Werden wir das schöne Bauen noch erleben?

  • Viel Science-Fiction spielt in heutigen Städtebau-Vorstellungen einen Rolle. Im Grunde glauben sie an das unendliche Wachstum und einen nicht versiegenden Wohlstand sowie stabile politische Verhältnisse. Hinzu kommt noch eine ordentliche Prise ökologischer Umbau, der natürlich nun generalstabsmäßig geplant wird.

    Smart City: Wie neue Technologien die Stadt der Zukunft prägen
    https://www.gmx.net/magazine/wisse…raegen-32736730

  • Anbei ein Link zu einem Artikel in der Berliner Zeitung über moderne Architketur und Neubauten in Berlin. Zutreffend heißt es da: "die Hoffnung stirbt zuletzt..Aber die hiesigen Stadtgewaltigen... sind ja nicht einmal in der Lage, welterbeverdächtige Bauten wie die Neue Nationalgalerie auf dem Kulturforum oder die St. Hedwigskathedrale vor der Vandalisierung durch Neubau- oder Umbauprojekte zu schützen..."

    Veranstaltungshinweis: Ausstellung "da! Architektur in und aus Berlin": Stilwerk Berlin, Kantstraße 17, 10623 Berlin, 8 bis 20 Uhr, bis 6. April 2018, Einritt frei.


    https://www.berliner-zeitung.de/berlin/archite…-kiste-29929468

  • Nach langem Überlegen stelle ich hiermit eine Auswahl meiner gebauten Fassaden zur Ansicht frei.
    Beidem Objekt handelt es sich um einen 1997 errichteten Neubau, der ein altes Ausgedinge (Ausnahmhaus) im Weinviertler Ortsverband ersetzte. Das ursprüngliche Gebäude besaß einen Eingang und zwei Fenster. Der Neubau beinhaltet eine Hofeinfahrt, da das nebenangelegene Bauernhaus in den 1980er Jahren ohne Einfahrt neu errichtet wurde. (Die Einfahrt in den Hof und den Wirtschaftsgebäuden erfolgte über das Hintaus).
    Durch den Keller sind die Straßenseitigen Fenster höherliegend als beim historistischen Ursprungsbau. Die primäre Fassade bestand aus Eckbossen, einer Nutung und Fensterfaschen mit Schlusssteinen.
    Dem Bauherren machte ich zur Bedingniss, dass ich für nur ihn eine Fassade entwerfe und die Zierteile anfertige, wenn die Fenster ausgetauscht werden würden. Sie wurden durch Kastenfenster und faltbaren Innenläden ersetzt. Die Außenflügel wurden mit Lamberts-Glas ausgestattet ein Detail das für solche Fassaden ungemein wichtig ist, aber auf das selbst in Dresden am Neumarkt an den Bürgerhäusern vergessen wurde
    Im linken Parabetfeld befindet sich die Körndelernte, im Weiterschreiten des Jahreskreises in der Nische die erhaltengebliebene aber noch nicht versetzte Heiligenfigur (Dreifaltigkeit) aus dem christlichen Mytos und er schließt mit der Weinernte im Uhrzeigerseinn. Lisenenkapitelle, Schlusssteine und Festons sind vetitabil angelegt um die Biolandwirtschaft zu versinnbildlichen.

    Vorzustand um 1970/80

    Neubau von 1997, Zustand 2015

    Zustand 15.6.2018 noch ohne der erhalten gebliebenen Nischenfigur

  • Im Feuilleton der WELT (Ausgabe vom 15.08.2018) bin ich auf einen Artikel gestoßen, in dem der Autor am Ende mit Blick auf die Qualität gründerzeitlicher Viertel fragt: "Warum können wir nicht einfach wieder genau solche Stadtteile bauen?"

    Der Architekt Hans Kollhoff antwortet: "Ich sage Ihnen: Nach den heutigen Vorschriften, heutigen Flächennutzungsplänen, Abstandsregeln und Brandschutzverordnungen wäre der erneute Bau solcher Quartiere schwierig bis unmöglich. Es ist ein Witz: Ganz offensichtlich lieben die Menschen solche Quartiere, aber sie werden nicht mehr gebaut."

    Aus gegebenem Anlass suche ich Ansprechpartner zum obigen Sachverhalt. Natürlich liegt es auch am Unwillen der Architekten und Städteplaner, dass gründerzeitliche Strukturen (die geschlossene, parzellierte Blockrandbebauung) nicht wieder neu entstehen. Aber welche weiteren Hürden gibt es im Baurecht oder auch woanders, die einer neuen "Gründerzeit" im Städtebau entgegenstehen? Wer würde sich, außer Herr Kollhoff, ebenfalls für eine Diskussionsveranstaltung o.ä. anbieten? Ich bitte um Vorschläge, gerne auch als PN.

    Möglicherweise eignet sich auch ein Vertreter des Projekts Werkbundstadt in Berlin, das städtebaulich m.E. in die richtige Richtung weist, aber wohl durch ebenjenes Baurecht ein wenig ausgebremst wird. Vielen Dank im Voraus!

  • Auf die geplante Werkbundsiedlung in Berlin bin ich letztens auch gestoßen und habe mich gewundert, dass hier im Forum noch nicht erwähnt wurde. Ein höchst spannendes Projekt, auf dessen Realisierung ich noch hoffe.
    Die Frage, ob es am Baurecht oder am Unwillen der Stadtplaner liegt, dass heute keine Blockrandsiedlungen mehr gebaut werden, finde ich auch sehr interessant - mir ist auch kein einziges Beispiel bekannt.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • [...] Die Frage, ob es am Baurecht oder am Unwillen der Stadtplaner liegt, dass heute keine Blockrandsiedlungen mehr gebaut werden, finde ich auch sehr interessant - mir ist auch kein einziges Beispiel bekannt.

    Tendenziell würde ich auf Stadtplaner oder Architekt, in einigen Fällen auch den Bauherren tippen, aber abschließend möchte ich diese Frage nicht beantworten. Da ich von Berufs wegen einen gewissen Überblick über das Baugeschehen in Berlin und Brandenburg habe, weiß ich, dass so einiges im Blockrand gebaut wird. Wenn auch meist als Lückenschluss.
    Konkrete Beispiele müsste ich jetzt erstmal suchen, aber spontan fällt mir etwas hier in meiner Nähe ein, wo ich auch dranbeteiligt war (siehe hier). Das dahinter dann alles mit irgendwelchen EFH-Würfeln zugekleistert wird ist eine (andere) Sache (der Stadtplanung).

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Ja, Lückenschlüsse im Blockrand gibt es selbstverständlich. Es geht mir aber vielmehr um die Planung neuer Quartiere oder gar Stadtteile. Wer wäre eurer Meinung nach für eine politische Diskussionsveranstaltung geeignet, in der man über die Mängel der gegenwärtigen Stadtplanung und über etwaige Hindernisse im Baurecht für neues "gründerzeitliches" Bauen sprechen könnte? Und könnte man vielleicht nicht auch eine Verbindung zum sozialen Wohnungsbau der 1920er/1930er Jahre herstellen, als man ebenfalls noch verstand, durchaus ansprechende und zeitlose Quartiere ohne hohen Kostenaufwand herzustellen?

    Welche Personen oder Institutionen wären geeignete Ansprechpartner? Hintergrund ist die Tatsache, dass derzeit eine verstärkte Bautätigkeit und zugleich ein großes Unbehagen großer Bevölkerungsteile an der heutigen Baukultur festzustellen ist. Ich möchte noch nicht mehr verraten, aber es bestünde die Möglichkeit, eine öffentliche Veranstaltung durchzuführen, in der man darüber spricht, was auf baurechtlichem und stadtplanerischem Gebiet zu tun wäre, um die Schaffung von ansprechendem und günstigem Wohnraum zu ermöglichen bzw. zu forcieren (es geht also nicht um das Thema Rekonstruktionen, aber durchaus um die Rückbesinnung auf die zeitlosen Grundsätze traditionellen Städtebaus).

  • Hoffnung: Es gibt für Nachwuchsarchitekten immer mehr wertvolle Ressourcen, die ihnen das schöne Bauen wieder beibringen.

    Neuestes Beispiel von August 2018 von der amerikanischen Organisation ICAA, ein gratis einstündiger Videokurs zur klassisch griechischen Architektur:

    The Foundations of Classical Architecture Part Two: Greek Classicism

  • Ich weiß nicht ob die folgende Dokuserie zum Gutshaus Thurow schon bekannt ist. Es handelt sich um keinen Neubau und auch keine echte Rekonstruktion von Grund auf, aber doch um ein Renovierungsprojekt, das eine desolate Ruine zu einem echten Schmuckstück werden lässt. Auch solche Projekte machen mich unglaublich glücklich! Und sie zeigen, dass wenn man nur genug Zeit hat, man auch ohne finanzielles Polster richtig was reißen kann:

    Teil 1:
    https://www.zdf.de/nachrichten/ha…teil-1-100.html
    Teil 2:
    https://www.zdf.de/nachrichten/ha…teil-2-100.html

    Teil 3:

    https://amp.zdf.de/video/https%3A…180919_hass_hde

    :dichter: Erst gestalten wir unsere Städte, dann gestalten die Städte unsere Gesellschaft :dichter:
    :opa: Aus Plattenbauten ist selten Gutes hervorgegangen :opa:

  • Es handelt sich beim Gutshaus Thurow, wie diese Doku zeigt auch um keinen Einzefall, sondern um einen Teil einer vernetzten Gemeinde von Menschen mit Geschmack :)

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    Mir macht das Mut, weil ich denke mir, wenn die es schaffen solche Ruinen in Eigenarbeit zu retten, dann schaffe ich es mal auch, wenn ich mir ein Einfamilienhaus in schöner Lage gekauft habe, dieses in einen Gründerzeittraum umzubauen/umbauen zu lassen. Weil mehr als die Grundmauern haben diese, meine Helden ja auch nicht zur Verfügung :D

    :dichter: Erst gestalten wir unsere Städte, dann gestalten die Städte unsere Gesellschaft :dichter:
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  • Welche Personen oder Institutionen wären geeignete Ansprechpartner? Hintergrund ist die Tatsache, dass derzeit eine verstärkte Bautätigkeit und zugleich ein großes Unbehagen großer Bevölkerungsteile an der heutigen Baukultur festzustellen ist.

    Ich würde dir dabei noch Rüdiger Patzschke aus Berlin empfehlen, er war Architekt des Adlon, sein Name ist dir gewiss bekannt und er ist selbst Vereinsmitglied und unserer Sache sehr zugetan. Er steht stets mit Rat und Tat zur Seite! Erreichbar telefonisch in seinem Büro im Grunewald.

  • Auf einem Streifzug durch Baden-Baden sind mir einmal diese zwei Statuen aufgefallen.

    Es handelt sich um relativ neue Statuen in Metallguss. An Qualität stehen sie den Metallgüssen früherer Zeiten in nichts nach. Mir scheint, dass die Russen das Wissen um die Schöpfung europäischen Kulturguts weit besser bewahrt haben als wir Europäer selbst. Angesichts der Tatsache, dass unsere Handwerker soetwas wohl nicht mehr hinbekommen würden, bin ich für diese russischen Almosen unglaublich dankbar!

    Statuen in Stein und Metallguss werten den öffentlichen Raum ungemein auf, besser als jede abstrakte Plastik. Ich würde mir deutlich mehr davon in allen unseren Städten wünschen. Mir wäre dann auch egal, wen oder was das Denkmal dann darstellt. Von mir aus kann es der verstorbene Dorflehrer sein, oder der letzte Bürgermeister oder der Gemüsehändler um die Ecke, entscheidend ist der bereichernde Effekt solcher Statuen für die Aufenthaltsqualität.

    Ich finde auch Handwasserpumpen, Brunnen und Standuhren könnten im öffentlichen Raum deutlich mehr vertreten sein. Paris ist ein gutes Beispiel, wie solches Straßenmöbiliar bereichernd wirkt.

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    Tolles Video über den Wert von Schönheit in unserem Leben, besonders in Städten und Architektur.

    Es war nie wirklich ein Geheimnis, dass eine große Mehrheit der Menschen traditionelle Architektur und nicht die Modernismus bevorzugt. Der Abgrund zwischen Architekten und allen anderen ist sehr groß

    Aber erst seit kurzem konzentrieren sich neue wissenschaftliche Studien darauf, wie genau alles funktioniert und warum wir Dinge schön finden. Diese Studien zeigen direkt, dass traditionelle und verzierte Gebäude verschiedenen natürlichen und physiologischen Phänomenen entsprechen. Dies steht in krassem Gegensatz zur Modernismus, die per Definition allem Natürlichen trotzt. Dieses neue Studienfeld, das als Urban Psychology bezeichnet werden kann, zeigt, dass traditionelle Architektur und städtebauliches Design die Lebensqualität erheblich steigern, den mentalen und sogar physischen Zustand der Menschen verbessern.

    So zahlt die fundamentalistische Architekturschule jetzt den Preis dafür, sich überhaupt nicht um tatsächliche Forschung zu kümmern. Jetzt beweist die Wissenschaft, dass ihre veralteten und regressiven Konzepte vollständig überprüft werden sollten.

    Weitere Studien zu diesem Thema (alles auf Englisch)

  • Danke für den Link. Hinzuzufügen ist doch etwas. Ich halte Schöns Verwendung des Begriffes "Schönheit" für problematisch. Er setzt sie mit dem Geschmacksempfinden der BdA-Clique gemein und wertet sie dadurch ab. Dem stellt er den Begriff "Qualität" (des öffentlichen Raumes) entgegen. Qualität ist hingegen ein eher blutleerer Begriff, der zudem noch weit mehr Interpretationsspielraum als "Schönheit" liefert. Nein, ein Großteil der heutigen preisträchtigen Wettbewerbs-Architektur ist womöglich Aufsehen erregend und ein Selbstverwirklichungsraum für einige Architekten. Sie ist aber nicht schön, sondern hässlich. Zumindest nach meinem Empfinden und dem der gefühlten Mehrheit der Bürger.

  • Viel Science-Fiction spielt in heutigen Städtebau-Vorstellungen einen Rolle. Im Grunde glauben sie an das unendliche Wachstum und einen nicht versiegenden Wohlstand sowie stabile politische Verhältnisse. Hinzu kommt noch eine ordentliche Prise ökologischer Umbau, der natürlich nun generalstabsmäßig geplant wird.

    Smart City: Wie neue Technologien die Stadt der Zukunft prägen
    https://www.gmx.net/magazine/wisse…raegen-32736730

    Also ein bisschen mehr Science-Fiction könnte der heutigen Architektur nicht schaden. Immer die gleichen Kisten hochzuziehen, ist nicht gerade einfallsreich.

  • Wenn schon, denn schon. Ein bisschen gibt es da nicht.

    Ansätze gibt es längst. Wer mehr davon in unseren Städten möchte...

    Z.B. Stadtgalerie Heilbronn
    https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtgale…tadtgalerie.jpg
    Mit mutigem Kontrast zur Historie
    https://blocherpartners.com/de/projekte/so…lerie-heilbronn

    Nationalbibliothek Leipzig
    https://binged.it/2ENzGGZ

    Chausseestraße Berlin, Libeskind
    https://binged.it/2ERpOvV

    Norddeutsche Landesbank Hannover
    https://binged.it/2D5XJze

    Gothaer Haus Offenbach
    https://binged.it/2D7JjPb

    usw.usf.

    Wer vom gegenwärtigen Städtebau gelangweilt ist, aber nicht wieder zur Tradition finden möchte, findet hier eine Menge Anregungen in den SF-Phantasien der Zukunft zugewandter Architekten. Von irgendwelchen menschlichen Maßstäben in der Stadtgestaltung müssen wir uns dann zwar verabschieden, aber dafür leben wir dann in spannenden Solitären, von denen keiner zum anderen passt, die aber immerhin nicht immer gleich sind.

  • So etwas Langweiliges ist für dich schon Science Fiction? Ich hatte da eher an so etwas gedacht.

    Wer vom gegenwärtigen Städtebau gelangweilt ist, aber nicht wieder zur Tradition finden möchte, findet hier eine Menge Anregungen in den SF-Phantasien der Zukunft zugewandter Architekten. Von irgendwelchen menschlichen Maßstäben in der Stadtgestaltung müssen wir uns dann zwar verabschieden, aber dafür leben wir dann in spannenden Solitären, von denen keiner zum anderen passt, die aber immerhin nicht immer gleich sind.

    Wenn dir rein futuristische Science Fiction nicht zusagt, solltest du es vielleicht mal mit Steampunk versuchen, wie zum Beispiel hier.