München - außerhalb der Altstadt

  • Eigentlich verstehe ich die Diskussion nicht. Natürlich ist es keine Frage, dass das Neue Rathaus so, wie es jeder von uns kennt (weil wir die Vorgängerbebauung ja alle nicht mehr erlebt haben), bleiben soll. Wichtig dagegen war die Wiedererrichtung des Talbrucktores.

    Ach nun, von irgend einer Seite kam mal die Vorhaltung man würde sich hier zuweilen den baulichen Zustand vor 1900 zurück sehnen - beim Thema "Berliner Dom gibt es ja beispielsweise durchaus Stimmen, welche den Vorgängerbau an dieser Stelle als passender erachten würden (ich schließe mich ja da selbst nicht völlig aus).
    Insofern find ich den Gedankengang auch durchaus interessant, den Münchner Marienplatz wieder in seiner alten Gemütlichkeit vor 1900 zu rekonstruieren. Ich versuche mir mitunter vorzustellen, wie das neue Rathaus am Marienplatz wohl ohne diese gesamte Nachkriegs-Schund-Architektur wirken würde. Im derzeitigen Zustand jedenfalls ist das neue Rathaus eines von wenigen Augenweiden.
    Wenn ich mich nicht irre, ist das Thalbrucktor im 2. WK arg beschädigt worden, und wurde schlußendlich abgerissen bis es im Jahre 1972 im gotischem Stile wieder aufgebaut wurde.

  • Auch wenn ich in München das Licht der Welt erblickt habe, bin ich nach nunmehr 42 Jahren im Exil mit der Baugeschichte der Stadt schlecht vertraut:

    - Die Frauenkirche mit ihren komischen Türmen als Mischung aus Gotik und Barock? Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.
    - Die Kirche hatte um 1500 ca. 30 Jahre keine Turmhelme? Wusste ich nicht.
    - Das Talburgtor als Reko von 1972? Wusste ich auch nicht.

    In Summe ist es immer wieder faszinierend, wie viel Wissen in diesem Forum oft en passant zusammengetragen wird.

  • Interessant ist, dass der Barock schon im Jahre 1525 kam (die Kirche war damals gerade erst seit 1488 fertiggestellt) , und dass die Türme 37 Jahre ohne Turmhelme existierten (siehe Schedel'sche Weltchronik, Holzschnitt Münchens )

    - Die Frauenkirche mit ihren komischen Türmen als Mischung aus Gotik und Barock? Darüber habe ich mit noch nie Gedanken gemacht.
    - Die Kirche hatte um 1500 ca. 30 Jahre keine Turmhelme? Wusste ich nicht.

    Ja, interessante Baugeschichte. Für die damalige Zeit waren die 38 Jahre bis zur Fertigstellung der Turmhauben 1525 nicht ganz außergewöhnlich. Die Turmhauben selbst waren natürlich nicht barock, weil dieses Zeitalter ja noch nicht begonnen hatte, aber sie waren das entscheidene Vorbild für viele spätere barocke Turmhauben Bayerns.

    Das Vorbild dieser "welschen" Turmhauben war übrigens laut Meinung mancher Wissenschaftler die Kuppel des Jerusalemer Felsendoms, der kurz vor dem Münchner Bau zum Beispiel auch in Venedig als Vorbild verwendet worden war:

    Frauenkirche, München, Turmhaube von 1525:

    Quelle: wiki, gemeinfrei

    Santa Maria del Orto, Venedig, Turmhaube von 1503:

    Quelle: wiki, gemeinfrei

    Jerusalem, Felsendom, Ansicht des 16. Jahrhunderts:

    Quelle: wiki, gemeinfrei

  • Hier ein letzter Gruß des 50iger Jahre Kinos am Giesinger Bahnhof - schade eigentlich, diese Art von Nachkriegsarchitektur hatte irgendwo was:

    Mal hier zu so ganz nebenher; die Fraktion "die Grünen" hatten zum 18. Januar 2013 zu einer Demonstration gegen den Abriß aufgerufen - es scheint offensichtlich nichts gebracht zu haben, die Abrißbagger stehen bereits in Startpostion.
    Bedauerlich daß sich nur die Grünen für den Erhalt des alten Kinos einsetzten - da könnt man fast böswillig meinen, die Grünen kötern sich die Stadterhaltungsbefürworter :biggrin:

  • Größere Kirchen mit original gotischen Turmhelmen kannst du an einer Hand abzählen. Die Meisten sind durch Blitzschlag abgebrannt und durch Flachdächer oder Barockhauben ersetzt worden.
    Eine derartige Eigenart des Abschlusses wie bei der Frauenkirche ist mir als in Bayern und Österreich weniger bewanderten aber nicht geläufig. Mir scheint es daher paradox wenn wie uns hier meist zurecht über die Austauschbarkeit moderner Architektur echauffieren und von dir die Nivellierung einer solchen bauhistorischen Besonderheit gefordert wird.

  • Ein wenig vergleichbar sind die Turmhelme der Klosterkirche St. Lampert in Klosterseeon:

    Zitat


    die welschen Hauben nach dem Großbrand von 1561 aufgesetzt

  • Generell sind in dem Unterfangen, hohe Doppeltürme bei Backsteinkirchen überzeugend abzuschließen, gewisse Schwierigkeiten nicht zu übersehen. Vgl den Dom zu Breslau, die mE zu klobig und langweilig gewordene Marienkirche zu Lübeck, besser ist da sicherlich der Lübecker Dom gelungen, der die Einfachkeit und Wucht sozusagen auf die Spitze treibt.
    Für München kann ich mir gar nichts Überzeugendes (oder sagen wir so: Überzeugenderes) vorstellen. Diese welschen Hauben hatte immerhin das Zeug, zum "Markenzeichen" zu werden, überdies erscheinen sie formal einwandfrei. Ob sie mir wirklich gefallen oder nicht - über diese Frage bin ich mir im Unklaren.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • ich reite jetzt mal zur Abwechslung wieder ein wenig auf der (bald ehemalige) Giesinger Flunder herum - das der Demoaufruf der Grünen Fraktion ziemlich sinnlos erscheint, konnte ich mir schon im Vorfeld denken. Nun liegt offensichtlich die Schuld bei der geringen Anzahl an Demonstranten......Bittschön, diese Fraktion sitzt im Münchner Rathaus und hätte ja wohl noch andere Möglichkeiten gehabt. Wurde im Münchner Rathaus überhaupt über die Baupläne abgestimmt?

    Ich weiß nicht, aber die Motivation um des Wahlerfolges Willen sich für eine Bausubstanz einzusetzen, kann nicht gut gehen. (ich persönlich sehe es einfach mal in diesem Kontext... Irrtum ist natürlich nicht ausgeschlossen)

    Hier ein Artikel über den sinnlosen Protest das Gebäude zu erhalten:

    Zitat


    Rund 70 Giesinger waren ihrem Aufruf gefolgt, um zu zeigen, dass ihnen der Bau aus dem Jahre 1952 am Herzen liegt. »Es ist ein letztes Aufbäumen, ich weiß selbst, dass es für dieses Gebäude wohl zu spät kommt«, räumte die Grünen-Politikerin freimütig ein. »Das Negativbeispiel hier zeigt, dass wir den Denkmalschutz künftig im Gesetz und der Realisierung viel klarer und enger fassen müssen, um solche erhaltenswerten Gebäude wie die Flunder zu retten«, forderte Stamm. Thomas Pfeiffer,

    Quelle und ganzer Text: http://www.wochenanzeiger.de/article/130185.html

  • Ich habe die Visualisierung schon in der Süddeutschen gesehen... wieder so ein völlig deplatzierter Riesenkasten, der mich irgendwie an ein überdimensioniertes Parkhaus erinnert (Link zur Süddeutschen).

  • Die "Flunder" (ehemaliges Kino am Giesinger Bahnhof) hat ja nun dieser Tage "das Zeitliche gesegnet". Daher nun die letzten Aufnahmen des 1952 errichteten Kinogebäudes:

  • Bedeutet das nun, dass von dem Vorhaben, irgendwo anders einen neuen Konzertsaal zu errichten, Abstand genommen wird? Es wäre ja schon vernünftig, das, was man hat, zu ertüchtigen, denn ein Abriss des bestehenden Kulturzentrums nach nur 28 Jahren des Bestehens wäre doch als ungeheure Verschleuderung von Volksvermögen zu werten.

  • Das große, schöne Kulturzentrum Gasteig zeigt sich doch als wahrhaft properer Bau. Architektonisch mM. nach sehr gefällig.
    Wie kann man bei anfallenden Reparaturarbeiten auf die mehr als obskure Idee verfallen, dass gesamte Gebäude abzureißen ?
    Natürlich gehört bei solch einem repräsentativen, großen Gebäude eine ständige Überwachung der Substanz zu den Selbstverständlichkeiten. Auf diese simple Weise könnten auftretende Schäden durchaus begrenzt werden.
    In der Regel greift man doch bei undichten Fenstern am Hause zum Kittspachtel. Mir wäre es entschieden zu aufwändig, lieber das gesamte Haus zu schleifen.

  • Wie kann man bei anfallenden Reparaturarbeiten auf die mehr als obskure Idee verfallen, dass gesamte Gebäude abzureißen ?

    Der wesentlich ältere Vorgängerbau an dieser Stelle wurde auch abgerissen, und jener war in einem baulich wesentlich besserem Zustand...

  • Das habe ich nicht behauptet, nur ist dieses 80iger Jahre Gebäude für mich in keinerlei Hinsicht wirklich so architektonisch bedeutend daß am es unbedingt stehen lassen müßte - und von historischer Bedeutung kann erst recht keine Rede sein. Aber ich weiß nicht...vielleicht bejammerst Du es ja auch wenn das greissliche Ding von Kaufhopfgebäude am Marienplatz einst (hoffentlich) mal abgerissen wird?