Werden wir das schöne Bauen noch erleben?

  • Gestern auf NDR habe ich eine Sendung über die verschiedensten Wohnviertel Hamburgs gesehen. Unter anderem über ein Paar, dass sich schon seit längerer Zeit nach einer modernen, traditionellen Wohnung umsah, aber am Markt nur Neubauten mit niedrigen Decken und wenig ansehlicher Architektur fand. Aber zum Glück stießen diese auf einen Wohnprojekt des Hamburger Architekten Matthias Ocker...

    http://www.matthias-ocker.de/

    (Die Seite bringt seine Liegenschaften leider nicht so gut herüber wie dies im Film der Fall war)

    Aber dieser Artikel ist sehr gut:

    http://www.matthias-ocker.de/images/news/im…schaft_2007.pdf

    "Warum darf Hamburg nicht so aussehen wie Hamburg?" oder "Ockers Häuser kommen in ihrem geschätzen Lebenszyklus von mehr als 100 Jahren..."

  • Ich habe heute mal wieder bei Baunetz vorbeigeschaut...wenn ich mir da so einen Überblick
    verschaffe, was hierzulande an neuer Architektur entsteht, wie weiterhin einer ganz den Bauhaus-Prinzipien
    verpflichteten Ideologie gehuldigt wird, fällt es mir schwer zu glauben, daß sich in Deutschland daran zu unseren
    Lebzeiten etwas ändern wird. Es gab und gibt Hoffnungsschimmer, aber sie sind äußerst selten und in letzter Zeit
    hört man kaum Meldungen über klassisch traditionell orientierte Neubauprojekte mehr, Büros wie Patzschke bleiben
    absolute Exoten und sogar deren Webseite wird seit Jahren nicht mehr aktualisiert.
    War es nur ein kurzes Strohfeuer, ähnlich wie die kurze postmoderne Phase in den 80ern? Werden wir mit einer
    Architektur-"Elite" leben müssen, die mit ihrer Definition von architektonischer Qualität als gleichzeitig alleingültigem
    Maßstab unangreifbar bleibt?
    Baut mich auf, macht mir Hoffnung :)

    In dubio pro reko

  • Ich wuenschte, ich koennte Dir Trost und Hoffnung zusprechen, Dirk! :engel: Leider muesste ich mich da der freien Erfindung hingeben und im Maerchenerzaehlen ueben.

    Die Lektuere von "baunetz" ist wahrhaftig nicht dazu geeignet, einen moralisch aufzubauen. Warum tust Du Dir das an?

  • Hallo Pilaster,

    weiter unten werden ja die USA ziemlich unverständig in Grund und Boden geredet, berichte uns doch mal von der Baukultur in (von uns aus gesehen) Übersee... :D

    LG!

  • aaaargh...
    Dirk, Du Sadist, jetzt habe ich soeben auchmal in Baunetz vorbeigeschaut und erneut gesehen, dass all die Unästheten reihenweise Preise und Projekte international einheimsen. Weltweit gleichgeschalteter banaler Mist, mit Verlaub gesagt.

    o tempora o mores.

    Das IV Reich der inneren Sicherheit, Dumpfkisten und Plastik-Grölarenas allerorten, Analogkäse auf meiner Pizza, coop wimmelblau mit Kreativpreis :augenrollen:

  • Coop Himmelb(l)au ist jetzt so schlecht nicht. Die bauen gute Solitäre und beweisen sich durchaus in Kreativität.


    Viel schlimmer finde ich all die kleineren, verschrobenen, vor Dogmatismus triefenden Studios und Architekten, die so ziemlich jedes innerstädtische 0815-Neubauprojekt abgreifen.
    Von denen kommen fast ausschließlich banalste Kisten, die dem Fachpublikum, Investoren & der Presse mit hohlen Phrasen irgendwie als total trendy und groovy schmackhaft gemacht werden sollen.

    Die sind das eigentliche Problem, da sie in der Breite den "Markt" beherrschen und unsere Städte verschandeln! :boese:

  • Zitat von "erbsenzaehler"

    Coop Himmelb(l)au ist jetzt so schlecht nicht. Die bauen gute Solitäre und beweisen sich durchaus in Kreativität.


    Viel schlimmer finde ich all die kleineren, verschrobenen, vor Dogmatismus triefenden Studios und Architekten, die so ziemlich jedes innerstädtische 0815-Neubauprojekt abgreifen.
    Von denen kommen fast ausschließlich banalste Kisten, die dem Fachpublikum, Investoren & der Presse mit hohlen Phrasen irgendwie als total trendy und groovy schmackhaft gemacht werden sollen.

    Die sind das eigentliche Problem, da sie in der Breite den "Markt" beherrschen und unsere Städte verschandeln! :boese:


    Wenn es dementsprechende Gestaltungssatzungen für ausgewählte Altstädte sowie einen nachvollziehbaren, koopoeativen und dennoch entscheidungskräftigen Denkmalschutz gäbe,
    so wären die 08/15-Büros kein Problem. In der "Zwischenstadt" gibt es nach wie vor genug Fläche zum zumüllen. Selbst in den urbanistisch fortgeschritteneren Niederlanden findet man in den Ballungszentren immer noch größere Areale, in die Beton reingegossen wird als gäb's kein Morgen. Solange für die Strukturierung als Selbstzweck keine bestehenden wertvollen Strukturen geopfert werden, sollte dieser Weg gegangen werden. Nicht vergessen: In mittlerer Zukunft muß ein westeuropäisches Land mehreren Gesellschaften Wohn- und Arbeitsraum u. sonstige Infrastruktur bieten können, die mehr oder weniger autark funktionieren.

    Nein, die werden gedünstet

  • Ich weiss nicht genau wohin ich es einordnen kann, einen neuen Strang will ich nicht dafür aufmachen, also schreib ich es mal hier herein.

    Wer am letzten Juni Wochenende nichts vor hat, kann sich ja mal am sogenannten Tag der Architektur die Meisterleistungen modernen Bauens :zwinkern: anschauen. In fast jedem Ort gibt es was zu gruseln. :schreckgrau:
    http://www.tag-der-architektur.de/site/573/default.aspx

    P.S.: Auftaktver(an)unstaltung findet unter

    Zitat

    Sternenhimmel wie weiland über der Ruine: Eleganz statt rustikaler Burgenromantik im Veranstaltungssaal

    des Hambacher Schlosses statt, das unter der Regie der Moderne umgebaut wird.

    Wann hört das eigentlich auf, was wird uns das alles kosten es wieder zu entfernen und rückzubauen......

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Werden wir das schöne Bauen noch erleben?

    Es kommt wohl darauf an, wohin wir schauen: In der Steiermark, genauer genommen im Ausseeerland und noch genauer in Altaussee werden fast ausschließlich sich einfügende Neubauten ausgeführt, wie bspw. nachfolgend:

    Wohlgemerkt, es handelt sich hierbei um einen kompletten Neubau!

  • Genial! Vielen Dank für dieses positive Beispiel!

    Es kommt wohl immer darauf an, wie fest verwurzelt und traditionell die Bauherren und Architekten sind.
    Im ländlichen Raum ist der Blick für die Tradition noch nicht ganz getrübt ( obwohl es auch von Region zu Region anders sein kann ).
    Hoffentlich bleibt es kein Einzelfall.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Mitnichten lieber Aedificium! Hier ein weiteres Beispiel, wenn auch das Gebäude äußerlich noch nicht ganz fertiggestellt wurde:

    In etwa 200 m Entfernung habe ich diesen Neubau abfotographiert! Es gibt noch weitere Neubau Beispiele, die ebenfalls ein Foto wert gewesen wären. Sogar ein öffentliches Gebäude wird derzeit im Altausseerstil neu errichtet (ich glaube es handelt sich um die Feuerwehr, aber sicher bin ich nicht - habe leider davon gerade kein Foto gemacht).

  • Ein Hoch auf die Stärkung der regionalen Identität!

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Zitat von "xFlipx"

    - die Gesellschaft als solches - ich nenne sie gern "Dumm-Volk" - die Werte / die Etikette der heutigen Gesellschaft: Geld, Aussehen, Egoismus-Ellenbogengesell., sexuelle und moralische Verdorbenheit, zerrütte Familien, fehlende soziale Strukturen, Vereinsamung, Oberflächlichkeit, Gefühlskalt - Medien und Informationsverblödet - kurz Amerikanisiert

    Also ich frage mich wirklich, ob Du jemals in den USA gewesen bist. Das was Du dort aufzählst ist mir in der Konzentration in den USA nirgends untergekommen, im Gegenteil. In Huntsville, Alabama im konservativen Süden habe ich mehr gebildete Menschen, mehr Wärme, mehr Herzlichkeit, mehr Zusammenhalt und mehr Respekt für die Mitmenschen widerfahren ist in Deutschland. Ehrenamtliches oder Wohltätiges Engagement ist dort nicht nur Ehrensache, es ist quasi Pflicht, ebenso wie persönliche Strebsamkeit, die man bitte nicht mit Ellenbogengesellschaft verwechselt. Es geht vielmehr darum, den Menschen danach zu beurteilt, wie er sein Leben lebt und wie er sich für andere einsetzt. Es wird erwartet, dass man aus seinem Leben das Bestmögliche macht, dass man einer geregelten Arbeit nachgeht, sich um seine Familie kümmert und diejenigen unterstützt, die Pech hatten im Leben. Respekt verdient man sich durch seine Taten, dafür hat man auch ein gutes Recht, auf sein Erreichtes stolz zu sein. Dieser Konsens aus Stolz auf das selbst Geleistete und der Respekt für die Leistung anderer, das ist der Urgedanke des sogenannten amerikanischen Traums.


    "sexuelle und moralische Verdorbenheit, zerrütte Familien, fehlende soziale Strukturen, Vereinsamung, Oberflächlichkeit, Gefühlskalt - Medien und Informationsverblödet" ist mir ehr ein Produkt der 68iger und eines überbordenden Sozialstaats, der jedem Einzelnen die Verantwortung für sein Leben, sein Einkommen, die Bildung seiner Kinder und die Barmherzigkeit für seine Mitmenschen abnimmt, nach dem Motto, "Warum soll ich mich um meine Kinder kümmern, das sollen lieber die Lehrer machen, warum soll ich mich um mein Einkommen kümmern, es gibt doch Hartz4, warum soll ich mich um den Vater/die Mutter meiner Kinder kümmern, der/die bekommt die Kohle doch auch vom Staat, warum soll ich mich um andere kümmern oder mich ehrenamtlich engagieren, dafür gibt’s doch den Staat." Je mehr man dem Einzelnen an privater und gesellschaftlicher Verantwortung abnimmt, desto mehr ergeben sich die von Dir beschriebenen Verhältnisse.

    Im übrigen versteh ich nicht so ganz, weshalb man den Glas-Beton-Bauwahn nun ausgerechnet auf den Kapitalismus schiebt. Waren es nicht gerade die Kapitalisten des 19. Jh. die die letzten schönen Gebäude errichten ließen? Ich würde ehr vermuten, es ist die Werte- und Traditionsverteufelung, die mit der Reformbewegung um 1900 begann, mit den 68igern ihren Höhepunkt hatte und bis heute anhält. Im Grunde ist die Kapitalismuskritik eher die Ursache und nicht der Kapitalismus. "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" heißt es in der Bibel, also quasi eine Aufforderung auf sein eigenes sein und damit sein eigenes Schaffen stolz zu sein und ebenso auf das des "Nächsten", ihm nicht nur Barmherzigkeit sondern auch Respekt für seine Leistungen entgegenzubringen. Es bedeutet also auch, die Leistung eines Mitmenschen anzuerkennen und gleichzeitig den Stolz auf die eigene Leistung zu zeigen - Strebsamkeit, Erfolg, Stolz, Respekt und Mitgefühl. Es sind Eigenschaften, die auf die Bauherren des 19.Jh, des Bürgerlich-Kapitalistischen, ebenso wie auf die Herrscher der Jahrhunderte davor, ebenso wie auf die Kaufleute und Händler der freien Städte usw zutreffen. Sie alle bauten und lebten repräsentativ und niemand neidete es ihnen. Man kann sagen das Vorhandensein von Stolz auf die eigene Leistung und/oder das eigene sein und der Respekt der Mitmenschen dafür ist quasi die Grundvoraussetzung für repräsentatives Bauen, das wiederum eine Grundvoraussetzung für schönes, schmückendes Bauen ist. (Wo wir wieder bei den Amerikanern wären)

    Wenn Menschen das Gefühl haben, dass Erfolg sich nicht lohnt bzw. dass man seinen Erfolg nicht zeigen darf ohne mit Neid überschüttet zu werden, dann wird man auch nicht schön, aufwendig und repräsentativ bauen. Doch dieser Stolz kommt wieder. In den letzten 20-30 Jahren sind mehrere Generationen junger Menschen aus eigener Kraft gesellschaftlich aufgestiegen, sie sind stolz darauf, sie sind bereit es zu zeigen, sie sehnen sich nach Repräsentativem Wohnraum, sie sind quasi der Motor hinter der Altbaubegeisterung der letzten Jahre. Wenn man sich die stetig steigende Nachfrage nach Altbauwohnungen ansieht, dann kommt man nicht umhin die Entwicklung optimistisch zu sehen. Ein Makler, der mit Altbauwohnungen gutes Geld verdient und auf den seelenlosen neuen Wohnungen sitzen bleibt, der wir irgendwann dafür sorgen, dass die Nachfrage bedient werden kann. Bei öffentlichen Gebäuden wird der Klüngel der Architektur-Eliten wahrscheinlich noch viele Jahrzehnte weiter Schandbauten aus dem Boden stampfen können, bei den Wohnbauten wird aber vermutlich in den nächsten Jahren die immer weiter steigende Nachfrage nach Stuck und hohen Decken oder nach authentisch-rustikalem Fachwerk einen Markt schaffen. In mancher Deutschen Stadt hat das schon begonnen, wenn auch noch sehr klein und leise.

  • Danke für diesen Artikel; ich für meinen Teil sehe es ganz ähnlich. Eine Sache, wo ich kurz einhaken muß:

    >>es ist die Werte- und Traditionsverteufelung, die mit der Reformbewegung um 1900 begann<<

    Der Reformstil war eher der Versuch einer Gesundung des traditionellen Baugedankens, gerade im Sinne der "heimatlichen Überlieferung" vor der Internationalisierung der historistischen Stile. Aus dieser Zeit entstammen einige der gefälligsten Bauanlagen in D. überhaupt. Bemerkenswert auch die Wirkungsmacht dieses Heimatschutzstils bis weit in die Mitte des Jahrhunderts, gerade im wenig prestigeträchtigen Wohnungsbau.

    Die Krankheit der Kulturrevolution begann mit den Herren Loos und Corbusier - gerade letzterer war übrigens als dezidiert antideutsch bekannt. Hielt die deutschen Junggarden nicht davon ab, ihn auf die Stufe eines Halbgottes zu hieven; ebenso wie später die 68'er diesen Gedanken bei Mao, Pol Pot und anderen feinen Herren zu verfolgen.

    Nein, die werden gedünstet

  • @exilant
    Mit dem Ausseerland ist es so eine Sache. mE sind das, was du da eingestellt hast, alles keine reinen Neubauten. Der hohe Bestand an 'schönen' Bauten fällt mir jedesmal bei einem Besuch dieses schönen Landstriches auf.
    Der Grund dafür liegt in der Rechtsordnung. Gewisse dingliche Rechte sind dort an den Bestand eines gewissen Hauses geknüpft und gehen bei Vollabriss desselben unter. Deshalb muss bei jedem Umbau mindestens eine Ecke erhalten bleiben, was offenbar viel zur Wahrung des alten Charakters dieses begünstigten Landstrichs beiträgt, zumal es der üblich-üblen Förderung von Neubauten zuwiderläuft.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ja! Hier etwa:

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    "Wie schön ist es doch zu leben." Pippi Langstrumpf