Am Beispiel eines Artikels aus der Neuen Züricher Zeitung. Überdeutlich wird hier, mit welcher Verächtlichkeit und Arroganz mit dem Urteil der "ganz normalen" Bürger umgegangen wird. Ein paar Auszüge:
Viel Kritik, etwas Lob und einige Durchhalteparolen
Die neue Beleuchtung über der Bahnhofstrasse einen Monat nach der Einweihung
Seit exakt einem Monat glimmt die neue Weihnachtsbeleuchtung über der Bahnhofstrasse. Der Sturm der Entrüstung aus der Bevölkerung hat sich inzwischen etwas gelegt, doch von verbreiteter Begeisterung kann nicht die Rede sein. Die Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse als Auftraggeberin und die zuständigen Architekten üben sich in Geduld. Sie stellen kleine Anpassungen in Aussicht, halten aber am Konzept fest.
urs. Eines zumindest ist der Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse zuzugestehen: Sie hat Mut gezeigt. (Anm.: Was hat das bitte mit Mut zu tun...?) Aus Gedankenlosigkeit nämlich fiel ihr Entscheid, die neue Beleuchtung über der Bahnhofstrasse als derartigen Bruch mit der Tradition (Anm.: gähn...) zu lancieren, gewiss nicht.
"Man hätte es sich einfach machen und im Projektwettbewerb vertretene Ideen für Kontinuität verwirklichen können (Anm.: Ja, hättet ihr das mal gemacht...) : Mit einer Anknüpfung an den vormaligen Lichterbaldachin, der in gut dreissig Jahren so vielen ans Herz gewachsen war, hätte das Risiko in engen Grenzen gehalten werden können."
(Anm.: Also wer riskiert, Mist zu produzieren hat es richtig gemacht? Verdrehte Welt...)
"Stattdessen hat die private Vereinigung auf Antrag einer Wettbewerbsjury auf eine kompromisslose Neuerung gesetzt: 275 herunterhängende Stangen mit insgesamt rund 240 000 Leuchtdioden hängen nun über der Bahnhofstrasse. Sie verbreiten kühles, glanzloses Licht, das an Neonröhren erinnert, wenn sie nicht mit Mustern bespielt werden."
Wächst mit Gewöhnung die Zuneigung?
"Den Mutigen gehöre die Welt, sagt der Volksmund. Aber nicht immer fliegen ihnen die Herzen zu. Exakt einen Monat ist es her, seit die neue Beleuchtung der Öffentlichkeit übergeben worden ist. In Leserbriefspalten, in Trams und Lokalen wird seither vor allem gespottet und geschimpft. Die Stimmen, die der Lichtorgel formale Kraft attestieren und das Vermeiden von Kitsch loben, gehen darin fast unter. Einer Mehrheit aber geht es wohl ähnlich wie Rilkes Panther in seinem Käfig: «Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.» Die kühl illuminierten Stangen mögen Verblüffung auslösen über die Möglichkeiten moderner Lichttechnik; im Innersten berührt die Installation, die unter dem megalomanischen Titel «The World's Largest Timepiece» lanciert wurde, nur wenige. Man fühlt sich unter anderem an Zürcher Bars erinnert, die in den letzten Jahren mit Leuchtdioden und unterkühlter Atmosphäre experimentiert haben. Inzwischen ist in dieser Branche ein deutlicher Gegentrend hin zur Gemütlichkeit auszumachen.
Die Hoffnung an der Bahnhofstrasse, dass die Gewöhnung mit den Wochen auch die Zuneigung wachsen lasse, hat sich nur ansatzweise erfüllt. Zwar hat der im Verlauf des Dezembers vollzogene, im Konzept vorgesehene Wechsel von horizontal zu vertikal verlaufenden Mustern die anfangs eiskalte Wirkung deutlich gemildert...
Doch der Gesamteindruck bleibt für viele eigentümlich fremd und wenig einladend. Die Reaktionen der Passanten und Stammgäste seien nach wie vor vernichtend, hiess es am Donnerstag beispielsweise im Café Ernst an der Bahnhofstrasse."
"Die Bahnhofstrassen-Vereinigung, die für das Werk 2,4 Millionen Franken zusammengebracht hat, reagiert auf die allenthalben zu lesende und zu hörende Kritik wie jemand, dessen Geschenk nach dem Auspacken retourniert oder zumindest geschmäht wird. «Den einen gefällt's, den anderen halt nicht», hält die PR-Verantwortliche Heidi Mühlemann lakonisch fest. Am Konzept werde man nichts Grundlegendes ändern; ein Austausch der eingebauten Leuchtdioden gegen solche, die wärmeres Licht produzieren, sei kein Thema."
"Gramazio (Architekt) betont, alle beteiligten Kreise hätten mit Widerstand gerechnet. Das Schlimmste wäre für ihn eine Lösung gewesen, die alle nett gefunden und schweigend hingenommen hätten..."
"Gramazio ist der Ansicht, dass die meisten Kritiker des Werks die hinter diesem steckende Idee nicht verstanden hätten."
Neue Zürcher Zeitung, 23.12.2005
Bilder des Werks: http://www.bahnhofstrasse-zuerich.ch/presse_d.html