Schönheit und deren Definition

  • Es würde mich freuen, wenn wir hier eine fruchtbare Diskussion über den Begriff der Schönheit führen könnten - oft gebraucht, hat sicher jeder andere Assoziationen.

  • Schönheit liegt im Auge des Betrachters... und entzieht sich damit jeder objektiven Beurteilung

    "... es allen Recht zu machen, ist eine Kunst, die niemand kann..." (Goethe)

  • Ich kenne Leute, die finden eher den reduktiven Stil schön und im Gegensatz z. B. Bauten des Historismus nicht, da zu kitschig. (Wie eine Frau die zu viel geschminkt ist) Einmal kannte ich auch einen, der Fachwerkstädte zum k.. fand.
    Viele verbinden mit "schön" auch nicht nur die Gestalt eines Gebäudes, sondern auch die Lage oder v.A. das innere Raumempfinden- d.h. wenn ich schöne Fensterfronten habe, kann ich natürlich besser auf den äusserliegenden Stadtraum hinaussehen. (wobei letzteres ignorant und egoistisch ist!)

  • Zitat von "Mephistino"

    Schönheit liegt im Auge des Betrachters... und entzieht sich damit jeder objektiven Beurteilung

    Wobei wir wieder bei der mißliebigen Beliebigkeit wären; ich wage das in Abrede zu stellen.
    Gibt es wirklich keine Kriterien, anhand derer sich "objektive" Schönheit feststellen ließe?
    Ich will mal ein Beispiel geben, in einem VHS- Kurs ging mal ein Kunstband in die Runde "Villen in Rom". Der Kursleiter sagte gut gelaunt:
    "Da möchte ich gern leben" und zeigte auf die aufgeschlagene Seite.
    Die Teilnehmer, fast alles alleinstehende Damen in fortgereiftem Alter, zuckten zurück: "Nein , ist uns zu groß."
    Sie hatten Angst diese Räume auszufüllen, aber trotzdem wäre keine auf die Idee gekommen, sie als häßlich zu bezeichnen.

  • "Schönheit" wird von von vielen Menschen, vielleicht sogar einer Mehrheit nicht zwangsläufig mit historischer Architektur gleichgesetzt. Nach meiner Erfahrung dürfte das Gros der "Normalbürger" ein modernes Haus, da "einfacher", "billiger" und "pflegeleichter", einem historischen Gebäude oder auch historisierenden Neubau vorziehen und dieses als "schöner" ansehen - man sieht es ja auch an der anhaltend hohen Attraktivität der sicherlich nicht nur aus meiner Sicht einfallslosen Einfamilienhaussiedlungen im "Baumarktstil". Gerade im Dorf heißen die alten Häuser oft immer noch "alte Buden" bzw. in Hessen "ahl Gelerch" und wird der Denkmalschutz auch von Lokalpolitikern inoffiziell als "natürlicher Feind" betrachtet.

    Hier mal ein sehr guter Beitrag aus "Das hessische Dorf" (S. 120) von Reinhard Reuter (erschienen 1982), der die Sache auf den Punkt bringt:

    Zitat

    Ebenso hat ein Hauseigentümer, der die Fachwerkwand seines Hauses mit Kunststoff verkleiden läßt, eine Bewertung vollzogen. Für ihn besteht der Wert des neuen Materials vor allem in der Tatsache, daß in Zukunft kein Außenanstrich mehr notwendig ist. Er hält u. a. den Wert der sichtbaren handwerklichen Arbeit des Fachwerks für unbedeutend. Sowohl die mit dem Beil hergestellte Oberfläche der Fachwerkhölzer als auch das System der handgearbeiteten Holzverbindungen und die Abmessungen der Gefache, die auf den Richtvorgang des Hauses durch den Zimmermann abgestimmt und dadurch auf den Menschen bezogen sind, gelten ihm wenig. Auch die vorhandene Einbindung des Hauses in das Gesamtbild der Fachwerkhäuser und -scheunen der Umgebung wird nicht als ein Wert anerkannt, den es zu bewahren gilt. Im Gegenteil! Er läßt sein altes Haus mit dem glatten hellen Kunststoffmaterial verkleiden, weil es dann Ähnlichkeit mit einem Neubau bekommt, einem "glatten, weißen Haus", wie es in Gesprächen mit Dorfbewohnern immer wieder als Wunschvorstellung erscheint.
    Diese und ähnliche Vorgänge der Ortsbildzerstörung geschehen tagtäglich in unseren Dörfern. Immer geht dem Eingriff in die Altbausubstanz eine Bewertung voraus, die nur auf das gute Funktionieren, die Pflegeleichtigkeit und auf glatte "Modernität" abgestellt ist, wobei die Werte der sichtbaren Handwerksarbeit, des menschlichen Maßstabs und der Individualität des Ortsbildes gering geachtet oder gar nicht mehr gesehen werden.

    Im letzten Jahr bekam ich einmal von einem Bekannten zu hören, die deutschen Städte und Dörfer seien vor dem Krieg allesamt häßlich und schmutzig gewesen. Erst danach habe man schöne moderne Häuser und saubere Straßen gebaut. :zwinkern:

  • Carsten

    "Schön modern" ist ein semantische Verwurstelung dieses Menschen; es spricht nichts dagegen, wenn ein Gebäude bezüglich Sanitär und Komfort auf den technischen Stand der Zeit gebracht wird; wer im Schloßhotel übernachtet, erwartet dort heute keine blakenden Fackeln, sondern elektrische Lüster und kein Plumpsklo, sondern ein behagliches Bad.
    Was Leute wie der Bekannte widerspiegeln, ist jedoch die innere Leere des schlichten zeitgenössischen Menschen, der den Weihnachtsbaum mit elektrischen Kerzen behängt, weil das "viel praktischer" ist.

  • Ich glaube, dass viele Menschen dasselbe schön finden... egal ob es um Personen, Gebäude, Landschaften o.ä. geht. Auch wenn durch subjektive Sichtweise immer kleine oder größere Differenzen zu finden sind, kann man doch sagen, dass vieles, was man als häßlich bezeichnet, auch von anderen als häßlich bezeichnet wird.
    Verwinkelte Fachwerkstädtchen finden viele Menschen schön - leben würden sie dort trotzdem ungern, einfach, weil sie es sich nicht vorstellen können, dass diese Häuser durchaus modernen Standarts gerecht werden können.

    ... letztens habe ich in einer Wohnzeitschrift eine Designerwohnung gesehen, in einem Palazzo aus dem 19. Jh, mitten in Mailand. Das war für mich mal wieder eine Bestätigung dafür, dass historistische (und auch viele andere historische) Gebäude immer modern bleiben... da sie das ästhetische Empfinden der meisten Menschen treffen und technisch mit der Zeit gehen können. Letzteres können die Betonbunker aus den 60ern und 70ern zwar auch (ist aber wärmedämmungsmäßig vtml min. genauso aufwendig), werden aber wohl immer vom Groß der Bevölkerung als häßlich empfunden werden.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Das subjektive Schönheitsempfinden ist auch vom Zeitgeschmack abhängig. es gab Zeiten in denen Barock als das nonplusultra empfunden wurde, und Zeiten in denen er einfach nur als überladen und hässlich galt.

    "... es allen Recht zu machen, ist eine Kunst, die niemand kann..." (Goethe)

  • Aber es ist ja nicht immer 100 procent subjektiv....Zum Beispiel Postkarten zeigt oft nur was als schöne Ecken bezechnet wurden...plus minus ein Paar Motive....oft bleibt die gleiche Motvie über Jahrzenten....

    Regensburg wurde immer von die Steinerne Brücke fotografiert, Rothenburg am Plön und so weiter, so weiter....

    Wenn alles nur Subjektiv wäre, dann wurde Postkarten nicht so homogen aussehen...und auch nicht über Jahrhunderte....

  • leider sind Postkarten und speziell Ansichtskarten noch nicht so lange in gebrauch, anderenfalls hätten sich die Motive wahrscheinlich auch abgelöst.

    "... es allen Recht zu machen, ist eine Kunst, die niemand kann..." (Goethe)

  • Zitat von "Mephistino"

    leider sind Postkarten und speziell Ansichtskarten noch nicht so lange in gebrauch, anderenfalls hätten sich die Motive wahrscheinlich auch abgelöst.

    Womit unterfütterst Du eigentlich Deine auf nichts gestützte Vermutung?
    Ansichtskarten gibt es immerhin schon seit über 100 Jahren, das heißt, sie haben die Kaiserzeit, Weimar, das 3. Reich und die DDR überlebt.

    Und was bedeutet eigentlich "Barock als Nonplusultra"?
    Eine bescheidene Frage:
    in welchem Zeitraum würdest Du eigentlich die Barockzeit vermuten und was hälst Du für deren Schlüsselbauwerke?

  • Zitat von "Mephistino"

    leider sind Postkarten und speziell Ansichtskarten noch nicht so lange in gebrauch, anderenfalls hätten sich die Motive wahrscheinlich auch abgelöst.

    Naja...das stimmt überhaupt nicht weil vorher waren Postkarten nicht fotografiert, sondern gemalt....ich habe sogar alte Postkarten von 19jahrhundert von Deutschland....mit gemalte Motife....

    Die Postkarten-mentalitet ist schon auch älter als die Postkarten...vorher hat man einfach Bilder gekauft von die schönste Teilen im Städte.....wie Dresden Neumarkt oder Ponte Vehicio im Florenz.....

  • Zitat von "Johan"

    Aber es ist ja nicht immer 100 procent subjektiv....Zum Beispiel Postkarten zeigt oft nur was als schöne Ecken bezechnet wurden...plus minus ein Paar Motive....oft bleibt die gleiche Motvie über Jahrzenten....

    Regensburg wurde immer von die Steinerne Brücke fotografiert, Rothenburg am Plön und so weiter, so weiter....

    Wenn alles nur Subjektiv wäre, dann wurde Postkarten nicht so homogen aussehen...und auch nicht über Jahrhunderte....


    Ansichtskarten der 60er/70er/80er Jahre zeigten oftmals die Neubauten,
    also
    z.B. "Gruß aus Dresden" mit dem Kulturpalast, Rundkino, Prager Straße, Fernsehturm

  • Zitat von "Kindvon2dresdnern"

    Ich kenne Leute, die finden eher den reduktiven Stil schön und im Gegensatz z. B. Bauten des Historismus nicht, da zu kitschig. (Wie eine Frau die zu viel geschminkt ist) Einmal kannte ich auch einen, der Fachwerkstädte zum k.. fand.

    ...diese Leute haben keinen wirklich eigenen "Geschmack", sondern lassen sich nur vom "Zeitgeist" beeinflussen. Und dieser ist nunmal billig und oberflächlich. Das Gros der modernen Kunstwerke (Immendorf, Picasso und Co. ) und das Gros der modernen Bauwerke spiegeln diesen Trend wider. Diese Leute umgeben sich mit "Wegwerfware" und leben in und damit.
    Der "Vor-Bauhaus-Stil" war durch Qualität, Handwerkskunst und von "Beständigkeit" geprägt. Man muss sich mit dieser Zeit, mit dieser Geschichte und mit diesen Menschen "beschäftigen", um zu merken, in welch armseliger Zeit wir eigentlich leben und welche kulturellen Glanzleistungen früher erschaffen wurden. Aber das ist diesen Leuten zu anstrengend und deshalb finden sie alles toll, was der aktuelle Zeitgeist Ihnen vorgibt. ..Ist ja auch bequemer!

    Der Tiefpunkt der Baukultur wurde in den 60er und 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts erreicht...

  • liegt es auch nicht daran, dass es in "vor-bauhaus-zeiten"
    eine stil- und geschmackserziehung (ästhetik) gab wie
    sie der modernismus zumindest nicht mehr kennt?

    individualismus, subjektiver geschmack, pluralismus,
    ach was gaukelt uns die schöne moderne welt nicht so
    alles vor. ich empfehle jedem einmal einen blick in die
    "erziehung" der hochschulen im bereich architektur
    zu werfen. da wird einem doch schon genau "beigebracht"
    was "richtig" und was "falsch" zu sein hat :augenrollen:
    es geht hier um die ideologie des modernismus,
    der andere, jahrhunderte geltende regeln der bau-
    kunst nicht einfach nur in frage gestellt hat,
    sondern mittlerweile im entwurf VERBIETET.

    warum nur? hat man angst, dass die menschen
    erkennen und vergleichen könnten
    welcher gestalterischen misere sie seit über
    80jahren erlegen sind?

  • Zitat von "Miwori"

    Ansichtskarten der 60er/70er/80er Jahre zeigten oftmals die Neubauten,
    also z.B. "Gruß aus Dresden" mit dem Kulturpalast, Rundkino, Prager Straße, Fernsehturm


    Jetzt bin ich missverstanden.....
    Ich stimme zu das Geschmack ändern sich...Dresden Postkarte waren trotzdem ziemlich Homogen...es war ja nicht so das alle Postkarte waren total unterschiedlich....

    Was ich eigenlich sagen wollte, war das Geschmack ist nicht so persöhnlich als man denkst und dass man soll nicht subjektivismus übertreiben.

    Postkartenideologi geht ja von aus dass man erwartet auch dass die Absender und Empfänger auf jedenfall ählichkeiten in Schönheitsbegriffe haben.....

    Sydney-oper, Elbefront in Dresden, New York Skyline und Torning Torso in Malmö sind ja alle Postkartenobjekte......

  • Zitat von "Stefan"

    liegt es auch nicht daran, dass es in "vor-bauhaus-zeiten"
    eine stil- und geschmackserziehung (ästhetik) gab wie
    sie der modernismus zumindest nicht mehr kennt?

    ...hat man angst, dass die menschen
    erkennen und vergleichen könnten
    welcher gestalterischen misere sie seit über
    80jahren erlegen sind?


    Das wird ein Grund sein, doch ich verstehe nicht, warum das so ist. Ich glaube eher, dass sich da was wiederholt, das wir bereits aus der Geschichte kennen: Als die einzigartige Kultur der Griechen und Römer durch das Ende des Römischen Reichs unterging, konnte man ja im Prinzip vergessen, was in den nächsten 1000 Jahren in Europa auf dem kulturellen Sektor passierte. Schauen Sie sich doch mal die dilettantisch angefertigten Kunstgegenstände aus der Zeit um 1000 n. Chr. an und vergleichen Sie diese mal mit den Kunstwerken der Römer. Das primitive Mittelalter hat ja erst mit der Renaissance ein Ende gefunden, und die Rückbesinnung auf die röm./griech. Antike führte wieder zu so grandiosen Epochen wie Barock, Empire oder Historismus. Deswegen bin ich mir sicher: Die „Nach-Bauhaus Ära“ wird zu Ende gehen, denn immer mehr Menschen erkennen, was für eine hässliche Welt diese geschaffen hat!!!

    Der Tiefpunkt der Baukultur wurde in den 60er und 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts erreicht...

  • memet

    Vom "primitiven Mittelalter" würde ich, mit Blick z. B. auf die gotischen Kathedralen oder die Fachwerkaltstädte mit ihrem mittelalterlichen Ursprung, eigentlich nicht reden. Viele architektonische Leistungen dieser Epoche sind denen der Antike durchaus ebenbürtig.

    Das heute noch gerne vom "finsteren Mittelalter" gesprochen wird, liegt auch an der abschätzigen Beurteilung dieser Epoche durch die Künstler der Renaissance, die ja meines Wissens nach ja auch z. B. die Stilbezeichnung "Gotik" als abwertende Bezeichnung erst erfunden haben.

  • Zitat von "Carsten"

    memet

    Vom "primitiven Mittelalter" würde ich, mit Blick z. B. auf die gotischen Kathedralen oder die Fachwerkaltstädte mit ihrem mittelalterlichen Ursprung, eigentlich nicht reden. Viele architektonische Leistungen dieser Epoche sind denen der Antike durchaus ebenbürtig.

    Das heute noch gerne vom "finsteren Mittelalter" gesprochen wird, liegt auch an der abschätzigen Beurteilung dieser Epoche durch die Künstler der Renaissance, die ja meines Wissens nach ja auch z. B. die Stilbezeichnung "Gotik" als abwertende Bezeichnung erst erfunden haben.

    Jetzt nehmen Sie doch einmal das Stadtbild Roms um 200 n. Chr. und vergleichen Sie es mit einer mittelalterlichen Stadt. Welches Bauwerk darin (außer dem Dom vielleicht) könnte im Entferntesten dieser antiken Stadt "das Wasser reichen"?
    Selbstverständlich würde ich trotzdem die Bauwerke des Mittelalters vom ästhetischen Standpunkt her unseren modernen Schundbauten vorziehen!!!! Hildesheim ist ein grandioses Beispiel dafür, wie man in der heutigen Zeit die ödlosen deut. Großstädte verschönern kann.

    Der Tiefpunkt der Baukultur wurde in den 60er und 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts erreicht...

  • ich denke, es lohnt sich nicht hier vergleiche über
    besser und schlechter darzustellen. die antike
    (bau-)kultur war zweifellos eine hochkultur. und
    ohne diese sind alle nachfolgende traditionelle
    bauepochen im grunde undenkbar. deshalb würde
    ich sie aber nicht gegeneinander ausspielen oder
    die eine über die andere stellen.
    die vielfalt, die auf dieser grundlage entstand
    ist doch das beeindruckende. die heute maßgeb-
    lich bestimmenden mittel- und kleinstädten sind
    es, die in ihrer materialität und überformung den
    begriff der stadt prägen.

    der bruch in der wahrnehmung hinsichtlich der ästhetik
    kam doch erst durch die moderne und ihre modernistischen
    auswüchse wie sie bis heute bestimmend sind. darüber sollten
    wir uns doch im klaren sein. :)