Umgang mit DDR-Architektur

  • Das frage ich mich auch! Zum einen bedienen sich noch heute Modernisten der "Architektur" billiger Betonplatten, zum anderen macht auch ein intellektuelles rumge(M)eier diese Arbeiterschließfächer nicht erhaltenswerter.
    Gut, gibt ja auch Leute welche den Abbruch der Berliner Mauer arg bedauerten, da es doch so ein "schützenswertes Denkmal" war :gehtsnoch: :gehtsnoch: :gehtsnoch: :gehtsnoch:

  • Nördlich von Berlin, nahe Wandlitz liegt tief im einsamen Wald die ehemalige FDJ-Hochschule "Bogensee", ehemals die Kaderschmiede des "Real existierenden Sozialismus". Der Gebäude-Komplex erinnert architektonisch stark an die Ost-Berliner Stalin-Allee, was nicht sonderlich verwunderlich ist, der Architekt war Hermann Henselmann. Ebenfalls auf dem Gelände liegt die gleichnamige ehemalige Villa von Joseph Göbbels, in der er u.a. die Sportpalastrede verfasst hat und die später zu DDR-Zeiten als Kantine genutzt wurde. Das ganze Gelände ist architektonisch und historisch hoch interessant, verfällt aber immer mehr, da sich für die weitläufige Anlage kein Käufer findet. Die Gründe: Zu groß, zu einsam, zu peripher und womöglich historisch zu stark kontaminiert. Die Berliner Zeitung und der Tagesspiegel berichteten.


    Göbbels-Villa (Bild Wikipedia, Olaf Tausch)


    FDJ-Hochschule (Bild Wikipedia, Olaf Tausch)

    Weitere interessante Informationen zur Bogensee-Anlage bietet diese Dokumentation:

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    3 Mal editiert, zuletzt von Maecenas (28. Februar 2014 um 18:11)

  • In Wustrow an der Ostsee (Fischland) verrottet ein imposanter Bau der DDR-Moderne, leider:

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    "Wie schön ist es doch zu leben." Pippi Langstrumpf

  • Betr. Bogensee-Areal

    Riesen-Immobilie in Wandlitz am Bogensee
    Berlin hat ein Problem mit der Goebbels-Villa
    Seit 15 Jahren will Berlin die alte FDJ-Kaderschmiede bei Wandlitz verkaufen, wozu auch die Villa von Goebbels gehört. Doch das ist genau das Problem.
    http://www.tagesspiegel.de/berlin/riesen-…a/12791042.html

    Kein Verkauf von früherer Goebbels-Villa - Berlin will Ex-FDJ-Hochschule am Bogensee nun doch behalten
    https://www.rbb-online.de/politik/beitra…rundstueck.html

    Die Äußerungen dieser Birgit Möhring (Geschäftsführerin der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM)) sind natürlich völlig indiskutabel. Sie soll sich ihre Bauchschmerzen darüber, welche Menschen die Immobilie nutzen, sparen. Und ihr Wunsch, das Ensemble abzureißen, bleibt hoffentlich ein kurze Hirnblähung.
    Nein, dieses Ensemble ist unbedingt erhaltenswert. Und es sollte in einer wachsenden Stadt wie Berlin wohl machbar sein, eine angemessene Nutzung dafür zu finden, wenn man sich und die eigene Phantasie mal etwas anstrengt.

  • Die "Bauchschmerzen" aufgrund möglicher rechtsextremer oder -radikaler Käufer erscheinen umso unverständlicher, als dass diese doch die beste Garantie dafür wären, dass die denkmalgeschützte Immobilie langfristig erhalten bleibt.
    Moderationshinweis (Aedificium): Ich bitte doch sehr darum abstruse unterschwellige politische Unterstellungen zu unterlassen. Beitrag wurde um entsprechende Passage gekürzt.

    Einmal editiert, zuletzt von aldilette (24. Februar 2016 um 11:49)

  • Na ja, da gäbe es wohl einige passendere Immobilien, z.B. Büros im Jakob-Kaiser-Haus. Die derzeitige Parteizentrale ist in der Schillstraße, also auch etwas zentraler gelegen, und weder in einen NS- noch SED-Bau.

    Für das Areal am Bogensee müsste ein anderes Nutzungskonzept gefunden werden, z.B. Umbau der FDJ-Hochschule in eine Wohnanlage oder ein Hotel. Die Goebbels-Villa könnte ein Veranstaltungszentrum oder ein Restaurant werden. Auch böten sich Büros, z.B. für Kreativfirmen an. Man müsste halt schauen, inwieweit Umbaumaßnahmen mit dem Denkmalschutz vereinbar wären. Aber es kann nicht vernünftig sein, dass im wachsenden Berlin solche Areale ungenutzt vor sich hinrotten.

  • Na ja, im wachsenden Berlin liegt das Areal nun nicht gerade, es befindet sich zwar im Eigentum des Landes, vom Alexanderplatz dort hinaus aber sind es schon noch 40 Kilometer, das ist voll in der Knüste, weit und breit nüscht außer Bäumen. Kreativfirmen gehen da sicher nicht hin, ein Hotelprojekt ist dort auch schon einmal gescheitert, und um da Essen zu gehen oder eine Tagung durchzuführen, na ja, da gibt es halt wirklich besser erreichbare Orte in der Stadt oder in der näheren Umgebung. Schade um die Architektur ist es natürlich, dass der Verfall voran schreitet.

  • Und Ostcharakter gehört nun mal zu Dresden.

    Ich will mich gar nicht pro oder contra Kulturpalast positionieren. Er steht dort, er ist saniert. Er ist für die nächsten Jahrzehnte Tatsache. Es hat also gar keinen Sinn mehr, daran herumzumosern.
    Aber mir fällt dieses Argument vom "Ostcharakter" oder wahlweise vom "Bauerbe der DDR" auf, das immer mal in der Diskussion auftaucht. Das ist interessant, denn es gibt kein Pendant dazu im Westen. Als z.B. das Technische Rathaus in Frankfurt abgerissen wurde, gab es womöglich eine verschwindend geringe Zahl unter modernistischen Architekturtheoretikern und Journalisten, die das bedauerten, aber selbst von diesen wäre niemand auf die Idee gekommen, den brutalistischen Bau als wichtig für den "Westcharakter" oder als Element des "Bauerbes der ehemaligen West-BRD" zu verkaufen.
    Es gibt also scheinbar immer noch bei vielen Leuten in den östlichen Bundesländern eine unterbewusste Anhänglichkeit an die untergegangene DDR, mit der sie angenehme Familien- oder Jugenderinnerungen verbinden. Einige fühlten sich und fühlen sich womöglich bis heute dem SED-System ideologisch verbunden. Zudem fühlen sich manche durch den abrupten Systemwechsel vermutlich immer noch als "vom Westen überfahren", und deshalb klammern sie sich an alle möglichen Plattenbauten oder Kästen der DDR-Zeit als ein Teil einer angeblich spezifischen Identität.
    Das Phänomen ist ja nicht nur in Dresden zu beobachten, sondern z.B. vor allem in Potsdam, wo hinsichtlich des Streits um das Hotel "Mercure", das Rechenzentrum oder den Staudenhof gerade mit der wichtigen DDR-Geschichte im Stadtbild argumentiert wird. Im Westen wäre es dagegen undenkbar, dass irgendwelche Wohnblock-Abrisse von Protesten begleitet wären, die auf dem Gefühl des "zurück gesetzt Seins", der Missachtung, der Erniedrigung oder Diskriminierung einer spezifischen West-Identität gründen würden.

    Anmerkung der Moderation (Suebicus): Die Diskussion wurde aus dem Strang zum Dresdner Neumarkt hierher verschoben.

  • Das liegt wohl eher an dem Gefühl, "DDR-Bauten" würden überwiegend deshalb abgerissen, weil sie die DDR symbolisieren und nicht etwa, weil sie städtebaulich oder ästhetisch unpassend (geworden) sind. Der gemeine nicht besonders an Architektur interessierte ehemalige DDR-Bürger sieht dabei eben die Identität seiner Herkunft schwinden.

    Das Gefühl hat man wohl im Westen weniger, denn dort symbolisieren Gebäude aus der Zeit vor der Wende, zumindest was die äußeren Lebensumstände anbelangt, nichts anderes als welche aus der Zeit danach. Die "ehemalige West-BRD" ist als gedankliches Konstrukt überhaupt nicht mit der "ehemaligen DDR" zu vergleichen.

    Gerade der Kulturpalast mit dem Wandbild "Der Weg der roten Fahne" bewahrt diese untergehende Identität zumindest im Stadtbild. Dass der Ruf nach Erhaltung von Gebäuden ohne erhaltenswerte Kunst am Bau so unverständlich erscheint, liegt wohl darin begründet, dass außer dem beschriebenen Gefühl nach Identitätsverlust objektiv nichts erhaltenswertes übrig bleibt. Das sieht man ja auch z.B. am Robotron-Areal in Dresden.

    Ich würde dabei aber auf keinen Fall von "ideologischer Verbundenheit mit dem SED-System" sprechen. Als Identität würde ich hier eher ein "das, was man kennt" oder "Heimat" oder "eigene Geschichte" bezeichnen. Vergleichbar wäre vielleicht der Abriss eines Dorfes für den Braunkohletagebau, bei dem das gewohnte Umfeld genauso verschwindet. Und da hat man ja auch im Westen was dagegen.

  • @ Heimdall,

    alles, was du oben ausführst, ist sicherlich zutreffend. Daneben gibt es unabhängig davon bei manchen Leuten auch noch (n)ostalgische Gefühle, die mit Gebäuden verknüpft sind, besonders wenn Erinnerungen an die eigene Jugend im Zusammenhang mit diesen Häusern bestehen. Hier wo ich wohne, in einer Kleinstadt in Südbrandenburg, gibt es eine Gaststätte "Deutsches Haus", welches um 1900 errichtet wurde. Die Bezeichnung "Deutsches Haus" war auch der Name des Lokals vor dem II. Weltkrieg. Nach 1945 erfolgte dann die Umbenennung in "Haus der sozialistischen Kultur Josef Stalin. Nach Stalins Tod umbenannt in "Haus der sozialistischen Kultur Karl Marx". Heute trägt das Gasthaus, wie schon ganz früher, wieder den Namen "Deutsches Haus". Es wird auch von den meisten Einwohnern "Deutsches Haus" genannt. Es gibt aber auch einige, meist ältere oder alte Leute, die heute noch vom "Kulturhaus" sprechen, allerdings ohne den Zusatz sozialistisch. Dies dürfte mit Erinnerungen an diesen Ort und nostalgischen Gefühlen einher gehen. Dort fanden und finden übrigens bis heute die Jugendweihen statt, aber auch Karnevalsveranstaltungen, Bälle und Musikveranstaltungen.

    3 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (26. Januar 2019 um 21:11)

  • ...

    Aber mir fällt dieses Argument vom "Ostcharakter" oder wahlweise vom "Bauerbe der DDR" auf, das immer mal in der Diskussion auftaucht. Das ist interessant, denn es gibt kein Pendant dazu im Westen. Als z.B. das Technische Rathaus in Frankfurt abgerissen wurde, gab es womöglich eine verschwindend geringe Zahl unter modernistischen Architekturtheoretikern und Journalisten, die das bedauerten, aber selbst von diesen wäre niemand auf die Idee gekommen, den brutalistischen Bau als wichtig für den "Westcharakter" oder als Element des "Bauerbes der ehemaligen West-BRD" zu verkaufen.
    Es gibt also scheinbar immer noch bei vielen Leuten in den östlichen Bundesländern eine unterbewusste Anhänglichkeit an die untergegangene DDR, mit der sie angenehme Familien- oder Jugenderinnerungen verbinden. Einige fühlten sich und fühlen sich womöglich bis heute dem SED-System ideologisch verbunden. Zudem fühlen sich manche durch den abrupten Systemwechsel vermutlich immer noch als "vom Westen überfahren", und deshalb klammern sie sich an alle möglichen Plattenbauten oder Kästen der DDR-Zeit als ein Teil einer angeblich spezifischen Identität.
    ...

    Das kann man so wohl nicht verallgemeinern.

    Arnold Bartetzky ist wohl ein Wissenschafler, der sich besonders intensiv mit der Architekturentwicklung im Osten (also wirklich im Osten) beschäftigt.

    In "Die gerettete Sadt" verweist Bartetzky ausdrücklich darauf, "dass die entschiedene Ablehnung der Ergebnisse der DDR-Planung, die in Leipzig wie auch anderenorts in Ostdeutschland vor allem die ersten ein- bis anderthalb Jahrzehnte der Stadtentwicklung nach der Wiedervereinigung prägte, keineswegs in erster Linie einer ideologischen Allergie von aus Westdeutschland stammenden Planern und Politikern entsprang. Anders als heute gern behauptet wird, handelt es sich bei der der starken Dezimierung des DDR-Baubestands -(in der Leipziger Innenstadt)- nach 1990 weitaus weniger um einen Akt architekturpolitischer Siegerjustitz westdeutscher Provenienz als um das Ergebnis lokaler Meinungsbildung. In Leipzig hatte sich diese bereits deutlich artikuliert, als noch niemand an eine Wiedervereinigung dachte"

    Heute setzen sich junge Menschen für den Erhalt von Ostgebäuden ein. Da bleibt die Frage: Warum?

  • Veränderung:

    "Ein Grund dafür ,dass die Menschen sich vor Veränderung fürchten ist:-weil sie sich stets auf das konzentrieren was sie verlieren könnten,anstatt auf das,was sie dazugewinnen könnten".

    "Wenn der Wandel der Veränderung weht,bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen".

    "Wer nichts verändern will,der wird auch dass verlieren,was er bewahren möchte".

  • Heute setzen sich junge Menschen für den Erhalt von Ostgebäuden ein. Da bleibt die Frage: Warum?

    Hipsterkultur und Kommunismusromantik. Wenn es um die Wohnungssuche geht, ist Gorbitz dann auch bei denen nicht mehr so doll gefragt.

  • Hipsterkultur und Kommunismusromantik. Wenn es um die Wohnungssuche geht, ist Gorbitz dann auch bei denen nicht mehr so doll gefragt.


    Warum sie das tun, keine Ahnung. Herdentrieb und unselbstbewusstes Mitlaufen einer pseudolinken Mode.

    Eines aber weiss ich: Die wohnen nicht in dem Schrott, den sie propagieren. Sie wohnen alle in Altbauten.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Hipsterkultur und Kommunismusromantik. Wenn es um die Wohnungssuche geht, ist Gorbitz dann auch bei denen nicht mehr so doll gefragt.

    Sie verwechseln immer noch die kulturelle Barbarei des Sowjet-Satelliten mit ihrer eigenen Stadtidentität. Sie kennen nunmal Elbflorenz nicht, haben keine kulturelle Prägung abseits von Beton und linksextremer Ideologie. Und, was am schlimmsten ist, sie konnten nie ein Stilempfinden entwickeln, da ihre Umwelt ihren Sinn für Schönheit so weit verkrüppelt hat, dass Kulturpalast und Frauenkirche in ihren Augen künstlerisch gleichwertige Objekte sind (wobei diese Gleichsetzung von allem mit allem ohnehin ein Phänomen des „demokratischen Zeitalters“ darstellt). Sogar den Altmarkt (immerhin der über Jahrzehnte einzige „historische“ Platz in der Altstadt), kennen sie nur als stalinistische Karikatur. Und selbst die Repräsentationsbauten, wie der „Kulturpalast“, sind baugeschichtliche Missgeburten, die die Abtreibung zu überleben schienen: und dies war die Vorstellung von „Pracht“ in der DDR. Natürlich haben solche Irrwege auch Auswirkungen auf das Urteilsvermögen der Nachgeborenen, die in dieser menschenfeindlichen Umgebung aufwuchsen.

    Hinzu kommt natürlich noch die Sorge, dass mit den letzten Spuren des linken Regimes, die man vernichtet, ihr linkes Utopia als noch gescheiterter gelten muss, als es ohnehin ist. Übrigens auch eine Sorge von nicht wenigen West-Linken.

    Und selbstverständlich spielt noch ein gehöriger Schuss „Ostalgie“ mit rein, die Mauerschützen, Gulags, Stasi und Planwirtschaft bewusst verdrängt und aus dem DDR-Alltag ein liebenswertes Lebensmodell macht, über das man schmunzeln kann- aber es nicht verurteilen darf. Totalitarismus von links war immer nur ein „bedauernswerter Irrtum“, der gutgemeint war, aber „falsch umgesetzt“ wurde. Wenn man den Totalitarismus der anderen Seite auch nur ‚objektiv‘ bzw nicht moralisch wertend betrachten möchte (von gutheißen ganz zu schweigen!), macht man sich mit dem Bösen gemein und jegliche Diskussion würde von denselben Leuten, die über Gulags und Stasi schmunzeln können, abgebrochen.

    Letztlich zeugen alle Punkte von einer intellektuellen und kulturellen Verrohung, für die man eigentlich Mitleid aufbringen müsste, da sie nicht anders können, als das Hässliche zum Gelungenen und das Schöne zum „Disneyland“ (ein Ort übrigens, den die meisten, die diesen Kampfbegriff verwenden, nur vom Hörensagen kennen..) umzumünzen (von diesem gängigen Irrtum leben immerhin auch westdeutsche Architekten, die ebenfalls nur Wüsten erschaffen können: man sollte nicht so tun, als wäre Westdeutschland ästhetisch einen anderen Weg gegangen- Stuttgart überbietet z.B. die schlimmste DDR-Planstadt).

    Oft hört man als Rechtfertigung für DDR-Schund auch, dass dieser „authentisch“ sei. Man argumentiert also nicht mehr in ästhetischen Kategorien, sondern mit sehr willkürlichen und emotionalen: die Qualität des Baus liegt also einzig und allein in seiner ehemaligen Funktionalität begründet. Also z.B. in ihrer Funktion als Wohnfabriken eines Staates, der alle seine Bürger als eine einzige Zahl und nicht als Individuen mit vielfältigen Bedürfnissen betrachtet. Diesen „Wert“ der Massenmenschhaltung möchten sie auf keinen Fall dem Zeitgeist opfern.

    Man könnte mit dieser Argumentation aber auch Ikea-Fabrikbauten unter Denkmalschutz stellen, da sie nie verbargen, wofür sie eigentlich gedacht waren und insofern ein Maximum an „Authentizität“ vorweisen.

    Diese Argumentation ist in etwa so absurd, wie wenn ein Goldschmied seine fein gearbeitete Goldkette damit preist, dass der Verschluss einer der besten und funktionsfähigsten der Welt ist: aber keiner kauft den Verschluss, der keinen künstlerischen Wert hat- man möchte die aufwändig und schön gestaltete Kette. Notfalls auch mit einem billigen Messingverschluss. Warum? Weil wir Kunstobjekte einzig und allein nach ästhetischen Maßstäben beurteilen. Was für eine Kette gilt, sollte auch für unsere Umwelt gelten, die uns durch ihre Schönheit inspirieren und nicht mit ihrer Hässlichkeit emotional kaltstellen sollte.

    Eben, weil ihnen jegliches natürliche Empfinden für Rang und Qualität irgendwann in ihrer Kindheit abhanden gekommen ist, wird das Minderwertige zum Gleichwertigen- und man muss schon dankbar dafür sein, dass sie es nicht gleich zum Höherwertigen erklären.

    9 Mal editiert, zuletzt von East_Clintwood (27. Januar 2019 um 05:51)

  • Einfach nur sehr undifferenzierte Kommentare und einseitiges Schwarz-Weiß-Denken hier. So vergrault sich das Forum so einige geistige Mitstreiter. Ich wohne seit 10 Jahren in der Neustadt (Rothenburger Straße), quasi den urbanen Rest in der "Innenstadt" Dresdens. Die Menschen wählen eher links und ich kenne persönlich niemanden, der den einseitigen "Raster"/Beschreibungen von East Clintwood entspricht. Das Forum sollte echt politisch neutraler werden. Eure gehassten "linken Hipsters" wohnen in den zentrumsnahen Altbaugebieten und bewarten Anfang der 90er viele Gründerzeitler vor den Abriss. Die meisten wissen das Glück der Urbanität ihres Viertels zu schätzen. Sie ätzen ebenso über die Rasterfassaden von lieblosen Lückenbauten/Investorenkisten. In einer Demokratie sollte jedes politische Spektrum vertreten sein. Aber ich verbitte mir, dass traditionelle Architektur nur alleine von konservativen bis Rechtspopulisten als ihr ""Baby" beansprucht wird. Nebenbei - fragt mal persönlich traditionellen Architekten wie einen Nöfer oder Kollhoff nach deren politischen Standpunkten. Einige hier würden sich wundern..;

    Einmal editiert, zuletzt von mahler (27. Januar 2019 um 18:09)

  • Ja, das ist hier sehr verbreitet. Es wird mit großer Verve und sogar einer gewissen Berechtigung auf die bisweilen etwas einfachen Empörungs- und Denkmuster linker Ideologie hingewiesen, ohne zu erkennen, dass man im Prinzip derselben Simplifikation aufsitzt, wenn man alles, was einem nicht passt als "Hipster", "linksgrün" oder "kommunistisch" bezeichnet, gerne auch alles zusammen.

    Man selbst beklagt sich (wieder mit einem gewissen Recht), als rechtsextrem bezeichnet zu werden, wenn man rechtskonservative Meinungen vertritt, wirft aber fröhlich alles jenseits der eigenen Denke von den Autonomen bis zur CSU in den Topf "linksideologisch verblendet" oder was auch immer für Begriffe dafür hier in mannigfaltigen Variationen verwendet werden. Der permanente Hinweis auf die Diskursunfähigkeit des "linksgrünversifften Mainstreams" fällt somit zu 100% zurück auf diejenigen, die sich darüber beklagen.

  • „Links“ war nur ein Teilaspekt meiner Argumentation. Wichtiger ist die frühe ästhetische Prägung und das dadurch entstehende Stilempfinden, dessen Entwicklung in Dresden vielerorts einfach kaum möglich ist. Dass die DDR ein linkes System war, wird wohl kaum jemand bestreiten. Dass dementsprechend der Städtebau dadurch geprägt ist, wohl auch nicht.

    Und ich mache hier einen kleinen Schwenk, der nichts mit links oder rechts zu tun hat: Kinder werden heute mit 3D-Filmen zugemüllt und bekommen dadurch ein sehr steriles Bild von ‚Kunst‘ vermittelt. Ich sehe das im
    Umfeld: handgezeichnete Filme werden mehr oder weniger auf den Müll verbannt.

    Diese Generation wird eines Tages unsere Lebensumwelt gestalten, eine Generation, die errechnete Erzeugnisse aus Computern einer Handzeichnung vorziehen werden. Das soll kein Klagen über die moderne Jugend werden, sondern nur zeigen, dass die Verkümmerung des ästhetischen Empfindens früh anfängt (und für sich genommen auch nicht zwingend etwas mit Ideologie zu tun hat). In Dresden und vielen anderen deutschen Städten sehe ich ein ähnliches Phänomen: Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, Urteile zur künstlerischen Qualität eines Baus zu fällen und „alles irgendwie gleich“ bewerten. Das war übrigens auch der Kern meiner Argumentation.

    Und natürlich sind Linksprogressive in der Summe der modernen Architektur eher zugeneigt als Rechtskonservative, nicht unbedingt weil sie sie im Ergebnis schätzen, sondern weil sie damit „Fortschritt“ (der bei vielen Linken ein Wert an sich ist) verbinden. Sie werden in diesem Forum wenige Linke finden und seltsamerweise noch weniger Frauen (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel). Daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir niemandem mehr auf die Füße treten und schön politisch-korrekt allen gerecht werden wollen und peinlichst darauf achten, nicht zu verallgemeinern. Im Wort „konservativ“ ist eine Vorliebe für eine historisch gewachsene Baukultur und deren Erhalt bereits mehr oder weniger enthalten. Im Wort „progressiv“ eher das Gegenteil, nämlich Veränderung, „Fortschritt“.

    Der Widerstand gegen modernistische Bauten kommt in gefühlten 80% NICHT von linker Seite. Der Widerstand gegen Rekonstruktionen kommt hingegen in fast allen Fällen von ebendieser Seite. Das auszublenden und hier jedem Einzelnen gerecht werden zu wollen (und das obwohl wir hier von strukturellen Problemen sprechen, die die Ausnahme naturgemäss nicht oder nur rudimentär einschließt), ist ebenso wenig zielführend, wie „schwarz/weiß“-Denken.

    PS: der öffentliche Raum ist ein politisches Thema. Man kann ihn nicht gesondert von gesellschaftlichen Entwicklungen und unabhängig von den jeweiligen politischen Rahmenbedingungen betrachten. Und sobald man politisch argumentiert, argumentiert man in Lagern, Weltanschauungen, politischen Deutungsmustern. Wenn Sie das nicht mögen, können Sie gerne widersprechen. Aber zu fordern, dass man nun bitte den Mund zu halten habe, man kenne immerhin den ein oder anderen, auf den meine Sichtweise nicht zutrifft (ich kenne auch Linke, die nicht dem Klischee entsprechen: aber gleichzeitig noch viel mehr, die das Klischee übererfüllen) und die Diskussion damit abklemmen möchte, ist ebenfalls keine Basis für eine Debatte.

  • Du beschwerst dich über Verallgemeinerung und haust dann eine Verallgemeinerung nach der anderen raus.
    Also ich kenne Dutzende Beispiele für die MLPD-wählende Mitte-20 Hipsterfraktion und darauf stützt sich meine Aussage.