München - Schwanthalerhöhe

  • Aber Michael, da muss ich deutlich widersprechen: die meisten Renovierungen von Altbauten in München sind durchaus akzeptabel. Es stimmt meiner Erfahrung nach in der Mehrzahl der Fälle nicht, dass Sprossenfenster durch ungeteilte Fenster ersetzt werden und schon gleich gar nicht werden Altbauten häufig gedämmt. Vielleicht ist es im Westend öfter mal so, da kenn ich mich nicht so aus (und ich glaube auch, dass viele Altbauten dort sehr schlicht sind und wahrscheinlich nicht unter Denkmalschutz stehen), aber in den meisten anderen historischen Vorstädten werden Altbauten fachgerecht renoviert, dies schon allein deshalb, weil die überwiegende Zahl der gründerzeitlichen Altbauten in München unter Denkmalschutz steht. Ich kann selber ein Lied davon singen: ich wohne in einem Jugendstilhaus in Neuhausen und hab schön öfters Fenster meiner Wohnung wegen Baufälligkeit austauschen lassen; da muss man zuerst die untere Denkmalschutzbehörde um Erlaubnis bitten, einen sauberen Aufriss des ausführenden Unternehmens mit genauer Beschreibung des neuen Fensters hinschicken und dann auf Erlaubnis warten. Keine Chance, da mit Kunststofffenstern, einer anderen Sprossierung oder gar ungeteilten Fenstern durchzukommen! Das Unternehmen, das die neuen Fenster einbaut, darf erst dann mit dem Einbau anfangen, wenn der Auftraggeber die Erlaubnis der Denkmalschutzbehörde besitzt; kein seriöses Unternehmen wird sich erlauben, dies zu ignorieren. Natürlich gibt's immer wieder mal Chaoten, die diese Prozedur umgehen, aber das ist dann gegen das Gesetz und zieht zumindest theoretisch eine Strafe nach sich.

    Außerdem haben wir vor ein paar Jahren unsere Fassade renovieren lassen, auch hierbei war die Denkmalschutzbehörde involviert und ist gekommen und hat die Fassadenfarbe auf einer Probefläche angeschaut und genehmigt. Das ist der Normalfall und wenn ich mich in Neuhausen, Schwabing, im Lehel, in Haidhausen und Bogenhausen so umschaue, dann sehe ich eigentlich die meiste Zeit akzeptable Renovierungen. Dass man verloren gegangene Details rekonstruiert, ist zugegebenermaßen selten, passiert aber auch hin und wieder einmal. Das Problem ist eher, dass man in München zu sauber und steril renoviert (z.B. mit Dispersionsfarben), so dass die Häuser einiges von ihrer Patina und Ausstrahlung verlieren.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Hallo Leonhard, danke für Deine ausführliche Expertise.

    1.) Ich beneide Dich um die Wohnung im Jugendstilhaus, freue mich aber für Dich ?

    2.) Eventuell täuscht der Eindruck, den ich hier aus dem Westend/Schwanthalerhöhe habe, wo Altbauten vermutlich schon vor langer Zeit mit großflächigen Fenstern ausgestattet wurden und bei Renovierung diese einfach beibehalten oder durch entsprechende neue Fenster ersetzt wurden.

    Dass die Auflagen so strikt sind war mir nicht klar und da lag ich offenbar falsch. Ich freue mich aber, dass die Denkmalschutzbehörde hier keine Zugeständnisse macht.

  • Die Kritik an den Fenstern bei der Renovierung ist auch weitgehend falsch in meinen Augen. Ich habe ein Visualisierung erstellt, warum eventuell ein Problem besteht bzw. wie es gut gelöst wäre in meinem ästhetischen Empfinden nach:

    Man hätte beim Erker die Fenster nochmal teilen müssen, dann sind die Fenster am Haus alle sehr gut so. Ich habe auch noch kleinere Schmuckanpassungen vorgenommen.

  • Ich beneide Dich um die Wohnung im Jugendstilhaus, freue mich aber für Dich ?

    Wer ko der ko ;) aber im Ernst, ich bin auch sehr froh, dass ich die Wohnung hab und bin mir des Privilegs durchaus bewusst :)

    Zu 2.): das ist natürlich ein Problem, viele Altbauten bekamen unpassende Fenster, bevor sie unter Denkmalschutz gestellt wurden und in diesem Fall bleiben sie natürlich vorerst leider einmal drin...

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Dankenswerterweise hat "thommystyle™" in einem anderen Faden eine Webseite zum Bürgerdialog verlinkt, aus der ich ein paar Informationen poste.

    Zuerst das erwähnte Paketpost-Areal:

    https://buergerdialog.online/2022/02/11/mue…nnen-gutachten/

    https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenc…euser-1.5526771

    Dann werden in der Eggarten-Siedlung 22 der 25 historischen Häusl abgerissen. Hier dreht sich die Aufregung allerdings vor allem um den Naturschutz bzw. die Fledermäuse:

    https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/eggar…sten-art-768313

    In Milbertshofen ist ein 100 Jahre altes, gut erhaltenes Gebäude vom Abriss bedroht. Geplant ist der Neubau eines Wohnhauses mit zwölf Wohneinheiten sowie einer Tiefgarage mit Multiparkern. Das übliche eben im Rendite-orientierten Ballungsraum:

    https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/100-j…ofen-art-791429

  • Nachtrag zum Haus am Gollierplatz:

    Plastikfenster mögen es bei dieser Sanierung ja sein, also kein Holz, was man kritisieren kann. Aber wenn man den Vorzustand vergleicht (hier), wurden nun offenbar überhaupt erst geteilte Fenster eingesetzt, denn vorher waren es ungeteilte Glasflächen. Außerdem wurden ornamentale Details neu hervorgehoben. Das Erscheinungsbild des Hauses ist dadurch enorm verbessert worden. Das ist also eine Sanierung, nach der sich manche Regionen Deutschlands die Finger lecken würden. Insofern erscheint es mir eine klassische "Das Glas ist halbvoll" vs. "Das Glas ist halbleer"-Debatte.

  • Nachtrag zum Haus am Gollierplatz:

    Plastikfenster mögen es bei dieser Sanierung ja sein, also kein Holz, was man kritisieren kann. Aber wenn man den Vorzustand vergleicht (hier), wurden nun offenbar überhaupt erst geteilte Fenster eingesetzt, denn vorher waren es ungeteilte Glasflächen. Außerdem wurden ornamentale Details neu hervorgehoben. Das Erscheinungsbild des Hauses ist dadurch enorm verbessert worden. Das ist also eine Sanierung, nach der sich manche Regionen Deutschlands die Finger lecken würden. Insofern erscheint es mir eine klassische "Das Glas ist halbvoll" vs. "Das Glas ist halbleer"-Debatte.

    Ich bin auch immer dafür es eher positiv zu sehen. Es ist eindeutig eine Verbesserung, aber eben keine gelungene bzw. vorbildliche Sanierung, die man "feiern" muss.

  • keine gelungene bzw. vorbildliche Sanierung, die man "feiern" muss.

    Solche Aussagen halte ich für vollkommenen Bullshit, sorry. Ich habe jede Menge solcher Gebäude schon verwaltet. Da kommt im überwiegenden Teil der Fälle Standardware rein, je nach Geldbeutel des Hausbesitzers. Die wenigsten können sich Holzfenster nach Maß leisten, auch wenn Du Dir das hier herbeifantasierst, dass nur so eine gelungene Sanierung aussehen würde. Man kann mit den Kunststofffenstern vergleichbar gute Proportionen erreichen, so ein dogmatischer Mist schreckt nur Bauherrn ab überhaupt nach solchen Maßstäben zu sanieren. Wenn ich Kostenvoranschläge einhole, und da alles nur nach Deinem Maßstab machen würde, hätte ich im überwiegenden Teil der Fällen eine Antwort, die dann den Plan komplett verwirft aufwertend zu sanieren, und dann einfach den Status quo repetitiert, also z.B. die genau gleichen Fensterformate wieder einbaut mit gleicher Qualität.

  • Im Westend will die Kirche ein Mietshaus aus dem 19. Jahrhundert abreißen und dafür einen Neubau errichten, in den nur Leute einziehen dürfen, die sich zu einem Leben ohne Auto bekennen: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenc…enrad-1.5590353

    Ich sehe schon den nächsten fassadenbegrünten Einheitsbrei näher kommen. So desolat wirkt das Gebäude von außen auch gar nicht, vor allem nicht im Vergleich zu Ostdeutschen Verhältnissen.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Ich überlege gerade, welcher Aufstand folgen würde, wenn die Kirche verlangen würde, dass Mieter sich vertraglich auf den Verzicht z.B. homosexueller Handlungen verpflichten müssten. Oder die Mieter kein Smartphone besitzen dürfen. Oder dass die Mieter unterschreiben müssen, nie mit dem Flugzeug in Urlaub zu fahren...

  • Zitat

    So desolat wirkt das Gebäude von außen auch gar nicht, vor allem nicht im Vergleich zu Ostdeutschen Verhältnissen.

    Das wird es auch nicht sein. Aber hier wird eine Dekadenz zelebriert, bei der es einem die Sprache verschlägt. Das Virtue Signalling beherrscht die Amtskirche aus dem FF (siehe vergangener "Katholikentag"), aber eine behutsame Sanierung eines über 100 Jahren alten Gebäudes scheint nicht möglich, gleichzeitig will man die Bewohner dazu verpflichten, auf ein Auto zu verzichten, um das ganze ein wenig grüner erscheinen zu lassen, als es ist.

    Ist das rechtlich überhaupt zulässig? Was passiert eigentlich, wenn sich bei einem Hausbewohner die Lebensumstände ändern, und er zwingend auf ein Auto angewiesen ist? Vollkommen grotesk. Wäre nur interessant, wie das alte Haus im Ursprungszustand ausgesehen hat. Womöglich wäre der Aufschrei größer gewesen, wäre die Öffentlichkeit über diesen Ursprungszustand informiert worden.

  • Ist das rechtlich überhaupt zulässig?

    Nein, ist es nicht. Ein entsprechende Klausel wäre rechtswidrig. Es gab schon einmal einen analogen Fall, in dem das zuständige Gericht die entsprechende Klausel schlicht für unwirksam erklärt hat. Das müssten aber sowohl die Juristen der Kirche, als auch die des Bezirks wissen.
    Also: einfach einziehen und ein Auto anschaffen. Das kann einem niemand per Mietvertrag verbieten und die Wohnung kündigen können sie einem deswegen auch nicht.

  • Das einzige, was mir als einigermaßen nachvollziehbare Begründung für die Forderung auf Verzicht auf ein Auto einfällt, ist, dass meines Wissens jeder Neubau per bayerischem Gesetz (https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayGaV-ANL_1) eine bestimmte Anzahl an Parkplätzen für die Bewohner aufweisen muss, was in einer dichtbebauten Stadt nur mit Tiefgarage realisierbar ist. Vielleicht möchte die Kirche durch eine solche kategorische Verzichtserklärung dieses Gesetz umschiffen und den Bau einer Tiefgarage somit vermeiden. Aber das ist nur Spekulation meinerseits.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Das einzige, was mir als einigermaßen nachvollziehbare Begründung für die Forderung auf Verzicht auf ein Auto einfällt, ist, dass meines Wissens jeder Neubau per bayerischem Gesetz (https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayGaV-ANL_1) eine bestimmte Anzahl an Parkplätzen für die Bewohner aufweisen muss, was in einer dichtbebauten Stadt nur mit Tiefgarage realisierbar ist. Vielleicht möchte die Kirche durch eine solche kategorische Verzichtserklärung dieses Gesetz umschiffen und den Bau einer Tiefgarage somit vermeiden. Aber das ist nur Spekulation meinerseits.

    Interessant. Wenn das so ist, dann würde ich als Vermieter vermutlich auch so eine Autoverzichts-Klausel in den Mietvertrag aufnehmen. :D

  • den Bau einer Tiefgarage ... vermeiden

    Das war auch mein Gedanke. Für wahrscheinlicher aber halte ich die Erklärung, sich mit modischen Ideen anzubiedern.

    Wobei ich die Grundidee eigentlich gar nicht so falsch finde. Nicht in erster Linie wegen wegen grün und Erderwärmung, sondern einfach wegen der prinzipiellen Idee, ein Haus zu schaffen, wo Menschen mit einer bestimmten Lebensweise zusammenwohnen können. Aber das geht faktisch nicht und es widerspräche dem Grundsatz der Sozialbindung des Eigentums. Das Mietrecht unterliegt nicht dem Gedanken, die rechtlichen Bedingungen des Wohnens wären beliebig verhandelbar und Rechte der Mieter einfach so abdingbar. So ein Haus wäre dem normalen Wohnungsmarkt entzogen und die Mieter müssten auf Rechte verzichten, deren Verlust sie eines Tages vielleicht einmal schmerzlich bedauern.

    Ob es auch gut ankäme, wenn man sagt, man macht nur Mietverträge mit Indexklausel, die eine Mindestlaufzeit von 10 Jahren haben? Und dass die Mieter Kirchenmitglied sein müssen? Und dass sie niemanden heiraten dürfen, der einer anderen Konfession angehört? Unabhängig vom Mietrecht würde man sich damit eher nicht beliebt machen. Da wird der Sinn von der Sozialbindung des Eigentums plötzlich unübersehbar.

  • So schade, wenn das abgerissen werden soll! Die alte Stuckfassade muss interessant gewesen sein, wenn ich mir die Form der Fenster ansehe. Gerade in München würde sich eine Fassadenreko sicherlich gut rechnen bei den dortigen Mieten, aber vermutlich kommt dort nun eine hässliche Rigipsburg hin, die auch den Fensterryhtmus mit den Nachbarn zerstört.

    Ich frage mich, ab wann genau den Architekturstudenten an den Technischen Hochschulen die Grundlagen der Baukunst bzw. das Entwerfen von Fassaden abgedreht wurde? Da muss es doch ein Datum geben, wo man einfach diese wichtigen Grundlagen einfach weggestrichen hat - oder? Kein Wunder, dass man über kaum eine Berufsgruppe so sehr die Nase rümpft wie bei Architekten (die natürlich trotzdem noch vor Politikern und Prostituierten liegen). Dabei könnten sie durch ein bisserl mehr Bildung - wie früher eben - auch wieder ihren Ruf verbessern und obendrein auch wieder an den noch guten Ruf der Vorväter anknüpfen!

  • Treibender Gedanke scheint mir auch nicht zu sein, Menschen ein Lebensumfeld zu geben, das ihren persönlichen Wünschen entgegenkommt, sondern eine Sozialromantik, die glaubt, Autos wären seit der Erfindung des Lastenfahrrads obsolet. Und wenn es in diesem Haus brennt, kommt dann die Feuerwehr mit Fahrrädern zum Löschen?

    Ohne jetzt zu spitzfindig zu sein, aber im Westend und gerade in den Straßen um dieses Haus herum, würde die Feuerwehr von einer deutlichen Reduzierung des MIV wirklich profitieren: Die Straßen teilweise verhältnismäßig eng, an beiden Seiten wird dicht auf dicht geparkt - man kann froh sein, dass es dort bisher noch keinen allzu schweren Brand gab.

    Gilt übrigens auch für andere Gebiete Münchens, z. B rund um St. Benno in der Maxvorstadt. In manchen Straßen werden die Feuerwehrzufahrten in den engen Straßen so schnell und so regelmäßig zugeparkt, so schnell kann man gar nicht die Parkraumüberwachung anrufen.

    Und die Ausweisung von Parkverbotszonen ist aufgrund der schieren Masse an Autos leider problematisch, denn wo sollen die ansonsten hin? Nicht ohne Grund kosten Tiefgaragenstellplätze in München inzwischen so viel wie ein Luxusauto. Von daher kann ich ein bewusstes Setzen eines Zeichens schon sehr gut verstehen, auch wenn es rechtlich wirklich nicht haltbar sein dürfte.

  • Schöne Renovierung im Münchner Westend (Stadtbezirk Schwanthalerhöhe)

    Das Gebäude vorher

    Das Gebäude jetzt

    Das Haus ist eines von vier Eckgebäuden an einer kleinen, optisch ganz ansehnlichen Kreuzung. Das sind die anderen drei Eckhäuser: