Rußland - Farbfotos von 1910

  • Kaum zu glauben, aber wahr. Die Bilder wurden nach einem aufwendigen Verfahren aus 3 S/W-Bildern übereinanderprojiziert.
    Interessant finde ich die relativ simple Bemalung der Fassaden im Vergleich zu der heutigen. Ob man sie wieder in ihren ursprünglichen Zustand gebracht hat?

    http://englishrussia.com/?p=282

    edit: Ich pack den Link zum ganzen Bestand mal in diese Linkliste..

  • Das ist echt der Wahnsinn dass man damals schon so weitsichtig war, ein Foto mit 3 Filtern aufzunehmen um es irgendwann einmal zu einem Farbbild zusammenzusetzen, obwohl die Technik noch gar nicht existierte.

    In Deutschland war man damals selten so weitsichtig... die meisten Farbfotos die wir von der Zeit vor dem Krieg haben, zeige marschierende braungekleidete Männer oder Kriegsbilder. Ich habe allerdings auch Vorkriegsfarbfotos von Nürnberg und Potsdam gesehen.... und die sind wahrlich beeindruckend.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Das Bild ist echt der Hammer - aber woher weißt Du denn, das es wirklich schon 100 Jahre alt ist ? Im Internet kursiert so viel Blödsinn, daß ich da sehr vorsichtig wäre... :zwinkern:


    Nachtrag: Habe gerade den Link verfolgt. Scheint doch was dran zu sein. Grandios diese Bilder ! :huepfen: :huepfen: :huepfen:

  • Noch eine kleine Anmerkung, man sollte auch alten Bildern nicht arglos trauen, die Retusche war um die Jahrhundertwende, inbesondere wenn es um das Kolorieren ging, ein sehr beliebtes Mittel der "Aufwertung". Dies hatte zum einen den Grund, die noch mangelhafte Technik zu übertünchen, zum anderen kann sie ganz profan als ein Weg gesehen werden, Bilder besser zu verkaufen. Auch war sie aufgrund der riesigen Platten- bzw. Filmformate, die damals üblich waren (heutiger 9x12 Planfilm galt um 1900 als winzig), technisch noch viel einfacher als zu späteren Zeiten, in denen sich Roll- und Kleinbildfilme durchsetzten.

    Insbesondere das Einkopieren idealisierter Himmel sowie das Retuschieren ganzer Wasserflächen, um schönere Spiegelbilder zu erhalten, war sehr gängig, ebenso das "Nachzeichnen" von Gebäudekonturen, um diesen zu mehr Kontrast und Ausdruck zu verhelfen. Auch sind die meisten Kolorierungsverfahren eher mit der Farbwiedergabe von Diafilmen zu vergleichen, also mehr bunt denn ein Abbild der farbneutralen Realität.

  • Hallo RMA, so wie ich diese Technik aber verstanden habe, hat der Fotograf drei verschiedene Filter für seine Aufnahmen verwendet. Das kann man auch bei manchen seiner Aufnahmen recht gut bei Bewegungen (etwa Rauch oder laufende Personen) erkennen. Da gibt es dann schon mal "farbige" Personen... :zwinkern:

  • Booni:
    Im Artikel steht, wie Prokudin-Gorskii die Bilder auch damals schon in Farbe zeigen konnte. Die Technik, sie automatisiert wieder zu einem Farbpositiv zusammenzusetzen, existiert freilich erst heute.
    Der nötige Aufwand für Aufnahme + Vorführung ist sicherlich der Grund dafür, daß sich das Verfahren nicht durchgesetzt hat. Vor allem funktioniert es nur mit stativen Motiven, was zu dem Zeitpunkt wegen der langen Belichtungszeiten sowieso noch der Fall war, sich aber bald ändern sollte. [edit: stand wohl doch woanders. Die Bilder wurden mit Hilfe eines Prismas übereinanderprojiziert, die Projektoren hatten ihrerseits wieder die 3 Farbfilter davor].

    RMA:
    Auch dazu steht alles wichtige im Artikel.
    Gescannt wurden direkt die Schwarz/Weiß-Glasnegative. Da ist nichts koloriert gewesen. Und eine Retusche hätte exakt jeweils auf die beiden anderen Teile des Tripels reproduziert werden müssen.
    Dieses eine ungewöhnlich gute Bild wurde vielleicht noch am PC nachbearbeitet, aber grundsätzlich war die Bildqualität früher schon besser, als man heute erwartet (vor allem wohl wegen der verwendeten großen Bildformate). Die Farbfilter waren sicher nicht perfekt und man könnte mit genau definierten Korrekturkurven noch natürlichere Farben erzielen.

    Der geniale Kernpunkt an Prokudin-Gorskiis Idee war jedenfalls, daß er die RGB-Farbkomposition, die mit einschichtigem Film noch nicht möglich war, dann halt mit mehreren Aufnahmen gemacht hat.

  • Ne ich hab mir direkt dieses digitale Archiv angeschaut.
    Finde aber schon, daß dieses Bild herausragend gut ist. Bei den meisten ist die Farbe nicht gleichmäßig, vielleicht eine Folge des Ausbleichens von Teilen der Negative.

    In der Beschreibung steht was von 8-Bit-Graustufen, in die das gewandelt wurde.. da sind die Verbesserungsmöglichkeiten aber auch begrenzt. Die ganze Arbeit und dann keine vernünftige Farbtiefe /:. Aber das Ergebnis kann sich ja trotzdem sehen lassen. Das farbenprächtige blaue Gewand dieses Emirs ist echt nett geworden.

  • Wie hier schon richtig geschrieben wurde, sind die Aufnahmen des Fotopioniers Sergej Prokudin-Gorski jeweils mit drei Glasplatten gemacht worden. In digitalisierter Form sind die Fotos restauriert. Aber es sind originale Farbfotos, nicht zu verwechseln mit nachkolorierten Aufnahmen. Die Fotos von Prokudin-Gorski haben im Allgemeinen eine spezifische Farbstimmung. Man achte auf das Grün des Grases und das Blau des Himmels!

    Hier ist ein Youtube-Video mit Aufnahmen von Prokudin-Gorski aus Russland. Die Aufnahmen entstanden bei verschiedenen Reisen in den Jahren um 1910. Die Orte sind in dem Video nicht bezeichnet. Eine geografische Ordnung wird bei der Bildabfolge nicht eingehalten. Summarisch kann ich sagen, dass die Fotos aus folgenden Regionen stammen: Karelien, Twer, Jaroslawl, Wladimir, Moskauer Umland, Ural. Etwas eigenartig ist die Tonspur. Wir hören eine Ouvertüre von Balakirew, und wenn die zu Ende ist, läuft der Rest des Videos ohne Ton. Aber es geht ja um die Bilder. Und die haben eine geradezu magische Wirkung. Wir machen eine Zeitreise in die Kulturlandschaft des vorrevolutionären Russland.

  • Echte Farbfotos aus solch einer frühen Zeit sind natürlich sehr faszinierend, aber wenn ich mal ehrlich sein darf: Mein Bedarf nach vor- wie auch nachrevolutionärem Russland ist gerade vollauf gedeckt.

  • Echte Farbfotos aus solch einer frühen Zeit sind natürlich sehr faszinierend, aber wenn ich mal ehrlich sein darf: Mein Bedarf nach vor- wie auch nachrevolutionärem Russland ist gerade vollauf gedeckt.

    Ja und nein, denn ich finde diese Fotos aus der Zarenzeit absolut faszinierend! Nicht auszudenken, wie wunderbar Russland heute womöglich wäre...aber leider haben es die Deutschen seinerzeit verabsäumt Lenin auch ein Rückfahrticket nach Zürich in die Hand zu drücken. Mit dieser Tat wurde die Büchse der Pandora geöffnet.

  • Was für tolle Aufnahmen. Danke.

    Gerade in diesen Zeiten sind solche Bilder doch ein Argument für den Erhalt und die Erstrebung des Friedens.

    Was können die armen Menschen für großpolitische Verwicklungen.

    Schöne Städte werden letztlich auch glückliche Städte sein.

  • Wir können hier ja auch mal Bilder zeigen.

    Im Sommer 1910 bereiste Sergej Prokudin-Gorski das Gouvernement Twer. Er fertigte auch mehrere Aufnahmen in der alten Stadt Stariza am Rande der Waldaj-Höhen. Das folgende Foto eines Klosters an der hier noch jungen Wolga ist für mich Magie pur. Man findet zwar solche Motive auch heute noch in Russland, und es gibt erstklassige Fotografen, welche die traditionelle russische Kulturlandschaft ins Bild zu setzen wissen. Aber dennoch: Die Aufnahmen von Prokudin-Gorski sind einzigartig. Sie strahlen eine überzeitliche Ruhe aus. Die Welt steht still. Nicht nur für einen Moment. Sie steht still für die Ewigkeit.

    Prokudin-Gorski-Kloster-Starica-Tver-1910.jpeg
    Stariza (Gebiet Twer), Uspenski-Kloster an der Wolga (Foto: Sergej Prokudin-Gorski, 1910, public domain)

  • Snork 31. März 2023 um 23:31

    Hat den Titel des Themas von „Rußland - Farbfotos von 1910 (Link-Galerie)“ zu „Rußland - Farbfotos von 1910“ geändert.