• Mainz und Koblenz haben fürwahr wunderbare Altstadtecken, aber die Trierer Altstadt war im Krieg wesentlich weniger zerstört ("nur" etwa 30 bis 40% im Vergleich mit 85% in Mainz und Koblenz.) Daher kann Trier, trotz Bausünden, noch als quasi-erhaltene Altstadt gelten: wie auch Soest, Augsburg, Aschaffenburg, und vielleicht noch Freiburg.

    Außerdem ist Trier eine der interessantesten deutschen Städten. Das Archäologische Landesmuseum ist fabelhaft; Dom, Liebfrauenkirche und Umgebung gleichfalls.

    Die Zahl 85% Zerstörung bezieht sich auf das Koblenzer Zentrum. Für den Teil der Altstadt gilt diese Zahl nicht. Wie durch ein Wunder sind trotz der großen Bombenlast weite Teile der Koblenzer Altstadt erhalten geblieben. Grobschlächtige Nachkriegsbauten wie an der Ecke Firmungsstraße/Görresplatz sind erst nach dem Krieg entstanden, als man dort Altstadthäuser abriss.

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  • Die Zahl 85% Zerstörung bezieht sich auf das Koblenzer Zentrum. Für den Teil der Altstadt gilt diese Zahl nicht.

    Genau! Die mittelalterliche Kernstadt von Koblenz, wie leicht zu sehen ist im Denkmalverzeichnis, ist glimpflich davon gekommen. Es bildet tatsächlich eine kleine "erhaltene" --und sehenswerte--Altstadt! Das restliche Stadtzentrum (südlich vom Kern und westlich vom Schloss) war ziemlich vernichtet. Man müßte eigentlich vom Glück im Unglück reden!

    Noch schöner sogar, die guterhaltene südliche Altstadt in Mainz (einschliesslich Augustinerstrasse, Kapuzinerstrrasse usw.) Mainz finde ich-- mit Dom, Barockkirchen, Markt (wiederaufgebaut!) drei Museen von Weltklasse und auch die vornehmen Stadtpalais am Schillerplatz-- immer noch eine der schönsten grösseren Deutschen Städten. Wir übernachten gern dort jedes Mal dass wir über Frankfurt fliegen, und zwar, in der südlichen Altstadt.

  • Wie durch ein Wunder sind trotz der großen Bombenlast weite Teile der Koblenzer Altstadt erhalten geblieben.

    Also den Eindruck hatte ich bei meinen Besuchen in Koblenz nicht unbedingt. Innerhalb des engeren Altstadtrings würde ich den Zerstörungsgrad auf gut 60% schätzen (wobei da vieles wiederaufgebaut wurde) und dann kommt noch die Totalzerstörung des ebenfalls mittelalterlich-frühneuzeitlich geprägten Viertels im Geviert zwischen Altstadtring, Rheinufer, Basilika St. Kastor und Schloss dazu. Da komme ich insgesamt auch für die Altstadt auf einen Zerstörungsgrad von gut 80%.

    Ich glaube, der Eindruck, dass es weniger wäre, liegt daran, dass man bei denjenigen Teilen der Koblenzer Altstadt, die komplett ausradiert wurden, nicht einmal mehr ahnt, dass da mal Altstadt war, so gründlich waren die Zerstörung und der "Wiederaufbau".

  • Die ungefähr 15% der Fläche der ehemaligen Mainzer Altstadt ausmacht ...

    Tja, wenn man selber nur die 15% hätte auswählen können, würden manche schwerzerstörten Städte heute ganz anders aussehen. Wie gern würde man z. B. die ganze Kesslerstrasse, so nett sie auch ist, gegen den Hildesheimer Marktplatz, Andreasplatz und Eckemekerstrasse austauschen!

    Aber in Mainz, Koblenz, Braunschweig, vielleicht auch Osnabrück könnte ich mit den bestehenden 15% ziemlich gut leben (nur ist's schade um die Braunschweiger Weberstrasse...)

    Eigentlich bin ich nicht sicher, wie man diese Prozentsätze rechnet: mit oder ohne restaurierbare Grossbauten wie Kirchen, Klöster, Schlößer usw. Solche Gebäude machen manchmal einen nicht unerheblichen Anteil der Gesamtfläche aus. Wenn sie NICHT zu den erhaltenen Teil gezählt wurden, und doch wiederhergestellt wurden, könnte aus 15% leicht 20% werden. Man betrachte z. B. die riesige Münchener Residenz/ National Theater mit der gegenüberliegenden Alten Post.

  • Ich glaube, der Eindruck, dass es weniger wäre, liegt daran, dass man bei denjenigen Teilen der Koblenzer Altstadt, die komplett ausradiert wurden, nicht einmal mehr ahnt, dass da mal Altstadt war, so gründlich waren die Zerstörung und der "Wiederaufbau".

    Ich habe mal versucht, das alles in der Koblenz-Galerie ein bisschen genauer zu analysieren und zu belegen:
    RE: Koblenz (Galerie)

  • Drüben im DAF hat mich vorhin jemand (vielleicht ist er oder sie ja auch zufällig hier? ;)) in einem Berliner Thema darauf angesprochen, wieviel lebenswerter und schöner Trier doch als Berlin sei, und das Berlin nicht viel täte, um was daran zu ändern.
    Aiaiaiai... Das ist zumindest für mich ein ganz aufgeladenes Thema. Ich wollte da nicht ausladend antworten, da gehörte es auch wirklich nicht hin, aber hier will ich mir mal schnell Luft verschaffen.
    Ja, Trier ist lebenswert und überwiegend eine sehr schöne Stadt, die von ihrer schönen Lage, Historie und (noch) reichlich vorhandenen historischen Bausubstanz lebt...aber die Stadt hat auch ihre Schattenseiten.
    So geht Trier z.B. seit Jahrzehnten absolut rücksichtslos mit seinen bisher fast gänzlich erhaltenen Gründerzeitvierteln um. Jahr für Jahr werden mehr Lücken in diese Quartiere geschlagen und ersetzt werden die schönen Häuser und Gärten mit großen, gesichtslosen Wohnblocks und Hinterhofparkplätzen. Selbst das Haus in dem ich aufgewachsen bin, muss demnächst daran glauben.
    Triers Entwicklung ist mir schon lange bitter aufgestoßen (wie man in diesem Strang mitverfolgen kann), der Umstand, dass es mich nun ganz direkt betrifft...ist extrem bitter. Ich kann kaum mehr an meine Stadt denken oder von ihr sprechen, ohne einen tiefen Seufzer aus meiner Seele.

    Vor ein paar Tagen bin ich außerdem über den Hauptmarkt gewandert, und mir fiel ein, wie hochgelobt dieser hier im Forum ist. Er wird oft von Foristen hier als einer der schönsten in Deutschland, sogar Europas gefeiert. Da sind mir auch wieder die absolut hässlichen Lichtmasten aufgefallen, die vor ein paar Jahren die historischen Laternen des Marktes ersetzt haben. Hohe, dicke, dunkelgraue Säulen, die unnötig eng beieinander und dicht vor den schönen, pastelligen Altstadtfassaden stehen und diese massiv bedrängen. Jakobus an der Steipe blickt direkt auf eine höchstens 1m entfernte Lichtsäule und eine andere steht vielleicht 10cm direkt vor oder hinter (wie man es sehen will) einem historischen Zunftschild.
    Das ist Trier. Ein absolut rücksichtsloser und fast schön böswilliger Umgang mit seinem historischen Erbe.
    Viele deutsche Städte, die in diesem Forum besprochen werden, werden jedes Jahr ein bisschen schöner. Ein das Stadtbild verbessernder Neubau hier, eine schöne Renovierung da, sogar manchmal eine schöne Rekonstruktion dort. Alles Fremdworte in Trier. Diese Stadt wird jedes Jahr ein Stück hässlicher.

  • Dann besteht wohl die Notwendigkeit, dort einen Altstadt- oder Verschönerungs-Verein zu gründen, der die Stadt immer wieder auf Fehlplanungen hinweist und Alternativvorschläge unterbreitet.

  • Ich bin regelmäßig in Trier und leider konnte ich das auch schon beobachten. Ich hatte auch das Gefühl, dass bei der historischen Bausubstanz außerhalb der Innenstadt wenig getan wird. Was mir aber auch aufgefallen ist, dass man bei Neubauten gefühlt alles akzeptiert. Besonders geschockt war ich bei den Klötzen an der Mosel. Ich dachte, das wäre ein niederrheinisches Problem.

  • Das vor dem Ersten Weltkrieg erbaute Trafohaus am Trierer Pferdemarkt wurde nach langem Verfall saniert und strahlt in neuem Glanz. Einziger Wermutstropfen: eine banale Investorenkiste im dahinter liegenden Strassenzug wurde ebenfalls im selben Zeitraum der Sanierung errichtet.


    Trafohaus Trier: Wenn aus einem „Lost Place“ ein Schmuckstück mit Wow-Effekt wird (Bezahlschranke)


    Trier BW 2014-04-12 15-01-09

    Berthold Werner, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • Den Trierern wird es wohl bekannt sein, aber für mich war es neu: Die gotische Steipe am Hauptmarkt von Trier und die umgebende Bebauung (unter anderem das Rote Haus) wurde erst um 1970 rekonstruiert. Seite dem Krieg klaffte dort eine riesige Baulücke. Wir hatten es zunächst mit einem Totalverlust zu tun. Wie wunderbar, dass wir den Platz heute wieder in seiner vollen Pracht betrachten dürfen. Das ist einer geschichtsträchtigen Stadt wie Trier auch angemessen.


    Westseite des Hauptmarktes mit Steipe, dahinter das Rote Haus

    Hauptmarkt mit St. Gangolf und Steipe

    Das Rote Haus am Hauptmarkt

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Vier Häuser sind an dieser Ecke rekonstruiert. Die Steipe und das Rote Haus, als die beiden bedeutendsten Häuser, und dann die beiden Häuser einmal neben der Steipe und einmal neben dem Roten Haus. Selbst in Trier wissen die meisten nicht, dass diese ganze Ecke eine Rekonstruktion ist.

  • Auch mit der Distanz von über 50 Jahren wird man zugeben, daß diese Wiederaufbauleistung für die damalige Zeit keineswegs eine Selbstverständlichkeit war und daß der Hauptmarkt heute eine Geschlossenheit ausstrahlt, die man in ihrer Weise in der alten West-BRD wirklich schon in weitem Umkreis suchen muß - und sie vermutlich dann doch nicht so ohne weiteres findet. Die Ensemblewirkung ist herausragend und der Hauptmarkt dürfte einer der großen städtischen Identifikationsorte sein. Das, was dort geschaffen wurde, ist sehr beeindruckend.

    Es wird mal wieder Zeit für Trier. Ich war zuletzt 2012 wegen einer alten Textilie dort.