Wien - "Draufsetzen" - Wien beschädigt sein Stadtbild

  • Ja, in Österreiche ist es zum Teil noch unerträglicher. Das begann schon mit diesem Kotz-Himmelblau Dach der Anwaltskanzlei unweit der PSK. Zum Glück sieht man es nicht, wenn man nicht nach oben sieht. So ein Katastrophenbau wie der von Peter Cook in Graz wäre hierzulande wohl nicht möglich gewesen.

  • Da es hier mal um meinen Wohnort geht und ich schon seit längerem ein aufmerksamer Leser dieses Forums bin, hab ich mir jetzt ein Profil zugelegt. Viele Beiträge auf dieser Seite waren schon wahrer Balsam für meine Seele, da ich hier endlich Menschen vorfinde, die nicht völlig teilnahmslos und gleichgültig durch ihre Wohnorte gehen, sondern ein Interesse an den Schätzen der Vergangenheit haben und sich für ihre Bewahrung einsetzen.

    Das mit den Dachausbauten ist in Wien eine wahre Plage! Ich habe ja Verständnis für ein gesteigertes Platzbedürfnis in teuren Lagen, aber dass diese Aufbauten immer wie Krebsgeschwüre auf die historische Bausubstanz aufgepfropft werden müssen, verstehe ich einfach nicht. Außer den gezeigten gibt es noch unzählige andere Objekte, die solche Hüte aufgesetzt bekamen.

    Ich kann euch zumindest versichern, dass ich kaum jemanden getroffen habe, dem diese Schandbauten in Wien gefallen, außer Architekten und Architekturstudenten natürlich. Die ertragen offenbar die Fülle an historischen Bauten in Wien nicht und versuchen allem ihren dekonstruktivistischen, brutalistischen oder sonstwie-istischen Stempel aufzudrücken. Wenn man viel Gutes hat, dann schätzt man es eben nicht mehr. Sehr beliebt ist es übrigens auch, bei einer solchen "Renovierung" gleich auch den ganzen vorhandenen Fassadenstuck abzuschlagen und durch grauen Rauputz zu ersetzen. Angeblich geschieht dies, um die Baukosten einzudämmen, ich empfinde es als Barbarei. Armes Wien!

  • Schlapfen

    Da huepf ich glatt aus den Schlapfen! Bin ich also doch nicht der einzige Wiener in diesem Forum! Dachte schon, dass sich in unserer Heimatstadt keiner fuer Baukultur interessiert.

    In Wien bekommen vor allem Spezis unserer Stadtregierung den Zuschlag fuer einschlaegige Bauvorhaben...

    Ausserdem ist in Oesterreich der Denkmalschutz ein zahnloses Krokodil (siehe Albertina). Die einzige Sache, die mich eigentlich so halbwegs beruhigt, ist, dass wir Oesterreicher mit allem etwas langsamer sind und erst einmal abwarten, wie sich die Dinge zuerst in Deutschland entwickeln. Ist es gut, wird es auch bei uns umgesetzt. Hoffe, dass auch bei uns irgenwann einmal das eine oder andere zuvor von Barbaren vernichtete Gebaeude dereinst rekonstruiert wird. Zum Beispiel Schloss Neugebaeude...

  • Sicherlich wäre es eine tolle Sache, Schloss Neugebäude wieder in einen ansehnlichen Zustand zu bringen. Ärgerlicher finde ich jedoch die immer wieder begangenen Sünden bei Renovierungen und Umbauten.

    Ich seh mir lieber eine Ruine im Dornröschenschlaf an, als ein historisches Gebäude, das mit hohem Geldaufwand durch Glaskuben, Stahlträger und/oder geschwürartige Dachaufbauten verschandelt wird. Das ganze wird dann zumeist noch ohne Rücksicht auf die Struktur- und Stuckelemente mit einer einheitlich (grau) gestrichenen Fassade gekrönt. Widerlich!

    Die meisten Geschmacklosigkeiten ersparen dem Bauherren wenig oder gar keine Kosten. Die "tollen" Zubauten verteuern bei oft nicht ersichtlichem Nutzen das Bauvorhaben. Sie zeugen nur von Einfallslosigkeit, Geschmacklosigkeit und Hass auf historisch Gewachsenes.

    Beispiele für derart verschandelte öffentliche Bauten: Albertina, Museumsquartier, Mariahilfer Kirche, Haas-Haus, Volksoper

  • Schlapfen

    Kennst Du das Buch "Stadtbildverluste seit 1945"? Total interessant, was man da für Überraschungen entdeckt!

    Die von mir am meisten gehassten Objekte in Wien sind:

    1. Das Haas-Haus
    2. Der Franz-Josefs Bahnhof
    3. Der Akademie-Hof (neben der Secession; dafür musste erst vor kurzer Zeit ein Gründerzeitpalais geopfert werden)
    4. Das Hochhaus neben dem Hotel Marriott
    5. Eingangsbereich des Technischen Museums

    Wußtest Du auch, dass beim Naturhistorischen Museum eine Glas-Stahl-Bausünde in letzter Minute vom großartigen Museumsdirektor, Prof. Lötsch, verhindert wurde!

  • Dieses Buch sollte ich mir mal zu Gemüte führen, wenn ich allzu gute Laune habe. Ich kenne derlei Werke über Salzburg, und es ist interessant zu sehen, wie das ganze Flair einer Umgebung leidet, wenn man ein überlegtes Ensemble durch "Kontrastbauten" zerstört.

    Ergänzend zum Gruselkabinett: Juridische Fakultät, Wirtschaftskammer, Allgemeines Krankenhaus (das schlimmste von allen, weil es so riesig ist).

  • Also ich muss sagen ihr seit ja wirklich fast schon reaktionär drauf.

    Wien ist eben eine lebende Stadt (obwohl ich das manchmal bezweifle) und kein Museum. Was die Dachausbauten betrifft, so ist das eigentlich in allen Europäischen Städten schon seit jahrzehnten absoluter Standard. Die sind in Wien eigentlich noch sehr spärlich gesäht und die Stadt ist in diesem Sinne noch Entwicklungsland. Natürlich kann man diese Ausbauten vor allem in ihrem Ausmassen natürlich wirklich übertreiben aber es gibt auch sehr sensible und zurückhaltende Versionen, die man von aussen von der Straße überahaupt gar nicht sieht und die wirklich niemanden stören. Ausserdem ist es sehr schön in so einer Dachwohnung zu leben. Und jeder quadratmeter wohnfläche den man so erhält verhinder vielleicht eines der grausligen Hochhäuser oder Betonwohnblocks die man sonst irgenwo in der Innenstadt baut.

    Was das MQ betrifft so finde ich es eigentlich wirklich sehr gelungen. Es soll ja auch ein Museum für zeitgenössische Kunst sein und keine barocke Kirche. Wenn da kein Platz für zeitgenössische Architektur ist wo dann sonst. Ausserderm sind die Zubauten von aussen fast kaum sichtbar. der hässliche Flakturm im Hintergrund stört mich da um einiges mehr. Diese Dinger sollten mal endlich gesprengt bzw. abgetragen werden.

    Was den Karlsplatz betrifft muss ich euch allerdings recht geben. Der ist mittlerweile wirklich ziemlich verschandelt. Historisches Museum (Museum Wien) TU Bibliothek Akademie-Hof und andere Bauten passen da wirklich nicht in Bild. Übrigens das Gebäude auf dem der Akademieh. steht wurde schon beim u-bahn-bau abgerissen.

    Was haltet ihr eigentlich von dem Hochhausboom in Wien. Millenium-tower, wienerberg-city usw.

  • "Wien ist eben eine lebende Stadt [...] und kein Museum."

    Meine Güte, was für eine ausgelutschte und beliebige Phrase... :augenrollen:

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • niko

    Zitat

    der hässliche Flakturm im Hintergrund stört mich da um einiges mehr. Diese Dinger sollten mal endlich gesprengt bzw. abgetragen werden.

    Da muss ich leider enttäuschen! Nach dem Krieg wurde an eine Beseitigung sogar durch Sprengung gedacht. Man hat das ganze Unterfangen dann aber doch unterlassen, da die Umgebungsbebauung dadurch mehr in Mitleidenschaft gezogen wäre als auch nur einer der Flaktürme. Wenn in (hoffentlich) ferner Zukunft einmal kein Stein mehr auf dem andern liegt, werden die Flaktürme für alle Ewigkeit in den Himmel ragen...

  • Womit ich leben könnte, wäre wenn man einfach 1-2 Etwagen auf die Gebäude drauf setzt, die genauso aussehen wie die vorhandenen und dann das Dach im alten Sil wieder oben drauf setzt. Aber anscheind gibt es in Wien auch solche geschmacklosen Architekten.

  • Das kann ich leider seit meinem Besuch in Wien bestätigen. Es sind wirklich viele neue Dachaufbauten zu sehen - auch an der Ringstrasse und in der Altstadt (z.B. hinter das Parlament). Das Stadtplanungsamt hat mir erzählt, dass man gezielt Kontraste erzeugen will - das ist ja spannend... Sehr schlimm fand ich auch die Neubauten im Museumsquartier.

    Altstadt

    (Links Maria am Gestade)

    Oder solche Einbauten in der Nähe von der Hofburg (etwas dunkel): Niederöstr. Landesmuseum:

    Josefstadt:

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Das ist nicht spannend, das ist einfach nur hässlich.
    Die haben doch echt ein Rad ab. Anstatt froh zu sein dass man noch so einen Altbaubestand hat und diese zu pflegen tut man genau das Gegenteil. Unbegreiflich!

  • Zitat von "Rohne"

    Das ist nicht spannend, das ist einfach nur hässlich.
    Die haben doch echt ein Rad ab. Anstatt froh zu sein dass man noch so einen Altbaubestand hat und diese zu pflegen tut man genau das Gegenteil. Unbegreiflich!

    Du sagst es! In Wien wird einem nicht fad ;) !

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • Zitat von "Dirk"

    Früher hat man es in Wien besser verstanden, Gebäude aufzustocken bzw. zu ergänzen. Das Hotel Imperial ist dafür das beste Beispiel (wobei ich auch hier den ursprünglichen Zustand irgendwie stimmiger und verhältnismäßiger fand). Hier in einem Vergleichsbild zu sehen:

    http://www.flickr.com/photos/wienschau/2149476143/

    Hier muss allerdings angemerkt werden, dass dieser Aufbau aus der Zwischenkriegszeit stammt. Damals war die Architektur doch noch um einiges qualitätsvoller als heute, speziell in Wien, wo es seit den 60er Jahren quasi nur noch Glauskuben gibt!

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • Im österreichischen Rundfunk wird vertreten, dass auffällige Dachaufbauten schließlich auch die Orientierung in der unübersichtlichen Stadt erleichtern.

    Zitat

    Wiens Dachlandschaft im Umbruch
    [...] Eine Aufstockung muss das Erscheinungsbild eines Gebäudeensembles nicht notwendigerweise stören. Sie kann die Funktion eines Merkpunktes im städtischen Gefüge übernehmen - das ist an der Ecke Mariahilferstraße/Getreidemarkt, wo sich Wiens größte Einkaufsstraße zur Zweier-Linie, zum MuseumsQuartier und den Museen hin öffnet, der Fall. [...]


    http://oe1.orf.at/inforadio/107176.html?filter=5

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • So, der nächste Schlag dieser Plempeln gegen die Wienerstadt, diesmal ein gründlicher. Die Vernichtung eines zentralen Altstadtensembles, des zentralen Platzes von Wien. Siehe: Aufstockung Am Hof 11. Gegen die Blödheit und Korrumpierung dieser Stadtverwaltung mit diesem Schnapsfassl obenauf, die Gier von gewissenlosen Konzernen nach immer mehr Raum und der Demenz der Denkmalbehörden scheint kein Kraut gewachsen zu sein.

    http://www.wien.gv.at/stadtentwicklu…pdf/city-08.pdf

    Hier ist einmal der Tageszeitung "Die Presse" beizupflichten, die dazu schrieb: "Es bleibt zu hoffen, dass die UNESCO endlich den Welterbestatus der Inneren Stadt aberkennt."

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.