Wesel - Rekonstruktion des Rathauses

  • Mhm...so schön die Fassade auch ausssieht...hier ist die Maskerade ja sowas von unglaublich offensichtlich, dass es schmerzt - gerade deswegen , da man dahinter das hässliche moderne Dach noch sieht.

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia

  • Soweit ich das sehe ist das ja vor allem ein finanzieller Kompromiss gewesen. Ich finde es nicht besser oder schlimmer als in Dresden, wo man hinter Barockfassaden ein Einkaufszentrum vorfindet. Oder in Hildesheim am Markt, wo doch mindestens eine Fassade auch nur vorgehängt ist. Die pejorative Bewertung von Fassaden ist doch eh ein Hirngespinst der Moderne, da sie immer etwas waren, was man meist älteren Gebäuden (so ist es ja streng genommen auch hier) vorgehängt hat. Ingesamt ist diese Rekonstruktion doch vor allem als ein wichtiger erster Schritt gerade in einer Stadt wie Wesel zu werten.

  • Zitat


    Darkvision hat geschrieben:
    "Mhm...so schön die Fassade auch ausssieht...hier ist die Maskerade ja sowas von unglaublich offensichtlich, dass es schmerzt - gerade deswegen , da man dahinter das hässliche moderne Dach noch sieht."

    Nicht das abgeschrägte Dach stört, dies entspricht weitgehend dem Original, sondern die Glasübergänge zu den Nachbarhäusern. Für eine bessere Wirkung der Fassade hätte man die rückbauen müssen.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Beware Darki. Das Dach wurde EXTRA abgeschrägt, um dem historischen Vorbild zu entsprechen. Der Anblick ist also original.

  • Ich finde, in der Schrägansicht mit Dom ergibt das in die 80er-Jahre-Gebäudezeile (Architekturbüro von Lom, glaube ich) integrierte Rathaus ein erstaunlich stimmiges Ensemble. Individuelle Bausituationen bedürfen eben einer individuellen Lösung. Gemessen an dem, was heute als Neubau an einer solchen Stelle zu erwarten wäre, finde ich das damalige Ergebnis eigentlich ganz stimmig. Umso schöner, dass sich quasi bruchlos die historische Rathausfassade einfügen ließ. Bekanntlich fehlte der ganze Baublock bis in die 80er Jahre - durch diese Hauszeile erhielt der Große Markt erstmals seit der Zerstörung seine historische Größe zurück.
    Freilich wäre es genial gewesen, wenn die gesamte Hauszeile inkl. der schlichten Fassaden des 19. Jhs. rekonstruiert worden wäre.

  • Ich finde, dass sich die Fassade gut mit dem dahinterliegenden Bau verträgt. Ein Schuss Postmoderne? Warum denn nicht? Man sollte von derartigen Kontrasten, bei denen das Moderne sozusagen ganz in den Hintergrund gerückt ist, keine Angst haben.

    Waren eigentlich noch Originalteile erhalten, oder war alles pulverisiert?

    Das Zusammenspiel mit den Nachbarhäuserns sehe ich ambivalent. Grundsätzlich ist das Ensemble, insb. die sich ergebende Symmetrie nicht uninteressant, allerdings sind die Nachbarbauten à la longue doch zu schwach und unbedeutend. Für die 80er Jahre eine sehr mäßige Leistung, da hätte man schon weiter sein sollen. Das gilt wohl auch für die übrige Platzbebauung. Da das nun bestehende Ensemble irgendwie stimmig ist, bleibt zu befürchten, dass sich (in absehbarer Zeit) da nichts ändern wird. Es gibt eben viele weit schlimmere, verbesserungsbedürftige Stadtbilder.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich kann mich mit den Glassfassaden nicht anfreunden. @ursus: meiner Kenntnis nach war alles pulverisiert.

  • Ich kann mir nicht helfen - diese spätgotische Fassade, gerahmt von banal-modernen Glasflächen und eingefügt in ein ausdruckslos funktionales Platzbild wirkt einfach grotesk! Das ganze schreit nach anpassender Umgestaltung der Umgebung. Zu hoffen ist, dass die Brutalität dieser Missgestaltung den Druck erzeugt, möglichst bald Abrisse oder wenigstens Fassadenumbauten anzustreben. Optimal wären natürlich weitere Rekonstruktionen, aber auch historisierende und selbst moderne Gestaltungen wären vorstellbar. Das Problem ist nur, dass in Deutschland kaum Architekten aufzutreiben sind, die einer solchen Aufgabe gewachsen wären. Ein international auszuschreibender Wettbewerb würde vielleicht weiterhelfen.

  • Zu hoffen ist, dass die Brutalität dieser Missgestaltung den Druck erzeugt, möglichst bald Abrisse oder wenigstens Fassadenumbauten anzustreben.


    Eher wird sich die Architektenlandschaft darin bestätigt fühlen, dass Disneyrekos nicht funktionieren und dafür plädieren, künftig wieder ehrliche und zeitgemäße Architektur umzusetzen.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Schön wäre, den gotischen Stufengiebel zwei Häuser vor dem Rathaus zu rekonstruieren.

    Aber es stimmt schon, anhand des vorliegenden Beispiels wird deutlich, auf was für ein Billigniveau dieses Land und diese gesellschaft herabgerutscht ist, und das auch noch toll findet und darauf stolz ist. Die 80 er Fassaden sind ja wirklich zum Piepen.

    Allerdings soll es in Wesel Pläne geben, die dem Rathaus gegenüberliegende Seite zu rekonstruieren, weiss jemand etwas darüber ??

  • Zitat

    Aber es stimmt schon, anhand des vorliegenden Beispiels wird deutlich, auf was für ein Billigniveau dieses Land und diese gesellschaft herabgerutscht ist, und das auch noch toll findet und darauf stolz ist.

    Wo steht das bzw. wer sagt das? Und wieso darf man darauf jetzt nicht stolz sein?

  • Ich habe den vorliegenden Zustand als Anlass genommen mich über die allgemeine Situation zu ereifern.

  • Bei allem Respekt, Herzog - aber ich muß auch sagen, daß ich das absolut nicht nachvollziehen kann. Wesel hat nun mit der Rathausfassade den Anfang gemacht und man hofft, daß das Bewußtsein über eine notwendige Stadtreparatur nicht schon wieder einschlafen möge. Die Rathausfassde wird in einigen Jahren ganz genau so dazugehören wie die Münsteraner zu Münster.
    Über die benachbarten Bauten konnte man vor Jahren noch stehen, wie man wollte. Nun ist aber leider die derzeitige Bau"kultur" nicht mehr imstande, etwas zu schaffen, was diesen speziellen Bauten auch nur im Ansatz das Wasser reichen könnte. Wir sind heute in einer neuen Phase der Stadtzerstörungen, in denen die mahnenden Worte z.B. der Herren Krier, Herrn Stimman, und auch des durchaus respektablen Christoph Mäckler an den Rand gedrängt und verlacht werden und z.B. das Würzburger Beispiel Bronnbacher Hof zeigt, daß man heute nur noch Müll zu leisten imstande ist, der dann als Neokubismus und Destabilisierung dem dummen Volk schmackhaft gemacht wird.
    Wer die benachbarten Bauten der 80er diskreditiert, müßte sich dann auch die Frage stellen lassen, was denn im Jahr 2011 geleistet und erstellt werden könnte, das auch nur in 5 Jahren noch einigermaßen akzeptiert werden würde. Da kann ich doch sagen, daß ich selbst im Vergleich zu der tiefen Ablehnung z.B. noch der 80er mit diesen Bauten meinen Frieden geschlossen habe - ganz einfach, weil derzeit einfach nichts rechtes kommt. Besser, sich mit einem kleinen Teufelchen der 80er zu arrangieren, als mit der Teufel Obersten der sogenannten "zeitgemäßen Moderne".

  • Das sehe ich auch so, "Weingeist". Derzeit ist nichts besseres zu erwarten, also sollte man über die postmodernen Nebenbauten froh sein. Das heißt ja nicht, daß in Zukunft nicht auch diese Fassaden einmal überarbeitet werden könnten. Von der gegenüberliegenden Platz-Seite hatte ich mal gehört, daß es Pläne zu einer historisierenden Überarbeitung gäbe, sich aber die Eigentümer noch dagegen sträuben. Zum aktuellen Stand dürften Leute vor Ort mehr wissen.
    Mir gefällt das Rathaus-Projekt übrigens sehr gut.

  • MW. hat man vor, die Häuserzeile gegenüber vom Rathaus zu rekonstruieren (wenigstens die Giebel) und das Bankgebäude am anderen Platzende von der Kirche aus gesehen modern zu überarbeiten. Die Rekonstruktion der Häuserzeile gegenüber vom Rathaus wäre spektakulär. Auch wenn es nur um die Giebel ginge. Ein Vorbild für den Kölner Alten Markt und den Heumarkt..

    VBI DOLOR IBI VIGILES

    2 Mal editiert, zuletzt von Brandmauer (20. Juli 2011 um 20:24)

  • Und in welchem Entwicklungsstadium befinden sich jene Pläne zur Modifikation der Fassaden am Markt? Sie wären eine notwendige Ergänzung zur rekonstruierten Rathausfassade.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Die Rathausfassade war die Initialzündung wie in Dresden die Frauenkirche. Hat ja wohl auch 20 Jahre gedauert von der Idee bis zur Umsetzung. Es werden sicher andere Fassadenrekos folgen am Weseler Markt wie in Dresden am Neumarkt. Die sind jetzt auf den Geschmack gekommen.

  • Was die Aufwertung der übrigen Fassaden am Weseler Marktplatz angeht, habe ich Frau Ewert-Kruse von der Bürgerinitiative am 30. April eine Anfrage gesandt. Die Antwort darauf:

    Zitat

    In Sachen Rathaus sind wir schon sehr weit fortgeschritten, in Sachen Marktplatz
    haben wir seit Dez 2010 eine Gestaltungssatzung.
    Leider sind wir weiter kein Eigentümer von irgend einem der Häuser, und so können wir nur Überzeugungsarbeit leisten, die im Laufe der Jahre Früchte zeigen wird. Auch die Gestaltungssatzung hat lange gedauert, war aber erfolgreich. (...)

    (...)Wenn das Rathaus fertig ist, werden wir auch den Großen Markt in den Focus
    unseres bürgerschaftlichen Engagement stellen. Ich denke, wir werden mit dem
    Brunnen anfangen....

    Da kann man nur hoffen, daß die Hausbesitzer ebenso von der
    Rathausfassade begeistert sind und ihre Häuser dem entsprechend
    umgestalten wollen.

    (Es gibt eine DVD vom Architekturbüro Jaeger aus Wesel, mit dem Titel: "Der Große Markt in Wesel. Eine Stadt entdeckt ihre Mitte". Absolut sehenswert. Zu beziehen über die Bürgerinitiative.)