Nürnberg - Nachkriegsprovisorien

  • Hallo zusammen!

    Nun beginne ich auch mal, im APH-Forum meine Gedanken und Erkenntnisse niederzuschreiben. Wollte eigentlich bei Frankfurt beginnen; da ich aber meine umfangreiche Bildersammlung noch nicht ins Netz schicken kann, mache ich hier den Anfang. Als Bauforscher sind die zusammengetragenen Provisorien von Jürgen wahre Leckerbissen; nur schon beim Betrachten der Photos kann man sehr viele baugeschichtliche Details erahnen, auch wenn man die Gebäude noch nie persönlich zu Gesicht bekommen hat!

    Für diejenigen, die sich für Bildmaterial über die Kriegszerstörungen in Bayern interessieren, habe ich einen wertvollen Buchtip:

    "Bayerische Baudenkmäler im zweiten Weltkrieg
    Verluste - Schäden - Wiederaufbau"

    Herausgeber: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München 1995
    Redaktion: Karlheinz Hemmeter
    Vertrieb: Karl M. Lipp Verlag, Meglinngerstr. 60, 81477 München

    Format A4, brochiert - ich denke, es kostet kein Vermögen, und ob es vergriffen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Auf 290 Seiten werden hier im Schnitt pro Seite eine bis fünf grosse Abbildungen gezeigt, ca. 700 Photographien von Gebäuden und Details vor und nach den Kriegszerstörungen! Öffentliche wie auch private (!) Gebäude sind kurz einleitend beschrieben, und über deren Schicksal findet man nach Untertiteln wie "Schäden", "Wiederaufbau" und auch "Totalverlust" wetvolle Hinweise.

    Schwerpunktmässig haben darin Augsburg, München, Nürnberg, Rothenburg und Würzburg Aufnahme gefunden, aber jeder noch so kleine Ort, welcher Zerstörungen zu beklagen hatte, wird auch behandelt. Für mich ist es eines der beeindruckendsten Bücher über Sachverluste des Krieges - nur wenn ich schon das Bild der "Albrecht-Dürer-Haus"-Ruine betrachte, staune ich über diejenigen, welche als erste den Mut aufbrachten, dieses jeden Moment einsturzgefährdete Haus für dessen Wiederherstellung zu betreten!


    @ Jürgen
    Lorenzer Strasse 23 würde ich nicht als Nachkriegsprovisorium bezeichnen. Schau mal den Dachknick an, ebenso auch die einfachen Details der Dachgauben. Alles deutet daraufhin, dass dieses Haus den Krieg komplet überstanden hat! Leider hat die Fassade eine purifizierende Renovation erdulden müssen, aber im Kern dürfte das Gebäude noch sehr viel baugeschichtlich relevante Substanz aufweisen. Der leichte Knick und Riss zwischen der 2. und 3. Fensterachse deutet auf eine Erweiterung des Haues hin, oder es sind hier schon früh zwei Häuser vereinigt worden.
    Hallo ihr Denkmalpfleger, lasst diese unscheinbare Haus nicht durch die Maschen fallen!!!

    Für Ludwigstrasse 73 gilt dasselbe. Es macht zwar einen weniger schmuddeligen Eindruck als die Lorenzer Strasse 23, aber auch in ihm würde ich nicht wohnen wollen (es zu restaurieren hingegen schon; ist immer noch besser als zu rekonstruieren)! Die zwei verschiedenen Dachneigungen lassen den Schluss zu, dass es vermutlich schon vor dem Krieg aufgestockt worden ist, und immer noch wesentliche Tragelemente des Dachstuhls des ursprünglich niedrigeren Gebäudes vorhanden sind.

  • Hallo Riegel,
    erstmal Herzlich Willkommen im Forum!
    Schön, noch jemanden vom Fach hier zu haben. Da hast Du mich gleich mit einem Buchtipp überrascht, den ich noch nicht kannte - werde mir das Werk zulegen, denke ich. Im Band "Kriegsschicksale deutscher Architektur" sinhd die Städte ja auch dokumentiert, aber dass es ein spezielles Werk über Bayern gibt, ist mir neu. Die Bemerkungen zu den Häusern Lorenzer Strasse und Ludwigstrasse sind recht interessant. Werde mal bei den Altstadtfreunden recherchieren, ob jemand die Vermutungen bestätigen kann und näheres über die Häuser weiss.

  • Hallo Riegel, auch von mir ein Willkommensgruß, besonders weil Du bei Nürnberg eingestiegen bist. :D Hervorragende Hinweise!

    Das Buch habe ich auch nicht, obwohl ich mich immer umsehe, aber es ist mir wohl deswegen nicht aufgefallen, weil es kein spezielles Nürnberg-Buch ist. Es gibt jetzt die 2., erweiterte Auflage 2004, und es kostet 34 Euro.

    Es ist wirklich erstaunlich, wieviel Altsubstanz (noch) nicht als Denkmal erkannt wurde. Sicher wäre es interessant, die Lorenzer Straße 23 zu begehen. Aber wenn der Eigentümer den schlafenden Denkmalschutz nicht wecken will, wird es wohl schwierig.

    Hier müßte es theoretisch sein:

    Quelle: Bildarchiv Foto Marburg / http://www.bildindex.de">http://www.bildindex.de

    Riegel: Was kann man an den Dachgauben genau erkennen?

  • Dann schiebe ich mal ein Bild vom Bäckerhof nach:

    Mal sehen, was sich auf der Festplatte sonst noch findet:

    Stadtmauerturm schwarzes L (die Bezeichnung müßte stimmen, denn der Laufer Torturm ist schwarzes M)
    Die Mauer sieht in diesem Bereich (Maxtormauer) teilweise ziemlich übel aus, wird aber stückweise saniert. Ob es konkrete Pläne für diesen Turm gibt weiß ich aber nicht.


    Untere Wörthstraße nach Osten.
    Das Balkongeländer(?) auf dem Dach des mittleren Hauses sieht schon abenteuerlich aus. Ob unter dem rechten Haus noch etwas historisches schlummert? Wenn ich Deine (baukunst) Karte ansehe, dann müßte dem so sein, wobei ich zugeben muß, daß ich mich mit der genauen Zuordnung ein bißchen schwer tue, da doch sehr viele Häuser fehlen und dadurch Straßenverläufe für mich nicht mit letzter Sicherheit nachzuvollziehen sind. Ich meine auch, ein paar Hinweise an der Fassade entdeckt zu haben, daß es sich um ein historisches Gebäude handelt, aber mir fehlt dann doch ein bißchen das Vokabular, um die Punkte zu erklären. Vielleicht sollte ich doch mal ein paar Fachbegriffe pauken.

    Zum deutschen Kaiser: De la Riestra meint: Haus Nr. 55 [...] verlor erst in den 1970er Jahren seine Giebelfialen und seine schöne Balkon-Maßwerkbrüsung. Diese Elemente wurden als Opfer einer unsinnigen "Modernisierung" einfach abgehackt (Pablo de la Riestra, Nürnberg - Die historische Altstadt, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2005). Das wäre zwar auch ärgerlich, aber in den 70ern nicht so verwunderlich gewesen. Wenn es tatsächlich so abgelaufen ist, wie es Dir der Besitzer geschildert hat, dann ist das besonders übel, wenngleich das Ergebnis natürlich das gleiche ist.

  • Zitat von "baukunst-nbg"

    Riegel: Was kann man an den Dachgauben genau erkennen?

    In den Vierziger-/Fünfzigerjahren hat man Dachgauben nicht in dieser Form erstellt. Entweder Rekonstruktionen oder pothässliche Kisten. Bei der Lorenzer Strasse 23 scheinen sie aber, wie die Fassade selbst, auch purifiziert worden zu sein; die braunen Fronten sehen zusammengestückelt aus (Holz oder Blech?). Ich kann mir deshalb vorstellen, dass sie einst reicher gegliedert waren. Auch ist die mittlere unscheinbar breiter als die äusseren beiden; auch dies ein Indiz für ein höheres Alter dieser (eigentlich nichtssagenden) Gauben.

    Für den Bauforscher sind aber gerade solche zufälligen handwerklichen Details wichtig, um sich ein erstes Bild über die Aussage eines historischen Hauses machen zu können, ohne das Haus jemals betreten zu haben. Ich mache ja diese Hausanalyse aus 250 km Entfernung...

    Weiter interessiert mich, ob es sich um ein massives Gebäude handelt, oder ob unter dem Verputz ein Fachwerk schlummert. Anhand der Fensterumrahmungen kann ich es so nicht beurteilen, sie scheinen ebenfalls aus Putz zu bestehen (statt Holz). Die nah zusammengerückte Lage jeweils zweier Fenster im 1. OG spricht für eine Fachwerkkonstruktion; für einen Massivbau wären die Fensterpfeiler zu schlank.

    Jetzt muss ich aber Aufpassen, dass ich mich nicht noch in dieses Haus verliebe; eine Schönheit ist es nicht, aber ich denke, unheimlich interessant!

    Jürgen
    Vielleicht kannst Du das Bild zu Lorenzer Strasse 23 hier nochmals einstellen, damit man einen unmittelbaren Vergleich hat?

  • Hallo Riegel, klappt doch schon gut... :zwinkern: und danke für die fachlichen Anmerkungen!

    Zitat

    ...für einen Massivbau wären die Fensterpfeiler zu schlank.

    Das wäre ja eine kleine Sensation. Werde der Sache mal auf den Grund gehen, hoffentlich bestätigt sich´s.

    Norimbergus
    Interessante Beispiele, vor allem der Turm Schwarzes L: ich wusste nicht, dass das noch eine solche Ruine ist. Das Haus Untere Wörthstrasse sieht abenteuerlich aus: das ist übrigens sowieso eine tolle Gasse - Geheimtip für alle Nürnberger, die denken, sie kennen schon alles!

    Anbei noch mehr Provisorien, Anmerkungen wie immer erwünscht:

    Josephsplatz 13 und 15, Nürnberg

    Kategorie: vermutet
    Anmerkungen:bin mir hier sehr unsicher, ob nicht zumindest die Nr. 13 (links) nicht schöpferischer Wiederaufbau ist

    Färberstrasse 30, Nürnberg

    Kategorie: gesichert
    Anmerkungen:Haus befindet sich auch auf einer Liste mit bekannten Häusern, die noch keinen Denkmalstatus haben, aber denkmalwürdig sind (angefertigt von den AF)

    Obere Schmiedgasse 44, Nürnberg

    Kategorie: gesichert
    Anmerkungen:Haus ebenfalls auf der Liste, Dach aber zweifelsfrei Nachkriegszeit

    Stadtmauerturm Nähe Jakobstor, Nürnberg

    Kategorie: vermutet
    Anmerkungen:die Ansätze von Ecktürmchen lassen eine Vereinfachung vermuten

    Tuchgasse 1, Nürnberg


    Kategorie: gesichert
    Anmerkungen:Dach und oberste Stockwerke beim Wiederaufbau verändert, man beachte die mannigfaltigen Dacherker!

    Irrerstrasse 13, Nürnberg

    Kategorie: gesichert
    Anmerkungen:Bin mir mit der Hausnummer nicht sicher

    Kolpinggasse 46, Nürnberg

    Kategorie: vermutet
    Anmerkungen:

  • Zitat von "Norimbergus"

    Ob unter dem rechten Haus noch etwas historisches schlummert? Wenn ich Deine (baukunst) Karte ansehe, dann müßte dem so sein, wobei ich zugeben muß, daß ich mich mit der genauen Zuordnung ein bißchen schwer tue, da doch sehr viele Häuser fehlen und dadurch Straßenverläufe für mich nicht mit letzter Sicherheit nachzuvollziehen sind.

    Die Zeile zwischen Oberer und unterer Wörthstraße ist der Zerstörung glücklicherweise ziemlich vollständig entgangen. Das auf dem Foto rechts müßte die Rückseite von Obere Wörthstraße 14 sein, hierzu ist eingetragen: "Bürgerhaus, Aufzugserker, im Kern 16. Jh., Giebelerker wohl 1881."

    Zum Schwarzen F: Ich denke schon, daß die Maxtormauer weiter wiederherstellend konserviert wird, dann wäre dieser Turm der Schlußpunkt. Schon während meiner Schulzeit (am Labenwolfgymnasium) wurde an der Mauer herumgehämmert.

    Zitat von "Riegel"

    ...für einen Massivbau wären die Fensterpfeiler zu schlank.

    Das wäre allerdings der Hammer. Ich war so frei, Jürgen, und konnte mich leider nicht zurückhalten, etwas zu spekulieren, ich habe ehrlichgesagt von Fachwerk praktisch überhaupt keine Ahnung. Aber das wäre doch was:


    Irrerstraße: Der gezeigte Hausteil gehört zu Anwesen Nr. 13. Die Nr. 15 ist nicht vergeben.

    Josephsplatz 13 (1833) und 15 (1873 von Eyrich:( Man beachte die fiesen Fliesen im EG, noch vom früheren Korsettgeschäft stammend. Jetzt gehört es zur Buchhandlung Jakob, vielleicht faßt man sich dort ein Herz und verschönert die Fassade so gut wie zum Hefnersplatz.

  • Hallo zusammen!
    Die Kugeln vom Deutschen Kaiser lagern im Städtischen Lager am Hafen, in dem ja die größeren Objekte eingelagert sind. Ich war selbst noch nie da, aber Harald Pollmann hat sie gesehen. Schade, dass man da so schwer reinkommt.

    Bin ja fachwerktechnisch auch ein Laie und kann nicht beurteilen, ob die Streben alle statischen Ansprüche erfüllen würden, aber die Vorstellung, in der Lorenzer Str. so ein Schmuckstück stehen zu haben, ist klasse! 8)

    Die drei Häuser der Kühnertsgasse sind ja auch gleich um die Ecke, das würde passen! Ist zwar offTopic, aber hier Bilder über die Planungen. Es soll ja ein städtisches Museum werden. Die Altstadtfreunde haben die Häuser symbolisch für 1 Euro gekauft, Sanieren sie jetzt und überlassen sie anschließend wieder der Stadt, die sie für museale Zwecke nutzt.


    Kühnertsgasse, Vorderseite


    Kühnertsgasse, Rückseite


    Kühnertsgasse, Raumaufteilung für das geplante Museum

    Zur Buchhandlung Jakob: Die Chancen zu einer Verschönerung würden vielleicht gar nicht so schlecht stehen, denn der Jakob ist auch Mitglied bei den AF!

    Grüße

  • Danke für die Zeichnungen, Jürgen! Ich war lange nicht mehr dort, zuletzt vor zwei, drei Jahren. Das wird interessant. Das Eck scheint nicht so massiv getroffen worden zu sein; das Grundstück Lorenzerstr. 23 grenzt ja hinten fast an die Häuser der Altstadtfreunde. Die Spannung steigt!

    Übrigens sind der Stadtheimatpfleger Herbert May und Michael Taschner gelegentlich im Denkmalstadel bzw. dem städtischen Lager. Ich hatte letztens mit ersterem über die Schwedenhäuser diskutiert, weil ich meinen Artikel dazu aktualisiert habe. Der Wiederaufbau des Thoner Schwedenhauses wäre auch mal ein späteres Thema mit Tragik (die Balken wurden offenbar nach dem Abbau mit hochgiftigem Holzschutzmittel getränkt).

    Einstweilen hierzu: http://www.baukunst-nuernberg.de/epoche.php?epo…kt=Schwedenhaus

  • Zitat von "baukunst-nbg"

    Die Zeile zwischen Oberer und unterer Wörthstraße ist der Zerstörung glücklicherweise ziemlich vollständig entgangen. Das auf dem Foto rechts müßte die Rückseite von Obere Wörthstraße 14 sein, hierzu ist eingetragen: "Bürgerhaus, Aufzugserker, im Kern 16. Jh., Giebelerker wohl 1881."

    Zum Schwarzen F: Ich denke schon, daß die Maxtormauer weiter wiederherstellend konserviert wird, dann wäre dieser Turm der Schlußpunkt. Schon während meiner Schulzeit (am Labenwolfgymnasium) wurde an der Mauer herumgehämmert.


    Ich bin so selten in der Unteren Wörthstraße, daß ich nicht auf Anhieb einschätzen konnte, ob sich zur Oberen Wörthstraße hin nur eine einfache Häuserzeile befindet oder ob da doch ein wenig mehr Platz ist für zwei Zeilen mit dazwischenliegenden Höfen. Aber umso besser, wenn da noch historisches unter dem Putz schlummert.

    An der Maxtormauer bin ich auch äußerst selten unterwegs, aber ich glaube mich erinnern zu können, daß sanierte und noch nicht sanierte (oder restaurierte oder wiederherstellend konservierte, was auch immer hier der richtige Begriff ist) Abschnitte sich immer wieder abwechseln, daß die Sanierung also nicht der Reihe nach vom Maxtor zu Laufer Tor geschieht. Dann könnte schwarzes L auch schon früher dran sein.

  • Was in Nürnberg immer wieder negativ auffält sind die Fenster. Ich verstehe das einfach nicht: oft hat man sich die Mühe gegeben, Dach und Fassade im alten Massstab zu bauen - das ganze wird aber wegen der sprossenlosen Fenster zerstört. Es würdes das Stadtbild enorm aufwerten, wenn alle Häuser gesprossten Fenster hätten. Vielleicht könnte jemand eine Simulation vom Hauptmarkt machen - mit gesprossten Fenster.

    Die AF sollten sie auch darum kümmern - ein gutes Beispiel gibt's ja schon am Hauptmarkt (das Rosa Haus). An sich sind viele der 50er Jahre Bauten ja in Ordnung....

    @ Jürgen

    meinst du wirklich, dass sich vieles zum besseren entwicklet hat (in den letzten 10 Jahren): das Breuninger Kaufhaus ist ja super-hässlich! Ich fürchte, dass wir in den nächsten Jahren weitere Glasskisten in der Altstadt erleben werden. Vielleicht sollte man aufpassen damit die schlichten 50er Jahren bauten (wie das Kino an der Lorenzkirche) nicht durch glasbauten ersetz werden.

    Warum versucht man nicht die Moritzkapelle und Bratwurstglöcklein zu rekonstruieren? Da liesse sich wahrscheinlich ein Investor ohne grössere Probleme finden.

    Mfg

    Claus

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Zur Maxtormauer: da habe ich mich wohl ein bißchen vertan. Beim nochmaligen Betrachten meiner Bilder habe ich festgestellt, daß nach schwarzes J die Sanierungen aufhören. Kurz vor schwarzes K (ziemlich offensichtlich auch mit Notdach) gibt es einen kurzen Abschnitt, der wohl relativ gut erhalten war, an den ich mich dunkel erinnert habe und der mich dann auf die falsche Fährte gelockt hat. Kleine Sanierungen hat es vor nicht allzulanger Zeit hier sicher auch gegeben (teilweise ziemlich heller Stein), aber der Zustand war sicher nicht so desaströs wie an anderen Stellen, so daß das nicht mit den Arbeiten an den anderen Abschnitten vergleichbar sein dürfte. Hier wurde tatsächlich zuletzt zwischen schwarzes H und schwarzes J gearbeitet, so daß anzunehmen ist, daß dies jetzt der Reihe nach weiter geht. Leider mag mich imageshack heute nicht, sonst würde ich die Bilder posten.

    Däne:
    Für welche Investoren sollte denn die Rekonstruktion der Moritzkapelle interessant sein? Beim Bratwurstglöcklein könnte ich mir das eher vorstellen, wobei es sicher auch nicht so leicht wäre, die Rekonstruktionkosten wieder zu erwirtschaften. Denn der legendäre Ruf, den dieses Wirtshaus vor dem Krieg hatte, ist völlig verschwunden. Man bräuchte eine große Marketing-Aktion, um dieses Image wiederzubeleben, und ob das dann wirklich klappen würde, das sei dahingestellt.

  • Zitat von "baukunst-nbg"

    Das wäre allerdings der Hammer. Ich war so frei, Jürgen, und konnte mich leider nicht zurückhalten, etwas zu spekulieren, ich habe ehrlichgesagt von Fachwerk praktisch überhaupt keine Ahnung.

    Vielen Dank für eine erste "Visualisierung" von Lorenzer Strasse 23 :D
    Aber aufgepasst, meine Vermutung von Fachwerk war ja erst mal Spekulation, rein auf Grund des eingestellten Bildes. Jedenfalls ist die Fensteranordnung im 18./19. Jh verändert worden, unabhängig der Bauweise in Stein oder Fachwerk. Während dieser Zeit (Barock, Klassizismus) sind ja die meisten Fachwerke verputzt worden. Oft ging gleichzeitig eine Regularisierung und Vergrösserung der Fensteröffnungen mit einher, wobei wieder die Fachwerktechnik zur Anwendung gelangte, aber eben mit verputztem und demnach schmucklosem Fachwerk, sogenanntes konstruktives Fachwerk. Bei Lorenzer Strasse 23 wäre dies sicherlich der zu erwartende Fall.
    Ich habe aber festgestellt, dass in Nürnberg (und auch andernorts) oft konstruktives Fachwerk freigelegt worden ist, und immer noch wird. Dies verleitet mich beinahe zur Aussage, dass eine Fachwerkeuphorie herrscht, indem Fachwerke freigelegt werden, welche ursprünglich gar nie sichtbar waren!

    Ein Beispiel (teilweise) ist das Haus links von Hutergasse 1:

    (Bild nicht mehr online)

    Beim 1. und 2. OG handelt es sich sicherlich um ursprüngliches Sichtfachwerk, beim 3. OG um eine Aufstockung in konstruktivem Fachwerk, welches von Anfang an mit einem Verputz rechnete. Das nachträgliche Aufstocken erkennt man auch an der weniger starken Durchbiegung der Böden, welche in den unteren beiden Stockwerken viel stärker ausgeprägt ist. Die Fensteröffnungen sind allerdings auch bei den beiden unteren Geschossen begradigt worden (die ursprüngliche Fensteranordnung hätte die Durchbiegung ja auch mitgemacht). Das Erdgeschoss hingegen ist in sich wieder "gerade". Somit kann man allein aus der Fassadenbetrachtung die mutmassliche Baugeschichte dieses Hauses ablesen:

    - dreigeschossiger Kernbau, Ergeschoss massiv oder Fachwerk, Obergeschosse in Sichtfachwerk, Alter unbestimmt
    - Veränderung und Egalisierung der Fensteranordnung, Schmuckhölzer in den Brüstungen, Neubau der Erdgeschossfront aus Stein, 18. Jh.?
    - Aufstockung des 3. OG in konstruktivem Fachwerk, Verputzen aller Obergeschosse, 19. Jh. (in diesem Zustand s. http://www.bildindex.de/bilder/MI02568d13b.jpg Haus rechts des Rundbogenpportals, Bildarchiv Foto Marburg)

    Ich will damit zeigen, dass Fachwerk nicht gleich Fachwerk ist. Bei jeder Restaurierung ist eine Freilegung sorgfältig abzuwägen. Für Lorenzer Strasse 23 hiesse dies, dass sein Fachwerk durch die heutigen Fensteröffnungen sicher sehr stark "zerschnitten", und ein Grossteil des Balken aus konstruktivem Fachwerk bestehen würde, falls überhaupt Fachwerk zum Vorschein kommen sollte. Diesbezüglich kommt deine Visualisierung dem konstruktiven Fachwerk sehr nahe (es fehlen einzig noch die Eckpfosten).


    Jürgen

    Zitat von "baukunst-nbg"

    Josephsplatz 13 (1833) und 15 (1873 von Eyrich:( Man beachte...


    Bei der Nr. 13 vermutete ich sofort, dass dies ein klassizistisches Gebäude ist. Betrachte mal die unregelmässigen, breiten Steinfugen des 2. und 3. OG, sowie die vielen Flicke in den Quader. Der Historismus, der Jugendstil und die Moderne unterdrücken das Fugenbild, wie man ja bei beiden Nachbargebäuden sehen kann. Die Dachuntersicht mit Konsolen dünkt mich eigenartig; ist es eine Zutat einer historistischen Renovation um 1900? Das Dach erscheint unglaublich perfekt und gerade, ohne irgendwelche Setzungen, könnte also nach dem Krieg neuaufgebaut worden sein. Die Lukarnen hingegen scheinen wieder aus der Bauzeit der klassizistischen Fassade zu stammen, haben aber bei einer Dachreparatur ziemlich heftig eins auf's "Dach" bekommen. Beachte das schiefe Fenstersims der mittleren Lukarne. Ich hoffe, deine Zweifel, ob es sich hier um einen "schöpferischen Wiederaufbau" handeln könnte, genommen zu haben.

    Einmal editiert, zuletzt von Riegel (24. April 2011 um 17:32)

  • Jetzt funktionert das mit imageshack wieder, so daß ich die Bilder nachreichen kann:

    Zuerst mal der Turm schwarzes J (das schwarze J ist auf dem Bild auch wunderbar zu erkennen):

    von außen (am rechten Bildrand schwarzes H)

    Wieder innerhalb der Stadtmauer, ein Stück weiter in Richtung Laufer Tor der Turm schwarzes K (im Hintergrund ist schwarzes L erkennbar)

    von außen

  • Däne
    Ich glaube auch nicht, daß man mit dem Wiederaufbau der Moritzkapelle ein großes Geschäft machen kann. Für das Bratwurstglöcklein könnte ich mir nur vorstellen, daß der Verein zum Schutz der Nürnberger Bratwurst (den gibt es wirklich, da es sich um eine geschützte geographische Herkunftsbezeichnung handelt) es besitzen und dort die Produkte seiner Mitglieder feilbieten könnte ... :zwinkern:

    Allerdings gäbe es beim Wiederaufbau der Moritzkapelle wohl wenige kunsthistorische Probleme, da der Bau kompakt und bis zur Zerstörung sehr stilrein geblieben war; also ein übersichtliches Projekt. Im Straßenpflaster eingelassen steht die Einladung an uns: "Hier stand die Moritzkapelle ... Der Wiederaufbau bleibt späteren Generationen vorbehalten." Wenn einer mit dem dicken Geldbeutel kommt, dürfte es nicht so schwer werden. Eher sperrt sich Herr Oschmann, Inhaber des Telefonbuchverlages Müller, der das Schürstabhaus mit Riesenaufwand saniert hat, weil man dann weniger von seinem Prunkstück sieht.

    Zu den Fenstern: In der ersten Aufbauphase nach dem Krieg hat man durchaus noch Sprossenfenster eingebaut. Erst später ist sind die Neu- und Altbauten immer hohläugiger geworden.

    Den Schutz der 50er-Jahre-Bauten sollte man tatsächlich gut im Auge behalten, da ihnen meist Schlimmeres nachfolgt, wie tatsächlich der Admiralpalast zeigt.

    Norimbergus:
    Danke für die Bilder, jetzt habe ich auch mal wieder einen Eindruck, wie weit man hier ist. Ich schätze, daß man bei dem bisherigen Tempo schwarzes L dann irgendwann zwischen 2010 und 2015 fertig haben wird.

    Man beachte auf dem ersten Bild den wieder einmal als tolle moderne Architektur gerühmten nagelneuen Uni-Erweiterungsbau, der spitze zur Altstadt paßt. :x

    Riegel

    Zitat von "Riegel"

    Ich habe aber festgestellt, dass in Nürnberg (und auch andernorts) oft konstruktives Fachwerk freigelegt worden ist, und immer noch wird. Dies verleitet mich beinahe zur Aussage, dass eine Fachwerkeuphorie herrscht, indem Fachwerke freigelegt werden, welche ursprünglich gar nie sichtbar waren!

    Stimmt. Vorkriegsaufnahmen zeigen meist verputzte Altbauten. Fachwerkfreilegungen sind erst im Zuge der Arbeiten der Altstadtfreunde vermehrt vorgekommen. Soweit ich mich erinnern kann, war dies auch im Verhältnis mit den Denkmalpflegern umstritten. Soweit ich mich ebenfalls erinnern kann, ist bis zum Ende des Mittelalters auch das konstruktive Fachwerk in Nürnberg nicht verputzt gewesen (Jürgen, bitte korrigiere mich). Ausgeprägtes Schaufachwerk, wie hier die Ausnahmeerscheinung in der Oberen Wörthstraße 21 mit den Andreaskreuzen, gab es in Nürnberg wenig. Die Originalputze aus der Neuzeit waren jedoch meist längst verloren gewesen, weshalb man eine Freilegung vertretbar hielt.
    Streng genommen dürfte man neuzeitliches Fachwerk aber nicht freilegen.

    Die Denkmalliste schreibt zu Obere Wörthstraße 21:

    Zitat

    Bürgerhaus, Obergeschosse mit dekorativem und konstruktivem Fachwerk, an der Hofseite Laubengang mit Balustergalerie, um 1600 (dendrochronologische Datierung 1560).

    Auch ohne freigelegtes Fachwerk (falls überhaupt eins da ist) wäre Lorenzer Straße 23, behutsam saniert, ein schönes Gebäude.

    Riegel: das ist jetzt in diesem Strang off-Topic, aber ich denke, nicht nur ich würde mich über einen kleinen Bericht über die Sanierung der schiefen Häuser in der St. Galler Schwertgasse freuen :D

  • Zitat von "baukunst-nbg"

    das ist jetzt in diesem Strang off-Topic, aber ich denke, nicht nur ich würde mich über einen kleinen Bericht über die Sanierung der schiefen Häuser in der St. Galler Schwertgasse freuen :D


    Hast also meine ersten hiesigen Gehversuche im Testbereich betrachtet... :)

    Fachwerkbauten sind mein Lieblingsforschungsgebiet. Deswegen wurde ich auch auf die Diskussion um den Wiederaufbau eines Teils der Frankfurter Altstadt aufmerksam, kurz nachdem ich begonnen hatte, mich mit Material über diese Stadt einzudecken. Leider kann ich noch keine Bilder einstellen, so hätte ich mich schon längst in diese Diskussion "eingeloggt". So haben nun die Nürnberger das Rennen gemacht...

    Die Gegner einer solchen Reko bezeichnen ja die wiederaufzubauenden "Fachwerkhäuschen" als Kitsch oder Disneyland... und genau an diesem Punkt möchte ich einhaken. Dieses Vorurteil sollte man als Herausforderung annehmen, dass genau das nicht passiert! Dazu dürfen die Häuser nicht einfach auf Grund alter Photos rekonstruiert werden, sondern man muss sich über deren Baugeschichte Gedanken machen, auch wenn diese Häuser seit 60 Jahren verschwunden sind. Ich habe ja weiter oben mit Wörthstraße 21 in Nürnberg auch einen solchen Versuch unternommen, nur anhand einer Photo dessen Baugeschichte grob zu eruieren. Solche Betrachtungen helfen, auch allfällige Nachkriegsprovisorien zu entlarven.

    Wenn es erwünscht ist, eröffne ich hier gerne ein Unterforum, in welchem ich einen Einblick in die Fachwerkforschung gebe. Es existiert vortreffliche Literatur darüber, aber wir könnten hier vornehmlich auch über Bauten diskutieren, welche in den einzelnen Foren gerade zur Diskussion stehen. Natürlich würde ich erst mal Beispiele aus St. Gallen vorstellen, der bedeutendsten grösseren Fachwerkstadt der Schweiz. Photos von den "ehemals schiefen Häuser" an der Schwertgasse versuche ich über einen Umweg einzustellen...

  • Zitat von "baukunst-nbg"

    ... Soweit ich mich ebenfalls erinnern kann, ist bis zum Ende des Mittelalters auch das konstruktive Fachwerk in Nürnberg nicht verputzt gewesen (Jürgen, bitte korrigiere mich). Ausgeprägtes Schaufachwerk, wie hier die Ausnahmeerscheinung in der Oberen Wörthstraße 21 mit den Andreaskreuzen, gab es in Nürnberg wenig...


    Jedes Fachwerk erfüllt eine konstruktive Aufgabe. In diesem Sinne hast Du recht, dass in Nürnberg auch konstruktives Fachwerk nicht verputzt gewesen ist. Aber nicht nur bis zum Ende des Mittelalters, sondern bis um die Wende vom Barock zum Klassizismus. Die Bauforschung unterscheidet aber in Sichtfachwerk (Fachwerk, welches von Anfang an auf Sicht konzipiert war) und konstruktives Fachwerk (Fachwerk, welches von Anfang an mit einem deckenden Verputz rechnete, was erst im Barock aufkam). Schwierig wird es eben, wenn bei einer Fassadenrenovation beiderlei auftritt, was der Normalfall ist.

    Ausgeprägtes, reichdekoriertes Sichtfachwerk ist in allen Fachwerkgegenden die Ausnahme (war ja auch früher schon eine Kostenfrage)

    Aber ich will hier nicht allzu stark vom Thema abkommen...

  • Zitat

    Zu den Fenstern: In der ersten Aufbauphase nach dem Krieg hat man durchaus noch Sprossenfenster eingebaut. Erst später ist sind die Neu- und Altbauten immer hohläugiger geworden.

    Und wie sieht's Heute aus? In Dänemark werden zur Zeit sehr häufig Sprossenfenster wieder eingebaut. In Kopenhagen gibt es vielleicht 4-5 Altbauten ohne Sprossenfenster (die Stadt ist so gross wie München!). In Paris sieht man kaum sprossenlose Fenster. Warum ist das bei Euch so viel anders? Und können die AF nicht was unternehmen?

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Da stellt sich dann wieder die Frage nach den kosten. wenn die Fenster eh erneuert werden, Sprossenfenster einzubauen ist eine sache, aber noch gute oder gerade erst eingebaute sprossenlose fenster durch Sprossenfenster zu ersetzen, ist doch mit Kosten verbunden.
    Allerdings bieten einige firmen auch dioe nachträgliche Montage von "vorgeblendeten" Fensterkreuzen/Fenstersprossen an.

    "... es allen Recht zu machen, ist eine Kunst, die niemand kann..." (Goethe)