Wesel - Rekonstruktion des Rathauses

  • Schon 2011 schrieb..

    Frau Ewert-Kruse von der Bürgerinitiative Wesel

    Folgendes:
    "In Sachen Rathaus sind wir schon sehr weit fortgeschritten, in Sachen Marktplatz
    haben wir seit Dez 2010 eine Gestaltungssatzung.
    Leider sind wir weiter kein Eigentümer von irgend einem der Häuser, und
    so können wir nur Überzeugungsarbeit leisten, die im Laufe der Jahre
    Früchte zeigen wird. Auch die Gestaltungssatzung hat lange gedauert, war
    aber erfolgreich. (...)

    (...)Wenn das Rathaus fertig ist, werden wir auch den Großen Markt in den Focus
    unseres bürgerschaftlichen Engagement stellen. Ich denke, wir werden mit dem
    Brunnen anfangen...."


    Wie sind denn aktuell so die Fortschritte? Gibt es schon konkrete Pläne für weitere Rekos am Weseler Großen Markt?
    Das war ja ein fantastisches Raumbild mit tollen flämisch und hanseatisch inspirierten Giebelhäusern sowie klassizistischen Attikahäusern! Mein Favorit wäre das Staffel-Giebelhaus zwei Häuser vor dem Rathaus, herrlich. Hier eine Ansicht von ca. 1852:


    Aus: "Seite 779, Ausgab 2: Das Königreich Preussen in malerischen Original-Ansichten seiner interessantesten Gegenden, merkwürdigsten Städte ... und sonstigen ausgezeichneten Baudenkmaler alter und neuer Zeit. ..., von POPPEL, Johann Gabriel Friedrich." https://commons.wikimedia.org/wiki/File:POPP….jpg?uselang=de


    Vielleicht kann noch jemand detailliertere Ansichten der Bauten am Markt präsentieren?

    Von den Plänen des Architekturbüros Jäger von 2015 zur Aufwertung der Markthausfassaden ist dieses tolle Bild noch online, die weiteren scheinbar leider nicht. Nur ein Thumbnail.

  • Aus Zeitgründen folgt heute nur mal ein kurzer Blick auf das nun fertige Weseler Rathaus. Vielleicht mache ich nächste Woche noch etwas mehr, wenn ich Zeit finde!

    Da es aber bisher keine Bilder im APH von der rekonstruierten Fassade mit allen Figuren gibt, schauen wir jetzt mal wie es aussieht :biggrin:

    Vor Ort stellt sich ein völlig merkwürdiger Eindruck ein. Nicht weil die Fassade nicht gut gemacht ist, sondern weil es wie aus der Zeit gefallen ist. Ich war bisher nie in Wesel, aber die Stadt hat etwas, was ich bisher so nie kannte, nämlich faktisch keine historische Tiefe mehr. Ich bin von der Zitadelle über den Großen Markt zum Hbf gelaufen und die dabei gesichteten Altbauten waren inklusive Dom und Rathausfassade bei nicht einmal zehn. Ich habe so eine Quote noch in keiner deutschen Stadt erlebt und ich hab viel gesehen.

    Wesel ist faktisch eine Neugründung und hat mit der Zeit vor 1945 optisch nichts mehr gemein. In den südlichen Teilen ist auch die Struktur der Stadt weitgehend verloren. Ich bin ehrlich, der Anblick lässt einen tief traurig zurück. Dabei kann man Wesel nicht mal ein gewisses Bemühen bei der 50-er Jahre Architektur absprechen. Aber in dieser geballten Form ist die Stadt irgendwie völlig blutleer.

    Ich werde vielleicht nächste Woche mal die 7 historischen Bauten zeigen und einen kleinen Einblick in den Nachkriegswiederaufbau geben, denn eine Galerie zu Wesel gibt es bisher im APH nicht und ich weiß mittlerweile warum
    :/

    Doch bevor uns die Realität einholt, schauen wir auf das Positive, die rekonstruierte Rathausfassade am Großen Markt.

    Die vollständige Figurenreihe


    Die historischen Leuchter

    Und der Eingangsbereich

    Weitere Details gibt es dann nächste Woche, bis dahin euch ein schönes Wochenende :daumenoben:

    APH - am Puls der Zeit

  • Hat man überhaupt irgendeinen Ort wegen des Krieges komplett aufgegeben?

    Bei Küstrin kann man sich drüber streiten ob es nun "komplett" aufgegeben wurde. Kostrzyn hat jedenfalls nichts mehr mit Küstrin gemein und wo mal die Altstadt war, ist heute eine Wüstung ohne jeden städtebaulichen Bezug zur heutigen Stadt.

  • Deutschlands Städte wären heute noch weitaus gesichts- und geschichtsloser, hätte es nicht zwei Korrektive gegeben: das Privateigentum, was gegen die Zusammenlegung von kleinteiligen Flurstücken wirkte, und das unterirdische Gold in Form der Kanalisation und sonstigen Leitungen. Nur deswegen wurde u.a. Wesel und damit sein Dom - das einzige was ich in dieser Mondlandschaft zu erkennen vermag - an Ort und Stelle wieder aufgebaut.

  • Danke, @Apollo, für die sehr eindrucksvolle Beschreibung. "Aus der Zeit gefallen" trifft es vermutlich sehr gut, obwohl ich noch nie in Wesel war.
    Würzburg wäre wohl auch um ein Haar aufgegeben und auf dem Hubland neu erbaut worden, hätte es nicht die von @erbse genannten Korrektive gegeben.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Die Geschichte gibt es von vielen im Krieg zerstörten Orten. Ich kenne aber keinen einzigen Fall, wo man tatsächlich die Ruinen hätte stehenlassen und auf grüner Wiese neu angefangen hätte.

  • In Nordostpreußen (Kaliningrad) wurden einige kleinere Ortschaften aufgegeben.

    Was wurde aus der Neugestaltung der Häuser am Weseler Marktplatz? Dort gab es schöne Pläne.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Und nebendran neu aufgebaut? Es geht ja um Orte deren Ruinen belassen bzw. aufgegeben und völlig neu aufgebaut wurden.

    Plus Outre

  • (...) ...denn eine Galerie zu Wesel gibt es bisher im APH nicht und ich weiß mittlerweile warum

    Es gab mal eine Galerie. Die ist aber wohl verschwunden. Einige wenige Bilder hätte ich auch noch anzubieten.

    (...) Was wurde aus der Neugestaltung der Häuser am Weseler Marktplatz? Dort gab es schöne Pläne.

    Daraus wurde leider nichts. Die unwilligen Hauseigentümer sind der Grund, warum nichts umgestaltet wird. Der Rathausverein möchte irgendwann einen Brunnen auf dem Platz installieren. Das würde schon viel ausmachen.

    Insgesamt finde ich persönlich Wesel gar nicht so schlimm. Besonders, nachdem die Fußgängerzone umgestaltet wurde. Die Stadt wurde halt nach dem Krieg komplett neu gebaut. Wenn man das weiß, ist es schon in Ordnung.

  • Wesel war 1945 eine Bombenkraterwüste , heute ist es eine Städtebauliche Wüste :crying:

    Das würde ich so nicht sagen - Wesel besitzt zwar kaum historische Zeugen im Stadtbild, aber man war in den 50ern bemüht, es wieder herzustellen und wollte nicht krampfhaft alles neu machen. Daher ist die Beurteilung als städtebauliche Wüste m.E. zu hart, wenn man bedenkt, wie wenig noch übrig war.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • (...) Daher ist die Beurteilung als städtebauliche Wüste m.E. zu hart, wenn man bedenkt, wie wenig noch übrig war.

    Das meine ich auch. Nur weil kaum noch Substanz von vor 1945 da ist, muss eine Stadt nicht direkt hässlich sein. Ich finde Wesel eigentlich recht angenehm. Hier mal zwei Luftbilder vom Zentrum:

    https://www.luftbild.de/wp-content/gal…l-16k3_8156.jpg

    https://www.luftbild.de/wp-content/gal…l-16k3_8145.jpg

    Nun bewegen wir uns aber immer weiter vom Thema des Historischen Rathauses weg. 8)

  • Leider hat es Deutschland verabsäumt, nach nach den beispiellosen Zerstörungen von 1945 generell den Weg Rothenburgs ob der Tauber zu gehen! Wir würden uns vermutlich nicht nur dieses Forum hier sparen, sondern auch unzählige gesellschaftliche Probleme an denen Deutschland heute krankt!