• Die ehemalige Reichsstadt Ulm weist für eine Stadt ihrer Größenordung (120.000 Einwohner) eine relativ große Altstadt auf, denn vom 13. bis 16. Jahrhundert war Ulm eine der bedeutendsten und größten Städte Deutschlands. Die Altstadt wurde 1944/45 durch Luftangriffe zu etwa vier Fünfteln zerstört. Der Wiederaufbau war von Kompromissen geprägt: Während einige wichtige Bauten äußerlich rekonstruiert wurden, wurden weite Bereiche der ehemaligen Altstadt im allseits bekannten Stil der Fünfzigerjahre bebaut.

    Zur Lösung von Verkehrsproblemen wurde es als notwendig erachtet, eine neue, sehr breite Straße durch die Altstadt zu legen: die "Neue Straße". Obwohl dies nach den Bombenangriffen nicht besonders schwierig war, wurden dennoch noch einige intakte Häuser dafür abgerissen. Ähnliche Leerstellen ergaben sich auf dem Münsterplatz und auf dem Marktplatz. Während auf dem Münsterplatz schon 1993 das umstrittene Stadthaus von Richard Meier errichtet wurde, wurde der Marktplatz erst kürzlich mit der neuen Stadtbibliothek von Gottfried Böhm bebaut. Auf der Neuen Straße stehen zwei neue Bauten von Stephan Braunfels kurz vor der Fertigstellung, eine Kunstgalerie von Wolfram Wöhr ist im Rohbau fertig.

    Hier ein paar Eindrücke:



    Blick vom Münster auf den Münsterplatz mit dem Stadthaus (1993). Der Münsterplatz wurde total zerstört und ist heute geprägt von biederen Fünfzigerjahrehäusern. Im Hintergrund ist der Neue Bau angeschnitten.



    Das städtebauliche Umfeld des Stadthauses: Westzeile des Münsterplatzes.



    Hier sieht man links eine Häuserzeile aus den Fünfzigern, rechts ist das Stadthaus angeschnitten.



    Eine Glaspyramide für Ulm: Böhms neue Stadtbibliothek, auch hier zunächst vom Münster aus photographiert. Links sieht man das Rathaus, das durch seine Bemalung und seine Ziergiebel auffällt.



    Die Pyramide im Gefüge des Marktplatzes. Rechts das Rathaus (14. Jh.) mit Zierbemalung, links hinten Eingang in die historische Kronengasse.



    Von der Kronengasse aus gesehen.



    Hier nun die beiden Bauten von Stephan Braunfels auf der Neuen Straße, rechts "Münstertor" (Kaufhaus), links Sparkassengebäude. Dahinter wieder Rathaus und Stadtbibliothek.



    Die Kunstgalerie von Wolfram Wöhr links im Bild. Vor dem Rathaus ist ein neuer Platz entstanden, der den Namen "Geschwister-Scholl-Platz" bekommen hat.



    Die südliche Platzbebauung besteht aus dem Rathaus, hier mit Durchblick zum Marktplatz.



    Die Westseite: Braunfels' Sparkassengebäude in Sichtbeton, mit zwei auskragenden Gebäudeteilen.



    Die Ostseite: Wöhrs Kunstgalerie, noch nicht ganz fertig.





    An der Nordseite wird ein Gebäude aus den Fünfzigerjahren abgerissen oder entkernt. Der Entwurf ist auf einem Plakat dargestellt.



    Hier die spitz zulaufende Kunstgalerie von Osten gesehen. Rechts belanglose Nachkriegsarchitektur, die typisch für die Neue Straße ist.



    Die neue Sparkasse nach Osten gesehen. Im Hintergrund der Turm der kriegszerstörten Dreifaltigkeitskirche.



    Geht man ein paar Schritte zurück, sieht man die westliche Gebäudefront, und der zweite Bau von Braunfels ("Münstertor") rückt links ins Blickfeld.



    Blick von der Sattlergasse Richtung Münstertor.



    Fassadendetail des Münstertores.



    Blick von der anderen Richtung, also vom Münsterplatz aus, auf das
    Münstertor.



    Scharfe Kante: Blick von Osten auf das Münstertor.


    Hier noch einige Impressionen:


    Zum versöhnlichen Abschluß der Blick auf die Donaufront, von Neu-Ulm aus gesehen:


    Ich habe noch viele weitere Bilder gemacht, die ich eventuell in einem anderen Strang zeigen werde. Hier soll es ja in erster Linie um die Neue Mitte Ulms gehen. Was haltet Ihr von der Bebauung? Ich habe mir natürlich auch eine Meinung gebildet, wollte zunächst aber nur ohne Wertung berichten. Ich bin auch für technische Kommentare dankbar, da ich ein unerfahrener Photograph bin und hier das erste Mal Bilder einstelle.

  • Tja...Was soll man dazu sagen...? Für sich gesehen gehen diese Bauten vielleicht sogar noch, aber wie man immer darauf kommt, sowas mitten auf einen hist. Platz (wenn auch vielelicht nicht mehr mit hist. Bebauung) zu klatschen, kann ich nicht nachvollziehen :keine ahnung: . Auch, dass man die "kritisch rekonstruierten" Giebelhäuser am Münsterplatz so zustellen konnte...Einen gewissen Charme wird der doch auch trotz dieser Häuser behalten habe. Immerhin versuchen sie, die einstige Bebauung zu immitieren, und wenn man mal nicht so pingelich ist...

  • Danke für die Bilder. Ich selbst habe im März Bilder von den gezeigten Bildern gemacht, die mir leider verloren gegangen sind. Sonst hätte ich hier schon vor dir Bilder posten können. Gut, dass du jetzt aber das Projekt hier vorstellst!

    Meine Meinung ist zwiespältig. Einerseits finde ich es gut, dass die Neue Straße bebaut wurde und ich finde es auch gut, dass dies im "Modernen Stil" geschehen ist. Andererseits halte ich manches an den Gebäuden sehr missglückt.

    Die im Bild http://img46.imageshack.us/img46/4612/img00545tb.jpg\r
    img46.imageshack.us/img46/4612/img00545tb.jpg dargestellte Situation gefällt mir sehr gut. Die frühere Verkehrschneise an der Stelle ist beseitigt und die Gebäude machen die Ecke viel belebter als früher.


    Schlimm: http://img299.imageshack.us/img299/3748/img00438sx.jpg\r
    img299.imageshack.us/img299/3748/img00438sx.jpg Das nenne ich mal unsensibel! Die moderne Ausführung der Gebäude stellt schon Kontrast genug dar, da hätte man ruhig mehr Zurückhaltung üben können und mehr gegliederte Fenster/Glasfächen an der linken Ecke anbringen können. Gut finde ich diese Eckfront des Gebäudes: http://img127.imageshack.us/img127/7135/img00932by.jpg\r
    img127.imageshack.us/img127/7135/img00932by.jpg Schöne Proportionen und Gliederung, besonders durch den Balkon.

    Störend hingegen finde ich wiederum die Auskragungen des nächsten Gebäudes zum "Geschwister-Scholl-Platz" http://img128.imageshack.us/img128/2107/img00339wo.jpg\r
    img128.imageshack.us/img128/2107/img00339wo.jpg . Ein Platz definiert sich durch die Geschlossenheit der angrenzenden Fassaden. Diese "Auswüchse" aber machen die Platzwirkung zunichte indem sie keine eindeutige Begrenzung des Raum zulassen.


    Die Bilbliothek ist sehr interessant, da sie wirklich sehr viele Typologien der mittelalterlichen Häuser aufnimmt wie die "nach oben hin auskragenden" Geschosse. Das Pyramidendach greift auch den Giebel der alten Häuser auf, allerdings wird aus dem Giebel + Satteldach eben die Pyramide mit geneigten Giebeln, wenn man es so nennen mag: http://img213.imageshack.us/img213/9654/img00561tn.jpg\r
    img213.imageshack.us/img213/9654/img00561tn.jpg


    Insgesamt befürchte ich, dass die Missgriffe an den Braunfels'schen Bauten die positiven Seiten der Neubauten in der öffentlichen Wahrnehmung untergehen lassen werden und man nur noch von Beton-Klötzen spricht, die rücksichtlos hingebaut wurden. Dem ist aber nicht ganz so und die ehemalige sehr breite Straße durch die Altstadt war wohl städtebaulich das größere Verbrechen als etwas zu viel Beton.

  • @Ben: Bevor das Stadthaus am Münsterplatz gebaut wurde, stand dort eine 60-70er Jahre-Parkgarage. Also direkt gegenüber dem Münster und damit auch vor den 50er Jahre-Giebelhäusern, die schon immer "zugestellt" waren und nie direkt an den Platz grenzten.

  • Quote from "faber"

    @Ben: Bevor das Stadthaus am Münsterplatz gebaut wurde, stand dort eine 60-70er Jahre-Parkgarage. Also direkt gegenüber dem Münster und damit auch vor den 50er Jahre-Giebelhäusern, die schon immer "zugestellt" waren und nie direkt an den Platz grenzten.

    Na, dann war das eben schon damals doof ;)!

  • Der grössere weisse Bruder von Richard Meijer in Ulm steht in Den Haag und ist ein imposantes hell-weissen Gebäude. Kein reiner Glasskasten!!

    Die Gläserne Pyramide: wow!!!!!! Sehr schön und fügt Wert zu das mittelmäsige Charakter Ulms.

    Finde besonders der billige spät 50er und 60-er Jahren aufbau in der Mitte Ulms sehr hässlich. War da dort in 1971 und war nicht beeindruckt von Ulm. Billige Wiederaufbau und weit entfernt von der Baukunst von vor der Vernichtung.
    Nur die letzte 10 Jahren wird wieder interessant gebaut (aber nich immer wie zahlose Beispielen in der Mitte Berlins, Stuttgart usw.

    Rob

  • Eigentlich mag ich ja Alt/Neu Kontraste in einem gewissen Maß...aber...naja, ich find Ulm haben sie seit dem Krieg total verschandelt. Ich finde, es sieht schrecklich aus! :(

    Ich war noch nie in Ulm und ich hatte es mir immer anders vorgestellt...vielleicht so in der Art von Regensburg, oder mindestens wie Nürnberg. Aber DAS enttäucht mich jetzt wirkich sehr!

  • Treverer

    Mit Regensburg, das fast gar nicht zerstört wurde, kann man Ulm nicht vergleichen. Ich war gestern in der Stadtbibliothek und habe mir Aufnahmen von 1945 angesehen, und ich war wirklich entsetzt, wie unvorstellbar groß und flächenhaft die Zerstörungen waren.

    Trotzdem blieben noch Reste der Altstadt erhalten, und es wäre mir ein leichtes, Ulm hier als wunderschöne Stadt des Mittelalters und der Renaissance vorzustellen. Ich möchte hierzu auch auf die Galerie von Antiquitus verweisen, der sehr schöne Bilder vom Fischerviertel gemacht hat. Darüber hinaus gibt es allerdings auch noch weitere bemerkenswerte Straßenzüge, die ich demnächst in einem anderen Strang vorstellen werde.

    In Ulm ist also durchaus noch erfahrbar, was verloren gegangen ist, während dies in Städten wie Kassel oder Pforzheim nicht mehr der Fall ist. Die geschlossene Ensemblewirkung ist freilich auch in Ulm verloren, historische Straßenzüge ohne Brüche gibt es eigentlich nicht mehr (moderne Straßenzüge ohne Brüche und Kontraste gibt es dagegen viele).

  • Wenn man als Touri in Ulm vom Bahnhof zum Münster läuft, sieht man fast nur 50er Jahre Architektur - Ebenso am Münsterplatz. Die wahren Schätze der Stadt liegen aber südlich (Fischerviertel) und insbesondere nördlich des Münsters. Hier gibt es eine sehr angenehme Mischung aus Altbauten und angepasste Neubauten. Die neuen Gebäude an der Neuen Strasse sehen sehr viel moderner aus (und abgesehen von der Bibliothek leider hässlich) als die anderen Neubauten der Altstadt. Ich finde es aber schön, dass die Neue Strasse zurückgebaut worden ist, denn diese Schneise durch die Altstadt war unerträglich.

    http://www.pixelquelle.de/data/media/96/000_0085.jpg

    http://www.fotopinnwand.de/galerien/ulm/07_ulm.jpg

    Hier sieht man links einen erhaltenen Teil der Altstadt, rechts Bauten der 50er. http://www.gesichter.com/assets/images/muenster1.jpg

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Es war sicherlich richtig, die Neue Straße zu bebauen. Eine sechs- bis achtspurige Straße einfach mitten durch die Altstadt, zwischen den beiden zentralen Punkten Ulms - dem Münster und dem Rathaus: das ist doch nur barbarisch zu nennen. In dieser Hinsicht ist die jetzige Situation ein Fortschritt.

    Allerdings ist die neue Bebauung, insbesondere die beiden Bauten von Braunfels, ein Rückfall in den Betonbrutalismus der klassischen Moderne. Braunfels selbst tritt vehement für den Einsatz von Sichtbeton ein, was an seinen Bauten in München (Pinakothek der Moderne) und Berlin (Bundestagsneubauten) sofort ersichtlich ist.

    Ich finde Beton als sichtbares Material häßlich. Schon im neuen, frischen Zustand gefällt mir Beton nicht, vor allem, wenn die Verschalungsabdrücke noch sichtbar sind (siehe dazu das obige Fassadendetail). In wenigen Jahren tritt zudem ein Alterungsprozeß ein, den ich als unschön empfinde. Bei Braunfels' Bauten kommt noch hinzu, daß sie den städtebaulichen Zusammenhang ignorieren. Die Fassade zum neuen Geschwister-Scholl-Platz ist eigentlich gar keine - gerade hier, an diesem zentralen Platz, hätte man sich doch eine würdige Schaufassade gewünscht. Der Platz ist eigentlich gar kein Platz, weil er nur unbeholfen von den umgebenden Bauten eingefaßt wird. Die Betonwand, die man beim Ausgang aus der Sattlergasse zum Münster hin erblickt, ist völlig indiskutabel. Dazu gibt es nichts zu sagen. Diese Art von Architektur ist einfach das letzte, und ich hatte gehofft, wir hätten dieses Thema seit den Achtzigerjahren abgeschlossen.

    Die Baukörper sowohl des Sparkassenneubaus von Braunfels als auch der Kunstgalerie von Wöhr sind außerdem zu groß. Sie schließen mit ihrer Riegelform die Altstadtviertel voneinander ab, die sie hätten verbinden sollen.

    Das Stadthaus finde ich interessant, aber an dieser Stelle völlig deplaziert. Da nützen auch die ironischen Giebelzitate wenig. Mir gefallen allerdings auch die den Platz einfassenden, billig-schäbig-biederen Fünfzigerjahre-Giebelhäuser nicht. Wenn man gesehen hat, wie es vor 1944 war, kann man sich mit solch schäbiger Architektur nicht zufriedengeben.

    Die neue Stadtbibliothek von Böhm finde ich dagegen gelungen. Sicherlich wirkt auch diese Art von Architektur nur im Rahmen traditioneller Bauwerke, deswegen sollte man solche Bauwerke sorgsam dosieren - lieber weniger als mehr. Die Glaspyramide empfinde ich an dieser Stelle jedenfalls als Bereicherung. Auch die Stadtansicht von der Donau hat damit einen interessanten und schönen neuen Akzent bekommen. Nicht unerwähnt bleiben soll, daß die Bibliothek im Inneren nicht unbedingt funktional ist, aber das ist für mich erst einmal sekundär.

    Es gab in der vergangenen Zeit viele Diskussionen in Ulm; der Tenor war wohl, daß die weltläufigen Architekten und Baubürgermeister der provinziellen, rückwärts gewandten Stadtbevölkerung zeigen müssen, wo es lang geht. Zum Glück haben sich diese weltläufigen Leute noch nicht an allen Ecken der Stadt durchgesetzt, und deswegen gibt es noch einige wenige Beispiele für die alte reichsstädtische Baukultur, die die Kunst eines Braunfels alt aussehen läßt. Wie bereits angekündigt, werde ich bei Zeit mal entsprechende Bilder einstellen.

  • Die einzige Rettung, die es für unsere Städte noch gibt, sind Professoren a la Hans Kollhoff (Uni Zürich). Erst, wenn eine neue Generation diese Universitäten verläßt, gibt es wieder berechtigte Hoffnung, dass auch solche Sünden wieder beseitigt werden und durch Architektur, die sich an traditionellen Formen orientiert, ablöst. Früher oder später fallen sie sowieso der Abrissbirne zum Opfer. Je früher, desto besser. Denn man darf nicht vergessen. Fast alles, was heutzutage gebaut wird, entspricht nicht im Entferntesten der Qualität vergangener Zeiten. Wir werden wahrscheinlich alle noch erleben, wie diese Monster wieder zerbröseln.

  • Quote from "Exilwiener"

    Die einzige Rettung, die es für unsere Städte noch gibt, sind Professoren a la Hans Kollhoff (Uni Zürich). Erst, wenn eine neue Generation diese Universitäten verläßt, gibt es wieder berechtigte Hoffnung, dass auch solche Sünden wieder beseitigt werden und durch Architektur, die sich an traditionellen Formen orientiert, ablöst. Früher oder später fallen sie sowieso der Abrissbirne zum Opfer. Je früher, desto besser. Denn man darf nicht vergessen. Fast alles, was heutzutage gebaut wird, entspricht nicht im Entferntesten der Qualität vergangener Zeiten. Wir werden wahrscheinlich alle noch erleben, wie diese Monster wieder zerbröseln.

    Da stimme ich dir vollkommen zu. Ich denke auch, dass die heutigen Neubauten nicht lange stehen bleiben. In 50 Jahren sind die meisten bestimmt wieder weg. Ich hoffe mal darunter auch das Kanzleramt im Berlin.

  • Ich glaube nicht, daß man an den Ausbildungsstätten schon von einer Trendwende sprechen kann. Zum einen herrscht immer noch eine bestimmte Ideologie vor, die Baustile wie das Bauhaus vergöttern, zum anderen liegt das wohl auch daran, daß konkretes baukünstlerisches und handwerkliches Wissen verloren gegangen ist und nicht von heute auf morgen wiedergewonnen werden kann. Es liegt heute so unheimlich nahe, einen Glas- oder Betonkasten zu bauen, und so unheimlich fern, ein gemauertes traditionelles Gebäude zu erstellen.

    Was die Materialien angeht, so gehen meine Hoffnungen auch in diese Richtung: Die Betonbauten sind qualitativ einfach schlecht und werden früher oder später zum teuren Sanierungsfall. Ein steinernes Gebäude hat eine viel längere Lebensdauer. Allerdings haben auch Menschen eine begrenzte Lebenszeit, und die könnte noch unterhalb derjenigen für Betonmonster liegen. Unserer Generation wird es wenig bringen, wenn die Betonbauten schon in 70 Jahren wieder abgerissen werden. Dann hätte Braunfels' Sparkasse gerade mal ein Zehntel der Lebensdauer des Ulmer Rathauses, um wieder auf das Thema zurückzukommen.

    Was ich auch noch anschneiden möchte ist die Divergenz zwischen Worten und Taten. Man führe sich noch einmal die Fassade des Sparkassengebäudes, die die Westseite des Geschwister-Scholl-Platzes bildet, vor Augen:

    Dann vergleiche man das Gesehene mit diesem Artikel von Stephan Braunfels:

    http://www.wams.de/data/2005/10/09/786170.html?s=1

    Wie soll man da noch diskutieren? In Worten wäre ich da schnell einig mit Braunfels, allein ich erkenne keinen Zusammenhang mit seinen Werken. Was nützt alle Theorie, wenn die Praxis dann so aussieht wie gezeigt? Ist letztlich alles eine Geschmacksfrage, und über Geschmack läßt sich nicht streiten?

  • Na ja, Stephan Braunfels schätze ich nun wirklich überhaupt nicht. Das wirkt auf mich immer, als hätte jemand mit seinem Baukasten gespielt und ein paar vorgefertigte Elemente zusammengefügt. Als Fabrikhalle OK, aber sonst...

    Übrigens gehört doch Braunfels auch ein Schloß bei Meissen, wenn ich recht informiert bin (in Diesbar?). Ich hatte mal vor Jahren einen Artikel gelesen, daß jetzt darin Kunstprojekte stattfinden, ohne daß es vorläufig renoviert würde. Werde mal dazu recherchieren...

  • also was soll man da noch sagen???????????????????????????????

    jeder normal funktionierende mensch denkt bei diesen kontrasten: 'was ein mist'.

    und so ist es.

    da hilft auch kein hin und her diskutieren.
    dass sich die ulmer buerger darueber nicht mehr aufregen, scheint mir jedoch unverstaendlich.

    die pyramide: oberpeinliche architektur fuer pseudointellektuelle germanen bautechniker aus dem provinz-blindenheim.

    hab ja schon viel gesehen, aber das ist die kroenung des schwachsinns!
    "glas-pyramide in halbzerstoerter sueddeutscher provinz-altstadt"

    :lachentuerkis::lachentuerkis: :kugelnlachen:

  • Ich glaube, einer der Gründe, warum heutzutage weniger handwerklich gebaut wird, sind einfach die Kosten. Würde man Neubauten mit Stuck verzieren und auch große Bauwerke weiterhin aufmauern statt mit Beton erstellen, würden die Kosten ins Astronomische schnellen. Man muss ja nur mal Rekonstruktionen von der Größe her vergleichbaren Neubauten gegenüberstellen.

    Dass das Handwerk verloren gegangen ist, glaube ich allerdings nicht. Natürlich gibt es heutzutage weniger Baubetriebe, die vorwiegend handwerklich arbeiten, aber gerade durch die Denkmalpflege haben sich in den letzten 20 Jahren doch ziemlich viele auf handwerkliches Bauen spezialisierte Betriebe entwickelt (Steinmetzen, Stuckateure etc.).

  • Andererseits werden aber auch Bauvorhaben realisiert, bei denen die konsequent neue Formensprache ziemlich hohe Kosten verursacht (wesentlich höher als bei aufwendigen "klassischen" Fassaden)- wie beispielsweise beim Erweiterungsbau der Akademie der Bildenden Künste in München. Allerdings entstehen die hohen Kosten dort nicht durch die Fassade, sondern durch die äußerst aufwendige Statik.

    (Randbemerkung - habe bei der Recherche gerade diesen Satz in der Eröffnungsrede von Goppel entdeckt: "In Nachbarschaft zum Altbau der Akademie entsteht so ein eindrucksvoller Dialog zwischen Alt und Neu" :gg: )

  • Ich habe ja letztes Jahr einige Monate in Ulm verbracht (und habe mich übrigens dort sehr wohl gefühlt) und das Elend um die "Neue Mitte" mitbekommen.
    Es ist schon traurig, dass m.W. eine Rekonstruktion einer historischen Zeile nicht einmal angedacht wurde. Stattdessen baute man jetzt billige, hässliche Investorenarchitektur. Eine große Chance wurde verpasst.

    Dabei ist gerade dieser Bereich noch stark verbesserungsfähig.
    Eigentlich könnte man auch das Areal westlich des Münsters bis zum und einschließlich des Bahnhofs abreißen. Da steht fast nur Müll.
    Traurig, gerade die Bahnhofsstraße war früher eine Prachtstraße. Selbiges gilt für das Elend Olgastraße.

    Obwohl ich gegen die Pyramide bin, hat sie einen gewissen Reiz. Ich kann zumindest nachvollziehen, dass sie manchen dort gefällt. Von dem neu gebauten Architekturschrott von Braunfels kann ich das nicht sagen.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.