München - Hauptbahnhof

  • Ich beziehe mich auf den Umgestaltungsentwurf des Architekturbüros Fahr und Partner (http://www.fahr-partner.de/bauten_projekte.html) für den Münchner Hauptbahnhof. Der Plan wurde von 1980 bis 1989 unter laufendem Betrieb in Ansätzen umgesetzt, vor allem in den Bereichen rechter Hand (von der Stadt aus gesehen), im Übergangsbereich von der Haupthalle zur Querhalle.

    Der Entwurf sah eine konsequente Überformung der Nachkriegskonzeption vor, wobei Edelstahlstrukturen eine einheitliche Anmutung mit vielerlei Detaillösungen schaffen sollten. Alle erhaltenen Bürcklein-Elemente sollten kontrastierend zu der materialbetonten Moderne herausgehoben werden, der Gesamteindruck der Haupthalle sollte dank einer Öffnung der Decke mittels eines spitzgiebligen Lichtbands lichtdurchflutet wirken und durch zwei Reihen von Edelstahlpfeilern kathedralenhaft. Die Außenfassade sollte nur im Eingangsbereich der neuen Konzeption angepasst werden.

    Der Entwurf wurde seinerzeit viel gerühmt. Warum er nicht durchgezogen wurde, ist mir nicht bekannt. Wie so oft im Bahnhofsbau dürften vordergründige Renditeerwägungen und ein gestaltvergessenes, konzeptionsloses Zweckmäßigkeitsdenken den großen Wurf abgewürgt haben. Ich frage mich, nachdem durch Jahrzehnte architektonische Unbedarftheit das Szepter geführt hat, wie nun auf einmal mit dem Auer/Weber-Entwurf der große Befreiungsschlag kommen soll, der dann auch zügig umgesetzt werden wird.

  • Hallo zusammen,

    ich weiß nicht, ob ich in diesem Thread richtig bin, um mich vorzustellen, aber die Fotos in diesem Thread haben mir in den letzten Wochen sehr geholfen.
    Ich arbeite in meiner Freizeit an einer Rekonstruktion des alten Münchener Hauptbahnhofs und der unmittelbaren Umgebung. (Als nächstes würde ich dann den Glaspalast angehen und mich zum Karlsplatz vorarbeiten...)

    Der Grund, warum ich hier schreibe, ist, dass ich Fotos vom Umfeld des Bahnhofs um 1900 bräuchte. Die meisten Fotos, die ich gefunden habe, haben den Hauptbahnhof selbst im Fokus und die Gebäude in der Umgebung sind meist kaum zu sehen. Konkret z.B. suche ich Bilder vom ursprünglichen Telegrafenamt, das heute zwar noch existiert, aber vermutlich nicht so ausgesehen hat wie heute.

    Würde mich freuen, wenn mir jemand helfen könnte.

    Im folgenden noch ein aktueller ScreenShot von meinem Projekt. Noch sehr rudimentär, weil ich das nur nebenbei betreibe und auch die Gebäude erst in einer einfachen Version erstelle und mich um die Details später kümmern würde:

    Mit besten Grüßen und Dank im Voraus,

    Günther

  • Servus Günther, toll, was du da machst, Kompliment!

    Schau mal im Onlinearchiv des Stadtarchivs München:

    https://stadtarchiv.muenchen.de/scopeQuery/suchinfo.aspx

    Klicke auf Volltextsuche, gib Hauptbahnhof oder Telegrafenamt in die Suchmaske ein und gehe dann in der linken Spalte auf "In die Bildübersicht wechseln", dann siehst du die online einsehbaren Fotos. Es gibt natürlich auch noch recht viele alte Fotos, die noch nicht vom Stadtarchiv eingescannt worden sind und für die du ins Stadtarchiv gehen müsstest, um sie anzuschauen; aber sehr viele Fotos sind schon online zu besichtigen.

    Viel Erfolg weiterhin bei deiner Arbeit!!

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Hallo Leonhard,

    besten Dank für deine schnelle Antwort!
    Ja, das Stadtarchiv hatte ich schon vor einiger Zeit entdeckt, war aber offensichtlich zu doof, zu merken, dass es da auch Bilder online gibt... :(

    Ich werde dort auch persönlich vorbeischauen, wenn ich wieder in München bin. Bis Ende Juni allerdings habe ich ein Projekt in Niederbayern und komme da nicht weg.

    Dank nochmal!

    G.

  • Oh, da hat sich ja einiges an "Likes" angesammelt... :)
    Wenn Interesse besteht, kann ich ja immer wenn es Neues gibt (alle 1-2 Wochen vermutlich) hier wieder etwas posten. Soll ich das auf diesem Thread tun oder lieber einen eigenen eröffnen?

    Ich werde in den nächsten Wochen auch eine begehbare Version online stellen - da kann dann jeder selbst herumlaufen.
    Nachdem es inzwischen doch eine Reihe von "Fans" gibt, werde ich vielleicht auch noch eine WebSite ins Leben rufen.

    Der Tipp mit dem Stadtarchiv war ein Volltreffer - ich hab gestern den ganzen Tag nur Fotos angeschaut...
    Daher Danke nochmal!

  • Ein eigener Thread ist sicher besser, weil es in diesem ja um aktuelle Bauvorhaben in München geht. Wobei ich nichts dagegen hätte, wenn deine Visualisierungen als Grundlage für aktuelle Rekonstruktionen dienen würden ;)
    Ich freu mich auf deine Präsentationen!

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Ich würde es eher unter Galerien / Reg.bez. Oberbayern anlegen, da sind Threads mit alten und neuen Fotos von München zu sehen, da passen deine Modelle von zerstörten Bauten in München gut dazu, weil sie auch dokumentieren, wie München einmal ausgeschaut hat.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • OK.

    Dass meine Rekonstruktion vom Bahnhof mal als Vorlage dienen könnte, wage ich leider zu bezweifeln. Nachdem was ich so sehe, wird der neue Bahnhof in München eher so ein 0815-Glasklotz. Ganz wie in Wien (bin ja Wiener): da hat man es auch geschafft, dass der neue Westbahnhof noch hässlicher wurde, als der alte...

    Und die (langfristige) Idee meines Projekts ist ja auch, einen Eindruck zu vermitteln, wie hübsch München mal war. (Es gibt auch heute noch einige hübsche Ecken...) Besonders die Sonnenstrasse mit der alten Matthäuskirche dürfte sehr ansprechend gewesen sein. Aber bis ich dahin komme, werden noch ein paar Jahre vergehen... ;)

  • Ja, leider ist die Geschichte mit dem neuen Bahnhof größtenteils schon gelaufen und der 0815-Glasklotz beschlossene Sache. Es gab allerdings durchaus Befürworter, den alten Bahnhof zu rekonstruieren, sogar der recht hohe CSU-Politiker Gauweiler sprach sich dafür aus; aber erstens stand diesem Vorhaben immer der zentrale 50-Jahre Haupteingang am Bahnhofsplatz im Wege, weil dieser von vielen Seiten als herausragendes Beispiel der 50-er Jahre Architektur angesehen wird und sogar unter Denkmalschutz gestellt werden soll, und zweitens die üblichen Argumente, dass München was Modernes, dem 21. Jhdt Gemäßes als Entrée braucht, bla bla bla. Wahrscheinlich kommt noch hinzu, dass die Bahn als Bauherr möglichst viel Nutzfläche zum vermieten haben möchte und deswegen so ein flacherer Bau für sie wirtschaftlich nicht erwünscht ist. Die einzige offene Streitfrage (soweit ich informiert bin) ist, ob sie den hohen Glasturm an der Arnulfstraße bauen dürfen oder nicht.
    Ja, die Sonnenstraße war um die Jahrthundertwende sehr schön und mondän, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen... im Stadtarchiv gibt's viele Fotos hierzu. Die Situation mit der alten Matthäuskirche war besonders reizvoll. Heute ist die Sonnenstraße ja eine der schrecklichsten Straßen Münchens...
    Ich finde dein Vorhaben toll, viel Erfolg!

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Es ist mit der modernen Architektur oft irgendwie dasselbe, was ich beruflich mit Grafik-Designern erlebe: da wird andauernd das "neue Schlichte" bemüht - alles ganz einfach, übersichtlich, spartanisch.

    Man sehe sich nur die Optik von Windows 10 an - da weiß man oft nicht einmal mehr, was man anklicken kann und was nicht... Dazu kommt noch, dass man andauernd irgendwelche Affentänze am Touch-Screen vollführen muss, weil alles so schlicht ist, dass man nicht einmal irgendwo einen Button findet...

    Ich werde allerdings das Gefühl nicht los, dass es in vielen Fällen Einfallslosigkeit und mangelnder Mut ist, der solche "Designs" hervorbringt. Alles muss "konform" sein, nicht angreifbar...
    Aber irgendwie denke ich, dass Charakter durch das Besondere kommt, nicht durch Anpassung - nicht nur in Architektur und Grafik-Design...

  • Hallo Thommystyle,

    danke für das Kompliment!

    Ja, der Bahnhof selbst ist inzwischen gar nicht mehr das Problem. Mittlerweile habe ich an die 100 Fotos vom Gebäude. Danke aber für die Links - zwei kannte ich noch nicht. (Pinterest.de ist auch eine recht brauchbare Quelle.)

    Aber durch den Anschubser von Leonhard habe ich jetzt mit dem Stadtarchiv eine ausgeprochen reichhaltige Quelle...

  • Weil ich gerade wieder am "Sondieren" bin...
    Eine Frage, die mich schon länger umtreibt...:

    Waren 1900 in München die meisten Gebäude grau? Nachdem es ja fast nur schwarz-weiß Fotos gibt, könnte man den Eindruck haben... Aber dummerweise sind auf schwarz-weiß Fotos alle Farben grau...

    Wie war das damals? Gab es kräftige Farben? Oder eher Natur-/Erd-Farben? Wurde damals regelmäßig renoviert (und damit neu gestrichen)? Wurde überhaupt gestrichen?
    Nachdem damals wohl noch größtenteils mit Kohle geheizt wurde (das legen die vielen Schornsteine auf den Dächern nahe), dürfte sich der Staub auch auf den Fassaden niedergeschlagen haben...

    Wenn ich mir ältere Gebäude in Wien (oder auch in Schwabing) anschaue, dann haben die heute meist Pastellfarben...

    Bei meinem Bahnhof z.B. habe ich den Eindruck, dass meine Farben "zu bunt" sind. Waren die gedeckter? Nachdem das Gebäude aus Ziegeln gebaut wurde, würde ich annehmen, dass es keine "gefärbten" oder angemalten Ziegel waren, sondern Ziegeln aus verschiedenen Tonsorten, die dann den farblichen Rot- und Gelb- (bzw. Ocker-?)ton ergaben...?

    Nach den Grautönen auf den Fotos habe ich auch den Eindruck, dass die Originalfarben (rot/gelb) deutlich dunkler waren.

    Die Ornamentik an der Fassade des HBFs (Torbögen, Fensterumrahmungen, Skulpturen usw.) war wohl Sandstein - daher wohl ein sehr blasses Gelb bzw. Orange?

    Vielleicht kann ja jemand, der damals schon gelebt hat, Auskunft geben... ;)

  • Die Frage nach den historischen Farben der Münchner Gebäude ist nicht ganz einfach zu beantworten.
    Wie du sicher weißt, wurde in München bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts ausschließlich mit Ziegelsteinen gebaut, Naturstein gab's nur für einzelne Zierelemente wie z.B. Hausportale, Brüstungen oder ähnliches. Die Ziegelmauern wurden dann verputzt und gestrichen. Zur Renaissance- und Barockzeit waren die Häuser meistens relativ bunt, entweder mit Malereien oder in der Barock- und Rokokozeit mit Stuckaturen versehen, die farblich von der Fassade abgesetzt waren (ein Beispiel dafür wäre das Palais Preysing in der Residenzstraße). Im 19. Jahrhundert wurden, im Zuge des gewandelten Geschmacks in Richtung klassizistischer "Simplizität", aber wahrscheinlich auch aus Bequemlichkeit, die Fassaden zunehmend monochrom gestrichen, meistens in Grau- und Ockertönen, die aber auch ins grünliche und pastellfarbene gehen konnten. Von daher, glaube ich, liegst du mit deiner Vermutung, dass es sich insgesamt um "Natur-/Erd-Farben" handelte, schon richtig. Verschmutzung durch Ruß hat sicher auch eine große Rolle gespielt und ganz sicher hat man die Gebäude nicht regelmäßig renoviert und so "aseptisch" sauber gehalten wie heute ;) das kann man auch recht deutlich auf den alten Fotos erkennen, dass die Häuser damals wesentlich mehr Patina hatten als heute (eine Sache, die mir heutzutage sehr abgeht...)
    Für die Beantwortung deiner Frage können auch einige Gemälde aus dem 19. Jhdt dienlich sein, welche Häuseransichten in Farbe darstellen, so z.B. von Domenico Quaglio (z.B. Residenzstraße, Nordseite Residenz, Alte Reitschule, Viktualienmarkt), Heinrich Adam (Neuhauser Straße, Max-Joseph-Platz, Isartor, Ludwigsbrücke), Ferdinand Jodl (Tal, Promenadestraße), Carl August Lebschée (Schwabinger Tor, Palais Törring-Seefeld). Das wären allesamt Maler aus der ersten Hälfte des 19. Jhdts, bzgl. gemalten Ansichten um 1900 kannst du bei den verschiedenen Postkartenanbietern schauen, die dir thommystyle bereits genannt hat, hier nur einige schnelle Beispiele: Lenbachplatz, Odeonsplatz, Platzl, Künstlerhaus & Synagoge, Blick vom Maximilianeum.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Ach ja, ich hab da noch was für dich:

    Ansicht von ca. 1850 nach Fertigstellung des ersten Bauabschnitts.

    Und dann noch zwei kolorierte Postkarten:

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus