Kanaldeckel zeigen uns ein Stück Industrie- und Kulturgeschichte. Jeder kennt sie, aber nur wenige beachten sie. Dabei gäbe es gute Gründe, sich ihrer anzunehmen. Es gibt unzählige liebevoll gestaltete Deckel, die uns einiges über Designvorstellungen, Warenströme und industrielle Besitzverhältnisse ihrer jeweiligen Epoche verraten. Aber: Sie sind etwas undankbar positioniert. Ein amerikanischer Buchtitel zum Thema nennt das Problem beim Namen: Design underfoot. Wir haben es also im wörtlichen Sinne mit einem Stück unserer Geschichte zu tun, das wir mit Füßen treten. Dabei gibt es eine internationale Szene von Kanaldeckelsammlern, die dieses interessante Gebiet für sich entdeckt haben, Netzseiten betreiben und selbst Bücher dazu veröffentlichen – und die ihren Sammelgegenstand bestimmt nicht gegen Briefmarken oder Bierdeckel eintauschen wollen. Natürlich werden nur Photographien gesammelt. Das physische Einsammeln von Kanaldeckeln würde selbst Eigenheimbesitzer schnell an ihre Grenzen bringen und – selbst geduldige Ehefrauen vorausgesetzt – den häuslichen Frieden recht bald gefährden, vermutlich aber auch bald (zurecht) den Staatsanwalt aktivieren.
Das Problem ist: Täglich verschwinden bei Tiefbau- und Sanierunsarbeiten ungezählte wertvolle Stücke auf Nimmerwiedersehen (vermutlich in der Schrottschmelze, denn Eisen ist momentan ja recht hoch bewertet) und werden meist durch lieblos und billig produzierte Industrieware – oft einfache Gußringe mit betonierter Fläche – ersetzt. Ein Stück Vielfalt geht verloren, auch wenn einige Kommunen neue Deckel inzwischen etwas aufwendiger gestalten lassen, zumeist mit Stadtwappen.
Dabei muß es in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts unzählige kleine Gießereien gegeben haben, so wie es ja auch in industrialisierten Regionen wie z. B. Sachsen viele kleine Motorrad- und Nähmaschinenproduzenten gegeben hat. Fast alle sind verschwunden, die verbliebenen von großen Konzernen gekauft. Das heißt: Die frühere Vielfalt kommt nicht wieder. Das, was heute an Deckeln verbaut wird, kommt von wenigen Anbietern und ist meist unter Standardisierungs- und Kostendruck entstanden.
Der Denkmalschutz steht wiederum vor dem Problem, daß er die verbliebenen Deckel nicht schützen kann, weil erstens niemand in der Lage ist, sich auch nur einen Überblick zu verschaffen, was denn noch auf Privatgrundstücken und öffentlichen Straßen für Schmuckstücke liegen und weil zweitens die Erarbeitung einer Systematik, die bestimmte Deckel bestimmten Epochen zuordnet, an Mangel diesbezüglicher Informationen scheitert. Ohne Systematik kein Regelwerk, ohne Regelwerk kein Denkmalschutz. Auch ist der Erhalt der Kanaldeckel am ursprünglichen Ort nicht immer möglich, da diese ja einem Verschleiß unterliegen und irgendwann einfach ihr Verfallsdatum überschritten haben. Trotzdem: Ein Gußdeckel wird sehr alt und die meisten verschwinden nicht, weil sie nicht mehr sicher wären, sondern weil es bei einer Sanierung billiger ist, Dutzendware einzusetzen als das alte Stück in den neuen Belag einzupassen. Erschwerend kommt hinzu, daß Tiefbauämter und auch die Jungs, die praktischen Tiefbau treiben, nicht gerade als denkmalschützerische Sensibelchen verschrieen sind.
Traumhaft wäre es, wenn zu ersetzende Deckel, sofern sie kulturhistorisch bedeutsam sind, musealisiert würden, wenn sich zum Beispiel ein Großbetrieb wie Passavant dazu entschließen könnte, hier einzuspringen und das zu leisten, was die staatliche Denkmalpflege nicht leisten kann. Da das bisher nicht abzusehen ist, bleibt einstweilen nur die photographische Archivierung.
Ich möchte mit dieser Galerie die Denkmalfreunde für diesen Sonderfall des Denkmalschutzes sensibilisieren. Freuen würde ich mich, wenn der eine oder andere mir Photos von bemerkenswerten Kanaldeckeln aus seiner Region schickt – wenn möglich jeweils mit Fundort und sonstigen zweckdienlichen Angaben. Auch Informationen über alte Gießereien und Literaturhinweise wären sehr nett.
Nach dieser Eröffnung plane ich in loser Folge Kapitel über bestimmte Einzelaspekte folgen zu lassen. Alles auf einmal kann ich nicht bewältigen. Schaut also immer mal ’rein, es gibt zu unseren Füßen noch viel zu entdecken.
Zum Aufwärmen ein paar schöne Exemplare, unsortiert.
Ich bitte um strikte Respektierung des Copyrights, das, sofern nicht anders vermerkt, bei mir liegt.
Wie sollte ein Denkmalschützer solch einen anonymen Deckel katalogisieren? Aber schön ist er doch:
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Es ist nicht jedermanns Sache, mit gesenktem Kopf durch die Straßen zu laufen und sich seltsam anblicken zu lassen, wenn er stehenbleibt, um irgendetwas auf dem Boden zu photographieren. Wer trotzdem so freundlich ist, mir Deckel zu schicken, beachte bitte: Füße außerhalb des Deckels plazieren, Deckel bitte vollständig und so senkrecht von oben, wie die Optik dies erlaubt, ablichten:
Vielen Dank im Voraus.
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