Kassel - Karlshospital: Rettung oder Verunstaltung?

  • Die Führung war tatsächlich ein unerwarteter Erfolg - aber die Politik schert sich leider nicht drum :(

    Letzte Woche Donnerstag war Kulturausschußsitzung, und die Mehrheit der Politiker dort zeigte an dem Thema gar kein Interesse (von etwa 15 haben sich grademal 4-5 überhaupt zu Wort gemeldet).
    Die Argumente werden auch immer interessanter: Der Kulturdezernent (und Bürgermeister; CDU) beruft sich darauf, daß ihm persönlich eine Rekonstruktion ja am liebsten wäre; aber Rekonstruktionen seien nun mal in Kassel unüblich - mit anderen Worten: Wenn es Tradition ist, die Stadt seit 1943 zu verschandeln, dann müssen wir auch so weiter machen!! :boese: - Die Untere Denkmalschutzbehörde erlaubt alles, sofern nur keine historische Substanz verändert wird, und die Architektenschaft stehe "vehement" hinter dem Projekt.
    Inzwschen beruft man sich auch darauf, daß das Mansarddach nicht vom Investor gefordert werden könne, da es unbezahlbar und unwirtschaftlich wäre. Allerdings wurde diese Variante bislang nicht mal geprüft und durchgerechnet...
    Der SPD-Ortsverein des Stadtteils lehnt den Wiederaufbau sogar strikt ab; das alte Kassel existiere nicht mehr, und "unrealistische Forderungen nach einer Rekonstruktion" würden die Rettung des Baudenkmals sogar verhindern.
    Die beiden großen Parteien sind sich in den Argumenten leider ziemlich einig; einzig die Grünen fordern nun eine Dachform, die sich am historischen Vorbild orientiert.

    Dabei sind sich aber alle einig, daß die große Mehrheit der Bürger für eine Wiederherstellung wäre...

    (Vgl. http://www.presche-chr.de/christian/KarlshospitalAktuell.htm)

  • Mal in Gegenüberstellung, um das ganze etwas anschaulicher zu machen:


    http://www.presche-chr.de/christian/Karl…en/image013.jpg

    Der ursprüngliche Zustand von 1720/21. Die Dachfenster sind allerdings Ende der 1860er Jahre vergrößert worden und können deswegen nicht mehr genau rekonstruiert werden. Hier bieten sich für eine Nutzung aber ohnehin größere Fenster an (an der Rückseite herrlicher Blick über die Fulda!), die den Charakter des Gebäudes auch nicht stören würden.


    http://www.presche-chr.de/christian/Karl…en/image004.jpg

    Die Planung; die zusätzlichen Fenstereinbrüche stammen von 1927/28 und wären bei einer Wiederherstellung wieder zu schließen. Genauso wäre auch das Bruchsteinmauerwerk wieder zu verputzen, das in der aktuellen Planung steinsichtig bleiben soll.

  • Schrecklich, wenn jetzt der Versuch einer kleinen Rekonstruktion schon mit einer "Tradition" der baulichen Zerstörung "argumentativ" abgelehnt wird. Soviel übrigens auch zum Traditionsbewußtsein einer in der Öffentlichkeit immer noch als konservativ titulierten Partei...

    Und weshalb ein Mansarddach für einen Investor, der den Baugrund geschenkt bekommen hat und zusätzlich 3 Millionen Euro Zuschuß vom Land, finanziell nicht machbar sein soll, ein Flachdachgeschoss aber schon, versteht wohl niemand. Ein seltsamer Investor jedenfalls. Und wenn man sich die Sache genauer anschaut, kommt einem das Ganze (inclusive Investorenzuschlag) sehr zwielichtig vor. Wer weiß, wer daran gut verdienen soll. Schon die stumpfe Abwiegelung der Politik sagt dem Erfahrenen jedenfalls: An der Sache stinkt irgendetwas.

    Nun hilft eben nur eines: Die Möglichkeiten eines Bürgerbegehrens prüfen. Die Frankfurter Altstadt-Beführworter haben dies bislang erfolgreich als Druckmittel gegen träge Politiker einsetzen können.

  • Typisch Kassel. Das bewußt ruinös sanierte Zeughaus hat ihnen nicht ausgereicht (hier ein Bild nach der Sanierung von 2009: http://de.wikipedia.org/w/index.php?ti…20090718093218; so sah es mal aus und wäre auch wiederherstellbar gewesen: http://www.max-eyth-schule.de/php/content//s…1/zeughaus1.jpg). Nun mußte auch das Karlshospital dran glauben und seinen widerlichen und geistig rückständigen Bauklotzdeckel aufgesetzt bekommen. Man möchte gar nicht wissen, wieviel für dieses Ergebnis hinter den Kulissen gemauschelt wurde oder Spendengelder flossen. Das größte Unglück Kassels war seine Zerstörung im Weltkrieg. Das zweitgrößte Unglück war aber, daß die Zerstörung nicht 100%-ig war, sondern einige wenige Innenstadtmauern übrig hat stehen lassen. So konnte eine ästhetisch unfähige Entscheidungsträgerschicht leider mit ihren Fingern an diesen Resten herumpanschen, und ihnen - im Falle des bemitleidenswerten Karlshospitals - die letzte Würde nehmen. Wie viel schöner wäre eine Wiesen- und Waldfläche auf dem, was einmal diese Stadt war (http://www.achwir.net/ge/fotos1900.php). Vor mir aus mit der Orangerie und dem Renthof inmitten der riesigen grünen Leere.

    Wollt ihr noch einen? Die Garnisonkirche in der Innenstadt. Einst ganz stattlich (http://de.wikipedia.org/w/index.php?ti…=20061023222716), heute bewußt als Ruine belassen (http://de.wikipedia.org/w/index.php?ti…=20090707143651).

    Man kann in dieser Stadt gar nicht genug Ahle Wurst essen, wie man kotzen möchte.

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (15. April 2011 um 03:51)

  • Als ich das Bild vom Jetzt-Zustand sah, war ich geschockt! Mir fehlen echt die Worte. :boese:

    So sieht es also aus, wenn man die Moderne an die Historie anpasst?! Lächerlich. :daumenunten: