Museumsinsel Berlin - Neues Museum

  • Radikale Konzeptänderung im Neuen Museum

    Weiß jemand ob es 1843 auch in den Museen anderer Länder üblich war die Exponate in ihrer "passenden Umgebung" zu präsentieren? Nur über das Konzept des späteren Bode-Museums findet man viel Literatur, hier sind die Informationen jedoch spärlich.

    Warum hat man dieses Konzept bei der Reparatur des Neuen Museums abgeschafft? Ich denke, dass es eine Weltneuheit war und wahrscheinlich Vorbildfunktion hatte.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Neu…tischer_Hof.jpg

  • Was für eine wunderbare Idee das war. Es war ein viel anspruchsvolleres und erfolgreiches Konzept schon bevor es Disneyland gab Hiermit sollte man sich mal auseinandersetzen und die Literatur befragen.

    Weiß jemand etwas dazu, ob es nicht sogar Vorbildfunktion hatte oder wo es so etwas noch in anderen Ländern gibt?! Ich habe es noch nicht woanders gesehen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Neu…tischer_Hof.jpg

    Danke, ganz toller und wichtiger Beitrag dermont!

    Mir fällt auf Anhieb die ägyptisch-orientalische Sammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien ein, die einer der weltweit wichtigsten ägyptischen Sammlungen besitzt. Ist zwar kein Vorbild für das Neue Museum in Berlin gewesen, weil das Museumsgebäude erst viel später in Wien gebaut wurde, aber die Herangehensweise war offensichtlich auch so einfühlsam und intentional wie in Berlin! Diese Herangehensweise fehlte Chipperfield leider bzw hatte er aber auch nicht das Wissen darüber - who knows, aber die alte Intention machte jedenfalls mehr Sinn und auch mehr her. Ich denke, dass man früher oder später einmal wieder das Gesamterlebnis wiederaufführt, damit der Kreis sich schließt.

    So, aber nun die Beispiele aus Wien. In einem "nackerten" Raum würden die Artefakte verloren wirken. Der Vergleich macht einen (geist-)reich:


    Quelle: https://press.khm.at/it/pr/khm/aegy…ische-sammlung/


    Die Malerein der ca 6 Säle wurden gerade restauriert und es gibt auch einen YT Film darüber, wenn es interessiert:

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  • Auch wenn man mich jetzt hier steinigt...

    Mir persönlich gefällt die Präsentation der originalen ägyptischen Kunstwerke im modernen Berliner Neuen Museum sogar besser, als die Präsentation in Wien. In Berlin bin ich nämlich NICHT durch überbordende Wand-Deko des 19. Jhds. vom Originalobjekt abgelenkt.

    Als Gestalter gefällt es mir sehr gut, wie Chipperfield unheimlich gekonnt und durchdacht die Ägyptischen Objekte in Szene setzt.

    Für mich ist das Neue Museum gestalterisch tatsächlich eine der schönsten Museumspräsentationen weltweit.

    Natürlich ist die Wiener und war die alte Berliner Präsentation ein Gesamtkunstwerk. Kind ihrer Entstehungszeit.

    (Und natürlich muss man eine solche Art der Präsentation bewahren, wenn sie noch existiert.)

    Aber ehrlich gesagt ist GENAU DAS (Gesamtkunstwerk und Kind seiner Entstehungszeit) auch das Chipperfieldsche Museum für mich.

    Beispielsweise finde ich den lichtdurchfluteten schwebenden Einbau im Ägyptischen Hof mit den Amarna-Objekten großartig.

    Der Vergleich eines Vorredners mit Schwimmhallen-Atmo ist für mich völlig unpassend. Vielmehr leuchten hier die Objekte direkt im Sonnenlicht und die Milchglasscheiben bringen den ganzen schwebenden Bereich in eine lichtdurchflutete Atmosphäre, die zum Sonnenkult Echnatons für mich in sinnfälliger Beziehung steht.

    Neues Museum Berlin - Nofretete Entwurf aus Bildhauerwerkstatt

    Beispielbild aus: Neues Museum Berlin - Exklusivbesuch bei Nofretete - Unterwegs mit Kind

    https://www.google.de/url?sa=i&url=h…QAAAAAdAAAAABAP

    Auch erinnere ich mich besonders gern an einen Raum, in dem z.B. ALLE Objekte der 2. Reihe "gerahmt" wurden, um sie in den Raum gleichwertig einzubinden. Dabei waren manche Objekte in Glas-Vitrinen, andere nur in Metallgestängen gleicher Größe gefasst, um so gestalterische Einheitlichkeit zu erzeugen. Bei absolutem Minimalismus.

    Und die Sockel / Vitrinen sind so wunderbar im Raum angeordnet. Da hat man sehr lange getüftelt und probiert.

    Neues Museum Berlin - Ägyptische Sammlung

    Das ist für mich MODERNE Raumkunst in Vollendung.

    Als ich das erste mal im neuen Neuen Museum war, bin ich mit Ablehnung und Vorurteilen hingefahren, so nach dem Motto: "Scheiß Modernisten machen immer nur Brüche und kriegen nix hin."

    Nach 3h im Museum war ich von Chipperfield begeistert...

    Ich wundere mich, dass einige hier auch qualitätvolle moderne Gestaltung per se ablehnen.

    Muss denn auch bei Euch zu Hause eine Vase IMMER auf Häkeldeckchen und Furnier stehen? Oder geht auch weißer Lack.
    Ich finde es geht beides. Sogar DIREKT nebeneinander, wenn man es gut macht....

    SKD: Porzellansammlung
    SKD: Porzellansammlung

  • Hallo eryngium , zumindest ich würde niemanden für seinen Geschmack steinigen (außer vielleicht Leute, die Crocs anstelle von Schuhen tragen :wink:). Bei mir Zuhause geht es auch vorwiegend modern zu, mit viel Fliesen, Edelstahl und Glas. Allerdings würde ich mir nie erdreisten, einen anderen Stil besiegen und durch meinen eigenen ersticken zu wollen.

    In diesem Sinne kann Herr Chipperfield meinetwegen gerne irgendwo auf der grünen Wiese seine Kunstwerke verwirklichen. Aber sich ein bestehendes Gebäude mit einer existierenden Architektur herzunehmen und diesem seine eigenen Vorstellungen aufzudrücken zeugt meines Erachtens von geschichtsvergessener Respektlosigkeit und Arroganz.

    Schließlich sind derartige historische Gebäude nicht an unzulänglicher Architektur zugrunde gegangen, sondern durch äußere Einwirkung. Eine derartige unverschuldete Schwächung zu missbrauchen, um auf fremdem Terrain seinen eigenen Ideale zu verwirklichen: Ich finde, so etwas gehört sich nicht.

    _______________________________________
    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • schwebenden Einbau im Ägyptischen Hof mit den Amarna-Objekten großartig.

    .....die zum Sonnenkult Echnatons für mich in sinnfälliger Beziehung steht.

    Kann sein, dass moderne Museumskonzepte ihre Berechtigung haben, aber muss man deswegen die letzten Bauten des alten Berlins mit ihren Ideen und Konzepten umbauen und verfremden?

    Wenn Sie solche sterilen Darbietungen mögen, dann haben Sie ja die Möglichkeit alle neuen Museen dieser Welt zu besuchen und diese heutige Art der Präsentation unendliche Oft zu erleben. Ich kenne einen Asperger-Autisten, der Kunst nur in solchen reizarmen Gegenden ertragen kann, er ist Architekt.

    Warum musste man aber bei diesem Museum das Konzept ändern? Vielleicht gestehen Sie ein, dass ein Großteil der Menschen einen anderen Geschmack hat vor allem der Baumeister dieses Gebäudes auch einen anderen hatte. Warum sein Lebenswerk bewusst zerstören, der Krieg ist vorbei?

    Sind Sie sich sicher, dass Sie ermessen können wir der Sonnenkult Echnatons von den Ägyptern durchgeführt wurde? Vielleicht war das Klima damals anders und es gab Eishöhlen oder die Ägypter hatten auch hygienische Glaswände aus dem Fitness-Studio? Wahrscheinlich eher nicht und ich kann in einem solchen Umfeld Howard Carter nicht nachfühlen, kann nicht spüren, was er erlebt hat.

    Vielleicht gibt es hier und heute aber auch eher einen Kult gegenüber bestimmten "Star-Architekten"? Bei diesem Kult wird jede respektlose, egozentrische, brutale Ignoranz gegenüber dem ursprünglichen Architekten und seinem Konzept mit schönen Worten gelobt und gerechtfertigt. Wie eine öde Betonplatte, die dem Hof die ganz Raumwirkung nimmt und dazu die schmucklosen Nazi-Pfeiler aus der James-Simon-Galerie "großartiges Schweben" verursachen soll, ist mir und sicher auch vielen anderen Menschen schleierhaft.

  • Muss denn auch bei Euch zu Hause eine Vase IMMER auf Häkeldeckchen und Furnier stehen?

    (Wenn ich etwas dazu sagen darf, obwohl bislang nicht an dieser Diskussion beteiligt...)

    Keinesfalls. Es gibt durchaus futuristisches Design, das ich interessant finde. Beispielsweise war ich früher oft in futuristischen Diskotheken und Bars, deren Ambiente ich oft spannend fand. Manchmal auch im damaligen Cocoon Club.

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    (Witzig übrigens diese Zeitreise. Der Brunetten bei 0:55 bin ich damals gelegentlich im Nachtleben begegnet. Das kommt mir derzeit alles so unendlich fern vor.)

    ...aber, das Problem ist doch nicht, dass derzeit sämtliches Ambiente nur noch mit Häkeldeckchen und Väschen zugestellt ist. Gehe ich in die Wohnungen in meinem Freundeskreis, ähneln sich diese alle weitgehend. Flatscreen, graue oder weiße Fernsehcouch in L-Form, Beistelltisch in weiß oder aus Glas, Esstisch weiß oder schlichtes Holz, allenfalls etwas abstrakte Kunst an der Wand, ein offenes Bücherregal von Ikea usw. Häkeldeckchen haben ich da bei keinem entdeckt. Insofern lass das den wenigen Leuten doch, denen das gefällt. Sie sind doch allenfalls eine Randspezies.

    Und beim Neuen Museum ist es doch ähnlich. Museen, in denen die Exponate in nüchternem modernistischem Ambiente präsentiert werden, gibt es doch zuhauf. Klar, es gibt da schlechtere und bessere Präsentationsräume, wobei Chipperfields Konzeption offenbar zu den besseren, wenn nicht besten, gehört. Aber etwas besonderes ist eine solche Präsentation eben nicht. Das sieht bei Museumsräumen, die selbst ein ästhetisches Erlebnis sind, also die Exponate in einem "passenden" Stil präsentieren, schon mal ganz anders aus. Das ist in Deutschland relativ selten. Beim Neuen Museum hätte sich hierzu in manchen Bereichen die Chance geboten. Sie wurde aufgrund des modernistischen Denkens nicht gewählt. Nun mag das begrüßen, wer den Fokus ganz auf die Exponate legt, und optisch nicht durch den Raum "gestört" werden möchte. Andere sehen das eben anders. Für sie ist das Exponat in einem historisch "passenden" Raum ein Gesamterlebnis, ein Eintauchen in eine ganz andere Welt und Zeit.

  • Andere sehen das eben anders. Für sie ist das Exponat in einem historisch "passenden" Raum ein Gesamterlebnis, ein Eintauchen in eine ganz andere Welt und Zeit.

    Ich nehme an, dass genau das jedoch heutzutage das Problem ist. Es stellen sich tausende Fallstricke, wenn man versucht eine ,,authentische" Szenerie zu kreieren. Ein gutes Beispiel ist die auch heute noch nicht so streng beäugte Präsentation in Burgen. Fühlt man sich darin wie im Mittelalter? Gewiss. Doch zugleich hat man völlig verquere Vorstellungen, wie das Mittelalter tatsächlich war. Da stehen dann massenweise entweder irgendwelche Renaissancerüstungen oder sogar billiger moderner Fake. Auch die sonstige Raumausstattung ist in den meisten Burgen mehr der Fantasie (oder dem Sammlertum) entsprungen und ist entweder überbordend ,,rau" oder märchenprinzessinnenhaft. Es gibt ganz wenige Ausnahmen, welche überhaupt es noch schaffen die wichtige Raumfolge korrekt abzubilden, sieht man von den großen Bekannten ab. Z.B. wäre weitgehend die fürstbischöfliche Residenz in Freising (die vornehmlich aus der Renaissance entstammt) positiv zu nennen.

  • Mir persönlich gefällt die Präsentation der originalen ägyptischen Kunstwerke im modernen Berliner Neuen Museum sogar besser, als die Präsentation in Wien. In Berlin bin ich nämlich NICHT durch überbordende Wand-Deko des 19. Jhds. vom Originalobjekt abgelenkt.

    Als Außenstehende gefällt mir weder Wien noch Berlin. (Der arme Senenmut :) ) Das wirkt alles wie eine große Sammlung von Vitrinen. Einmal bunt und einmal grau in grau. Das ist für mich das Gleiche, man würde zig gotische Madonnen in Vitrinen in China ausstellen. Bei kleinen Exponaten sehe ich das noch ein, aber auch da wünsche ich mir räumliche Unterteilungen mit einer innenarchitektonischen Inszenierung.

    Das antike Ägypten war nun mal eine Zivilisation, in der Architektur eine zutiefst spirituelle Rolle spielte. Ich kann verstehen, dass heutige Modernisten (mit ihren geliebten Brüchen) völlig ratlos dieser Architektur gegenüber stehen.

    Dabei bietet das antike Ägypten so viele Anknüpfungspunkte der Versöhnung von Puristen, Minimalisten und Freunde ästhetischer Architektur. (hier) (hier) (hier)

    By the way, in Kairo hat mir die Präsentation genauso wenig gefallen. (hier) Die Innenarchitektur ist zwar toll, aber die Exponate wirken wie aus einem Depot zusammengestellt. Mal sehen wie sich das Grand Egyptian Museum präsentiert.... wenn es endlich mal fertig wird.

    Beauty matters!