China, deutsche Architekten und die Demokratie

  • Zitat von "Frankfurter"

    > Ich hab mal irgendwo gelesen, dass die Chinesen sich eine Fachwerkstadt gewünscht hatten und Speer meinte, dass sie sie zum Glück noch von Bauhaus überzeugen konnten...
    schon richtig, wobei sie allerdings eine deutsche Fachwerkstadt wollten, also genausosehr einen Kulturimport. Wobei man Anting kaum als Bauhaus bezeichnen kann, der Stadtgrundriß ist eher dem malerischen Städtebau der vorigen Jahrhundertwende verpflichtet und die einzelnen Bauten der üblichen Spät-Post-Neomoderne.
    Warum die Chinesen eine deutsche Altstadt wollen während sie gleichzeitig ihre eigenen Altstädte abreißen erscheint merkwürdig, allerdings fallen mir da einige kreative Vorschläge ein, man könnte ihnen doch zum Beispiel die maroden ostdeutschen Altstädte verkaufen, sie in China wiederaufzubauen wäre immer noch besser als sie auf die Bauschuttdeponie zu kippen.


    Es scheint mir, daß die spezielle chinesische Vorliebe für Deutschland auch viel mit Deutschlands Rolle innerhalb Europas zu tun hat - und auch seiner Achitektur. Diese gilt nicht nur als Garant für Qualität im historischen und aktuellen Bezug, sondern wohl auch als Verkörperung der -gewünschten- eigenen Kulturpolitik. Chinas und Deutschlands Historie ähneln sich auffällig; zwei auf ihrem Kontinent einst dominierende Länder, die zugleich den Kern eines eigenen Kulturkreises bilden und ständig in Auseinandersetzungen mit ausländischen Begierden und Einflüssen verwickelt waren - bis hin zur völligen bzw. teilweisen Unterwerfung mit inneren Wirren und Kriegen. Die deutsche Architektur steht für eine in sich gekehrte kulturelle Eigenständigkeit und archivierte Kontinuitäten (vietnamesische und chinesische Kommilitonen äußerten sich mir gegenüber als erstaunt über diese Bemühungen z.B. im Bereich des Denkmalschutzes und der historischen Forschung); ebenfalls ein Wesenszug der alten chinesischen Kulturtraditionen.
    Daß nun China auf deutsche Vorbilder anstatt auf eigene zurückgreift, hängt auch mit dem seit der halbkolonialen Periode vorhandenen Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem mächtigen Ausland zusammen; vergleichbar mit dem zeitweiligen Abbruch baulich-kultureller Kontinuität im deutschsprachigen Raum nach dem Dreißigjährigen Krieg. Die zerstörten Reichsstädte und die Herrschaftsbauten des deutschen Adels unterlagen oft der Umgestaltung durch Franzosen und Italiener; um sich nach Einsicht von diesem Einfluß zu befreien, begannen die Eliten anderthalb Jahrhunderte nach der Katastrophe mit der Suche nach nichtromanischen Formen, speziell der englischen Gotik (-->Gothisches Haus in Wörlitz, Brandenburger Tor in Potsdam) bzw. der langsamen Wiederentdeckung eigenen Kulturerbes. Deutschland ist abgesehen von einer kurzen, furchtbaren Episode während des Boxeraufstandes "unverdächtig", was die Mitwirkung an chinesischem Niedergang während 150 Jahren anbetrifft; die Hauptlast trifft weiterhin GB und andere westeuropäische Mächte. Somit kann die Auswahl gerader deutscher Vorbilder durch chinesische Mächtige als geistig verwandte "Gegenkultur" innerhalb des beherrschenden Westens auch als Vorstufe für ein neues, in der eigenen Baugeschichte verwurzeltes Selbstbewußtsein gelten. Bis dahin aber dürfte es aber für den Bestand authentischer chinesischer Baukultur zu spät sein; und auch die "deutschen Städte" bleiben Einzelstücke in der Masse uniformer westlicher Spekulationsbauten. Einzelne asiatischtümelnde Versatzstücke in Entrees und Turmspitzen bezeugen noch eher die Unsicherheit bezüglich des eigenen Kulturerbes als tatsächliches Selbstbewußtsein.

    Nein, die werden gedünstet

  • >Deinen Zynismus finde ich reichlich unangebracht.
    Falls sich Deine Verärgerung auf die 'ost'deutschen Altstädte bezieht war das so nicht gemeint, dasselbe könnte man auch bezüglich Altsachsenhausen vorschlagen. Ansonsten ist der Verkauf von Kulturerbe natürlich problematisch, aber beispielsweise der Bauschmuck des Parthenon wäre heute wahrscheinlich nicht mehr erhalten wenn die Engländer ihn nicht gekauft hätten. Und besser als die Altbauten auf der Bauschuttdeponie zu entsorgen wäre es doch allemal.

    >Chinas und Deutschlands Historie ähneln sich auffällig,
    Hätte es die Reichsteilung von 843 nicht gegeben hätte es möglicherweise in Europa eine mit China vergleichbare Entwicklung geben können, so kann man China wohl eher mit der abendländischen Kultur vergleichen, die aber wesentlich heterogener ist. Das Ostreich war im Gegensatz zum Westreich oder China auch nicht zentralistisch aufgebaut, so daß es selbst innerhalb im Vergleich zu China größere geschichtliche und kulturelle Unterschiede gab.
    Meiner Erfahrung nach ist es auch nicht speziell Deutschland sondern alles Europäische und Westliche, das in China Hochkonjunktur hat. Daß im Fall Anting gerade eine deutsche Stadt gebaut werden sollte liegt eher daran, daß die Siedlung mit dem dortigen Volkswagenwerk in Verbindung steht.

  • In der NZZ ist ein guter Artikel über westliche Architekt in China:

    Zitat

    Immer mehr westliche Architekten folgen dem Vorbild renommierter Büros wie Herzog & de Meuron oder OMA von Rem Koolhaas und versuchen ihr Glück in Chinas Städten. Sie werden dort nicht immer nur umworben. Ihr Tun stösst mitunter auch auf Kritik und Ablehnung.

    [...] Ausländische Besucher von Schanghai brechen meist in ein bewunderndes Ah und Oh aus, wenn sie zum ersten Mal Xintiandi betreten, ein vom amerikanischen Architekten Benjamin Wood gestaltetes (oder verunstaltetes) Quartier aus renovierten und zweckentfremdeten Ziegelhäusern. Hier, wo auch das Gebäude steht, in welchem vor 85 Jahren die Kommunistische Partei Chinas gegründet wurde, haben Galerien, Boutiquen und Bars für schicke Leute sowie überteuerte Restaurants ihren Platz gefunden. Offiziell wird das Gebiet als «Vergnügungszone» bezeichnet.

    Woods Idee war es, den Stil der Shikumen genannten traditionellen steinernen Hofhäuser aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachzubauen und damit zumindest museal die architektonische Tradition Schanghais zu bewahren. Nach Meinung vieler Chinesen ist ihm das auch gelungen. «Können Sie mir dieses Projekt ?xintiandieren??», ist inzwischen im Umgang ehrgeiziger Städteplaner mit ebensolchen Architekten zu einem beliebten Ausdruck geworden. Die Mahner, die vor der Zerstörung ganzer Quartiere gewarnt haben, müssen sich immer öfter mit dem Unvermeidlichen abfinden. Wood selbst sieht die Gefahr darin, dass Xintiandi zu einem Klischee, einer Art Disneyland, verkommt.
    Abbruchmanie

    Ob in Schanghai, in Peking oder in anderen Städten Chinas: Geld bestimmt fast überall die Politik und damit auch das künftige Aussehen der Städte. Obwohl einige Verantwortliche den kommerziellen Wert historischer Bebauung erkannt haben, gilt die Renovation alter Gebäude im Allgemeinen als zu kostspielig oder schlicht als entbehrlich. Häufig wird überdies die Kritik vorgebracht, der Staat betreibe mit dem Label «geschichtsträchtiges Baudenkmal» Schindluder, denn die überrenovierten Häuser hätten überhaupt nichts mehr mit dem ursprünglichen Baubestand zu tun.

    Europäer, die schon lange in China leben, beklagen die Profilierungssucht westlicher Architekten im Land. Diese können hier vor allem deshalb ihre Phantasien ausleben, weil die Regierung um das Prestige westlicher Baukünstler weiss und entsprechend handelt.[...] Alfred Peng [...] bemängelt, dass ausländische Baukünstler kein Verständnis für chinesische Geschichte und Kultur mit ins Land brächten. Deshalb gehe beim Bau futuristischer und avantgardistischer Gebäude die Seele der Nation verloren. Zudem gebrauchten viele Ausländer China als Testgebiet für ihre im Westen möglicherweise nicht zu verwirklichenden Visionen. Anderseits beanstandet Peng aber auch das Fehlen einer zielgerichteten Planung von Seiten der Behörden, die doch auch die Aufgabe hätten, Kulturdenkmäler wie etwa die einst für Peking so typischen, Hutong genannten Kleingassen vor dem völligen Verschwinden zu bewahren. Stattdessen seien die Stadtämter mehr am Profit als am längerfristigen Kulturschutz interessiert.

    http://www.nzz.ch/2007/01/20/fe/articleEJRA1.html\r
    http://www.nzz.ch/2007/01/20/fe/articleEJRA1.html

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Deutsche Architekten scheint es nicht zu stören für Diktatoren Städte
    zu planieren und komplett neu hochzuziehen. Natürlich mit den neuesten
    Sicherheitsstandards, damit auch zukünftig neue Monsterstädte geplant
    werden können. Eine demokratisch geprägte Bürgerschaft stört da nur.
    Von daher: Viel Erfolg in China und auf Nimmerwiedersehen. :schlaechter:

  • Ich weiß nicht, wo ich diese Meldung sonst passend unterbringen kann. Deshalb hier. Während deutsche Architekten in China Trabantenstädte im internationalen Stil en masse errichten, wird nun in [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] ein Hotel gebaut, daß sich der traditionellen Architektur Chinas verpflichtet fühlt. Welt aus den Fugen...
    http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/826524/
    http://www.ahgz.de/regional-und-lokal/2006,38,609223470.html

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (11. April 2011 um 03:56)

  • Zitat von "Oliver"

    Deutsche Architekten scheint es nicht zu stören für Diktatoren Städte
    zu planieren und komplett neu hochzuziehen. Natürlich mit den neuesten
    Sicherheitsstandards, damit auch zukünftig neue Monsterstädte geplant
    werden können. Eine demokratisch geprägte Bürgerschaft stört da nur.
    Von daher: Viel Erfolg in China und auf Nimmerwiedersehen. :schlaechter:

    Naja, zynisch könnte man da sagen: wie der Vater, so der Sohn. Speer Senior war ja auch drauf und dran für einen gewissen Gefreiten aus Braunau Berlin plattzumachen, um anschließend seine Monsterstadt "Germania" hochzuziehen. Und das schlimme ist, da wo er Monsterbauten errichtet hat, stehen diese heute unter Denkmalschutz oder werden mit Steuergeldern rehabilitiert :kopfwand:

    Diktatoren scheinen eine unglaubliche Anziehungskraft auf die Speers auszuüben... :daumenunten:

    Mir kommt bei den Begriffen "Zeppelintribüne" oder "Kongreßhalle" nur das GANZ GROSSE :übelkeit: :übelkeit: :übelkeit: ...da hat jeder Plattenbau einen höheren architektonischen Wert.

    Am besten man trägt diese Bauwerke Stein für Stein ab und verschickt sie nach China. Vielleicht kann sie Speer Junior ja in einer der neuen Monsterstädte integrieren - mit einer übergroßen Mao-Statue obendrauf....und zu den verbrecherischen Machthabern im Reich der Mitte würden diese Bauwerke ja auch sehr gut passen.

  • Altbaufreund

    kann es ein, dass Du Dich eher an der Intention hinter der Architektur als an den Bauwerken an sich stößt? Ich denke schon, dass gerade die Möglichkeit, ganz große Projekte umzusetzen, für jeden Architekten ein Traum darstellt. Ich kann das schon gut nachvollziehen und verstehe da z.B den Senior noch viel mehr als denn Junior.

    Außerdem finde ich Seniors Architektur in Teilen sehr interessant (man muss ja nicht gleich deshalb Nazi oder unmgekehrt Kummerl sein). Mir kann ja auch Schloss Schönbrunn gefallen und ich muss nicht unbedingt Monarchist sein.

    Und steuergeldmäßig werden noch viel üblere Dinge erhalten. Da fällt so eine Tribüne nicht ins Gewicht. Im Gegenteil. Dieses RPT-Gelände sieht wahnsinnig versifft aus. Da täte eine Sanierung schon besser, obwohl das Speer selber wohl nicht einmal unterstützen würde aufgrund seiner Ruinenwirkungbaukonstruktion, die er dabei umsetzte, wenn Du verstehst was ich meine.

  • Exilwiener:

    Das kann durchaus so sein – obwohl ich die Bauten eben gleichermaßen auch aus architektonischer Sicht als geringwert betrachte! Mehr noch stört aber das ganze „Drumherum“, das wegen der ursprünglichen Nutzung dieser Bauten veranstaltet wird. Kaum eine andere Stadt, die im Nationalsozialismus eine nennenswerte Rolle spielte, behauptet heute, ihr Name wäre untrennbar mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen verknüpft und daher ein „braunes“ Symbol.

    Weder Berlin (ehemalige Reichshauptstadt und damit Hitlers Regierungssitz) und München (ehemalige Hauptstadt der Bewegung, der Ort, an dem der Gefreite seine mörderische Karriere begann) tun dies, oder zumindest nicht in diesem extremen Ausmaß wie Nürnberg, obwohl beide Städte ja Grund dazu hätten.

    Seitens der offiziellen Geschichtspflege der Stadt Nürnberg wird den Jahren 1933 – 1945 der weitaus breiteste und umfangreichste Raum eingeräumt, obwohl das wichtigste Kapitel der Stadtgeschichte ja eigentlich die Geschichte der Freien Reichsstadt Nürnberg darstellt… Ich sage hier ganz offen, daß ich durch die intensive Pflege der Nazi-Geschichte mittel- bis langfristig einen schweren weltweiten Imageschaden für die Stadt befürchte.

    Gegen eine Pellerhof-Rekonstruktion war die Stadt aus finanziellen Gründen, bei der Zeppelintribüne sieht man die Instandsetzung hingegen trotz ungeklärter Finanzen schon als beschlossene Sache an. Ich meine, welches Bauwerk ist denn wichtiger für die Stadtgeschichte und architektur- und kunsthistorisch weitaus hochwertiger und bedeutender...

    Ansonsten: klar kann man verstehen wenn ein Architekt die Chance erhält, seine Visionen zu verwirklichen, daß er dann in den seltensten Fällen „Nein“ sagen wird. Aber es kommt eben auch darauf an, wo und für wen. Und bei Diktaturen ist da einfach eine klare Grenze erriecht. Wer sie als Architekt trotzdem überschreitet, macht sich unweigerlich zum Handlanger eines Terrorregimes. Und das chinesische Terrorregime hat genau wie damals die Nazis Unmengen Blut an den Fingern kleben. Wie die Nazis betreiben Maos Erben Lager für Regimegner, wie die Nazis unterdrücken Maos Erben brutal andere Völker (siehe TIbet...) oder betreiben Assimilierungsprogramme für ethnische Minderheiten...

    Fakt ist eben daß sich solche Großplanungen wie in China in einem demokratischen Staatswesen kaum oder eben wesentlich schwerer, nach langjährigen Genehmigungsverfahren, umsetzen lassen. Die schnelle Umsetzung in der sog. "Volks"republik geht eben nur deswegen, weil die Menschen nicht nach ihrer Meinung gefragt werden, weil dort keiner den Mund aufmachen machen darf (es sei denn, er möchte sich im Gefängnis oder einem Lager wiederfinden...).

  • Lieber "Altbaufreund",

    ich kann Deine Argumentation und Deine ganz lobenswerten Motive völlig nachvollziehen.

    Dennoch gibt es zwei Haken an der ganzen Geschichte.

    1. Mit der gleichen Argumentation könnte man heute für den Abriss oder die moralische Verdammung zahlreicher, ja fast aller bedeutender Bauwerke der Geschichte plädieren. Viel bliebe nicht von den (sklavenhalterisch erstellten) Pyramiden von Gizeh, von mancher (raubfeudalen) Ritterburg, vom (absolutistischen) Schloß in Versailles, vom (klerikalen) Petersdom usw.usf. wenn wir ein demokratisches Genehmigungsverfahren zur Grundlage der Architekturbewertung machen würden. Und wer weiß, wie unsere "demokratischen" Bauten (oder sollten wir finanzoligarchische sagen?) in 100, 200 Jahren bewertet werden, wenn nachfolgende Generationen z.B. den Kopf schütteln werden über diese ressourcenverschwendste Verbrennungskultur der Weltgeschichte und deren ökologische Konsequenzen. Das soll natürlich klein Plädoyer für diese teils richtig üblen der angesprochenen Regime sein, ich denke da verstehen wir uns.
    Gegenthese: Aus diesem Grund plädiere ich dafür, ein Gebäude auch aus sich heraus, als nicht nur zeitgebundenes Kunstwerk zu betrachten. Was nicht heißen soll, daß man die Geschichte eines Gebäudes leugnen soll. Aber es gibt ja auch Umnutzungen, Veränderungen. Ein Haus, das vielleicht einmal Euthanasieanstalt oder Stasi-Knast war, war vielleicht zugleich auch einmal Schloß und Krankenhaus und später Kindergarten. Auch das gehört zur Geschichte dieses Gebäudes.
    Zweite Gegenthese: Wo ich mitgehen kann, ist aber, ob ein Gebäude menschlich aus sich heraus ist oder nicht. Manches Wohngebäude, das aus der NS-Zeit stammt, halte ich in seinen Dimensionen, Umfeld und Ambiente für human und auch dadurch für erhaltenswert. Mancher Wohnblock, der in der BRD entstand, ist für mich eine unmenschliche Maschine und deshalb abrisswürdig. Insofern ist mir die chinesische Entwicklung suspekt.

    2. Ich verstehe die Motivation, durch Abriss von NS-Baudenkmalen dem Druck der Vergangenheitsbewältigung entkommen zu wollen. Indes, dieser Druck wird nicht durch die Bauwerke erzeugt, sondern von interessierten Personen, die mittels Schuldkult ihre eigene Machtposition besser absichern und zugleich gut daran verdienen. Es ist eine eigene Industrie, die nun schon seit Jahrzehnten wächst und immer auch noch einige Anhänger findet, deren psychische Verfassung ihnen Lustgewinn durch Vergebungsgesten abverlangt. Durch jeden NS-Abriss wirst Du aber die Vergangenheitsbewältigung eher noch befeuern. Der bauliche Leerplatz wird dann als Versuch der Verdrängung gewertet werden und umgehend mit "Stolpersteinen" oder immer monumentaleren Gedenkanlagen aufgefüllt werden. Diese Leute werden sich doch nicht durch plumpe Abrisse ihr Spielzeug nehmen lassen. Eine solche Vorstellung wäre naiv. Will man der NS-Vergangenheitsbewältigung ein Contra setzen, muß man deren Profiteure (sollte man „Leichenfledderer“ sagen?) entlarven. Doch so weit sind wir in unserer Gesellschaft der allgemeinen Angst noch nicht.
    Gegenthese: Da die Zeppelintribüne nicht zum Abriss freigegeben wird, plädiere ich für eine Rekonstruktion der Arkadenreihe. Das ist denkmalschützerisch vertretbar, da ja noch ausreichend Originalsubstanz vorhanden ist. Von mir aus können sie dann an die Pfeiler irgendwelche Menschenrechte ranschreiben oder Gedenkplatten anbringen. Das architektonische Ensemble ist so aber wieder ästhetisch besser erfahrbar. Es ist ein Teil der Geschichte, wie die Hunneneinfälle, der dreißigjährige Krieg oder die napoleonische Epoche. Nicht mehr, nicht weniger. (Stimmt natürlich nicht so ganz, weil diese Zeit noch politisch nachhallt und noch nicht richtig bewältigt ist, aber lassen wir es für heute mal dabei.) Und dazu kann man einfach frei und offensiv stehen, ohne immer mit einem lächerlich aufgesetzten Betroffenheitsgesicht in der Gegend herumlatschen zu müssen.

  • Ordos

    Ob deutsche Architekten bei dieser absurden Geisterstadt eine Rolle spielen, weiß ich nicht. Aber ich denke, der Hinweis auf Ordos passt am besten hier hinein.


    New Ordos: Chinas gigantische Geisterstadt
    So sieht es aus, wenn Fortschritt schiefgeht. New Ordos sollte Chinas Dubai werden: eine Metropole in der Wüste. Tatsächlich gibt es dort nun achtspurige Straßen, Wolkenkratzer und luxuriöse Apartments - aber kaum Menschen.
    http://www.spiegel.de/reise/aktuell/…i-a-821998.html

    Welcome to Ordos, China: The World’s Largest “Ghost City”
    http://www.thebohemianblog.com/2014/02/welcom…city-china.html