mich noch Herrn Prisco aufhängen werde (ersteres bringt nichts, letzteres ist strafrechtlich relevant), muß ich mich irgendwie mit dem ganzen arrangieren.

    a) Schwerer Verlust. Andererseits: Wieviele alte Keller besichtige ich denn in anderen Städten, gehe ich nicht meistens sowieso am Gbeäude vorbei und freue mich an der Fassade? Und wie einzigartig sahen die meisten der Keller hier wirklich noch aus? Naja...

    b) Ätzend, diese Glasdächer! Da hilft einem eigentlich nur die Hoffnung, daß das Gebäude irgendwann mal den Eigentümer wechselt, der es dann umbaut und Fassade und Dach etwas erträglicher gestalten lässt. Immerhin sind die Prisco-Häuser ja gewissermaßen "umbaufähig", also nicht 50 Meter hoch und mit liegenden Rechtseckfenstern oder so, sie wäre als Rohbauten ja durchaus brauchbar (wenn man dann richtig weiterbauen würde)

    c) Doof. Die Ostzeile in Ffm wurde ja schließlich auch traditionell Stein für Stein (und Balken) gemauert. Aber wenn der Putz erstmal drüber ist und hoffentlich auch hält - und die Fassade gut aussieht, dann gerät dieser falsche Baustoff vielleicht in Vergessenheit...

    d) Ich weiß, Peter (willkommen im neuen Forum übrigens), Dir wäre es lieber, aber Ihr anderen: Was wäre denn, wenn die nächsten 20 Jahre am Neumarkt überhaupt nichts passieren würde? Wenn der (abgesehen von der vollendeten Frauenkirche) noch so aussehen würde wie zu DDR-Zeiten. Und man würde zwischen Kellerfundamenten hin und herspringen. Das wäre auf Dauer auch irgendwie frustrierend, oder?

    Wie auch immer - am Neumarkt ist einiges schiefgelaufen, aber nun wird eben gebaut. In der Frankfurter Altstadt würde man wahrscheinlich jubeln über die Probleme, die wir hier mit Dresden haben, den dort hat man entweder viel, viel widerlichere Klötze reingepropft (und natürlich auch sämtliche Fundamente vernichtet) oder man hat genau da, wo Fachwerkhäuser in engen Gassen standen, römische Fundamente freigelegt. Die liegen jetzt da und sind - sorry - nicht gerade spannend, und ein Wiederaufbau der Häuser, die dort gestanden hatten (vielleicht auch in verinfachter Form) war damit vom Tisch, so daß zwischen Dom und Römer, wo früher ein dichtes Gewirr von Gassen war, gähnende Leere herrscht. Auch nicht wirlich eine Alternative..........

  • Ich möchte hier als Erinnerung noch einmal Statements zu den Kellern vorzeigen, bevor diese abgerissen worden. Man bedenke, daß, wenn Landesarchäologin Oexle die Keller als denkmalwürdig eingestuft hätte, den Investoren Fördermittel zugestanden worden wären und die Keller heute miteinbezogen würden. Das war und ist kulturpolitische Barbarei und Ignoranz, also Machtmißbrauch in Reinkultur!


    Nach der Flut 2002

    Ein Plädoyer für die Erhaltung von Kelleranlagen im Bereich des Dresdner Neumarkts

    von Heinrich Magirius


    Wer in den vergangenen Monaten Gelegenheit gehabt hat, von den Gerüsten der wiedererstehenden Frauenkirche auf den Bereich des Dresdner Neumarkts herabzuschauen, konnte ein überraschendes Bild in sich aufnehmen. Es ist das Bild einer zerstörten »antiken« Stadt, das sich hier inmitten von Dresden dank der Forschungen des Landesamtes für Archäologie darbietet. Es ist ja gar nicht selbstverständlich, daß die Mittel für derartig umfassende Untersuchungen zur Verfügungen stehen und dass Fachleute gefunden werden, die in der Lage sind, wissenschaftliche Forschungen anzustellen und diese in kurz bemessener Zeit auch abzuschließen. Wir können darauf gespannt sein, welche Ergebnisse die Wissenschaftler für die Stadt- und Hausgeschichte zutage gefördert haben und erwarten mit Ungeduld eine entsprechende Publikation. Vor der Stadt Dresden stehen schwierige Entscheidungen: Bei der Einweihung der Frauenkirche im Jahre 2005 soll unter dem Neumarkt eine Tiefgarage geschaffen sein. Wenigstens einige der umliegenden Hausquartiere sollen den historischen Straßen- und Platzbegrenzungen entsprechend aufgebaut sein. Dabei ist an die alte Parzellenstruktur anzuknüpfen. Eine größere Anzahl von »Leitbauten« soll rekonstruiert werden. Das sind Häuser, von denen wertvolle Bauteile überliefert sind oder deren historische Zustände durch Pläne gut dokumentiert sind. Den schon gewonnenen Investoren sind die Chancen, die nicht nur für das Stadtbild, sondern auch für den wirtschaftlichen Nutzen in dieser Konzeption liegen, sehr wohl bewusst. Hier wird zu Füssen des wiederhergestellten Monumentalbaus ein Stadtgebiet entstehen, das sich diesem unterordnet, aber von dessen Ruhm in jeder Hinsicht »profitiert«. Nur bei vorsichtiger Zurückhaltung der umgebenden Bebauung ist die städtebauliche Wirkung der Frauenkirche garantiert. Diese Art der Bebauung des Neumarktbereiches ist nicht nur als »Erinnerung« an die verlorene Bürgerstadt Dresden zu verstehen, sondern sie ist schlicht die Konsequenz aus der Tatsache des Wiederaufbaus der Frauenkirche. Dem gegenüber sollen unterschiedliche Auffassungen über das Mehr oder Weniger von »Historisch« und »Modern« etwas in den Hintergrund treten, denn alles, was hier geschieht, geschieht am Anfang des 21. Jahrhunderts und ist ein Bekenntnis unserer Zeit, sollte also mit großem Verantwortungsbewußtsein entschieden werden. Keineswegs unwichtig hingegen ist es, wie viel historische Substanz gerettet und wieder verwendet wird.

    Dieses Prinzip des »archäologischen Wiederaufbaus« war und ist das Prinzip des Wiederaufbaus der Frauenkirche. Es sollte - gewiss in modifizierter Weise - auch bei der Wiederherstellung der Hausquartiere Beachtung finden. Das heißt, man sollte sorgfältig prüfen, welche der überlieferten Kelleranlagen erhalten und in die Neubauten eingefügt werden können. Das betrifft insbesondere die »Leitbauten«, denn selbstverständlich gehören die Keller nicht zu einer fernen Vorzeit, sondern bilden deren bauliche Sockel. In den bereits untersuchten Quartieren sind folgende Bauten zu »Leitbauten« erklärt: Neumarkt 2, Rampische Straße 1 und 7, An der Frauenkirche 13 und 16. Hier muss auf die Erhaltung und Verwendung der Keller unbedingt bestanden werden, weil sonst die Rekonstruktion der Bauten denkmalpflegerisch nicht verantwortet werden könnte. Wesentliche historische Substanz ist mit diesen Kellern überliefert. Die sich daraus ergebenden konstruktiven Probleme sind den Aussagen von Statikern zufolge lösbar. Aber über diese Fälle hinaus müsste das Problem von allen zuständigen Gremien noch einmal gründlich durchdacht werden. Wir maßen uns nicht an, alle Argumente, die auch gegen die Erhaltung von Kellern sprechen, zu überblicken. Offensichtlich haben die Kelleranlagen zwischen Landhausstraße und An der Frauenkirche mehr durch langes Freistehen und durch Grundwasser als durch die »Flut« sehr gelitten. Hier wären die Keller des Hauses An der Frauenkirche 20 und einzelne Keller der Häuser Landhausstraße 1 und 3 als herausragende Beispiele zu nennen. Neben dem »Weigelschen Haus« besitzt das Eckhaus Neumarkt 3 besonders stabil erscheinende Keller. Da gerade erst erforscht, bietet sich östlich der Frauenkirche eine Hausgruppe zu vollständigen Erhaltung ihrer Keller geradezu an, neben denen der genannten »Leitbauten« die Keller von Rampischer Straße 3 und 5, An der Frauenkirche 14 (Haus zur Glocke), Salzgasse 7 und 8. Was ist an diesen Kellern so bemerkenswert? In jedem Fall reagieren sie grundrisslich auf die Hausanlage selbst, geben Kunde von dem sozialen Status der Erbauer und »erzählen« von den im 16. bis 18. Jahrhundert üblichen Bautechniken und in einigen Fällen vom Brand am 13. Februar 1945. Meist sind es erst nach 1945 eingeschlagene Tonnengewölbe, bestehend aus »Sandsteingrundstücken«, die in den verschiedenen Jahrhunderten unterschiedlich zugerichtet und verbaut worden sind. Kellertüren und Treppenläufe in mannigfacher Ausbildung sind steinerne Urkunden der Geschichte unserer Stadt, die sich anschickt, das Jubiläum ihrer ersten Nennung vor 800 Jahren zu begehen. Auch wenn die genannten Keller wohl alle erst nachmittelalterlich sind, bleiben sie als Zeugen der Monumentalisierung, der »Versteinerung« dieses ehemals vorstädtischen Bereichs im 16. bis 18. Jahrhundert von Bedeutung. Nicht zuletzt interessiert die an der Stadtgeschichte Dresdens Anteilnehmenden die genaue Lage der mittelalterlichen Stadtmauer südwestlich des Neumarktes und die Ausbildung des Frauentores. Hier sollten weitere intensive Forschungen angestellt werden, ehe die Tiefgarage auf dem Neumarkt endgültig projektiert wird. Denn diese Reste der mittelalterlichen Stadtumwehrung dürfen keinesfalls blindlings »geopfert« werden. Es gibt gute Beispiele im internationalen Maßstab, wie solche ergrabenen Reste in Neubauten - auch Tiefgaragen - eingefügt werden können.

    Schließlich ein Wort zur virtuellen Demonstration von historischen Beständen: Sie sind in unserer Zeit durchaus von Bedeutung als Möglichkeit insbesondere didaktischer Information über das zeitgenössisch Erkannte. Damit wird aber nicht die »Aura«, die Ausstrahlungskraft, auch nur eines einzigen historisch überlieferten Steines ersetzt. Hüten wir uns vor der Überschätzung des Medialen und erhalten wir nach Möglichkeit das Original!


    Tabula rasa im Untergrund

    von Dankwart Guratzsch

    Als eine hochrangig besetzte Jury am 23. Oktober 2002 im Großen Saal der Johannisirche in Magdeburg die Preise des "Bundesweiten Wettbewerbs 2001-2002" überreichte, da wurde auch die Stadt Magdeburg selbst geehrt: "Überzeugend gelungen ist, die große historische Vergangenheit durch archäologische Freilegungen sichtbar zu machen und damit zur Imageverbesserung der Stadt beizutragen," begründete das Gremium die Zuerkennung einer Silberplakette in der Konkurrenz "Leben in historischen Innenstädten und Ortskernen - Zukunft für urbane Zentren und Räume." Die sächsische Landeshauptstadt Dresden kann sich auf einen derartigen Preis keine Hoffnung machen. Denn hier geschieht gerade das Gegenteil. Hier hat die Landesarchäologin Judith Oexle den komplett erhaltenen Kellern am Neumarkt, also dem Letzten, was im Kernbereich von der untergegangenen Stadt Dresden erhalten geblieben ist, die Denkmalwürdigkeit aberkannt. In der Konsequenz heißt dies, daß die für die Konservierung von unterirdischen Denkmalen zuständige Amtsleiterin ihren Segen dazu gibt, die einzigen authentischen Zeugnisse, die von der Altstadtbebauung im Neumarktbereich übrig geblieben sind, auszubaggern, so wie es bereits mit den Kellern an der Webergasse geschehen ist, also das Gedächtnis der Stadt wie eine Festplatte zu löschen. Man muß sich fragen, vor welchem Erfahrungshintergrund und welchem Geschichtsverständnis diese Stellungnahme abgegeben worden ist. Dresden, das mit einem Todesareal von 15 Quadratkilometern ein Ausnahmeschicksal im Zweiten Weltkrieg wie Hiroshima erlitten hat, dessen Ausgrabungsstätten Archäologen aller Kontinente angezogen haben, weil jeder Stein, jede Scherbe von diesem Schicksal, das zu den Menschheitskatastrophen des vergangenen Jahrhunderts zählt, kündet, weil sich an der Verfärbung der Gewölbewände noch heute die Temperaturen von einigen tausend Grad ablesen lassen, die in diesen Todesfallen in den Stunden des Feuersturms geherrscht haben: dieses mitteleuropäische Pompeji soll auf Tieflader gekippt und auf den Müll gefahren werden? Unwillkürlich drängt sich eine unselige Erinnerung auf. Der letzte, der so verantwortungslos war, die Vergangenheit dieser Stadt pauschal in Frage zu stellen, war der Oberbürgermeister Walter Weidauer. Vor der Geschichte macht er eine erbarmungswürdige Figur. Verheerend sind die Folgen der fachlichen Stellungnahme für die Wiederaufbaupläne am Neumarkt. Denn damit gehen den Investoren Fördermittel für die Erhaltung der Keller verloren. Gleichzeitig wird dem Wiederaufbauplan des Neumarktensembles auch aus denkmalpflegerischer Sicht buchstäblich das Fundament entzogen: Gibt man die Keller preis, werden die Leitbauten zu bloßen Attrappen. Hier ist auf Vergleichsbeispiele zu verweisen wie etwa das Schloß in Berlin. Dort wurden selbst banale Heizungskeller freigelegt, um den Wiederaufbau auf exakt diesen authentischen Stümpfen vorzubereiten. Oder die Städte Elbing in Westpreußen und Stettin am linken Ufer der Oder: Hier haben polnische Stadtplaner die Fundamente der von Bulldozern abgeräumten Altstädte ausgegraben und sorgfältig stabilisiert, um auf diesen Mauerresten in akkurat derselben Parzellierung neue Altstadtquartiere zu errichten, die die geschichtlinien Lebenslinien dieser einst deutschen Städte nachzeichnen.

    Am Neumarkt geht es um nichts anderes. Die Zeugnisse des alten Dresden werden dringend benötigt - und zwar einschließlich des authentischen Pflasters und der Gehwegplatten -, um die Reste städtischer Identität zu sichern und das ehrgeizige und vorbildlose Vorhaben der archäologischen Rekonstruktion der Frauenkirche und von Teilen des Neumarktes sachgerecht, und das heißt künstlerisch wie auch wissenschaftlich angemessen, zu vollenden. Dresden hat die einmalige Chance, um die viele deutsche Städte das einstige Elbflorenz heute beneiden: in einer groß angelegten flächenhaften Aufbauleistung ein Stück Identität zurückzugewinnen - also Eigenschaften, die einmal die Bedeutung und die Einzigartigartigkeit dieser Stadt ausgemacht haben. Dies ist nicht nur aus künstlerisch-städtebaulichen oder historisch-konservatorischen Gründen geboten, sondern auch aus den elementaren ökonomischen und politischen Überlebensinteressen der Stadt. Die Chipfabriken sind nicht nach Dresden gekommen, weil Dresden über Plattenbauten, Gewerbegebiete, Wasserwerke und Mülldeponien verfügt. In der beinharten Konkurrenz der Metropolen im zusammenwachsenden Europa haben nur diejenigen Städte eine Chance, die ihre Unverwechselbarkeit zu bewahren und zu entwickeln wissen. Dresden, das sein Gesicht angesichts der riesigen Neubauaufgaben zwischen Hauptbahnhof und Albertplatz, zwischen Gruna und Cotta noch völlig wandeln wird, hat es dabei - wie der Vergleich mit [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zeigt - schwerer als andere Städte. Das neue Dresden wird eine hoch moderne, chrom- und glasblitzende Stadt mit Fassaden von klirrender Kälte und niederschmetternder Banalität sein. Es muß das wenige, was sich an eigenständiger gewachsener Substanz festhalten oder zurückgewinnen läßt, wie einen kostbaren Schatz hüten und verteidigen.


    Hier ein Beispiel dessen, was hätte sein können und beim Coselpalais noch Konsens war.
    (Türkisches Gewölbe unter dem Coselpalais)


    Quelle: http://www.neumarkt-dresden.de">http://www.neumarkt-dresden.de


    Welch herber Verlust!


    Quellen: http://www.archsax.sachsen.de">http://www.archsax.sachsen.de

    Der Keller des Weigelschen Hauses (Prisco-Areal)
    Sehr gut ist der achteckige Keller zu erkennen und damit die Vorgabe für den achteckigen Hof des Leitbaus.

    Quelle: http://www.neumarkt-dresden.de">http://www.neumarkt-dresden.de


    Ich will hier nicht Trübsal blasen oder über vergossene Milch jammern. Ich will nur für das Problem sensibilisieren, was beispielsweise auch bei der Reko der Kommandantur in Berlin oder der aktuellen Reko der Stadtbibliothek in Frankfurt aufkommt. Ich finde es grotesk, daß für wünschenswerte Rekontruktionen, Originalsubstanz ohne Auswahl ausgebaggert wird.

    Ich betone nochmals, daß es in Dresden nur um Keller unter den sogeannten Leitbauten ging/geht, die vielleicht 15% des Substanz ausmach(t)en. (Bei Prisco wäre es nur das Weigelsche Haus gewesen.)

    Warum aber zum Beispiel die VVK nicht Außenwände und die Steinbodenplatte der Keller verwenden konnte, bleibt mir rätselhaft. Es sei denn "Stahlbeton rules the world"!

    VVK-Areal vor dem Abriß


    Quelle: http://www.neumarkt-dresden.de">http://www.neumarkt-dresden.de

    Die VVK hat die Keller interessanterweise immer noch in ihrem Internetauftritt. :ba:

  • Philipp, ich muß zugeben: Die Bilder machen einen jetzt doch wieder ein Stück trauriger bis wütender, insbesondere das Bild, über dem die Worte "Welch herber Verlust" stehen. Dem ist im Prinzip nichts mehr hinzuzufügen. Unglaublich, wie intakt dieses Gewölbe noch war!

    Trotzdem: In Dresden wurden schon so manche Chancen vergeben, aber lange nicht so viele wie in Frankfurt oder anderen Städten. Das nur als Trost. Vielleicht bleiben wenigstens noch ein paar Keller erhalten (wie auch etwa am Altmarkt).

  • stimme philipp zu. die keller als letzte reste des alten neumarktes, integriert in die oberirdischen neubauten, das wäre tatsächlich eine notwendigkeit gewesen, welche in gleichem maße von qualität entsprechend der frauenkirchen-rekonstruktion aus original und neubau zeugen würde und wesentlich mehr oberirdische rekonstruktionen nach sich gezogen hätte. für modernisten wäre es da wesentlich schwerer gewesen dagegen anzugehen.

    ich kann nicht nachvollziehen, dass behauptet und geglaubt wird, die keller hätten die oberirdischen rekonstruktionen verhindert. das ist einfach widersinnig. tatsache ist - wie bei prisco deutlich wird - die letzten reste alter bausubstanz wurden nicht nur zugunsten von rekos zerstört, sondern auch noch für modernistische neubauten, die das dresdner bild des neumarktes langfristig stören werden. die integration der kellergeschosse wäre für statiker und architekten eine reizvolle aufgabe gewesen und hätte von der stadt dresden zur auflage gemacht werden müssen.

    es wird im nachhinein nicht gerade vorbildlich für das anliegen einer renaissance von traditioneller architektur sein, dass am neumarkt, eben auch zugunsten von rekos die letzten reste von originalsubstanz zerstört wurde...

  • Hoffen wir für die Zukunft das Beste. Ich bin fest davon überzeugt, daß ein Erfolg der Rampischen Straße 29 gepaart mit einem erfolgreichen Bürgerbehren zukünftig Rekonstruktionen ermöglichen wird, die einen Blick in Dresdens Vergangenheit zulassen. Da zukünftige Bauvorhaben noch nicht aktuell sind, ist selbst am Neumarkt vieles noch zu retten.

    Deswegen sollten wir die GHND nach Kräften unterstützen.

    Allgemein ist zu sagen, daß die Bebauung von Altstadtbrachen noch öfter solche Fragen wie am Neumarkt aufwerfen wird. Ich denke da insbesondere an das Marx-Engles-Forum in Berlin. Da liegt auch ein zweites Pompeji. Die Keller dürften dort bis ins Mittelalter zurückreichen.

    Außerdem sollte das in Berlin aufgegriffene Prinzip der "Townhouses" weiterverfolgt werden. Unter dem Verkauf en bloc leidet die Architektur. Die Einzelparzellierung sorgt für eine stärkere Identifizierung des Bauherrn mit dem Bau. Deswegen ist auch die erzwungene Parzellierung der Rampischen Straße durch die GHND ein Segen. Im Grunde ist so ein schmales Haus als Neubau heutzutage in Deutschland einzigartig. Leider dauert die Realisierung von intakten Straßenzügen dadurch naturgemäß länger, wie in früheren Jahrhunderten eben.

  • Also ich sehe das recht brutal, denn wenn der Preis für einen historischen Neumarkt, Beton ist, dann solls mir recht sein!