Wuppertal

  • Hallo, liebe Beitragsschreiber in diesem Forum,

    ich möchte gerneeine Stadt unter städtebaulichen Gesichtspunkten thematisieren, die sonst in der Diskussion keine Rolle zu spielen scheint.
    Es ist die alte Doppelstadt Wuppertal.

    Ich denke, man kann sie, was ihren Ruf betrifft, gut mit Chemnitz vergleichen: Sie birgt wahre Schätze, vor allem aus Jugendstil und Gründerzeit, und das in einer Fülle, die in vielen anderen größeren westdeutschen Städten wegen schwerer (aber gerechtfertigter) Kriegszerstörungen und vor allem aufgrund eines verfehlten und gedankenlosen Wiederaufbaus kaum noch zu finden ist. In Wuppertal haben ganze Quartiere den Krieg nahezu unbeschadet überstanden, obwohl die damals blühende, langgestreckte Industriestadt ein begehrtes Ziel der RAF und der Amerikaner war, denn ihre geographische Gestalt und topographische Unübersichtlichkeit hat die Effizienz der zahlreichen Bombenangriffe beeinträchtigt.

    Diese Quartiere werden vom Besucher allerdings nur selten gewürdigt, da die (leider fast vollständig in dürftiger, belangloser 60er Jahre-Architektur gehaltene Innenstadt wenig vom großflächig erhaltenen Gründerzeit-Charme der äußeren Innenstadtbezirke nicht erahnen lässt.

    Kennt jemand diese Stadt näher, kann er von Erfahrungen mit ihr und ihrer interessanten Architektur erzählen?

  • Ich weiß zwar nicht, was an der Bombardierung von Zivilisten gerechtfertigt sein soll, aber eine schöne Idee.
    Kannst du denn mal ein paar Photos in der Galerie einstellen?

    Herzlich willkommen im Forum!

  • Wenn man sich Filme ansieht, die in Wuppertal gedreht wurden (z.B. "Nichts bereuen") dann sieht man wirklich 'ne Menge Gründerzeit, allerdings war ich selber noch nicht da obwohls quasi um die Ecke ist.

    Was mich allerdings aufgeregt hat war der Abriß zahlreicher Jugendstil-Schwebebahnhöfe und Ersatz durch moderne Stahl-Glas-Monster.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Danke, Philon, für die freundliche Aufnahme.

    JA, das ist so ein Problem mit den Bildern. Rätselhafterweise ist es recht schwer, gute und brauchbare Bilder zu finden, obwohl Wuppertal eine große und von den Einheimischen durchaus geliebte Stadt ist.

    Vielleicht haben sich die Wuppertaler von dem schlechten Image ihrer Stadt selbst beeindrucken lassen. Ein anderer Grund könnte sein, dass die ausgedehnten Gründerzeitviertel (Briller Viertel, Luisenviertel, Nordstadt und andere - Wuppertaler mögen mir eine Auslassung verzeihen) überwiegend reine Wohnviertel sind und deshalb einfach viel seltener abgelichtet werden als die (leider nur vereinzelt von herausragenden Baudenkmälern geprägte) Innenstadt!

    Aber ich werde mich mal auf die Such begeben und versuchen, einige Bilder zusammenzusuchen.

    Es empfehlen sich für Interessierte ausgedehnte Spaziergänge durch die Stadt - man wird nicht enttäuscht. So habe ich es selbst per Zufall lieben gelernt.

    Herausragende Baudenkmäler, die bekannter sind und zu denen ihr vielleicht Bilder finden könnt, sind die

    Stadthalle Wuppertal
    Jugendstil-Schwebebahnhöfe (Z.B. Werther Brücke)
    Briller Viertel
    Nordstadt

    Aber wie gesagt: Die Ausbeute ist mager, sie entspricht nicht dem, was man vorfindet, wenn man sich Zeit nimmt.
    Die Stadt und das Land haben die Stadt noch nicht richtig entdeckt, aber sie birgt, vor allemm was wertvolle, vollständig erhaltene Straßenzüge angeht, so viel wie wenig andere Städte im Umkreis. Und den Vergleich mit Chemnitz (Kaßberg) oder einigen Ecken in Hamburg, [lexicon='Leipzig'][/lexicon] oder Berlin braucht die Stadt nicht zu scheuen. Sie besitzt, wie ich erfahren habe, 4 000 Baudenkmäler. Das würde man erst mal nicht erwarten, wenn man den NAmen Wuppertal hört, oder wenn man nur die beiden zu Shopping-Zentren umfunktionierte Stadtkerne BArmen und Elberfeld denkt.

    Ich hoffe, bald werde ich mit mehr Blidern dienen können.
    Ich habe da eine Seite mit alten Bildern der Stadt aufgespürt. Verblüffend: Ein beträchtlicher Teil der Quartiere hat den krieg und die 50er/60er Jahre unbeschadet überstanden.

  • Ich kann das gut nachvollziehen, was Du sagst. Ich bin des öfteren in beruflich in Wuppertal und habe sehr schöne Gründerzeitviertel gesehen, wo nicht wie sonst üblich die Entstuckungsphase gewütet hat. Es gibt auch etliche Villen von ehem. Wuppertaler Großunternehmern (so gesehen in der Nähe des Zoos)
    Die Stadthalle ist in der Tat herrlich. Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen: sie gehört sowohl architektonisch wie auch akkustisch zu den schönsten Konzerthäusern der Welt. (den Vergleich zum Concertgebouw und Wiener Musikvereinssaal braucht es nicht zu scheuen)

    Was ich mich frage: Barmen und Elberfeld müssen ja einst Städe wie die anderen bergischen -Solingen und Remscheid- gewesen sein, nur ist von der ursprünglichen ortstypischen Bebauung (Fachwerk mit Schiefer verkleidet und grünen Fensterläden) so gut wie gar nichts mehr zu sehen. Weißt Du, ob die schon Opfer der Gründerzeit waren?


    PS: Das Einzigartige an Wuppertal ist aber immer noch m.E. die topographische Lage!

  • Ich vermute mal, dass das meiste in der Gründerzeit ersetzt wurde, schließlich waren sowohl Barmen und Elberfeld schon in der Kaiserzeit Großstädte. Find ich aber gar nicht schlimm... besonders schön finde ich die Bauten des Bergischen nicht besonders schön.

    Kann es übrigens sein, dass Wuppertal keinen besonders guten Umgang mit Baudenkmälern pflegt? Hab ab und an mal mitbekommen dass dort ein Baudenkmal abgerissen wurde, ganz abgesehen von der Skandalaktion der Schwebebahnerneuerung:
    http://rettetdieschwebebahn.wtal.de

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    Karl Kraus (1874-1936)

  • Ich war noch nicht in Wuppertal, aber sonst schon ein paar Mal in der Gegend, z.B. wohnt ein Freund von mir in Bergisch-Gladbach... diese verschieferten Fachwerkhäuser mit grünen Fensterläden... naja, mein Geschmack sind sie nicht.
    Da es jedoch die regionale Bautradition wiederspiegelt würde ich mich trotzdem für den Erhalt einsetzen. Mir gefallen sie schlichtweg nicht, so wie anderen der Expressionismus oder der Jugendstil nicht gefällt.

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    Karl Kraus (1874-1936)

  • Zitat von "Martillo"

    Hallo, liebe Beitragsschreiber in diesem Forum,

    ich möchte gerneeine Stadt unter städtebaulichen Gesichtspunkten thematisieren, die sonst in der Diskussion keine Rolle zu spielen scheint.
    Es ist die alte Doppelstadt Wuppertal.

    Ich denke, man kann sie, was ihren Ruf betrifft, gut mit Chemnitz vergleichen: Sie birgt wahre Schätze, vor allem aus Jugendstil und Gründerzeit, und das in einer Fülle, die in vielen anderen größeren westdeutschen Städten wegen schwerer (aber gerechtfertigter) Kriegszerstörungen und vor allem aufgrund eines verfehlten und gedankenlosen Wiederaufbaus ...

    "GERECHTFERTIGT"? Das finde ich ja den Hammer... Die Zerstörungen
    von Kulturgütern (und dazu zähle ich Bauten) ist das primitivste, niveau-
    loseste und abscheulichste Verhalten, das ein Mensch an den Tag legt...

    Der Tiefpunkt der Baukultur wurde in den 60er und 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts erreicht...

  • Das ist das Elberfelder Thalia-Theater. Es hatte den Krieg völlig unbeschadet überstanden, fiel aber dann dem verfehlten Wiederaufbau zum Opfer.

    Das ist die Historische Stadthalle Wuppertal.

    Das hier ist ein bergisches Schieferhaus des Spätbarock (1774). Hier wurde der Barmer Fabrikantensohn Friedrich Engels geboren!

    Das sind Ansichtn von Wuppertal-Elberfeld aus dem späten 19. und dem frühen 20. Jahrhundert.



    Das Stadtheater in Barmen steht noch und heißt jetzt Oper.

    Bilder aus den Villenvquartieren Briller Viertel und Zooviertel.



    Und noch ein Blick auf die Hauptkirche Sonnborn (erbaut 1922).
    [/url]

  • Das ist die erste Ausbeute meiner Suche nach Aufnahmen architektonischer Zeugnisse im Wuppertal.

    Das Briller Viertel und seine erstaunlichen und imposanten Villen aus der Zeit der Jahrhundertwende und davor kann man nahezu unverändert bis heute besichtigen. Ich hab' es getan und es war eine Pracht!
    Eigenartigerweise gibt es im Internet kaum aktuelle Aufnahmen aus diesen Straßen, vielleicht wollen die Anwohner das nicht.

    Die Ansichten von Elberfeld zeigen auch, wie sehr die Bedeutung der Industrie in den letzten 70 Jahren in dieser Stadt zurückgegangen ist. Dieser Wald aus Schornsteinen ist heute unvorstellbar.

    Interessant ist, dass die frühindustrialisierten Städte Barmen und Elberfeld (heute: Wuppertal) bereits 1861 zusammen 106 000 Einwohner hatten ([lexicon='Leipzig'][/lexicon] überschritt die 100 000 Einwohner-Grenze 1870).
    1884 schließlich überschritt sowohl die Stadt Bramen als auch die Stadt Elberfeld die 100 000 Einwohner-Grenze. Das Wachstum hielt weiter an; 1929 erreichte die Einwohnerzahl der neuen Stadt Barmen-Elberfeld schon 415 000 Einwohner, bevor sie nach Eingemeindungen 1965 ihren Höchststand erreichte.

  • @ Kv2D: Okay... überzeugt... da hast du dir ja echt ein paar Sahnestücke herausgesucht.


    Dass man solchee Gebäude wie das Elberfelder Theater nach dem Krieg einfach abgerissen hat finde ich erschreckend....wie war denn die Reaktion der Bürger damals auf die Zerstörung?

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Ahh, ich liebe frühindustrielle Städte mit karreeförmiger Gründerzeitbebauung und den vielen rußenden Schornsteinen mittendrin. Die Ähnlichkeit mit dem alten Chemnitz ist wirklich nahezu verblüffend. Sogar die Hügel ringsherum scheinen identisch. Ich bin mal mit dem Zug durch Wuppertal gefahren, da vielen mir die Gründerzeitviertel ebenfalls angenehm auf. Vorher kam ich durch Solingen, ich glaube, da war es ähnlich.

    Danke für die Bilder und Erläuterungen.

  • Zitat von "spacecowboy"

    ich liebe frühindustrielle Städte mit karreeförmiger Gründerzeitbebauung und den vielen rußenden Schornsteinen mittendrin.


    Aber da hätte ich damals nicht leben wollen. Die Luftverschmutzung muß enorm gewesen sein.

    Zitat von "Martillo"

    Eigenartigerweise gibt es im Internet kaum aktuelle Aufnahmen aus diesen Straßen


    Dann mach doch mal ein paar..

  • So, ich habe jetzt auch ein paar Bilder im Netz gefunden.

    Um ehrlich zu sein: Es sind IRRE viele und ich will versuchen, sie nach und nach vorzustellen. Habe da eine ganze Nacht dran herumgeforscht.

    Zunächst will ich mich dem Briller Viertel widmen (angebl. gößtes zusammenhängendes Gründerzeit-/Jugendstil-Villenviertel in Deutschland).

    Erst einmal ein paar Hauseingänge:






    [/img]