• Unter "wenig Aufwand" verstehe ich aber, dass dank dem Nürnberger Wiederaufbau keine Tabula rasa gemacht werden müsste, sondern Haus um Haus bereits heute rekonstruiert werden könnte.

    Genauso ist das. Und trifft bei den meisten schwer zerstörten Städten nicht zu. Ähnliches könnte man allerdings auch für Würzburg sagen.

  • Diese Annahme ist doch ziemlich realitätsfremd. Und was würde es helfen, wenn EIN Haus rekonstruiert werden würde - soferne es nicht ein Glanzlicht wie das Pellerhaus wäre? (Um mehr zu rekonstruieren, müsste man eben auch wieder mehr niederreißen). Die Praxis lehrt, dass nichts einem diese Bezeichnung verdienenden Wiederaufbau so wenig förderlich ist wie hohe Bebauungsdichte, womöglich noch auf altem Grundriss. Je schütterer und ahistorischer die neue Struktur, desto höhere Chancen auf eine Wiedererstehung des Alten. Siehe FFM Dom-Römer, siehe DD, siehe Potsdam, siehe jetzt offenbar auch Magdeburg.

    De facto wird der schlechte N.er Wiederaufbau festgemeißelt sein bis in alle Ewigkeit. Aber Hauptsache, der Grundriss stimmt.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Danke Riegel für deinen letzten Beitrag. Du hast die Situation in Nürnberg genau so zusammengefasst wie ich sie auch beurteile.

    Nürnberg hat beste Voraussetzungen für einen „Austausch durch Rekonstruktion“, es scheitert in dieser Stadt bislang nur am fehlenden Willen, aber gewiss nicht an der städtebaulichen Grundlage.

    Natürlich spreche ich ursus nicht das Recht ab, es entschieden anders zu sehen. Wir werden uns da wahrscheinlich nicht einig werden, das ist aber auch nicht notwendig. Ich bin gegen Diskussionen, an deren Ende immer der Konsens stehen muss.

    In dubio pro reko

  • In diesem Punkt geht es ausnahmsweise um keine ästhetische Bewertung. Ich sage nur: Austausch durch Reko wird nicht funktionieren und würde wenn überhaupt unbefriedigendes Flickwerk ergeben.* Hingegen haben wir etliche Beispiele für "flächige" Neugestaltung.

    *ev könnte man den Hildesheimer Marktplatz als Gegenthese annehmen? Aber dort scheint letztlich auch so etwas wie ein gestalterischer Gesamtwille obwaltet zu haben?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Austausch durch Reko wird nicht funktionieren

    contra

    etliche Beispiele für "flächige" Neugestaltung.

    Auch wenn das erste für Jahrzehnte ein Flickwerk ergibt (3'000 Häuser umfasste die Altstadt vor 1945), ist mir ein langsames Weiterwachsen eines wiederum seit 70 Jahren gewachsenen Organismus' lieber als Grossinvestoren, die bei einer flächigen Neugestaltung und Kündigungswelle von Mietern zum Zuge kämen. Zwei Untergeschosse mit Tiefgarage und Technikräumen wären die Folge, weiterhin zusammengefasste Häuser hinter drei Fassaden, kostenoptimierte Fassaden bezüglich Dämmung und Aussenhaut, erzwungene modernistische Brüche via erzwungene Architekturwettbewerbe, gestalterische Freiheit in den Höfen aus 'wohnygienischen Gründen'... kennen wir doch. Das Meiste von dem würde Nürnberg automatisch erspart durch ein langsames Weiterwachsen in Sachen Rekonstruktion.

    Der Hildesheimer Marktplatz - wahrlich ein Paradebeispiel bezüglich der Bauweise. Für mehr Kenntnis bezüglich Vorgeschichte, Bauzeit und Bauherrschaften muss ich mich aber einlesen.

  • Ich für meinen Teil sehe das auch wie Ursus:

    Jeglicher Verbesserungsansatz sollte wohl eher nicht in der Steppe beginnen.

    Ein einzelnes rekonstruiertes Haus an der Martin-Treu-Straße, oder in der Tucherstraße vergrößert nur den Schmerz. Denn man muss ja erstmal da hin kommen an all den Nachkriegsfassaden entlang, um dann dieses traurige Überbleibsel zu betrachten, die Scheuklappen aufgesetzt und ausblenden, was drumherum steht, um dann auch zur Kenntnis nehmen zu müssen dass es kein glücklicher Umstand dafür sorgte, dass dieses einzelne Haus überlebt hat sondern dass es jemand wieder aufgebaut hat. Um dann direkt die Frage zu stellen, wenn schon rekonstruiert, wieso dann dieses unbedeutende Handwerkerhaus im Nirgendwo, warum nicht Pellerhaus, Toplerhaus, Moritzkapelle oder eine andere Berühmtheit.

    Ich würde die Steppe eher pflegen und aus ihr das machen, als was sie immer dargestellt wird: Feinster Wiederaufbau der 50'er Jahre, d.h. Fassadendämmungen runter, originalgetreue Fenster, Plastefenster und Plastetüren raus, die richtigen Farben, Sgraffitos wieder dran und es v.a. verkehrstechnisch beruhigen.

    Und die aufwändigen Rekovorhaben müssen sich so wie in den 50'ern kurz angegangen auf die Bauwerke von Rang konzentrieren. Es ergäbe ein weit befriedigenderes Bild der Stadt, wenn man die Magnete wiederfindet, und in der Umgebung passende Substanz vorhanden ist, wie rund ums Dürerhaus oder am Wolfschen Rathaus. Das versöhnt, das passt auch. Genau deswegen ist die Pellerhausreko so wichtig, weil sie den bereits in den späten 1950'ern verlassenen Weg des Wiederaufbaus wieder einschlagen würde. Der Wiederaufbau der Altstadt wurde weder vollständig umgesetzt, noch konsequent verfolgt. Als um 2012 die Stadtbibliothek im aktuellen Schuhschachtelstil aus einem wiederaufbaufähigen Gründerzeithaus durch eine "Sanierung" entstand, war mir klar geworden, dass die Baukultur der Stadt Nürnberg nicht nur an weiterem Wiederaufbau kein Interesse mehr hat, sondern auch an der Pflege des Erreichten wenig Interesse besteht. Der Wiederaufbau war nur eine Episode, die schnell und bis heute anderen Prämissen gewichen ist.

  • aber die äußerliche Rekonstruktion ist ja wohl eine Vorgabe der Stadt.

    Ist das so? Ich dachte, das wäre absolut nicht sicher.

    Hier ist mal ein Ausschnitt aus dem Newsletter 2/2020 der Nürnberger Altstadtfreunde. Zwar kann ich dazu keinen Link angeben, aber ich habe den Newsletter als E-Mail.

    Zitat von den Altstadtfreunden Nürnberg

    (...) Beim „Savoyischen Kreuz“ fordern die Denkmalschützer nämlich ausnahmsweise eine Rekonstruktion der äußeren Gestalt. In einem Artikel in der NZ vom 1. Februar 2020 spricht Nikolaus Bencker, Leiter der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Nürnberg, von einem „historisierenden Wiederaufbau oder einer rekonstruktiven Ergänzung“. Das ist schon einmal sehr begrüßenswert, doch gießt Bencker gleichzeitig Wasser in den Wein, wenn er sagt, dass „eine exakte Rekonstruktion“ nicht möglich sein wird, weil „so gute Unterlagen wie beim Pellerhof“ bis jetzt nicht bekannt seien. Da konnten wir nachhelfen, denn im Stadtarchiv ist alles vorhanden. (...)

  • Man darf natürlich nicht erwarten daß die Nürnberger "Steppe" je wiederaufgebaut wird. Die bisherigen wiederaufgebauten Ensembles in Deutschland befinden sich ja in zentralen Lagen, und waren teilweise mit Einzelbauwerken vom allerersten Rang geschmückt. Der Hildesheimer Markt zum Beispiel wurde von Humboldt als schönster Platz der Welt gerühmt! Frankfurter Ostzeile und Krönungsweg bildeten das Herzstück der Altstadt. Die goldene Waage war ein Meisterstück, wie auch der große und kleine Engel, und die Alte Waage in Braunschweig. Die Aschaffenburger Apotheke war wohl das markanteste Fachwerkhaus der Stadt, und die Marktplätze in Mainz und Potsdam waren selbstverständlich wichtig, und daher identitätstifftend. Die Steppe ist schliesslich nicht mehr damit vergleichbar.

    Die allerschlimmste Bausünde der östlichen Altstadt--das Bankgebäude am Hans Sachs Platz gegenüber vom Spital-- soll aber auf alle Fälle ausgemerzt werden.

    Es sollte auch durchaus möglich sein, weitere Verbesserungen in der westlichen Altstadt in Form von Erkern und Fenstersprossen zu machen. Wie oft bemerkt, würde die Pellerhausfassade den ganzen Aegidienplatz unermesslich aufwerten. Und das Toplerhaus MUSS einfach als alleinstehendes Meisterstück, nahe dem besterhaltenen Altstadtviertel und unterhalt von der Burg, eines Tages wieder erlebbar sein. Basta.

    Moderationshinweis: Weitere Diskussion über das Toplerhaus in eigenen Strang ausgelagert: Nürnberg - Toplerhaus

    Übrigens ist Pablo de la Riestra's Buch Nürnberg Die historische Altstadt (Imhof Verlag) DER unersetzliche Führer durch die bestehende Stadt. Unbedingt empfehlenswert!

  • Nürnberg schmerzt einfach auch deshalb, weil die Liste der wünschenswerten Rekonstruktionen so lang und so gewichtig ist. Das unterstreicht halt auch welche Bedeutung die Stadt vor der Zerstörung hatte, und im Wiederaufbau kann man die Bedeutung nicht ansatzweise nachempfinden, sofern es keine Rekonstruktionen sind. Der historisierende Wiederaufbau der 1950'er Jahre wird erst durch die schwergewichtigen Rekonstruktionen wirklich gut!

    Denn mit dem Dom-Römer-Areal in Frankfurt hat man letztlich dasselbe gemacht, das Wichtigste ist rekonstruiert, und der Rahmen dazu wurde angepasst neu geschaffen. In Nürnberg ist das bereits vor 70 Jahren geschehen, in gewaltig größerem Maßstab, nur hat man einige wichtige Rekos vergessen.

    Nürnberg ist in weiten Teilen wie eine Bildergalerie, in der überwiegend leere Rahmen hängen, und wo der Kurator sagt, dass die Rahmen sorgfältig und historisch passend ausgesucht wurden...

  • Nürnberg hat wenigstens grosses Potential um Jahr für Jahr einige Häuser "historisierend zu verbessern" und dann nach 50 Jahren sind dass einige hunderte von besser passende und gelungen Bauten.........Wenn es nur 10 Häuser pro Jahr sein, dann sind das über 50 Jahren doch 500 Häuser.

    Natürlich soll die langweilige Hauptmarkt und dessolaten Egidien Platz weitgehend und historisch getreu wieder auferstehen. Das gilt auch für ein Dutzend berühmte Nürnburger Bauten die noch immer fehlen im Stadtbild.

  • Hier werden viele unterschiedliche Meinungen geäußert. Vielen kann ich etwas abgewinnen, obwohl diese stellenweise recht gegensätzlich sind. Die Wahrheit liegt sozusagen in der Mitte. Gemessen an an dem herausragenden Stadtbild vor der Zerstörung, ist das heutige Stadtbild ein großer Schmerz. Aber nimmt man die totale Zerstörung der Stadt und die allergrößte Not in Stadt und Land als Ausgangssituation, ist Nürnberg mit Anerkennung zu bewerten.

    Natürlich hätte in den letzten Jahrzehnten noch einiges oder vieles mehr in Richtung eines Stadtbilds mit historischem Antlitz getan werden können.

    Viele Menschen besuchen historische Städte wie Nürnberg.

    Mit Rekonstruktionen, Leitbauten oder Tradiitioninseln könnte wohl der Stadt -Tourismus massiv gesteigert werden.

    Dies wiederum brächte Geld in städtische Kassen.

    Das sollten sich die Modernisten bzw. Verweigerer in ihre zukünftigen Planungen mit bedenken.

  • Der ist, soviel ich weiß, derzeit von der Schule überbaut.

    Das dürfte zum Teil mindestens zutreffen: Google Streetview.

    Dieser ganze Schulkomplex, der wie ein Geschwür am oberen Egidienberg wuchert, verhindert dort eine sinnvolle Stadtentwicklung. Denn das Peststadel-Grundstück lässt so kein Gebäude mehr zu, dass die Silouette des Vorkriegsbaus aufnehmen kann. Wahrscheinlich ist wohl dass die Schule eines Tages bis an die Dr. Erich-Mulzer-Straße heranwächst. Verrückt, dass die Straße, die nach dem Gründer der Altstadtfreunde benannt ist, quasi frei ist von nennenswerter Altbausubstanz.

  • Nürnberg hat wenigstens grosses Potential um Jahr für Jahr einige Häuser "historisierend zu verbessern" und dann nach 50 Jahren sind dass einige hunderte von besser passende und gelungen Bauten.........Wenn es nur 10 Häuser pro Jahr sein, dann sind das über 50 Jahren doch 500 Häuser.

    Natürlich soll die langweilige Hauptmarkt und dessolaten Egidien Platz weitgehend und historisch getreu wieder auferstehen. Das gilt auch für ein Dutzend berühmte Nürnburger Bauten die noch immer fehlen im Stadtbild.

    Und da sind wir wider bei den Nuernberger Altstatverein! Danke Klassiker.

    Denn genau dies macht der Verein ja Flaechendeckend. Hunderte von Neubauten wurden mit

    traditionellen Einzellheiten ausgetsatet, z.B. Erker, Dachrinnen aus Kupfer, Sprossenfenster, alt aussehende Tueren

    und so weiter. Wuerde mich ja riesig freuen, wenn der Verein hier ein paar Faeden von Baustellen anfaengt.

    Bei 6000 Mitgliedern und eigener Bildersammlung koennte Nuernberg hier im APH Forum eine so genannte

    "Schwerpunktstadt" warden. Wer von Euch hat Kontackt zum Verein? Diese beschaeftigen ja auch freiwillige Studenten

    so weit ich weiss.

  • Der Verein schimpft im Moment nur darueber, dass Er mehrere Grossprojeckte hat. Es fehlt angeblich nur das Geld.

    Dem koennte ich abhilfe schaffen, haette ich Vorher/nachher Bilder

  • Dem koennte ich abhilfe schaffen, haette ich Vorher/nachher Bilder

    Vorher/Nachher-Bilder in welchem Sinn denn? Vor der Zerstörung und nach dem Wideraufbau? Vor der Verschönerung durch die Altstadtfreunde und nachher?
    Ich bin gerade nicht in Deutschland, aber Franka und Manuel Re haben eigentlich guten Kontakt zum Vorsitzenden der Altstadtfreunde, Herrn Enderle. Am besten wendest du dich an die beiden und sie vermitteln dir einen Kontakt zu Herrn Enderle. Dann kannst du mit ihm auch ggf. etwas Konkretes entwickeln.

  • Der Verein schimpft im Moment nur darueber, dass Er mehrere Grossprojeckte hat. Es fehlt angeblich nur das Geld.

    Ich denke mal, dass ist es nicht nur. Die Projekte binden auch immer ziemlich viel Arbeitskraft der Vereinsmitglieder. Aber das besprichst du am besten mit den AF direkt.
    Wenn ich es richtig verstehe, denkst du daran, Spenden zu sammeln. Dafür müsstet ihr euch aber wahrscheinlich am besten eine Reihe konkreter Projekte überlegen, mit denen man dann an potentielle Spender herantritt.

  • Nein Bohnenstange, das Geld ist nicht das Hauptproblem (und fehlende Vorher/Nachher-Bilder auch nicht). Die Altstadtfreunde konnten vor wenigen Jahren ein saniertes Haus an der Weissgerbergasse käuflich erwerben (das Haus mit dem eigenartigen Tiroler-Erker), das sie einem Kaufinteressenten zu bestimmten Bedingungen weiterveräussern würden. Und gerade gestern erschien das 127. Rundschreiben der Altstadtfreunde, worin sie berichten, dass ihnen ein Viertel eines renovierten Altstadthauses vermacht wurde. Sie schreiben aber

    Zitat

    Nach reiflicher Überlegunghaben wir uns angesichts der künftigen grossen Aufgaben (Pilatushaus!) für die Auszahlung unseres Anteils entschieden, auch weil das Haus gut in Schuss und nicht in seinem Bestand gefährdet ist.

    Die Altstadtfreunde sind nun einfach mal ausgelastet mit Bauaufgaben. Zuerst muss dieses Jahr die Hintere Ledergasse 43 fertig gestellt werden, und die Planungen beim Pilatushaus sind bereits im Gange. Und ist es nicht ein Armutszeugnis für eine Stadt, dass sie das Pilatushaus nicht selber sanieren kann, und dafür die Altstadtfreunde in die Bresche springen? Auch beim Pellerhof zeigt sich die Stadt gegenüber den Altstadtfreunden nicht gerade von der nobelsten Seite, da auch dort noch der Innenausbau des Seitenflügels beendet und eine definitive Nutzung gefunden werden sollte. All das verpufft unnötig viel Energie. Und die Altstadtfreunde werden sicher nicht übermütig angesichts des momentanen Erfolgs; zu viel würde auf dem Spiel stehen.