• Im übrigen will ich gar nicht verhehlen, dass mein Urteil auch emotional geprägt ist. Es ist einfach furchtbar bitter, wenn man weiß, wie Nürnberg früher ausgesehen haben muss, wenn also gewisse Erwartungen trotz aller Zerstörungen vorhanden sind, und man dann damit in die real existierende Stadt kommt. Deswegen polarisiert Nürnberg hinsichtlich seines Wiederaufbaues und seines heutigen Stadtbildes wie wohl wenige andere Städte.

    Von Duisburg, Essen und Dortmund erwartet man nichts anderes. Leider kann sich Nürnberg, und im übrigen auch Köln, heute eher mit diesen dreien messen als mit, sagen wir: Lyon oder Bologna, oder den meisten anderen europäischen Städten von historischer Bedeutung. Die wenigen, beziehungslos herumstehenden Kirchen und sonstige historische Restbestände wirken entwürdigt und deplaziert in einem Meer von Belanglosigkeiten, Geschmacklosigkeiten und Hässlichkeiten.

    Und trotzdem ist man es in Nürnberg, wie auch in Köln, zufrieden. Man meint, noch einmal davongekommen zu sein, und entwickelt deswegen auch keinerlei Ehrgeiz, das eigene Stadtbild zu verbessern. Dabei muss doch jedem, der das jeweilige Stadtbild in seiner Entwicklung kennt, einleuchten, dass Nürnberg wie auch Köln ein hässliches Entlein ist, das man nicht ernsthaft in eine klassische Tour europäischer Städte von Rang und Namen aufnehmen würde.

  • Wer Nürnbergs Innenstadt in seiner Gesamtheit unter Frankfurt a.M. oder gar Stuttgart stellt, der disqualifiziert sich für weitere Ausführungen.

    In Frankfurt wurde aber ein kleines fleckchen Altstadt wiederaufgebaut! In Nuernberg ist nur ein Bisschen stehengeblieben (Weissgerbergasse, Fuell, Unschlittplatz, Tiergaertnertor, Kraemersgasse). Bez. Stuttgart duerftest du aber Recht haben...

  • Der Vergleich mit Köln ist mir auch in den Kopf gekommen, als ich die Beiträge von @Götzenhainer und @Eduard auf der letzten Seite gelesen habe. In Köln ist es, wie auch von @Rothenstein geschrieben, ähnlich: Verglichen mit dem Vorkriegszustand (wobei Nürnberg da vermutlich mehr zu bieten hatte als Köln) ist der heutige Zustand äußerst bedauerlich, die Empfindung in der Bürgerschaft sind aber viel positiver, in Köln ist der Stolz auf die eigene Stadt sogar noch größer, obwohl sie architektonisch an vielen Stellen erschreckend aussieht.
    Ich denke, wir müssen hier irgendwann auch differenziert an die Sache herangehen und mit markigen Sprüchen vorsichtig sein. Ich zum Beispiel bin gebürtiger Kölner und für mich ist die Stadt einfach etwas besonderes, deswegen bin ich auch im letzten Jahr wieder dorthin gezogen. Studiert habe ich in Wiesbaden, was architektonisch natürlich weitaus mehr Vorkriegsbebauung aufweist und an vielen Stellen völlig unzerstört daherkommt. Dort bleiben wollte ich trotzdem nicht, das hat ja auch etwas mit Heimat- und Zugehörigkeitsgefühlen zu tun.

    Wenn mir jetzt jemand sagt "Köln ist die hässlichste Stadt Deutschlands", "Wie kann man da nur wohnen", "So einen katastrophalen Wiederaufbau hat es in keiner anderen Stadt gegeben", dann fühle ich mich irgendwo angegriffen und einem Nürnberger, Dresdener oder Frankfurter, usw. wird es da nicht anders gehen, wenn man das über seine Stadt sagt. Schließlich haben alle diese Städte trotzdem noch großartige Bauten und Ensembles erhalten oder wiederaufgebaut. Natürlich ist das verglichen mit dem Vorkriegszustand verschwindend wenig und wenn man die Vorkriegsbilder sieht, schlägt man die Hände über dem Kopf zusammen und doch: Kein Bewohner, der sich trotz allem in einer Stadt beheimatet fühlt, denkt jeden Tag "ich wohne in der hässlichsten Stadt Deutschlands, hier ist es ja so hässlich, ich werde ganz depressiv davon wie furchtbar alles aussieht". In jeder Stadt gibt es ja auch positive Dinge und Architektur ist eben auch nicht alles, auch wenn wir uns hier natürlich sehr stark auf die Architektur fokussieren und das vielleicht nicht ganz wahrhaben wollen.

    Ich möchte daher für zwei Dinge plädieren:
    1. Vergleiche wie "Stadt X ist ja noch hässlicher als Stadt Y", "Stadt Y hat ja wenigstens das und das gemacht, aber in Stadt Z war der Wiederaufbau ja eine einzige Katastrophe" bringen überhaupt nichts. Jede Stadt hat innerhalb der Zerstörung ihr eigenes Schicksal erlebt, und andere Entscheidungen für den Wiederaufbau getroffen. Mit den meisten Wiederaufbauleistungen ist hier niemand zufrieden, aber Vergleiche zwischen Städten werden immer wahnsinnig schnell unsachlich und hitzig, weil doch viele lokalpatriotische Gefühle verletzt werden. Wir sind ja hier, weil wir unsere Städte lieben und deswegen verschönern möchten. Niemand lässt sich da von anderen gerne sagen, die eigene Stadt sei ja im Vergleich besonders hässlich.

    2. Damit kommen wir auch zum zweiten Punkt: Die Fokussierung auf das Negative und die Hässlichkeit wird bei vielen Bürgern zu einer Abwehr- und Trotzhaltung führen, wie von mir eben beschrieben: Man fühlt sich angegriffen, verweist auf die schönen Bauten der Stadt, die anderen positiven Aspekte abseits der Architektur und sagt "Also soo schlimm ist es jetzt auch nicht". So wird man nur wenige normale Menschen für Rekonstruktionsprojekte begeistern können.

    Was wir machen müssen ist, positiv an die Sache heranzugehen: Mit Bildern von der Vorkriegssituation verdeutlichen, dass sich die Stadt an dieser Stelle verschönern ließe. Man muss den Leuten ja nicht aufs Auge drücken, dass man die Stadt heute hässlich findet. Es reicht, eine Verbesserung vorzuschlagen. Und dass die Verbesserung tatsächlich eine Verbesserung wäre, zeigt man am besten anhand von historischen Fotos und nicht mit markigen Sprüchen, wie hässlich heute doch alles sei und wie katastrophal der Wiederaufbau verlaufen sei. Eine Verbesserung lässt offen, ob man den heutigen Zustand katastrophal oder lediglich banal findet und so verletzt man auch niemanden.

    Die beste Werbung für unsere Vorhaben sind sowieso Fotos, Zeichnungen, Pläne, Visualisierungen und Videos, und nicht historische Abhandlungen darüber, wer in den 50er Jahren was im Wiederaufbau verbockt hat.

    Also: Lasst uns positiv und zukunftsgerichtet an die Sache herangehen und die Menschen für unsere Vorhaben nicht mit der Hässlichkeit des Heute, sondern mit der potenziellen Schönheit des Morgen begeistern!

  • Vorab, ja, ich habe Nürnberg mehrfach besucht. Ich hatte sogar Verwandtschaft dort. Und es gefiel mir sogar ganz gut, trotz des oftmals fahlen Abglanzes Alt-Nürnbergs. Schon als Jugendlicher kamen mir dort vor Ort Ideen, wie sich das Stadtbild deutlich verbessern ließe.

    Wie absurd die Kritik teilweise am Nachkriegswiederaufbau ist, zeigt sich gerade auch wieder im Vergleich mit der heutigen Bautätigkeit, etwa im Bereich der Sebalder Höfe. Autsch!

    Ich weiß gar nicht, wie man meinen kann, man könnte aus 1.) und 2.) durch ein bißchen Farbe und ein paar Verzierungen etwas wie 3.) machen.

    Habe ich nicht behauptet. Das alte Nürnberg lässt sich nicht einfach mit Kosmetik an 50er-Jahre-Bauten wiedererwecken. Das ginge nur mit dem größten Stadtumbau in einem deutschen Zentrum seit der unmittelbaren Wiederaufbauzeit und massiven Investitionen. Vorher bräuchte es wahrscheinlich die Enteignung/den Rauskauf unzähliger Grundstückseigentümer. Wie realistisch das ist, kannst du dir vermutlich an 3 Fingern abzählen.

    Mir geht es um attraktivere Straßenbilder. Jede Steigerung ist eine Steigerung in meinen Augen.

    Zitat von Philon

    Und ebenso wenig, wie man sagen kann, beides sei nur auf je verschiedene Weise schlicht.

    Genau das ist aber doch so. Die zweite von dir verlinkte Ansicht zeigt einige schlichte Fachwerkbauten und zwei schlichte Sandsteinfassaden. Große Verzierungen erkenne ich da nicht. Es sei denn ich übersehe etwas.

    In dem Szenario der Aufwertung der 50er-Jahre-Fassaden müssten wir eben damit leben, dass ein anderer Charakter vorherrscht als im alten Nürnberg (das realistischerweise wohl so nicht mehr im großen Stil zu erleben sein wird, jedenfalls nicht solang wir leben). Es wäre durch den massiven Einsatz von Sprossenfenstern, altstadttaugliche Anstriche, die Öffnung diverser Erdgeschosse, Teilabrisse, die Anbringung von Spolien usw. wohl im Charakter in Teilen eher mit Regensburg oder Tübingen vergleichbar, die auch stark durch farbige Putzfassaden geprägt sind. Gerne könnte man in Nürnberg natürlich auch öfter zum Sandstein greifen.

    Ich nehme nur mal eines von vielen typischen Straßenbildern aus Regensburg/Stadtamhof. Die Fassaden hier sind sehr schlicht und auch alle ähnlich hoch, fast wie die 50er-Jahre-Bauten in Nürnberg - einzig Sprossenfenster, die Farbigkeit, einfache Gesimse und eben die Kleinteiligkeit machen hier einen Großteil des Charmes aus. Wie auch das Straßenbild durch das Pflaster und die historisierenden Leuchten.


    Fotograf: Stadtbild-Forumer thommystyle in der Galerie: Regensburg (Galerie)

  • Das alte Nürnberg war aber nicht geprägt von Putzbauten, eher im Gegenteil: vorallem der Sandstein und das meist freigelegte Fachwerk haben die Straßenbilder dominiert. Daher ist die Stadt auch nicht mit Tübingen und Regensburg zu vergleichen! Außerdem waren die Gebäude eben "unperfekt", also mit teilweise verschobenen Fensterachsen, anderes Fachwerkgefüge in Obergeschoss,die infolge von den vielen Umbauten entstanden sind. Ja mir ist bewusst dass Sandstein heutzutage extrem teuer ist: dann sollte man eben es mit einer dünnen Sandsteinschicht wenigsten nach außen hin verkleiden wie hier: https://www.google.de/maps/@49.45375…12!8i6656?hl=de

    Fachwerk wäre vom Material sogar kostengünstiger, aber leider fehlt den heutigen Zimmermännern oft das Können und Wissen über die alten Handwerkstraditionen, und deswegen ist es auch teurer, solche Leute aufzutreiben.

    Es ist wirklich schwierig, aus dieser Zwickmühle rauszukommen das stimmt. Aber wenn man schon was verändern will in der Altstadt, dann aber bitte so wie in ihrer Ursprünglichkeit.

  • Regensburg/Stadtamhof. Die Fassaden hier sind sehr schlicht und auch alle ähnlich hoch, fast wie die 50er-Jahre-Bauten in Nürnberg -

    Man kann leicht erklären warum das so ist. Stadtamhof wurde im Jahre 1809 gründlich zerstört: "Im Laufe des 23. Aprils erstürmten und plünderten die französischen Truppen Regensburg und versuchten daraufhin das geschwächte österreichische Heer, das über die Donau und Stadtamhof flüchtete, zu stellen. Um dies zu verhindern, schossen die Österreicher mit Granaten und Pechkränzen Stadtamhof systematisch in Brand und zerstörten es dadurch fast vollständig. In den darauf folgenden Jahren wurde Stadtamhof mit dem heutigen Erscheinungsbild wieder aufgebaut." (Quelle)

    Wir sehen hier also Wiederaufbauarchitektur, die, wie so oft, eher eintönig ausfällt. Freilich waren die Fassaden früher belebter, ehe sie durch Sanierungen in der Nachkriegszeit geglättet wurden. Vgl. z.B. diese alte Ansicht: http://gartenbahn.doku4you.de/phpBB2/daten/A…Walhallab06.jpg

    Die nie zerstörten Teile von Regensburg sind, Putzfassaden hin oder her, viel abwechslungsreicher und die dortigen Straßenbilder könnte man nicht wiederherstellen, indem man Nachkriegsbauten aufbrezelt.

  • Das alte Nürnberg war aber nicht geprägt von Putzbauten, eher im Gegenteil: vorallem der Sandstein und das meist freigelegte Fachwerk haben die Straßenbilder dominiert

    Danke für die Feststellung, Captain Obvious. 8o Wie ich schrieb: entweder Attraktivitätssteigerungen in der Breite mit vielen Fassadenverbesserungen und einzelnen Leitbau-Rekonstruktionen (Pellerhaus, Toplerhaus, Markt und Co.), oder eben nahezu Komplettabriss von Nürnberg. Was ist wohl erreichbarer?

    Nix gegen große Visionen, die predige ich ja nicht umsonst immer wieder. Doch ein Fünkchen Bodenhaftung kann hier auch nicht schaden.


    Denn das hier ist ja anders gar nicht möglich als mit weitgehenden Abrissen des heutigen Nürnbergs:

    Zitat von FWL

    Aber wenn man schon was verändern will in der Altstadt, dann aber bitte so wie in ihrer Ursprünglichkeit.

    Oder wie stellst du dir das vor? Für mich klingt das komplett nach Lala-Land.

    Die nie zerstörten Teile von Regensburg sind, Putzfassaden hin oder her, viel abwechslungsreicher

    Das schon. Aber auch alles sehr schlicht, wie ich finde. Es gibt kaum Bauschmuck in Regensburg.

  • Danke für's absichtliche Missverstehen. ;) Da sind einige hier wirklich meisterlich drin...

    Als wenn ein paar frische Anstriche, Sprossenfenster und Spolien aus den Nürnberger Wiederaufbauhäusern ein Disneyland machen. Leute, wo ist eure Vorstellungskraft!

    Wir brauchen wirklich mal ein paar Visualisierungen dazu, sonst gehen die Vorstellungen im Kopf wild durcheinander. Leider bin ich da zu wenig begabt.

  • Nein, ein paar Spolien hier und da machen noch keine Altstadt! Ohne Sandstein, kleinteiligkeit, richtige Steildächer mit Dacherkern und wichtige Leitbauten wird Nürnberg sowieso ein Trauerspiel bleiben.

  • Jetzt verstehe ich endlich die Leute, die den 50'er-Jahre-Bauten einfach beibehalten wollen. Richtige Verbesserungen sind anscheinend nicht möglich, und wenn neugebaut wird, kann es nur noch schlimmer werden, weil Rekonstruktionen als "ewiggestrig" gelten, und damit quasi verboten sind. Siehe auch die Marthakirche, die vor einigen Jahren nach einem Brand auch nicht wirklich rekonstruiert wurde.

  • @ Rothenstein:

    • Zähle doch mal auf welche Städte "in dieser Größenordnung" (also offenbar nicht das von dir stets erwähnte Rothenburg o.d.T oder eben Freudenstadt) aus deiner Sicht "besser" sind und weshalb genau?
    • Oder erkläre doch mal konkret was du verändern würdest?
    • Und welche "verdreckten Viertel" um die Altstadt meinst du?

    d.


    Um auf deinen zweiten Punkt zurückzukommen: Man müsste im Prinzip großflächig abreißen, allerdings würde ich das gegenwärtig nicht empfehlen, sonst enden wir eben so wie im Augustinerhof oder den Sebalder Höfen.

    Und was deinen dritten Punkt angeht, frage ich mich gerade, welches Viertel um die Altstadt herum denn nicht verdreckt sei? Da fallen mir allenfalls einige Bereiche der Nordstadt ein, insbesondere das Gebiet um den Kaulbachplatz ist eines der wenigen attraktiven Viertel um die Altstadt herum (https://www.google.com/maps/@49.46330…!7i13312!8i6656), dann noch Teile von Johannis, die aber durch billige Wiederaufbauarchitektur zu einem großen Teil entwertet sind (https://www.google.com/maps/@49.45859…!7i13312!8i6656), und dann vielleicht noch die Jugendstilarchitektur am Prinzregentenufer, die sich aber in ganz wenigen Häuserzeilen erschöpft (https://www.google.com/maps/@49.45324…!7i13312!8i6656).

    Oder wolltest du etwa behaupten, der Bereich um den Plärrer (https://www.google.com/maps/@49.44803…!7i13312!8i6656), oder gar das Südstadt-Ghetto (https://www.google.com/maps/@49.44005…!7i13312!8i6656) seien nicht verdreckt? Oder die Ausfallstraßen (https://www.google.com/maps/@49.45853…!7i13312!8i6656) seien ein Ausbund an Schönheit?

    Wer Nürnbergs Innenstadt in seiner Gesamtheit unter Frankfurt a.M. oder gar Stuttgart stellt, der disqualifiziert sich für weitere Ausführungen.


    Um noch einmal auf den Vergleich zurückzukommen und was an Nürnberg so schlimm sei: Nun, ich erkenne durchaus an, dass Nürnberg noch zahlreiche Einzeldenkmale besitzt, die man in dieser Zahl und Qualität eben kaum oder gar nicht in anderen deutschen Städten dieser Größenordnung findet. (Wobei deutsche Städte natürlich außerordentlich arm an solchen Einzeldenkmalen sind, und deswegen der Einäugige unter den Blinden gefeiert wird.) Es handelt sich dabei aber eben um Einzeldenkmale, nicht um städtebauliche Gesamtleistungen.

    Insgesamt ist Nürnberg nicht attraktiver als Städte wie Frankfurt oder Stuttgart, nicht zuletzt deswegen, weil die beiden letztgenannten erstens noch attraktive Gründerzeitviertel aufweisen und daneben auch wirklich interessante, großartige moderne Architektur zu bieten haben, wie beispielsweise die Neue Staatsgalerie in Stuttgart oder die Hochhäuser in Frankfurt. Man merkt den beiden Städten auch an, dass sie eine ganz andere Bedeutung im weltweiten Städtegefüge haben als das Nürnberg des Jahres 2019, das schon lange zu einer B-Stadt abgesunken ist und keinerlei Ambitionen hat, dies jemals zu ändern. Man hat sich ja hier zwischen Bratwürsten, Lebkuchen, Nazi-Grusel, Multikulti und Fünfzigerjahre-Mief ganz gut eingefunden und ist stolz darauf, nicht hässlicher zu sein als Offenbach, Mannheim, Pforzheim oder Duisburg, die gesellschaftlich eine ähnliche Struktur haben.

  • Man hat sich ja hier zwischen Bratwürsten, Lebkuchen, Nazi-Grusel, Multikulti und Fünfzigerjahre-Mief ganz gut eingefunden und ist stolz darauf, nicht hässlicher zu sein als Offenbach, Mannheim, Pforzheim oder Duisburg, die gesellschaftlich eine ähnliche Struktur haben.

    Das ist zwar hart, doch da ist was dran. In den ähnlich großen Städten Leipzig und Dresden ist der "Drang nach oben" z.B. viel stärker ausgeprägt. Diese Städte wollen noch was werden (genau wie Frankfurt, Berlin usw.), statt sich mit dem "sein" zufrieden zu geben.

    Insofern ist das wirklich eine psychologische Baustelle in Nürnberg. Die Stadt muss wieder was "werden" wollen.

  • Wir sind uns wohl einig darin, dass die Bewertung des Wiederaufbaus Nürnbergs uneinheitlich ist. Ich möchte hier einmal einige Stimmen zu Wort kommen lassen, die ich für bemerkenswert halte.

    Hier aus der New York Times des Jahres 1984, als der Wiederaufbau Nürnbergs als weithin abgeschlossen und gelungen galt - auch jenseits des Atlantiks:

    [...] Nuremberg has been splendidly rebuilt. Proposals for an entirely new city were rejected in favor of a plan that called for patching up as many of its historic monuments, majestic Gothic churches and patrician houses as could be salvaged from the wreckage while simultaneously reconstructing the rest of the old town, using the materials that had characterized Nuremberg for centuries, especially sandstone. Where walls, towers, fountains, bridges and burgher mansions could not be simply put back together stone by stone, gargoyle by gargoyle or gable by gable, new buildings expressing the vaulted, steep-roofed, turreted architectural spirit of the Middle Ages and the Renaissance took their place. Planners adhered faithfully to the old maps and property lines. They preserved the jumble of narrow, crooked, old cobblestone streets so that even Durer and Behaim would easily find their way.

    The rebuilding took 38 years. It was not until last spring that reconstruction of the half-timbered chatelain's house within the Kaiserburg, the Imperial Castle, was completed.

    The view from that mighty fortress, built between the 12th and 16th centuries on a bluff high above the city, is of a Nuremberg remarkably resuscitated - a jigsaw puzzle of gabled roofs, slender church spires, towers and bastions, a crazy quilt of streets, lanes and courtyards, bisected by the meandering Pegnitz River, and all girded by three miles of massive walls and moats that encircle the old town like a huge stone corset. No other major city has so effectively recaptured the appearance of its medieval past, and few others of its size - nearly a half million population - have as much appeal to visitors.[...]

    Natürlich wird in Amerika Nürnberg immer primär als Stadt der Reichsparteitage und der Nürnberger Prozesse wahrgenommen. Die historische Stadt ist im wesentlichen Beiwerk, das man mitnimmt - dafür bekommt es in dem Artikel relativ breiten Raum.

  • Oder hier, aus der französischen Perspektive des Jahres 2018:

    Il est des villes dont le nom résonne d'un écho tragique dans les profondeurs de l'histoire. Associée au nazisme, Nuremberg appartient à cette catégorie de destination dont tout le monde connaît le nom mais qu'on ne sait plus très bien où situer et encore moins ce qu'on peut y voir.


    C'est dire si la surprise est totale de découvrir quasi à mi-chemin entre Francfort et Munich une cité médiévale digne du décor d'un opéra de Wagner: épais remparts semés de tours rondes, rues bordées de maisons à pan de bois et à pignons ouvragés, rivière d'opérette, petits ponts bossus, forteresse majestueuse… Quel charme! On est loin de l'image d'une ville allemande reconstruite et industrielle. Entrée dans l'histoire contemporaine par les parades du national-socialisme, dont on voit encore le théâtre quasi intact, Nuremberg en sort après la guerre en ruines par un procès retentissant qui scelle son destin. Mais dans cette ville où le devoir de mémoire est presque une affaire d'État, les contrastes saisissent le voyageur.

    Dès les premiers pas dans le cœur médiéval de Nuremberg, on peine à croire que la ville a été détruite à plus de 90 % par des bombardements alliés. Sa reconstruction quasi à l'identique, en partie financée par les Américains qui ont occupé la ville jusque dans les années 1990, est dans le genre un petit chef-d'œuvre. On se croirait dans le quartier de la Petite France, à Strasbourg, quand on voit la silhouette en grès rose de l'hôpital du Saint-Esprit, échoué sur un îlot de la rivière Pegnitz, ou quand on emprunte la Trödelmarkt.

    Man sei also weit vom Bild einer deutschen, wiederaufgebauten Industriestadt entfernt; der Wiederaufbau sei gleichsam identisch zum historischen Vorbild erfolgt, voller Charme, und sei ein kleines Meisterwerk in diesem Genre.

    Wie kommt man nur zu diesem Urteil? Bewertungen (gefällt/ gefällt nicht) sind das eine, aber Fakten (identisch rekonstruiert... oder eben nicht) das andere.

  • Haha, die meisten Amis wissen doch gar nicht, wie eine richtige Altstadt aussieht. Deshalb fahren die auch alle in die ehemalige nuernberger Altstadt, nachdem sie das Reichsparteitagsgelaende und den Sitzungssaal der Prozesse besucht haben.

    Dass aber auch manche Europaeer das heutige Nuernberg so “extrem toll” finden...