Museumsinsel Berlin - Neues Museum

  • Da Dänemark über eine große Anzahl an intakten Altstädten verfügt, ist diese Lösung für ein einzelnes Objekt annehmbar. Aber in Deutschland würde das nicht reichen. Wir haben hier schon genug Kriegsruinen als Denkmäler konserviert. Was wir brauchen sind intakte Altstädte und mehr Harmonie im Städtebau.

  • Zitat

    Da Dänemark über eine große Anzahl an intakten Altstädten verfügt, ist diese Lösung für ein einzelnes Objekt annehmbar. Aber in Deutschland würde das nicht reichen. Wir haben hier schon genug Kriegsruinen als Denkmäler konserviert. Was wir brauchen sind intakte Altstädte und mehr Harmonie im Städtebau.

    Warst du schon in Dänemark? Abgesehen von Teile der Kopenhagener Altstadt sind die grössere Städte nicht gerade intakt - im gegenteil. Auch in Dänemark brauchen wir mehr Harmonie im Städtebau. Konservieren oder rekonstruieren ist immer eine schwierige Frage. Den Riesensaal in Dresden zu rekonstruieren und dabei erhaltene Bauteile aus dem 19 JH. zu zerstören finde ich irgendwie komisch. Den Reichstag 1:1 wiederaufzubauen auch. Dennoch gibt es viele gute und wünschenswerte Rekos, für die ich auch gespendet habe (Frauenkirche und Pellerhaus).

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Zitat von "Däne"

    Konservieren oder rekonstruieren ist immer eine schwierige Frage. Den Riesensaal in Dresden zu rekonstruieren und dabei erhaltene Bauteile aus dem 19 JH. zu zerstören finde ich irgendwie komisch.

    Welche „erhaltenen Bauteile aus dem 19. Jahrhundert“, die zwecks Rekonstruktion des Riesensaales „zerstört“ werden sollten, meist du???
    Es geht um diese Wand hier (Abschnitt vor dem Torhaus):


    Bildquelle: http://www.bildindex.de">http://www.bildindex.de

    Was von den Bauteilen des 19. Jahrhunderts erhalten war, sieht man exemplarisch an den Fragmenten des Erkers rechts im Bild. Die Architekturteile des 19. Jahrhunderts (Neo-Renaissance-Verkleidung durch Dunger/Fröhlich, durchweg Phantasieprodukte) waren in der Bombennacht weitgehend zerstört worden und nicht zuletzt durch die große Hitze regelrecht abgeplatzt. Das gilt auch für die die aus dieser Phase stammenden „neuen“ Dachgiebel, die gab es in der Barockfassung nicht. Der nördliche Teil des Ostflügels wies den größten Zerstörungsgrad des gesamten Schlosses auf.
    Erhalten geblieben waren lediglich die verbrannten Außenwände sowie die Mauern und die Decke des Erdgeschosses. Zunächst noch erhaltene Mauerreste im Innern oberhalb des Erdgeschosses mussten aufgrund der nicht mehr gegebenen Standsicherheit abgebrochen werden:


    Bildquelle: http://www.bildindex.de">http://www.bildindex.de

    In dem betreffenden Trakt (nördlicher Ostflügel) hatten Dunger und Fröhlich zwar eine Neorenaissance-Verkleidung realisiert, dabei wurde aber die Fenstergliederung aus dem 18. Jahrhundert belassen. Diese Wandgliederung – mit Reihen aus hohen, schlanken Einzelfenstern) entstand folgendermaßen:
    Aus Anlass der Reparatur der durch das Preußen-Bombardement im Siebenjährigen Krieg aufgetretenen Schäden erfolgten ab 1760 im Nord- und Ostflügel umfangreiche Baumaßnahmen. Weiter Zitat Henning Prinz, Das Schloss von 1733 bis zum Ende des 18.Jahrhunderts“:

    Zitat

    So ersetzte Schwarze u. a. die Renaissancefensteranordnung der Straßenfassade des Ostflügels durch eine dem 18. Jahrhundert entsprechende Fenstereinteilung.

    Diese neue Fenstereinteilung war auf die damals gleichzeitig vorgenommene innenarchitektonische Neugestaltung abgestimmt.

    Fazit:
    Was spricht unter diesen Prämissen dagegen, an der Straßenseite wieder die alte Renaissancefensteranordnung wiederzubringen?
    Weiterhin: Die innenarchitektonische Gestaltung des Riesensaales in der Fassung von 1627 ist außerordentlich gut dokumentiert. Von allen bildlichen Darstellungen existieren farbige, sehr detaillierte Abbildungen. Alle nachfolgenden Inneneinrichtungen sind gar nicht oder nur sehr unvollständig dokumentiert.
    Warum „dürfen“ wir eine Phantasieschöpfung vom Ende des 19. Jahrhunderts rekonstruieren, aber den bestens dokumentierten Riesensaal nicht???
    Und noch etwas gibt es zu bedenken: auf der Hofseite des Ostflügels war die alte Fenstergliederung der Renaissance durch alle Umbaumaßnahmen erhalten geblieben. Man hatte lediglich die Fensterhöhe im 2. OG etwas vergößert.

  • @ Bautzenfan

    danke für die ausführliche Darstellung zum Riesensaal! Was ich sagen wollte, war folgenes: ich finde es etwas merkwürdig einen Zustand wiederherzustellen, den es seit über 250 Jahren nicht mehr gab - insbesondere wenn man sogar erhaltene Bauteile (die Fenstereinteilung) dafür Verändern muss. Einen Idealzustand anzustreben ist natürlich legitim, aber für mich riecht es ein Bisschen nach Viollet-le-Duc (Pierrefonds, Carcassonne). Und im Ernst: ist der Originalzustand wirklich so gut dokumentiert, dass eine Reko sich ohne weiteres machen liesse?

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Für (manche) Touristen sind diese Risse sicherlich interessant, aber was ist mit dem Durchschnittsberliner? In Köln wollte man ja auch lange die Domplombe erhalten, hat jetzt aber zum Glück das Stück rekonstruiert. Die Zeichen der Geschichte sieht man in jeder deutschen Stadt aufgrund der Häßlichkeit.

  • Ich weiß nach den ganzen Artikeln der letzten Tage gar nicht mehr, was/wie ich von dem ganzen denken soll...SO schlimm klingt das ganze teilw. gar nicht. Aber viell. ist das auch nur ne gute PR...Ich werde mich Sonntag (hoffentlich) selber davon überzeugen können...

  • @ Rheinhard,

    wirklich interessante Bilder im Bericht. Die Euphorie kann ich nicht ganz teilen. Wenn ein Raum zu 80 % erhalten ist, sollte man doch lieber rekonstruieren - wenn nur Fragmente da sind finde ich die gewählte Lösung ok. Was ich besonders schlimm finde, ist dass die äussere Fassade auch nur vereinfacht wiederaufgebaut wird. Das sieht man hier:

    http://www.tagesspiegel.de/kultur/Museums…;art772,2329669

    Links modern :boese:

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Ich bin guter zeitgenössischer Architektur durchaus aufgeschlossen...aber das, was sie hier dem Neuen Museum antun. Du meine Güte! Es ist schlimmer als befürchtet.
    Chipperfield scheint null ästhetisches Empfinden zu besitzen.
    Das Treppenhaus, wenn es in etwa so bleibt (was ich befürchte), ist ja wohl die Höhe. Und dafür das viele Geld? Dann hätten sie auch echten Marmor nehmen können...ach...ich sage besser nichts mehr. Es ist eine Schande... :weinen:

  • Auch der SPIEGEL widmet dem Museum einen Artikel:

    Zitat

    Mit dem Neuen Museum würden "Berlin und ganz Deutschland um eine bedeutende Einrichtung reicher", sagte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) heute beim Richtfest auf der Museumsinsel. [...] Während des Richtfests ist die Baustelle beim Museum für drei Tage öffentlich begehbar. Von Samstag bis Montag gewähren die Kulturschaffenden zwischen 10 und 18 Uhr Einblick in die Werkstatt des Wiederaufbaus. [...] Die Kosten werden auf 233 Millionen Euro beziffert.

    Im Museum werden ab 2009 die Sammlungen des Ägyptischen Museums, einschließlich der Nofretete ausgestellt. Auch die Sammlungen des Museums für Vor- und Frühgeschichte werden in dem 20.00 Quadratmeter großen Bau untergebracht. Zu diesen gehört unter anderem der heute in St. Petersburg lagernde Schatz Trojas. Chipperfield, der auch das Eingangsgebäude der Museumsinsel entwirft, setzt in seinem Sanierungskonzept darauf, die Spuren des Krieges nicht zu verwischen: Schäden am Gebäude sollen sichtbar bleiben. Für sein Konzept erntete der Brite zunächst viel Kritik.

    Klaus-Dieter Lehmann, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, verteidigte der Entwurf hingegen: Der Architekt habe die "historische Ehrlichkeit gegen eine scheinechte Täuschung" durchgesetzt. (Dummschwätzer!) Peter-Klaus Schuster, der Generaldirektor der Staatlichen Museen, sagte, Chipperfields Entwurf versprühe "klassische Erhabenheit".

    "Es ist ein Missverständnis, dass wir dieses Haus als Ruine erhalten wollen", sagte der Architekt selbst. "Im Gegenteil: Wir wollen seine Vollendung." Im Mittelpunkt des Gebäudes steht das große Treppenhaus, die 20 Meter große Halle mit den Fresken Friedrichs Kaulbachs wurde im Krieg völlig zerstört. Chipperfield baute in die Halle einen wuchtigen Betonaufstieg ein, an den sich zwei Seitentreppen bis knapp unter die Decke anschließen.


    http://www.spiegel.de/kultur/gesells…,507048,00.html

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Das Treppenhaus ist echt eine Katastrophe!! Das kann doch niemals Sichtbeton sein, wer ist so be***** und setzt so ein klotziges Treppenhaus in dieses ehemals wunderschöne Haus. Ich bin entsetzt, sprachlos und fassungslos sowieso!!

    "... der Mensch mit den modernen Nerven, braucht das Ornament nicht, er verabscheut es." (Adolf Loos, Ornament und Verbrechen)

    Diese Aussage ist ein Verbrechen

  • Das ist glaube ich der ägyptische Hof, von dem offensichtlich nach der Zerstörung nichts mehr übrig blieb.
    Im Erdgeschossbereich war hier ursprünglich 16 ägyptische bemalte Säulen, die einen überdachten Lichthof umgaben.
    Ich denke das Foto zeigt eine Neuinterpretation des alten Zustandes. Wie auch die Treppe eine Neuinterpretation darstellt.
    Die dunklen Abdeckungen werden aber wohl eher temporär sein, das sind glaub ich Laufplatten von Alugerüsten.....

  • Auf ZDF "Heute" war ein kurzer Bericht zum Richtfest, leider finde ich den Filmbeitrag auf deren Seite nicht und mir die ganze Sendung ansehen möchte ich nicht nochmal. Wen es trotzdem interessiert: http://www.zdf.de/ZDFheute/inhalt/20/0,3672,20,00.html

    Ob folgende Seite hier im Forum schon bekannt ist weiß ich nicht:

    "Die Website zum Masterplan Museumsinsel Berlin informiert über die zukünftige Gestalt der Museumsinsel. Sie erläutert die Leitidee zum Masterplan und die Neustrukturierung der Museen und stellt die Geschichte der Häuser und Sammlungen dar."
    http://www.museumsinsel-berlin.de/\r
    http://www.museumsinsel-berlin.de/

    Aus WIKIPEDIA: http://de.wikipedia.org/wiki/Museumsinsel_(Berlin)

    Meldung der Staatliche Museen zu Berlin: http://www.smb.spk-berlin.de/smb/news/detai…16285&typeID=12

    Noch mehr zum "Masterplan Museumsinsel": http://www.museumsinselberlin.de/masterplan.htm

    Eine Meldung der "Zeit": http://www.zeit.de/news/artikel/2007/09/21/2384465.xml

    Schlußendlich noch ein äußerst interessanter Artikel in der "Welt":

    " Das Neue Museum: Hier wird Geschichte abgetötet
    Auf der berühmten Museumsinsel in Berlin wird Richtfest gefeiert. Die Berliner können das Neue Museum im Rohbau besichtigen. Der britische Architekt David Chipperfield hat viel Beton verbaut. Und er will die Zerstörungen dokumentieren – was auf viel Unmut und Kritik stößt. [...] Die komplementäre geistige Dimension von Stülers Museumsidee – sie kommt bei dieser Betrachtung zu kurz. Das mag konsequent sein, denn im Wiederaufbaukonzept von Chipperfield ist sie gänzlich verloren gegangen. Doch was entsteht, macht nicht, wie die Denkmalpfleger in den vorausgegangenen Debatten immer wieder suggeriert haben, „Geschichte erlebbar“, sondern tötet sie ab. [...] Viel Beton statt Marmor
    Bei Rundgängen mit den ersten Besuchern des Rohbaus betonten Preußenstiftungs-Präsident Klaus-Dieter Lehmann und Architekt Chipperfield immer wieder den hohen denkmalpflegerischen Ehrgeiz des Konzepts. Das war die diplomatische Umschreibung des Tatbestandes, dass auf dieser Baustelle die Denkmalpflege so etwas wie ein Exempel statuiert.
    Der Architekt hatte den ersten Wettbewerb für den Wiederaufbau des Neuen Museums 1994 gewonnen, weil er die komplette Rekonstruktion des einzigartigen Bauwerks vorschlug. Der Brite ist ist insoweit nur Erfüllungsgehilfe. Er hat sich freilich inzwischen die Doktrin voll zu eigen gemacht. Es wird nicht das „Neue Museum“ neu errichtet, sondern so etwas wie eine Patchwork-Version aus allen denkbaren Zwischenzuständen.
    An die Stelle von Marmor tritt überwiegend Beton, angereichert mit thüringischen Marmorkieseln, die dem Material in geschliffenem Zustand einen seidigen Glanz verleihen. Leider scheint sich diese Mischung als überaus empfindlich zu erweisen, so dass sich den Baustellenbesuchern die ersten Treppenstufen und Brüstungen bereits in beschädigtem Zustand zeigen. Wie kommt es zu dieser Umdeutung eines unwiederholbaren Bauwerks, die ja unweigerlich in Konkurrenz zu den großen Rekonstruktionsleistungen der Nachkriegszeit tritt: Goldener Saal in Augsburg, Residenz in München, Frauenkirche in Dresden?
    Wie eine Ruine in Pompej
    Denkmalpflege wird hier als Lehrstück nach der Charta von Venedig exekutiert, die Rekonstruktionen, also die Rückgewinnung eines bereits verlorenen Originals, grundsätzlich ausschließt. Stattdessen sollen Verwundungen gezeigt, die Spuren von Krieg und Zerstörung offengelegt und der Lauf der Geschichte demonstriert werden. Es ist die konträre Position nicht nur zu den genannten Konkurrenzprojekten, sondern vor allem zu Stüler und seiner Museumsidee. Sie hatte bewusst die Magie und Majestät der Kopie gefeiert und in den Mittelpunkt des gesamten Bauwerks gestellt. Von der Kraft dieser Imagination ist nichts geblieben. Stattdessen stellt sich ein Bauwerk des 19. Jahrhunderts wie eine pompejanische Ruine dar – seiner echten Geschichtlichkeit entrissen und in eine falsche, viel zu alte, bruchstückhafte versetzt. Aus Geschichte wird Erfindung.

    http://www.welt.de/kultur/article…abgetoetet.html

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Zitat von "gerdsen"

    Das ist glaube ich der ägyptische Hof, von dem offensichtlich nach der Zerstörung nichts mehr übrig blieb.
    Im Erdgeschossbereich war hier ursprünglich 16 ägyptische bemalte Säulen, die einen überdachten Lichthof umgaben.
    Ich denke das Foto zeigt eine Neuinterpretation des alten Zustandes. Wie auch die Treppe eine Neuinterpretation darstellt.
    Die dunklen Abdeckungen werden aber wohl eher temporär sein, das sind glaub ich Laufplatten von Alugerüsten.....

    Wie wundervoll und überaus durchdacht!
    Wenn man den Saal betritt, glotzt man erst einmal auf einem Betonpfeiler! Bravo! :x
    Mensch...
    Und dann diese verlogene Selbstbeweihräucherung der Verantwortlichen.