Werden wir das schöne Bauen noch erleben?

  • Ich muss zustimmen, dass ein Mausoleum heutzutage etwas aus der Zeit gefallen zu sein scheint, weil es einfach untypisch ist. Natürlich kann man auch den Vorwurf erheben, dass es der Selbstinszenierung und der Darstellung des eigenen Egos dient. Das kann man wohl auch nicht ganz von der Hand weisen. Von daher ist die Einschätzung nicht ganz ungerechtfertigt.

    Jedoch muss es kein Problem sein, etwas zu machen, das heute als untypisch oder veraltet gilt. Manchmal ist es gut, sich von der Masse abzuheben und zu seinen eigenen Ideen zu stehen. Jeder kann mit dem eigenen Geld gerne machen, was er möchte und ich freue mich, wenn es für etwas Schönes ausgegeben wird, das sich auch andere angucken können, auch wenn es vielleicht eine Form der Selbstinszenierung ist. Von mir aus können sich ruhig mehr reiche Leute ein schönes Mausoleum leisten.

  • Ich stelle dabei fest, dass die Errichtung eines Mausoleums im 21. Jahrhundert aus der Zeit gefallen ist, weil es nicht mehr den gesellschaftlichen Normen entspricht

    Das ist tatsächlich ein sehr eng gezogener Betrachtungsrahmen, wenn die Art und Weise, wie an Verstorbene, bzw. (wie in diesem Fall ja wohl eher) dessen Leistungen für die Gesellschaft erinnert werden darf (nichts anderes ist ja eine Norm: eine Vorschrift, die sich aus sozialen Gegebenheiten ergibt), angeblich auch noch wissenschaftlich begründet sein soll. Was ist denn daran aus der Zeit gefallen oder sogar (wie impliziert) nicht "normal", wenn an eine Tradition angeknüpft wird, zumal noch eine, die positives soziales Verhalten (weiteren Normen entsprechend!) würdigt und als erinnernswert erklärt? Dieses architektonische Zeugnis ist ein unaufgeregter und leiser Zeuge solchen Verhaltens, ganz im Gegensatz zu heute sonst üblichen performativen Formen von Erinnern, die dann doch nur wieder populistisch missbraucht werden, bzw. sehr anfällig dafür sind.

    Damit hebt man sich von seinen Zeitgenossen in seiner gesellschaftlichen Bedeutung erheblich ab. Und das wird auch über den Tod hinaus demonstriert. Ein Mausoleum ist gleichzeitig ein Denkmal, das eine "Geschichte" über den Verstorbenen erzählen soll. Im Mittelpunkt steht dabei letztlich nicht die Demut vor dem Tod, in dem wir alle gleich sind, sondern die Darstellung des Egos.

    Der letzte Satz ist - aus meiner Sicht - eine äußerst diskutable persönliche Interpretation. Wenn sich jemand zu Lebzeiten von seinen Zeitgenossen "erheblich abgesetzt" hat, indem er für die Gemeinschaft Gutes getan hat, ist es nur legitim, dies auch über den Tod hinaus betonen zu können. Warum eine Begräbnisstätte dafür weniger geeignet sein soll, als irgendein anderer Platz, müsstest du bitte nochmal erklären, zumal es dafür auf deutschen Friedhöfen Normen, bzw. sogar Vorschriften gibt. Die Beschreibung des Architekten betont übrigens auch genau diesen Unterschied zu deiner Interpretation:

    celebrating a family’s continuous connection with their local community and the accomplishments of its members through architectural form

    und eben nicht "celebrating the deceased's ego" - überhaupt nicht einmal einer Einzelperson, sondern einer Familie, in der das Engagement für die Gemeinschaft (in unserer Zeit hervorhebenswert) Tradition hat, bzw. unüblicherweise üblich ist oder war.

    Wenn jemand im 21. Jahrhundert genau auf diesen Bedeutungszusammenhang zurückgreift, dann ist es halt aus der Zeit gefallen. Dabei macht es schon einen erheblichen Unterschied, ob man sich in einer schon lange existenten Familiengruft bestatten lässt und sich somit der Familie verbunden fühlt, oder ob man sich ein solches Denkmal selbst neu errichten lässt. Das sind zwei ganz verschiedene Botschaften.

    Von denen keine überhaupt bedenklich oder diskutabel ist. Wenn dem Verstorbenen oder dessen Hinterbliebenen die "normale" Art und Weise der Erinnerung auf Friedhöfen zu wenig ist, ist ein neu errichtetes Mausoleum legitim. Für die "Ewigkeit" heißt übrigens auch nur so lange die Gebühren für die Grabstätte entrichtet werden oder das Mausoleum irgendwann als für die Gesellschaft bedeutend unter Schutz gestellt wird. Außerdem: Nur weil in der Geschichte solche Bauten eine jeweils in der Zeit verankerte Bedeutung ausdrückten, heißt das nicht, dass sie heute die gleiche Bedeutung besitzen. Wenn dieses neue Gebäude einen Beitrag dazu leistet, diese als überheblich interpretierte historische Bedeutung in eine andere zu überführen, ist dessen Erbauung mehr als zu begrüßen. Dieser Mechanismus der "Normalisierung" fehlt heutzutage übrigens in vielen gesellschaftlichen Bereichen, wo lieber skandalisiert und nach Verboten gerufen wird, statt sich mit problematischer Historie konstruktiv auseinanderzusetzen. Dazu gehört - gerade hier - die unaufgeladene Betrachtung von Baukunst heutiger Zeit, denn genau das ist doch das Problem: Ansprechende Architektur fehlt so häufig, weil zu viel historisch belastete Bedeutung in sie gelegt wird, die sie intrinsisch überhaupt nicht besitzt.

  • Ich gönne jedem seinen Wohlstand, wenn er diesen in das Gemeinschaftsgut Öffentlicher Raum investiert - und sei es auch ,,nur" zur hier kritisierten Heraushebung seines Privilegs.

    Zurschaustellung des eigenen Wohlstands war DIE maßgebliche Triebfeder für die Entstehung herausragender bürgerlicher Profanbauten in unseren Städten. Das wollen wir nicht vergessen.

  • Civitas fortis

    Ich will versuchen, auf deine Anmerkungen zu antworten:

    Das ist tatsächlich ein sehr eng gezogener Betrachtungsrahmen, wenn die Art und Weise, wie an Verstorbene, bzw. (wie in diesem Fall ja wohl eher) dessen Leistungen für die Gesellschaft erinnert werden darf (nichts anderes ist ja eine Norm: eine Vorschrift, die sich aus sozialen Gegebenheiten ergibt), angeblich auch noch wissenschaftlich begründet sein soll. Was ist denn daran aus der Zeit gefallen oder sogar (wie impliziert) nicht "normal", wenn an eine Tradition angeknüpft wird, zumal noch eine, die positives soziales Verhalten (weiteren Normen entsprechend!) würdigt und als erinnernswert erklärt?

    Wenn ein Bestattungsritus, der früher üblich war, heute nicht mehr einer gängigen Praxis entspricht, dann ist er nun mal per Definition aus der Zeit gefallen, ahistorisch, wenn du es so willst. Das ist, wie ich bereits mehrfach schrieb, zunächst eine nicht wertende Feststellung. Nicht alles, was nicht zeitgemäß ist, muss zwingend schlecht sein. Die Wertung überlasse ich hier gerne anderen. Das ist nicht mein Anliegen.

    Der letzte Satz ist - aus meiner Sicht - eine äußerst diskutable persönliche Interpretation. Wenn sich jemand zu Lebzeiten von seinen Zeitgenossen "erheblich abgesetzt" hat, indem er für die Gemeinschaft Gutes getan hat, ist es nur legitim, dies auch über den Tod hinaus betonen zu können. Warum eine Begräbnisstätte dafür weniger geeignet sein soll, als irgendein anderer Platz, müsstest du bitte nochmal erklären

    Ich habe nirgends geschrieben, dass es nicht legitim ist. Ich habe nur geschrieben, dass dort eine Intention zum Tragen kommt, die sich nicht allein durch die Demut vor dem Tod erklären lässt. Im Übrigen wissen wir doch absolut nichts über die Leistungen des Auftraggebers und seiner Familie. Ob also ein solches Grabmal in irgendwelcher Weise gerechtfertigt ist (wenn das überhaupt objektiv feststellbar ist), können wir doch gar nicht beurteilen. Aber auch das ist gar nicht mein Thema. "Ego" ist hier im Übrigen im Sinne von "Individuum" gemeint.

    Von denen keine überhaupt bedenklich oder diskutabel ist. Wenn dem Verstorbenen oder dessen Hinterbliebenen die "normale" Art und Weise der Erinnerung auf Friedhöfen zu wenig ist, ist ein neu errichtetes Mausoleum legitim.

    Natürlich ist es legitim, aber halt nicht zeitgemäß und deshalb durchaus erklärungs- und diskussionswürdig. Die Handlung und die Intention sind nämlich alles andere als trivial, weil sie eben aus der gesellschaftlichen Norm fallen. Fazit: Schöne Architektur, ungewöhnliche Form der Zurschaustellung.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Wenn ein Bestattungsritus, der früher üblich war, heute nicht mehr einer gängigen Praxis entspricht, dann ist er nun mal per Definition aus der Zeit gefallen, ahistorisch, wenn du es so willst.

    Ersetze "Bestattungsritus" durch "Architektur", und du hast die typische Argumentation der Modernisten, mit der sie ihre Ablehnung gegenüber neoklassischem Bauen begründen. Es führt an der meiner Meinung nach entscheidenden Frage vorbei, ob ein solches Mausoleum der gesellschaftlichen Bedeutung der verstorbenen Persönlichkeit überhaupt angemessen ist.

    In dubio pro reko

  • Ersetze "Bestattungsritus" durch "Architektur", und du hast die typische Argumentation der Modernisten.

    Diese Feststellung wäre, wenn man entsprechend älteren Bauepochen bauen würde, absolut korrekt. Tut man aber erfreulicherweise nicht, denn eine Adaption oder Rekonstruktion, wie die meisten von uns sie anstreben und gutheißen, ist dann doch etwas ganz anderes. Ich bitte doch um etwas Differenzierung!

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  • Das gezeigte Mausoleum erscheint mir aber auch eher wie eine Adaption, die du ja offenbar gutheißt. Wo ist also das Problem? Vielleicht doch eher meine Fragestellung in #266? Darüber könnte man mit gutem Grund diskutieren.

    In dubio pro reko

  • Das gezeigte Mausoleum erscheint mir aber auch eher wie eine Adaption, die du ja offenbar gutheißt. Wo ist also das Problem?

    Dass du offensichtlich überlesen hast, dass es mir hier niemals um die Architektur ging. Die habe ich ausdrücklich gelobt. Alles andere findest du oben in meinen Ausführungen. Du verzeihst, dass ich das jetzt nicht wiederhole. Und ein Problem scheinen andere zu haben, ich habe lediglich die Diskussion über die Intention dieser Architektur in diesem Kontext und im 21. Jh. angestoßen.

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  • Du hast mit der Frage der Intention aber sehr deutlich die Zulässigkeit einer solchen Architektur im 21. Jh. in Frage gestellt. Dasselbe machen einige auch beim Berliner Schloss.

    In dubio pro reko

  • Es wäre einer solchen Diskussion sicher zuträglicher, wenn man nicht irgendwelche Intentionen in Texte hineinliest, die dort in keiner Form zu entziffern sind. Noch weniger interessiert es dabei, was irgendwelche Dritte zum Berliner Schloss gemacht und gesagt haben. Ich spreche für mich allein, und zwar zu der grundsätzlichen Frage, inwiefern opulente Mausoleen eine zeitgemäße Form darstellen, um der Nachwelt im Gedächtnis zu bleiben. Und für diese Frage ist weniger die konkrete Architektur von Bedeutung, als vielmehr der repräsentative Rahmen, in dem dies geschieht. Es würde also gleichermaßen für ein Grabmal gelten, das als gewaltiger Kubus daherkommen würde.

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  • Um mal wieder etwas Leben in den Thread zu bringen hier einmal ein Video eines relativ bekannten Youtube Kanals von Heute:

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    Befasst wird sich mit der Frage warum sehen unsere Städte so aus und was in Zukunft daraus werden könnte.