Frankfurt a. M. - das Bahnhofsviertel

  • Kaiserstraße 48 ist letztendlich aber keine Rekonstruktion, sondern eher eine Interpretation des Originals. Die Giebel der Dachfester sind außerdem um einiges schlichter ausgefallen, als es noch die Visualisierung vorgesehen hat. :thumbdown: Was soll das?

  • Du willst mich doch jetzt veräppeln, oder? Man sieht doch auf den ersten Blick, dass da einiges vereinfacht/weggelassen wurde.
    Mal ganz schnell von mir eingekritzelt:

    Mal abgesehen davon ist die Profilierung viel zu schwach. Stuck war im 19. Jahrhundert nie so platt und unscheinbar.

  • Es gab offenbar ein paar kleine Vereinfachungen. Die Blütenornamente seitlich der Giebelfenster sind allerdings vorhanden. Sie sind nur etwas durch das Gerüstnetz verdeckt. Statt des Eckgiebelchens hat man ein weiteres Dachfenster eingebaut. Allerdings hat es dafür dann auch eine Zier-Balustrade gegeben, die nicht eingezeichnet war. Insofern kann man damit leben, denke ich.

  • Du willst mich doch jetzt veräppeln, oder? Man sieht doch auf den ersten Blick, dass da einiges vereinfacht/weggelassen wurde.
    Mal ganz schnell von mir eingekritzelt:


    Da hat aber jemand sehr genau hingeschaut.

    Nein, veräppeln wollte ich Dich nicht - aber zumindest der schmale senkrecht Zierat links und rechts vom Fenster, den hättest Du nicht hinkritzeln müssen, denn der ist auch in Wirklichkeit vorhanden, man sieht es auf dem Foto.

    Ansonsten - ja, ein paar kleinere Vereinfachungen scheint es in der Tat zu geben. Ich hatte ja weiter vorne in diesem Strang schon einmal darauf hingewiesen, dass die Visualisierung kein sicherer Beweis dafür ist, daß tatsächlich genau so gebaut wird; nachträgliche Änderungen gibt es häufig.

    Sich darüber aufzuregen, halte ich allerdings für etwas übertrieben. In welcher Stadt - außer in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] und vereinzelt in Berlin - wird denn überhaupt mal so ein Aufwand dafür betrieben, daß ein hoffnungslos entstuckter und final verhunzter Gründerzeitbau (also ein Gebäude aus einer nach dem Urteil aller Kunsthistoriker und vieler Denkmalpfleger "wertlosen Epoche"), den man kaum noch als solchen erkennen konnte, wieder seine (annäherend) historische Gestalt wiederbekommt? Meist werden solche Gebäude doch einfach abgerissen - ob in Ffm oder in einer anderen Großstadt! Oder "modernisiert" (=noch mehr verunstaltet). Bei einem solchen Projekt kann ich ein paar Vereinfachungen gut verkraften. Das ist etwas anderes, als wenn etwa bei den Barockbauten am Dresdner Neumarkt gespart, gemogelt und vereinfacht wird.

  • Luxusprobleme oder was?!
    wir sollten auf das Endergebnis warten und dann urteilen... grundsätzlich glaube ich aber, dass das eine sehr hochwertige Sanierung ist, und man nur hoffen kann, dass diese auf die Umgebung ausstrahlt und weitere derartige Projekte nachzieht...

  • Kaiserstraße 48 ohne Gerüst

    Das Gebäude ist abgerüstet und äußerlich nahezu fertiggestellt:

    Um die Leistung des Investors, des Architekten und der Handwerker zu ermessen, sollte man sich auf jeden Fall zum Vergleich zuerst noch einmal den
    Zustand des Gebäudes seit den 60er Jahren reinziehen und dann noch einen Blick auf das komplett "gerupfte" Gebäude vor der Sanierung werfen:


    Ein paar Details der Fassade:

    So werden die Balkongitter aussehen:


    Interessantes Konglomerat zwischen rekonstruierter Fassade, Resten der alten Bausubstanz, neuem Baumaterial und - offenbar - der originalen alten Tür. Man konnte durch die Tür erkennen (aber leider nicht anständig fotografieren, daß auch das Foyer noch (oder wieder?) wilhelminische Pracht hat.


    Ensemblewirkung: Vergleich mit dem Nachbarhaus...

    ...und das Zusammenwirken mit der nächsten Häuserzeile (ganz links im Bild ist die Nr. 48 zu sehen).


    Ich kann zu diesem Projekt nur sagen: :applaus::anbeten::ueberkopfstreichen: und :daumenoben: Und ich hoffe auf den einen oder anderen Nachahmer! So kann aus dem Bahnhofsviertel wirklich noch etwas werden.

  • Sehr schön.

    Was mir auffällt sind sie Fallrohre. Warum laufen die denn mitten über die Fassade? Bei den Altbauten daneben sind die auch eleganter angebracht.

  • Nehmt es mir nicht übel, aber ich finde das Ergebnis der Sanierung wahrlich scheußlich!

    Bei dem Projekt handelt es sich augenscheinlich um keine Rekonstruktion, sondern vielmehr um die Interpretation der einstigen Fassade. Und die erscheint mir reichlich misslungen! Die Details sind viel zu flach und wirken vereinzelt grob. Einige Lösungen machen einen vollkommen undurchdachten Eindruck. Wenn ich mir beispielsweise die Dachentwässerung anschaue, durchzuckt mich ein leichter Schauder. Hat hier wirklich ein Architekt mitgearbeitet?
    Vielleicht wäre, so muss man bei den Ergebnissen leider konstatieren, eine gänzlich neue Fassade die bessere Alternative gewesen? Ich zumindest kann mich mit dieser Art von Kitsch nicht sonderlich anfreunden.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • bilderbuch: Niemand hat behauptet das es sich um eine Rekonstruktion handelt. Das Ergebnis als "wahrlich scheußlich" zu bezeichnen kann ich kaum nachvollziehen. Sicherlich sieht es, gerade ohne Abnutzungserscheinungen, etwas künstlich aus, aber was Du da siehst, kann man ohne Zweifel als Paradigmenwechsel im Umgang mit gründerzeitlicher Bebauung in Frankfurt/M. bezeichnen. Normalerweise wird sowas in Frankfurt/M. abgerissen und durch gesichtlose Investorenarchtitektur ersetzt.. Dass ein entstucktes Haus, auf dieses Art wiederbelebt wird ist ein Novum und kann in diesem Forum, trotz handwerklicher Schwächen, eigentlich nur gefeiert werden.

    ...

  • Wikos: Sehe ich genauso. Ist doch in der Summe eine unglaubliche Verbesserung gegenüber dem Vorzustand, auch was das aus meiner Sicht so wichtige Stadtbild/Ensemblewirkung angeht. Der Maßstab kann (und muss) in Deutschland nunmal nicht immer originalgetreue Rekonstruktion sein.

    Als Solitär betrachtet, hätte man an dem Gebäude sicherlich einiges besser machen können (z.B. die Fallrohre), aber was für eine Aufwertung des gesamten Straßenzuges und seiner Umgebung, auch im Hinblick auf mögliche Nachahmer. Häufig versauen ja nur ein, zwei kaputtrenovierte oder schlecht neugebaute Häuser eine ganze Straße. Für mich auch ganz einfach ein Grund zur Freude!

  • Entschuldigung, bilderbuch, in den neuen Bundesländern kann man an jeder Ecke Sanierungen mit Fassadenrekonstruktionen sehen, die i.d. Regel besser gelungen sind. Dies liegt daran, dass die vorhandenen Vorlagen und Reste dort in aller Regel aussagekräftiger sind. Fast immer haben die Handwerker und Planer konkrete Reste mit Maßen, die nachgearbeitet werden können. Das gilt sowohl für den Stuck als auch für Fenster-Profilierungen. In Westdeutschland ist das viel komplizierter, weil wie im Fall der Kaiserstraße vor mehr als einer Generation alles entsorgt wurde, und zwar deutlich gründlicher als in der ex DDR. Diejenigen, die heute im Westen die Dinge nachschaffen, haben die Vorbilder nicht mehr vor Augen, auch die Vergeleichsbeispiele nicht. Man weiß nicht mehr, wie z.B. korrekte Fenstersprossen in dem jeweiligen Zeitschnitt aussahen, weil es quasi keine Original-Fenster mehr gibt.
    Sowohl vor diesem, als auch vor dem Hintergrund, dass in Westdeutschland seit 1950 nur noch entstuckt, aber nahezu niemals wieder bestuckt wurde, ist das Beispiel Kasierstraße hoch zu bewerten, auch wenn sein Ergebnis möglicher Weise in einigen Details nicht besonders gut gelungen ist. Inwieweit der Denkmalschutz eine Rolle spielt, kann nur gemutmaßt werden. In Ostdeutschland unterstützt der Denkmalschutz Fassadenrekonstruktionen, im Westen habe ich noch nie davon gehört. Entsprechend mieser werdn die Ergebnisse.
    Was die Regenrohre betrifft, sind diese auf die ausgezeichnete DIN-Normen-Welt im Bereich der Haustechnik zurückzuführen. Balkone brauchen nach DIN eine Entwässerung, sonst kann der Wohnungskäufer klagen. Das möchte der Bauherr/Architekt nicht. Daher wurden die Rohre gebaut, während diese an den benachbarten Altbauten schlicht und einfach nie vorhanden waren (dort läuft das Wasser einfach über eine umlaufende Tropfkante ab). Bei Sanierungen in den neuen Bundesländern wird läufig viel mehr mit Augenmaß (nicht nach DIN) gemacht. Mein Balkon beispielsweise hat auch keinen Ablauf mit Regenrohranschluss, obwohl 2004 neu saniert/Balkon rekonstruiert, aber in Ostdeutschland wohnen ja auch nicht in jeder Wohnung allwissende Juristen oder Lehrer.

  • Der Maßstab kann (und muss) in Deutschland nunmal nicht immer originalgetreue Rekonstruktion sein.


    Eben. Da ist noch mehr als Reko und Modernismus. Aber Ideologie und Dogma lassen dies nur ungerne zu.
    Kitsch? Disneyland, ick hör Dir trapsen...

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
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  • Nunja, natürlich kann man mit dem Ergebnis zufrieden sein und frei von der Leber weg behaupten, dass es sich hierbei um ein recht nettes Häuslein handelt. Sicher!
    Wenn man allerdings für eine neue wertige, den heutigen Produkten des Bauindustrialismus überlegene Architektur eintritt, dann kann diese Fassadensanierung sicherlich kein Maßstab sein und darf entsprechend auch nicht als Erfolg bejubelt werden. In meinen Augen ist die Fassade mit Schwächen überhäuft, die sie eher als argumentative Krücke der Gegenseite qualifizieren (was leider auch auf viele Rekonstruktionen zutrifft). Unserer Sache ist sie jedenfalls abträglich. Meine Meinung!

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Nein, sehe ich überhaupt nicht so. Dieses Argument von "unserer Sache abträglich", das des öfteren auftaucht, kann ich zudem einfach nicht mehr hören. Diejenigen, die gegen Rekonstruktionen agieren, finden ohnehin stets ein "Argument", um ihre Position zu untermauern. Wenn die sich nun über Profiltiefen von Ornamenten oder Fallrohrverlegungen mokieren, machen sie sich allerdings eher selbst lächerlich. Denn der Vergleich zur modernistischen Alternative spricht ja für sich. Der Normalbürger sieht indes den Unterschied des jetzigen Zustands zum vorherigen und bildet sich - ganz abgesehen von kleinen Einschränkungen - rasch seine Meinung. Und diese dürfte auch der Reko-Sache nicht schaden. Nein, dieser Bau ist, wie "Wikos" richtig feststellt, für Frankfurt ein Paradigmenwechsel. Er zeigt nämlich, dass es für Investoren offenbar lohnend ist, rekonstruktive oder historisierende Sanierungen oder Neubauten auszuführen, was noch zu nicht absehbaren Folgen führen kann. Man sollte nämlich nie aus den Augen verlieren, dass die Rekonstruktionsbewegung nur ein kleiner Teilbereich bzw. ein erster Schritt ist, hinter der es um das Finden einer neuen Baugesinnung geht.

  • Ich gebe im wesentlichen Heimdall recht. Nach vollzogenem Paradigmenwechsel beginnt für Architekten, Bauherren und Stadtpublikum ein Lernprozess, wie wir ihn auch bei anderen stadtbaukünstlerischen Aufbrüchen beobachten konnten. Da wo die Rekonstuktionspraxis schon einen Entwicklungsstrang erkennen lässt wie am Dresdner Neumarkt, beobachten wir einen Wandel von gröberen Anfängen zur allmählichen Verfeinerung hin. Die ersten historisierenden Entwürfe der Brüder Patzschke waren noch so grobschlächtig, dass sie sie heute gar nicht mehr zeigen wollen. Was da in Frankfurt an der Kaiserstraße sich ereignet hat, hat für westdeutsche Städte solch revolutionäre Strahlkraft, dass man das Grobe und Unbeholfene gerne hinnimmt. Jeder sensible Betrachter dieser Fassade wird den qualitativen Unterschied zu den benachbarten echten Gründerzeitfassaden leicht bemerken, und der nächste Investor, der diesen Weg gehen will, wird seinem Architekten ganz anders auf die Finger sehen. Wir brauchen das Unzulängliche als Lehrmeister zum Besseren hin.

  • Nun ja - es gibt auch Fußballfans, die ihre eigene Mannschaft nach einem mühsam erkämpften 1:0-Heimsieg auspfeifen. Weil sie gerne einen 6:0-Kantersieg mit technisch perfektem Kombinationsfußball gehabt hätten. Sie ignorieren dabei, daß dieses 1:0 drei wichtige Punkte gegen den Abstieg bedeutet und daß die Anhänger anderer Mannschaften, die eine Niederlage nach der anderen kassieren und abgeschlagen am Tabellenende stehen, einiges darum geben würden, wenn sie endlich mal ein Spiel gewinnen würden.

    Ich verstehe immer noch nicht, wie man sich über ein paar Regenfallrohre oder ein paar (wenige) Vereinfachungen in der Fassade aufregen kann. Ich habe extra noch einmal die beiden Vorher-Ansichten des Gebäudes gepostet; insbesondere das erste Foto müßte doch eigentlich auch den größten Nörglern und Perfektionisten verdeutlicht haben, daß die Kaiserstraße 48 zu unfaßbarer Häßlichkeit verkommen war; ich habe den Kasten lange Jahre überhaupt nicht als Altbau wahrgenommen, sondern als irgendein lieblos hingeschissenes Nachkriegsprovisorium. Jetzt fügt sich der Bau wieder harmonisch ein in die zahlreichen erhaltenen Altbauten im Bahnhofsviertel. Ich kann keinen Kitsch oder sonst irgendetwas verwerfliches an dem Ergebnis erkennen.

    Bislang wurde in Frankfurt (und zwar bis in die heutige Zeit) mit entstuckten und ihres Daches beraubten Altbauten ganz anders verfahren: Sie wurden eines Tages abgerissen und durch gesichtslose Neubauten ersetzt (Beispiel: die beiden Häuser links im Bild; an der Hauptwache; das große in den 1970ern, das schmale in den 1990ern verschwunden - nur zwei von vielen, ich könnte noch diverse Beispiele nennen). Daß es hier so ganz anders gekommen ist, ist ein kleines Wunder. Man muß sich vor Augen halten, was die Alternative gewesen wäre!