• Bei der Treppe des Neuen Museum hat Chippi den zerschredderten Marmor der beschädigten und abgebrochenen Stüler-Treppe verwendet. Es ist gut möglich, dass er wieder Marmorschredder verwendet.

  • Auch ich kann den "Betonstäbchenkolonnaden" (treffender Ausdruck!) nicht viel abgewinnen. Ein wenig überzeugender Versuch, die antike Säulenhalle in die Moderne zu übertragen mit Pfeilerreihen, die in funktionaler wie konstruktiver Hinsicht der Idee modernen Bauens widersprechen, ohne wirklich eine antikische Anmutung zu erzielen. Er hätte ja Albert Speers Pfeilerreihen weiter abstrahieren können, stattdessen hat er ohne konstruktive Motivation die Proportionen der Pfeiler und der Zwischenräume ins Ausdrucklose verzerrt. Die Pfeiler tragen nichts mehr, sind nur noch (modernistisches) Dekor.

  • Ich stimme Philoikodomos völlig zu. An sich ist der Entwurf eines solchen Entrées gelungen. Ich habe schon einmal geschrieben, dass der Treppenaufgang der James-Simon-Galerie an die athenischen Propyläen erinnert.

    Nur die Säulen-, bzw. Pfeilerordnung ist geradezu grotesk. Erstens haben solche Pfeiler eine lediglich dekorative, keine bautechnische Funktion, die sich aus dem Gesamtzusammenhang des Gebäudes organisch ergeben würde. Zweitens folgt diese Pfeilerreihe keiner traditionellen Proportion. Das Verhältnis zwischen Säulenhöhe und Säulenabstand lässt sich ja in ästhetischer Hinsicht mathematisch ermitteln. Offenbar gehören derlei Überlegungen, wie sie das geistige Handwerkszeug aller Architekten der europäischen Tradition ausmachten, heute nicht mehr zum festen Repertoire unserer Baukünstler.

    Dass der Goldene Schnitt und die damit zusammenhängenden Gesetzmäßigkeiten der Proportion weitgehend verworfen wurden, mag für die einen die große Öffnung und Befreiung der Architektur von den Fesseln der Tradition sein. Irgendwann aber wird man darin eine geistige Verarmung ersten Ranges erkennen.

    „Im Werk der Kunst hat sich die Wahrheit des Seienden ins Werk gesetzt.“, Martin Heidegger

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    Dem kann ich mich nicht anschließen. Die alten Kolonnaden in dorischer Ordnung haben auch nicht mehr praktischen oder bautechnischen Nutzen als die Pfeilervariante von Chipperfield.


    Wie man sie geschmacklich beurteilt, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Daß die modernistische Variante dabei besser demselben mathematischen Verhältnis wie die klassische folgen sollte, erschließt sich mir nicht. Auf mich wirkt auch der neue Entwurf durchaus ästhetisch. Er hat eine eigene Gestaltungssprache und damit auch ein eigenes Proportionssystem, das ich aber durchaus positiv bewerte. Die etwas verunglückte Gestaltung (vor allem fehlendes Hauptgesims) des ergänzten Flügels des Neuen Museums scheint sich hier nicht zu wiederholen. Auf mich wirkt Chipperfields Entwurf in sich und in Kombination mit dem Bestand sehr gelungen.


    Eher könnte ich es verstehen, wenn jemand sich eine komplette Wiederherstellung bzw. Vervollständigung der Museumsinsel entsprechend historischer Pläne gewünscht hätte. Abgesehen von den zu erwartenden ideologischen Schranken hätten dem aber auch die veränderten Nutzungsanforderungen entgegengestanden. Insofern bin ich doch sehr froh, daß mit Chipperfield ein Architekt zum Zuge kam, der grundsätzlich über sehr viel Wertschätzung für historische Fragmente und traditionelle Techniken hat. Wenn wir schon nicht zum Status quo ante zurückkehren können, ist die nun umgesetzte Planung m.E. von allen Vorschlägen die beste, die wir bekommen konnten. Wenn ich dagegen an Gehrys aus den 90er Jahren denke …


  • In Wirklichkeit lässt sich die atemberaubende Anmutung der Chipper-Betonstäbchenkolonnaden bereits heute an den bereits fertiggestellten Neuen Kolonnaden zwischen Neuem Museum und Pergamonmuseum bewundern.

    Pfui Teufel, diese Spaltmaße und der kalte, hellgraue Farbton. D: Ich sags euch, am Ende werden sich alle wundern: "Huch, ist ja doch nich so dolle wie auf den Visualisierungen geworden." Wenigstens Sandstein als Verkleidung hätte man doch verwenden können. :augenrollen:

  • Nein, hätte man nicht. Bei einer Verwendung von Sandstein könnten die Pfeiler nie so schlank gebaut werden. Das würde auch bei einem Betonkern mit Natursteinverkleidung gelten.

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    Dann hätte man dort ja sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können. Kein Sichtbeton und gleichzeitig nicht mehr so schmale Zahnstocher.
    Aber wenn die Pfeiler wirklich keinerlei tragende Funktion haben wäre es doch auch mit Sandstein möglich solch dürre Gerippe zu erzeugen.

    An anderen Orten hätte ich diese Kolonnaden vielleicht auch als schön empfunden, aber dort finde ich sie einfach nur unglaublich langweilig und unpassend. Naja hier haben sich nun mal leider die Modernisten durchgesetzt sollen sie sich daran erfreuen.

    98% of everything that is built and designed today is pure shit. There's no sense of design, no respect for humanity or for anything else. Frank Gehry

  • Nein, hätte man nicht. Bei einer Verwendung von Sandstein könnten die Pfeiler nie so schlank gebaut werden.


    Natürlich kann ein versierter Steinmetz solche "Säulen" aus Sandstein herstellen, besonders wenn diese keine echte tagende Funktion ausüben. Aber auch bei einer tragenden Funktion kann man Sandstein benutzen, muss man halt etwas härteren Stein mit mehr Quarzit- oder Eisenanteilen nehmen.

    Ich glaube viele haben ein falsches Ideal im Kopf, welches da heisst: Beton (und Zement) ist das allumfassende Wundermaterial der Zeit, ohne Beton kann man nichts machen, Beton hält ewig...Von wegen!

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Also mal ehrlich: Wenn man sich dieses Foto hier anschaut sind die Pfeiler doch gar nicht so schlecht:

    http://www.bbr.bund.de/BBR/DE/Bauproj…lder/JSG_25.jpg

    Gerade durch die warme Farbgestaltung der Verkleidung im unteren Drittel bekommen diese Pfeilerreihen so etwas Anmutiges, aber auch Urbanes.
    Es darf bloß keiner auf die Idee kommen, diese schöne Schutzverkleidung, die wie rötlicher Marmor anmutet, zu entfernen. :biggrin:

  • Aedificium
    Da muss ich Dir widersprechen. Die Frage der Ausführbarkeit der Stützen in Naturstein ist keine der Fähigkeiten des Steinbearbeiters, sondern einzig und allein des Materials! Sicher ist die Festigkeit verschiedener Steinsorten unterschiedlich. Selbstverständlich würde auch eine besonders sorgfältige Prüfung und Auswahl des Steinmaterials die Tragfähigkeit verbessern (wie z.B. bei den Hauptpfeilern und der Kuppel der Frauenkirche geschehen). Naturstein bleibt aber immer Beschränkungen unterworfen, die Stahlbeton nicht hat. Einerseits ist Beton komplett statisch nachweisbar, d.h. jedes Bestandteil ist bis aufs Letzte berechenbar für den Tragwerksplaner. Bei Naturstein geht das aufgrund der "gewachsenen" Struktur eben nicht - jeder Stein ist anders!
    Auf der anderen Seite hat Stahlbeton einen riesigen Vorteil durch die Verbindung von Beton und Bewehrungsstahl. Der Beton übernimmt die Druckkräfte und der Stahl die Zugkräfte. Naturstein kann letztere nur schlecht aufnehmen. Außerdem haben die Stützen selbstverständlich eine tragende Funktion! Die Deckenplatten sollte man dazu auch nicht vergessen.
    Ich möchte mich nicht an der Diskussion über die architektonische Qualität dieses Neubaus beteiligen. Wenn man aber für die konstruktiven Bedingungen die filigrane Pfeilerstruktur des Entwurfs als gegeben voraussetzt, dann ist Naturstein aus den oben von mir genannten Gründen nicht einsetzbar!

  • Ich glaube man sollte langsam das Dogma von DIN-Normen und Betonhörigkeit verlassen. Natursteine und die Fähigkeiten der Steinmetze haben in den vergangenen Jahrhunderten und sogar Jahrtausenden enorme Bauwerke erschaffen welche bis heute ihre Standfestigkeit unter Beweis stellen, sogar der vor Jahrhunderten angefertigte Mörtel ist bis heute in seiner Funktion uneingeschränkt. Stahlbeton hat sicherlich enorme Vorteile: vor allem ist er schnell und billig! Genau das richtige Material für unsere schnelle und billige Zeit, denn an die langfristigen Folgen denkt man ja leider nur sehr wenig. Schaue ich mir die großen Stahlbetonbauwerke der letzten Jahrzehnte an, so muss man feststellen das sie enorme Schäden aufweisen, die mit hohem Arbeits-und Finanzaufwand saniert werden müssen.
    Ich denke mal nicht dass bei diesem "Projekt" besonders hohe Zug= und Druckkräfte aufkommen, die nicht von harten Sandsteinen aufgenommen werden können. Wo ein Wille, da ein Weg, wo kein Wille, da auch kein Weg!!

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Wieso sollen sie denn keine tragende Funktion haben? Sie tragen die Bedachung der Kolonnaden – wie es die Säulen auch tun.

    Natürlich sind diese Pfeiler von tragender Funktion nicht freigestellt. Dennoch dürften viele Zeitgenossen empfinden, dass da etwas nicht zusammenpasst. Solche dünnen Überdachungen werden in der Moderne gern als "Flugdach" ausgeführt, allenfalls nur von wenigen Stützen getragen. Was hier auf der Museumsinsel inszeniert wird, ist dagegen reine Dekoration, denn so dicht gereihte Stützen braucht es nicht für eine solche Überdachung. Etwas anderes ist es mit traditionellen Säulen, die immer einen wuchtigen Architrav zu stemmen haben. Gleichviel, man wird sich an diese dekorativ abgewandelte Moderne gewöhnen und den üppig bemessenen Aufgang und die (ebenfalls als dekorativ zu erlebende) Säulenhalle als angemessenen Zugang zur Berliner "Akropolis" hochschätzen.

  • Das einzige was man Chipperfield und seinem Team vorwerfen könnte, ist dass sie sich in gewisser Weise selbst plagiieren. Ich sehe bei der Berliner Galerie eine sehr große optische Nähe zum Literaturmuseum der Moderne in Marbach: http://www.baunetzwissen.de/objektartikel/…bach_69794.html
    Da dieses Gebäude (wie ich mir selbst vor Ort ein Bild machen konnte) ein wunderschönes Bauwerk ist, nehme ich diese Wiederholung aber sehr gerne in Kauf!

    Aedificium
    Kannst Du meine sachlich vorgebrachten Argumente zu den statischen Anforderungen nicht verstehen oder willst Du einfach nicht? Ich rede hier nicht vom vorhandenen oder nicht vorhandenen Willen der Planer, sondern von simpler Mathematik!

  • @ Philoikódomos

    Natürlich sind diese Pfeiler von tragender Funktion nicht freigestellt. Dennoch dürften viele Zeitgenossen empfinden, dass da etwas nicht zusammenpasst. Solche dünnen Überdachungen werden in der Moderne gern als "Flugdach" ausgeführt, allenfalls nur von wenigen Stützen getragen. Was hier auf der Museumsinsel inszeniert wird, ist dagegen reine Dekoration, denn so dicht gereihte Stützen braucht es nicht für eine solche Überdachung. Etwas anderes ist es mit traditionellen Säulen, die immer einen wuchtigen Architrav zu stemmen haben. Gleichviel, man wird sich an diese dekorativ abgewandelte Moderne gewöhnen und den üppig bemessenen Aufgang und die (ebenfalls als dekorativ zu erlebende) Säulenhalle als angemessenen Zugang zur Berliner "Akropolis" hochschätzen.

    Man sollte einfach die Argumentationsansätze nicht vermischen. Über Geschmack läßt sich bekanntlich nicht streiten. Und das habe ich auch versucht zu unterstreichen: Wer klassische Architektur erwartete, wird enttäuscht sein.

    Auch ich hätte mir eine stilgetreue Wiederherstellung bzw. Ergänzung der Museumsinsel gewünscht. So ist es nicht gekommen und nun gilt es, die zeitgenössische Architektur zu bewerten, die dort entsteht. Ich finde es aber ein wenig unredlich, dieser nun vorzuwerfen, was andernorts an ihr vermißt wird. Ein oft geäußerter Vorwurf gegenüber heutigen Entwürfen ist doch, daß es diesen an Dekorativem fehlt. Sie seien reduziert, funktionalistisch, lieblos etc. Dann wäre es doch eigentlich positiv zu bewerten, daß Chipperfield sich über das Diktum des Funktionalismus hinwegsetzt – wie Du es wohl auch empfindest.

    Widersprechen möchte ich jedoch in Hinblick auf die Funktion der traditionellen Säulen. Schon am griechischen Tempel hatten sie nicht nur statische, sondern auch dekorative Funktion. Proportion der Säule und des Interkolumniums waren schon in der Antike ästhetisch hergeleitet. Spätestens im 19. Jahrhundert hätte man eine solche Kolonnade auf jeden Fall mit einer deutlich geringeren Zahl an Säulen bauen können. In beiden Fällen also sind die vermeintlich tragenden Elemente teilweise einfach nur dekorativ.

  • Ich habe es aufgegeben zu hoffen, dass bei Projekten, an denen die Länder oder der Bund beteiligt sind, zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden. Was anderes als dieser minimalistische Stelzen-Beton hätte die Haushaltsausschüsse passieren können? Demokratie ist ein schlechter Bauherr, wie wir alle wissen. Da gibt es keine echten Innovationen mehr und Bundesbauten sehen aus wie das Zentrum-Warenhaus in Ostberlin vor der Wende. An der Nahtstelle zwischen alter und neuer Kolonnade am Neuen Museum wird ein Bruch inszeniert, der beispielhaft ist für die weiterhin praktizierte Verweigerung. Man kann diese Stelzen mit vielerlei Rhetorik behängen, besser oder ästhetisch anspruchsvoller werden sie dadurch nicht. Sieht alles nach Provisorium aus. :daumenunten:

    Meine ganzen Hoffnungen zielen nun auf die Privatwirtschaft, möge sie die Städte wieder schöner machen.

  • Ich will meine Stellungnahme folgendermaßen präzisieren: Dass in den griechischen Säulenordnungen ein bewundernswerter Ausgleich zwischen dem konstruktiven und dem dekorativen Aspekt gegeben war, ist ja bekannt. Bei Chipperfield dagegen sehe ich ein Überwiegen des Dekorativen vor dem Konstruktiven, insofern als die tragenden Elemente - die vielen dichtgesetzten Pfeiler - ein Übergewicht gegenüber dem zu tragenden Element - der dünnen Überdachung - bilden. Es fehlt mir das Gleichgewicht, was sich auch in den gewagten Proportionen äußert. Nichtsdestoweniger wäre eine Betonung des Dekorativen in der modernen Architektur wünschenswert, aber dieses Dekorative sollte sich dann nicht als konstruktive Lösung gebärden. Aber wie gesagt, man kann diesem ästhetischen Wagnis durchaus Respekt zollen, zumal an diesem Ort, wenn man sich mit dem Bestreben des Architekten auseinandersetzt.