• nothor Unter den Abertausenden von Ansichtskarten der Moritzkapelle und dem Bratwurstglöcklein bin ich letztes Jahr auf diese seltene Ansicht gestossen. Kanntest Du diese schon?

    Ak Bratwurstglöcklein Ia

    Bratwurstglöcklein mit Sicht auf das Nordportal von St. Sebald. Ungelaufene Reklame-Ansichtskarte vor 1944 von Photo Porst, Nürnberg.

    Nein, die ist wirklich schön, der Ausleger (der mir bekannt vorkommt, als hätt' ich ihn letztens in einer Auktion gesehen) kommt schön zur Geltung. Wie verwunschen und bedeutungsschwer das alles aussieht...

    Das ist meines Erachtens ein ganz zentraler Punkt und eine Problematik, die wir eigentlich mal gesondert diskutieren müssten: Wie gehen wir mit diesem Problem um? Welche Lösungsansätze wären da (zumindest theoretisch) denkbar? Steuerliche Förderung für Rekonstruktionen? Bebauungspläne, die wichtige Rekonstruktionskandidaten verzeichnen mit einer Regelung, dass für den Fall einer Neubebauung geprüft werden muss, ob eine Rekonstruktion sinnvoll ist? Welche Instrumente könnte es da geben?

    Das sehe ich nicht so, denn ist ja mal absolut überhaupt nicht der Fall, dass dort, wo man völlig neu gebaut hat, Straßenverläufe und Gebäudeumrisse verworfen hat und heute eine ganz andere Stadt steht, dass dort heute munter rekonstruiert wird. Es ist doch vielmehr eine Frage der Qualität der Nachkriegsbebauung, sowohl im ästhetischen Sinne, ob sie die Menschen das alte vermissen lässt, als auch im wirtschaftlichen Sinne, inwieweit das nun Bestehende nutzbar und sinnbringend ist. Das eine oder andere hat womöglich seine Lebensdauer noch nicht hinter sich gebracht, weil es zeitlos ist und von der Nutzung her breiten Bedarf bedient. So sehe ich das bei den Nachkriegswohnhäusern in der Nürnberger Altstadt, die zu vermieten ist ein Kinderspiel.

    Zu bedauern, dass nicht flächendeckend so wieder aufgebaut wurde und daraus abzuleiten, dass wir dann heute mehr rekonstruieren könnten und ein schöneres Nürnberg hätten als es aktuell ist, scheint mir etwas übers Ziel hinaus zu schießen. Denn vermutlich wäre es eher so, dass man heute eine Initiative hätte, die den Wiederaufbau des Rathauses erstreitet, vielleicht auch noch das eine oder andere, das wir aktuell als selbstverständlich nehmen, und das wars.

    Ich halte den Wiederaufbau der Nürnberger Altstadt für gelungen, aber für nicht abgeschlossen. Denn es fehlen noch für die Identität wichtige Ikonen und fast noch schlimmer, in den letzten 20 Jahren wurde der Wiederaufbau durch teils dreist-unpassende Neubauten entwertet. Denn immerhin wird immer vom "Wiederaufbau der Alstadt" als Ganzes gesprochen, das meint dann immer sowohl den Tiergärtnertorplatz genauso wie den Kornmarkt. Und das passt irgendwie nicht, vor allem die weniger gelungenen Orte werden im Laufe der zeit eher immer schlimmer, im Sinne einer wiederaufgebauten Altstadt. Der Kornmarkt schaut eher aus wie Minsk oder Eisenhüttenstadt.

  • Ich halte den Wiederaufbau der Nürnberger Altstadt für gelungen, aber für nicht abgeschlossen.

    Wenn dem so ist... worüber diskutieren wir dann? Warum ein gelungenes Werk in Frage stellen? Was sollte man an einem gelungenen und befriedigenden Status quo um ein paar klitzekleine Ikonen oder was verändern? Das wäre doch kleinlich. Und abgesehen davon hätten die recht, die von einem schützenswerten Flächendenkmal der 50er/60er Jahre sprechen. Wenn schon, denn schon.

    Und was ist mit "nicht abgeschlossen" gemeint? Wohl keine Rekos, weil es so etwas einfach nicht gegeben hat. "Abschluss" heißt wohl nicht "Neuansatz".

    Denn immerhin wird immer vom "Wiederaufbau der Alstadt" als Ganzes gesprochen

    Wer hätte das gemacht? Das wäre doch illusorischer Unsinn.

    Aber dass eben gar nix (ex nihilo) wiederaufgebaut worden ist, steht auf einem anderen Blatt.

    das meint dann immer sowohl den Tiergärtnertorplatz genauso wie den Kornmarkt.

    Tiergärtnertorplatz als Wiederaufbauleistung... Inwiefern eigentlich? Das Pilatushaus ist da wohl nicht gemeint Gut, das Dürerhaus war nicht ganz unbeschädigt, aber seine Nachbarhäuser hat man jedenfalls nicht wiederaufgebaut, obwohl in der Dürerstraße nicht so wenig gestanden ist:

    Bundesarchiv_B_145_Bild-F006558-0007%2C_N%C3%BCrnberg%2C_Altstadt%2C_Albrecht_D%C3%BCrer_Haus.jpg

    (1959)

    Warum aber gefällt dir der Kornmarkt nicht? DAS ist N.er Wiederaufbau nicht aber der stehengebliebene halbe Unschlittplatz oder die halbe Füll etc.

    PS Seh grad, der Kornmarkt hat sich in jüngeren Zeit wohl etwas verändert, und drauf willst du wohl hinaus. Na gut, aber glaub mir, er war in den 80ern auch nicht schöner, im Gegenteil!

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • In Deutschland soll man planmässig ganze Viertel wieder rekonstruieren oder sanieren im altken Still MIT alle komfort von moderen Bauten. Besonders Schmuck und Details sollen wieder in das Städtebild zurückkommen.

  • ^Wenn man die Vorstellung nicht gleich verwirft wegen ihrem undemokratischen Zentralismus, könnte man eventuell überlegen, ob man nicht Regelungen schaffen kann, die bestimmte Viertel, deren Charakter von einer Epoche stark geprägt wurde unter einer neuen Form des Ensembleschutzes stellen könnte, sodass nur in dieser Formensprache ergänzt werden darf.

    Im Prinzip das gleiche System, wie man noch bis Anfang des Jahrtausends teilweise Neubauwohngebiete beschränkt hat z.B. nur in der Dachform und Bauhöhe.

    Aber das führt jetzt weg vom Thema.

  • Wohl auch ein wichtiger Rekokandidat, das Haus ganz rechts:

    Bild 1 - CPA-AK-Nurnberg-St-Sebalduskirche-u-Weinmarkt-GERMANY-942634


    weiß wer was Näheres, inwieweit der Nachfolgebau die Kubatur einhält? Der Giebel kommt mir auf dem Bild leicht historistisch vor, weniger von der Form als von der Fassadierung?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Momentan boomt ja hier die Diskussion über Nürnberg. Ich finde Nürnberg auch faszinierend und würde daher gerne in naher Zukunft mal ein Video zum Thema "das alte Nürnberg" machen. Dann kann jeder sehen, welchen Schatz wir damals verloren haben. Wie fang ich am besten an? Wo kann ich gute Bilder finden? Irgendwelche Tipps?

    Ich finde ja die Galerie zum alten Nürnberg hier im Forum sehr schön:

    Nürnberg - in alten Ansichten (Galerie)

    (Nicht mit Chrome öffnen, sonst sieht man die extern eingebundenen Bilder nicht.)

  • Die gesamte Altstadt ist ein Flächendenkmal, ein Ensemble. Alles, was irgendwie mittelalterliche Substanz hat, ist zudem ein Einzeldenkmal. Dann gibt es noch Rekonstruktionen aus der Nachkriegszeit, die aber von den erhaltenen Originalen kaum zu unterscheiden sind und auch allgemein davon nicht unterschieden werden. Der Nürnberger macht nach meinem Dafürhalten keinen Unterschied zwischen Wiederaufbau, renovierter Originalsubstanz oder Rekonstruktion. Das wird alles unter "Wiederaufbau" subsumiert.

    Da es aber zahlreiche Ecken gibt, in denen weit und breit keine Reko und kein Original mehr steht, z.B. entlang der gesamten Laufer Gasse, oder der Inneren Cramer-Klett-Straße, oder in weiten Teilen der Lorenzer Altstadt, dort aber auch wieder aufgebaut wurde, wirkt der Wiederaufbau dort nicht befriedigend. Für die Akten: Es wurde wieder aufgebaut. Punkt. Für den Betrachter: Hier stehen nur Provisorien, wo ist denn das, was wieder aufgebaut wurde eigentlich? Genau da liegt auch das Problem, Projekte wie die WiSo-Gebäude im Nordwesten (google) oder diese fürchterlich hässlichen Stadtvillen im Innenbereich sind nicht im Rahmen des Wiederaufbaus entstanden, sondern als man diesen für abgeschlossen zu den Akten gelegt hat. Der Wiederaufbau ist in Nürnberg leider kein lebendes Prinzip mehr, sondern war eine Episode, die spätestens in den 1970'ern als abgeschlossen betrachtet wurde, was auch zur Gründung der AF geführt hat. Seither hat es keine Rekos mehr gegeben, und das Baurecht wurde so verwässert, dass innerhalb der Altstadt kaum noch Gestaltungsvorgaben gemacht werden.

    Vielleicht denke ich das zu technokratisch, aber für mich sieht die Sache so aus:

    • Der nach 1945 begonnene Wiederaufbau hat korrekt begonnen und wurde für vielleicht 10 Jahre beibehalten. Wichtige Denkmäler wurden wiederhergestellt und die wesentlichen Plätze und Silouetten kamen ins Stadtbild zurück.
    • Ab Mitte der 1950'er verwarf man immer mehr Rekonstruktionen zugunsten eines zeitgemäßen Neubaus (bspw. das Pellerhaus, aber auch Grolandhaus, etc). Das bis dahin geleistete konnte in vielen Fällen seine Wirkung nicht mehr entfalten, da durch fehlende Rekos der historische Bezug fehlte. Gleichzeitig sind ja sogar noch weitere historische Häuser weg gekommen. Die Weiterverfolgung des vielversprechend begonnenen Wiederaufbaus war zu dieser Zeit im Grunde verworfen worden.
    • Seither wird im Altstadtgebiet bestenfalls angepasst neu gebaut. Das Karstadt-Kaufhaus ist da mein Lieblingsbeispiel. Passt irgendwie in die Altstadt, aber mit einem "Wiederaufbau" hat das nicht viel zu tun.
    • Heute kämpfen Altstadtfreunde und andere darum, dass man wenigstens angepasst neu baut und die Originalsubstanz, die noch da ist, nicht auch noch verloren geht. Ihnen gegenüber steht die Lokalpolitik, für die ist Wiederaufbau und Mittelalters jeweils eins: Nämlich abgeschlossen. Parallel drängen Investoren in die Stadt und wollen hier betonieren. Für die AF eine Mammutaufgabe und aus meiner Sicht von den Dimensionen her mit nichts zu vergleichen, was andersnorts in Deutschland gemanagt werden muss.

    Eins geht mir aber auch immer durch den Kopf: Wenn ich mir vergegenwärtige, dass man aktuell in 4 bis 5 Mio in die Rettung des Wohnhauses hintere Ledergasse 43 steckt, allein in ein einziges Gebäude, wie stünde es heute wohl um die Altstadt, wenn sie nicht zerstört worden wäre, sondern solche Häuser mal mehr mal weniger gut zu tausenden in der Altstadt stünden? Da wären auch hunderte und aberhunderte Gebäude mittlerweile verschwunden, wahrscheinlich ganze Straßenzüge.

  • Wohl auch ein wichtiger Rekokandidat, das Haus ganz rechts:

    (Bild)

    weiß wer was Näheres, inwieweit der Nachfolgebau die Kubatur einhält? Der Giebel kommt mir auf dem Bild leicht historistisch vor, weniger von der Form als von der Fassadierung?>

    ursus carpaticus Du hast Dir die Antwort (betreffend Kubatur) dazu just 24 Stunden vorher selber gegeben. :smile:

    Und wenn man schon von Abriss und Neubebauung träumt, bestünde aus erwähnten Überlegungen bei diesem Klotz am Weinmarkt ein mE sehr hoher Bedarf, weil hier ein einigermaßen intakter Stadtraum nach allen Richtungen hin verschandelt wird. https://www.google.at/maps/@49.45534…!7i13312!8i6656

    Der Nachfolgebau (Weinmarkt 9/11) ist tatsächlich der "Klotz"...

    Ich habe die dem historischen Bild entsprechende Google-Ansicht herausgesucht: https://goo.gl/maps/K2dPZ5FwQ3QzDa5f9.

    Wie man sieht, ist das Dach heute um 90° gedreht. Der Vorgängerbau (Weinmarkt 11) bestand aus einem Vorderhaus und einem Hinterhaus mit je einem Nord/Süd-ausgerichteten Satteldach, die beide durch einen strassenseitigen Verbindungsbau verbunden waren. Form und Kubatur entsprachen ziemlich genau dem Komplex zwischen ihm und St. Sebald (Vorderhaus: Karlstr. 37, Hinterhaus und Verbindungsbau: Weinmarkt 1). Das Vorderhaus und den Verbindungsbau sieht man auf deinem Bild auch.

    Die Giebelwand ist mir auch schon wegen der historistisch anmutenden Architektur aufgefallen, aber mehr weiss ich auch nicht darüber. Ich besitze die Ansicht im Original und habe sie mal entzerrt. Vermutlich war die Giebelwand bis zu Ende des 19. Jahrhunderts ähnlich kahl wie bei Karlstr. 37, oder zumindest ohne diese Binnengliederung, aber mit der Giebelkontur. Wobei die kahle Giebelwand mit lediglich vier kleinen Fenstern und der aufwändigen Giebelkontur eigenartig ausgesehen hätte.

    Weinmarkt 11 Giebel entzerrt

  • nothor Gab es nicht vor etwa vier Jahren mal einen Vorstoss zu einem Konzept für die Altstadt, in welchen Bereichen der Altstadt angepasstes Bauen und Denkmalpflege Vorrang haben sollten, und in welchen Bereichen eher der Kommerz? Ich habe darüber anschliessend nichts mehr gehört. Das hätte aber geheissen, dass von der gesamten Altstadtfläche einzelne Bereiche als denkmalpflegerisch besonders wertvoll ausgeschieden worden wären. Die Altstadtfläche wäre dazu in Belangen für die Denkmalpflege und angepasstes Neu-bauen zwar reduziert worden. Ein zweischneidiges Schwert...

  • Der nach 1945 begonnene Wiederaufbau hat korrekt begonnen und wurde für vielleicht 10 Jahre beibehalten. Wichtige Denkmäler wurden wiederhergestellt und die wesentlichen Plätze und Silouetten kamen ins Stadtbild zurück.


    Ab Mitte der 1950'er verwarf man immer mehr Rekonstruktionen zugunsten eines zeitgemäßen Neubaus (bspw. das Pellerhaus, aber auch Grolandhaus, etc). Das bis dahin geleistete konnte in vielen Fällen seine Wirkung nicht mehr entfalten, da durch fehlende Rekos der historische Bezug fehlte. Gleichzeitig sind ja sogar noch weitere historische Häuser weg gekommen. Die Weiterverfolgung des vielversprechend begonnenen Wiederaufbaus war zu dieser Zeit im Grunde verworfen worden.

    Meinst Du? Meiner Meinung stand da schon längst die Ära gesichtsloser globalistischer Rasterarchitektur in den Startlöchern. Es gab zwar 1947/46 einen Architekturwettbewerb in der der Architekt Gutschkow den Hauptmarkt orginalgetreu wiederaufbauen wollte, das Rennen machte beim Rathausneubauwettbewerb (1951) der Architekt Kurt Schneckendorf.

    Ein Rasterformiger Kubus (zumindest noch mit Sockel!+ flachem Walmdach)

    Hier der preisgekrönte 2. Sieger. Standartmuster zeitgenössischer Architektur. (Architekt Bickel)

    (die Metallzinken gefallen mir sogar)

    Beauty matters!

  • In der Kombination beider Entwürfe erkenne ich ein Muster des gegenwärtig existenten Pellerhauses. Über einem Sandstein-Sockel mit Rundbögen (im Falle des neuen Pellerhauses aus dem alten Original) erhebt sich eine Rasterfassade. Und darüber findet sich ein in den Himmel strebendes Metallgestänge (zu sehen im zweiten Marktplatz-Entwurf).

  • nothor zu deinem letzten Punkt: ein unzerstörtes Nürnberg wäre heute vermutlich Weltkulturerbe und würde auch deutlich mehr Touristen anziehen. Natürlich wären einige Häuser verloren gegangen, aber der Großteil der Bausubstanz hätte wie in anderen unzerstörten Altstädten erhalten werden können, da bin ich mir sicher. Deiner sonstigen Einschätzung zur Situation in Nürnberg stimme ich aber zu.

  • und darüber findet sich ein in den Himmel strebendes Metallgestänge (zu sehen im zweiten Marktplatz-Entwurf).

    unterdessen ich dieses vertikal gerichtete Element honoriere.

    Nürnberg hatte einst mal eine so feingliedrige Silhouette, wie ein Spitzengewebe :love:

    Beauty matters!

  • nothor zu deinem letzten Punkt: ein unzerstörtes Nürnberg wäre heute vermutlich Weltkulturerbe und würde auch deutlich mehr Touristen anziehen. Natürlich wären einige Häuser verloren gegangen, aber der Großteil der Bausubstanz hätte wie in anderen unzerstörten Altstädten erhalten werden können, da bin ich mir sicher. Deiner sonstigen Einschätzung zur Situation in Nürnberg stimme ich aber zu.

    Ja, vermutlich, aber der Gedanke drängt sich mir auf wenn man gleichzeitig diskutiert, bedeutungslose Handwerkerhäuser in der Steppe wieder aufzubauen. Häuser, von denen man nichtmal ausgehen kann, das jedes einzelne von ihnen die Nachkriegszeit überstanden hätte angesichts des Modernisierungsstaus. Freilich die wesentlichen Postkartenmotive hätten wir heute wohl alle noch. Nürnberg wäre aber trotzdem kein Rothenburg ob der Tauber in groß.

    nothor Gab es nicht vor etwa vier Jahren mal einen Vorstoss zu einem Konzept für die Altstadt, in welchen Bereichen der Altstadt angepasstes Bauen und Denkmalpflege Vorrang haben sollten, und in welchen Bereichen eher der Kommerz?

    Ja, das ist glaube ich sogar schon länger her. Die Altstadtfreunde haben das Konzept m.W.n. begrüßt und dafür argumentiert, aber aus welchen Gründen auch immer ist das im Sande verlaufen. Ich denke das hat daran gelegen das man den vielen Eigentümern in der Altstadt nicht noch mehr, im Sinne von Veränderungen, zumuten wollte bzw. sie sich beschwert haben. Wer "Pech" hatte, und sein haus irgendwo zwischen Weinmarkt und Burg hatte, hätte viel strengere Vorgaben erfüllen müssen als jemand, dessen Haus am Kornmarkt steht. Bei gleichem Baujahr. Ich vermute dass das daher kommt.

    Was ich aktuell sehr begrüße sind die Bemühungen der Stadt, die Altstadt besonders im Nordwesten vom Verkehr zu beruhigen. Die zum Tiergärtnertorplatz hinaufbrausenden Fahrzeugkolonnen stören mich jedesmal und machen das ganze Flair kaputt. Denn die Gehwege sind da grademal 1 m breit. Aber der Widerstand der Bevölkerung dagegen ist beachtlich, jeder will seinen Parkplatz behalten und dass alle Besucher, Kunden usw. auch immer schön vor der Türe parken können. Es ist echt schlimm, wieviel Energie auch die kleinste Veränderung im Sinne einer Verbesserung in der Altstadt kostet.

  • Andererseits, wenn ich mir meinen letzten Punkt anschaue: Es wäre auch möglich gewesen, dass sich die Nürnberger gegen den Titel Weltkulturerbe gewehrt hätten. In Dresden hat man ja da auch wegen einer Elbbrücke keine Kompromisse gekannt, und das wäre in den Fortschrittsgläubigen Nachkriegsjahren in Nürnberg wohl noch schlimmer gewesen. Möglich dass man gesagt hätte "Nehmt doch Rothenburg, denn Nürnberg möchte moderne Metropole werden". Die Touris müssen doch eh in Nürnberg aus- und umsteigen, also bleibt hier genug hängen....

  • Das Problem hätte sich frühestens ab 1978 gestellt, da in diesem Jahr zum ersten Mal überhaupt der Titel "UNESCO-Weltkulturerbe" verliehen wurde. Inzwischen wird er so inflationär gehandhabt, dass er seine Bedeutung zum großen Teil verloren hat. In meinen Augen ist er vor allem touristisch bedeutsam.

  • Ich halte diese Diskussion für müßig. Wenn die Zerstörung nicht stattgefunden hätte, hätte es auch keinen zweiten Weltkrieg und auch kein Naizireich mit seinen Gräueltaten gegeben. Wir Deutsche hätten ein ganz anderes Verhältnis zu unserem Land und unserer Geschichte. Wir wären wahrscheinlich sehr stolz auf unsere Altstädte und würden sie hegen und pflegen. Die Bauhausideologie wäre natürlich trotzdem gekommen, aber man hätte sich wahrscheinlich eher an Gründerzeitgebäuden abgearbeitet. Auch hier muss man die lokalen Unterschiede betrachten: In Köln wurde im 19. Jahrhundert die halbe Altstadt abgerissen und neu bebaut, hier hätten die Modernisten vielleicht bessere Chancen gehabt. Nürnberg hat sein Stadtbild über 500 Jahre erhalten und gepflegt, warum soll ohne die Zerstörung da plötzlich so ein Sinneswandel stattfinden?

    Die Frage wäre ja auch, wie sähe Deutschland ohne die Eingliederung in die westlich-angelsächsische Konsum- und Spaßgesellschaft aus, die nach den Weltkriegen stattgefunden hat? Hätten wir vielleicht eine ganz andere Gesellschaft, ein Mittelding zwischen West und Ost, was Deutschland ja eigentlich dargestellt hat? Alles Fragen, über die man viel rätseln kann, aber am Ende bleibt das alles Spekulation.

    Noch etwas anderes: Ich fertige für Köln aktuell für die gesamte Innenstadt eine Schadenskarte an, hier ein kleiner Ausschnitt:

    Eine solche Karte würde ich gerne einmal von Nürnberg sehen, gibt es so etwas schon?

  • ja gibt es. Aber sie ist trügerisch, da sie vom 2.1. bzw danach stammt und noch große Teile des Burgviertels als intakt ausweist. Außerhalb desselben ist auch alles rot.

    1024px-1945.02.12._Plan_der_Zerst%C3%B6rungen_N%C3%BCrnbergs.jpg

    Zu Kriegsende ist es noch schlimmer.

    Man sieht immerhin, wie gezielt die Altstadt angesteuert worden ist.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.