Köln - Graffiti an St. Cäcilien entfernt

  • Auf den Social-Media Kanälen des Ortsverbandes ist folgender Beitrag erschienen:

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    Ein Graffiti-Beseitigungs-Team der AWB hat letzte Woche den Großteil einer Schmiererei an der romanischen Kirche St. Cäcilien entfernt.

    Doch anstatt Beifall war die Reaktion Bestürzung. Die Stadt prüft nun, ob man das Graffiti wiederherstellen kann. Wie kann das sein?

    Man hat in der Vergangenheit die Schmiererei als Kunstwerk deklariert und sie durfte vom sogenannten Künstler sogar schon einmal erneuert werden. Sie wurde damals zudem auch noch unter Denkmalschutz gestellt. Eine Genehmigung hatte der "Künstler" ursprünglich nicht.

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    Wir sagen: Die AWB hat alles richtig gemacht! Die verantwortlichen Mitarbeiter haben vermutlich aus ihrem natürlichen Verständnis von Sauberkeit und Ordnung eine störende Sauerei an einem der ältesten Gebäude der Stadt entfernt. Dass es sich dabei um ein schützenswertes "Kunstwerk" handeln soll, ist einem normalen, bodenständigen Menschen kaum zu vermitteln.

    Lieblos aufgesprühte Graffiti-Kritzeleien haben an ehrwürdigen romanischen Klosterkirchen aus der Stauferzeit nun einmal nichts zu suchen!

    Anstatt sich um die Wiederherstellung derartig unansehnlicher "Kunstwerke" zu bemühen, sollte die Stadt die Reste des Selbigen am Besten ganz entfernen lassen.


    Für weitere Informationen hier noch ein Artikel aus dem Stadtanzeiger: https://www.ksta.de/koeln/koelner-…chaedigt-861324

  • Man muss nicht jede Kunst schön finden, aber man sollte sie akzeptieren. Das Kunstwerk existiert bereits seit 44 Jahren, war Teil einer Sonderausstellung und es bestehen Urheberrechte seitens des Künstlers daran, der alles andere als ein Unbekannter ist. Wenn man nun die Beseitigung dieses Werkes fordert, dann demonstriert man nur, dass man ein einseitiges Verständnis von Kunst besitzt und offensichtlich bereit ist, sich über Urheberrechte hinwegzusetzen. Ach ja, mich spricht das Skelett auch nicht an, schon gar nicht an einer romanischen Kirche. Nur, um das klarzustellen.

    Wer mehr über Harald Naegeli erfahren möchte, ist hier richtig:

    Sprayer Harald Naegeli: Schweizer Graffiti-Künstler auf der Flucht
    Hetzjagd auf die Avantgarde: In den Siebzigern malte der Zürcher Harald Naegeli als einer der ersten Europäer Graffiti auf trostlose Großstadtwände. Die…
    www.spiegel.de
  • Wenn man nun die Beseitigung dieses Werkes fordert, dann demonstriert man nur, dass man ein einseitiges Verständnis von Kunst besitzt

    Tja, wie sagte doch einst Kurt Tucholsky: "In Deutschland ist es wichtiger, Verständnis zu haben als Verstand". Die Reaktion einiger Graffiti-Künstler-Versteher auf die Beseitigung der Schmiererei zeigt dass die Aussage immer noch hoch aktuell ist.

  • Haben also Menschen, die ,,als Künstler keine Unbekannten" sind, andere Rechte als alle anderen? Ich kann doch nicht irgendwo etwas hinsprühen und dann mit Verweis auf mein Urheberrecht eine Entfernung argumentativ zu verhindern suchen? Eine Denkmalbehörde, die sowas unter Schutz stellt und damit nachträglich staatlich legitimiert und fördert, arbeitet eigentlich subversiv. Das ist nicht einfach "nur" eine nachträgliche Genehmigung für einen Schwarzbau unter Auflagen oder ähnliches, der Denkmalschutz verteidigt staatlicherseits dieses Vorgehen und unterfüttert es mit entsprechenden Legitimierungsbausteinen, wird Fördergelder aufbringen für den Unterhalt und eine Restaurierung.

  • Huch, wo ist denn der Beitrag hin, in dem ein Vereinsmitglied dem Verein angedroht hat auszutreten, wenn der Verein seinen Standpunkt zur Schmiererei-Entfernung nicht zurücknimmt? :lachen:

  • und offensichtlich bereit ist, sich über Urheberrechte hinwegzusetzen.

    Das ist aber keine Frage des Urheberrechts, sondern des Eigentums. Die Eigentümer der Kirche haben ja wohl im Jahr 1989 das Graffiti erneuern lassen. Damit war das Graffiti nicht mehr "illegal" angebracht. Der Auftrag an die AWB ging auch nicht dahin das Graffiti zu beseitigen. Schon allein deswegen ist hier nicht zu sagen "Alles richtig gemacht".

  • Centralbahnhof Könntest Du erläutern, warum man in diesem Zuge nicht gleich vorgeschlagen hat dieses Portal wieder zu öffnen?

    Andreas Dann wurde der Denkmalschutz also erst vom Gebäude auf das Graffiti erweitert, als es quasi legalisiert war? Das wäre ja zumindest in diesem Aspekt dann beruhigend.

  • Ich kann doch nicht irgendwo etwas hinsprühen und dann mit Verweis auf mein Urheberrecht eine Entfernung argumentativ zu verhindern suchen?

    Nun bleiben wir mal bei den Tatsachen. Der Eigentümer der Immobilie hat den Künstler explizit gebeten, sein Werk zu erneuern, und zwar bereits vor 35 Jahren. Damit ist es legal und seit vielen Jahren Bestandteil der Kölner Kulturszene. 2022 war es Gegenstand einer Sonderausstellung des Museums Schnütgen, also ein Exponat! Der Künstler hat zudem niemals auf sein Urheberrecht bestanden. Ganz im Gegenteil sieht er seine Kunst explizit als vergänglich an.

    Ich habe das hier mal ausführlich beschrieben:

    Der Schweizer Künstler Harald Naegeli ist ein Avantgardist. Als „Sprayer von Zürich“ wurde er in den 1970er-Jahren zu einem Vorreiter in der Kunstwelt von Street-Art und Graffiti. Das brachte ihn damals zwangsläufig auch in Konflikt mit dem Schweizer Gesetz, was diverse Kontroversen auslöste und ihn zur Flucht nach Deutschland bewegte. Als sein Fürsprecher fungierte kein Geringerer als Joseph Beuys. Der Kölnische Kunstverein stellte seine Werke in einer Fotoausstellung aus. Heute ist Naegeli, der eine künstlerische Ausbildung genoss und auch als Zeichner tätig ist, ein angesehener Künstler. Seine charakteristischen Strichmännchen lassen den Einfluss des Dadaismus erkennen.

    2022 widmete das Museum Schnütgen dem Kunstschaffen Naegelis eine Sonderausstellung. Gegenstand dieser Ausstellung war auch das nun versehentlich durch die Stadtreinigung in Teilen entfernte Skelett, das der Künstler 1980 an das vermauerte Westportal der Cäcilienkirche sprühte. Es steht seit Jahrzehnten unter Denkmalschutz und wurde 1989 explizit auf Bitten des Museums durch den Künstler erneuert. Das Motiv fand sich in Köln ursprünglich auch an anderen Orten, was in der Gesamtheit an das im Spätmittelalter und frühen Neuzeit beliebte Totentanz-Thema in der bildenden Kunst anschließt. Im Œuvre des Künstlers findet sich der Memento-mori-Gedanke immer wieder an zentraler Stelle. So durfte er entsprechende Darstellungen vor einigen Jahren auch am Züricher Grossmünster realisieren. Seine Werke versteht Neageli als Protest gegen die Unwirtlichkeit der Städte und der Architektur sowie als vergängliche Kunst, die auf Vergänglichkeit hinweist.

    Mehr dazu:

    Harald Naegeli und der Kölner Totentanz
    Graffiti am Museum Schnütgen: die Kontroverse um Harald Naegelis Totentanz-Skelett an der Cäcilienkirche in Köln
    www.zeilenabstand.net

    Das ist aber keine Frage des Urheberrechts, sondern des Eigentums.

    Beides. Urheber ist Naegeli mit allen damit verbundenen Rechten, Eigentümer der Träger des Museum Schnütgen. Man mag das Kunstwerk finden, wie man will, aber sich hinzustellen und die Beseitigung zu fordern, hat etwas Übergriffiges. Da sind wir aber beide einer Meinung.

  • Dann wurde der Denkmalschutz also erst vom Gebäude auf das Graffiti erweitert, als es quasi legalisiert war?

    Davon gehe ich aus, werde aber mal schauen, ob sich hierzu noch was finden lässt.

    Man mag das Kunstwerk finden, wie man will, aber sich hinzustellen und die Beseitigung zu fordern, hat etwas Übergriffiges.

    ...zumal wenn der Eigentümer das gerade nicht möchte. Die Argumentation ruft, zumindest bei mir, auch Assoziationen an andere Zeiten und Vorgänge hervor, die einem sich kulturellen Anliegen verpflichteten Verein sicher nicht gut zu Gesicht stehen. Ob man gerade in Köln unseren Interessen mit so etwas dient?

    Edit: Das Museum Schnütgen sieht das Totentanz-Graffiti ja offensichtlich als Teil seiner Sammlung an: https://museum-schnuetgen.de/Harald-Naegeli-in-Koeln.

  • Nun bleiben wir mal bei den Tatsachen. Der Eigentümer der Immobilie hat den Künstler explizit gebeten, sein Werk zu erneuern, und zwar bereits vor 35 Jahren. Damit ist es legal und seit vielen Jahren Bestandteil der Kölner Kulturszene. 2022 war es Gegenstand einer Sonderausstellung des Museums Schnütgen, also ein Exponat! Der Künstler hat zudem niemals auf sein Urheberrecht bestanden. Ganz im Gegenteil sieht er seine Kunst explizit als vergänglich an.

    Tatsache ist aber auch, dass hier die Debatte mittels Urheberrecht geführt wurde - von Dir aufgeworfen - und natürlich entsprechend von einem Urheber zu beanspruchen, was ich bei einer Straftat (und das war die ursprüngliche Beschmierung) für kritikwürdig halte. Das wollte ich zum Ausdruck bringen und nicht suggerieren, dass es ein Urheber bereits in Anspruch genommen hätte.

    Die Frage ist für mich auch, ob der Eigentümer tatsächlich so frei entscheiden kann, was denn nun legal an seiner Wand angebracht werden darf. Es handelt sich um eine der ältesten Kirchen in Köln und war sicher schon zum Zeitpunkt der Straftat unter Denkmalschutz. Entsprechend steht es einem Eigentümer nicht einfach so frei m.E., solche Schmierereien zu ,,legalisieren", insbesondere nicht rückwirkend.

    Alles weitere zur vermeintlichen Bedeutung ist prinzipiell für die Debatte nicht sonderlich ausschlaggebend. Insbesondere, wenn man nun vor der Frage steht, ob und wie man das Graffiti wiederherstellt. So wäre auch denkbar, dass es aus dem ursprünglichen Kontext herausgenommen werden könnte und in einer Ausstellung wiederherstellt wird.

  • Edit: Das Museum Schnütgen sieht as Totentanz-Graffoiti ja offensichtlich als Teil seiner Sammlung an: https://museum-schnuetgen.de/Harald-Naegeli-in-Koeln.

    Das ist die Sonderausstellung zu Naegeli, die ich bereits oben verlinkt habe. Genau das ist der Punkt, den ich hier mehrfach einzubringen versucht habe. Wir sprechen hier von einem Exponat eines Museums. Unbenommen ist dabei, dass es vor 44 Jahren aus einer illegalen Handlung entstanden sein könnte. Mir scheint aber, dass der Eigentümer niemals Strafanzeige gestellt hat. Sachbeschädigung ist ein Antragsdelikt! Seit mindestens 1989 profitiert man sogar davon, und zwar explizit auf eigenen Wusch. Ich sehe hier nur Gewinner.

    So wäre auch denkbar, dass es aus dem ursprünglichen Kontext herausgenommen werden könnte und in einer Ausstellung wiederherstellt werden.

    Darüber ließe sich sicher in Köln diskutieren, obwohl der Totentanz natürlich im sakralen Kontext besonders passend ist. Aber sicher nicht mit Forderungen, die Verteidiger dieses Kunstwerkes absprechen wollen, "normale und bodenständige" Menschen zu sein. Wer Menschen und Kunst derart abwertet, hat sich aus dem Diskurs bereits selbst ausgeschlossen, bevor er überhaupt begonnen hat.

  • Es handelt sich um eine der ältesten Kirchen in Köln und war sicher schon zum Zeitpunkt der Straftat unter Denkmalschutz. Entsprechend steht es einem Eigentümer nicht einfach so frei m.E., solche Schmierereien zu ,,legalisieren", insbesondere nicht rückwirkend.

    Das ist sicher im Grundsatz richtig. Es ist hier sicher zu überprüfen gewesen, ob das Graffiti die Denkmalqualität beeinträchtigt. Dies ist wohl so nicht gesehen worden. Hierbei wird sicher die seinerzeitige und jetzige Nutzung und die Stelle an der sich das Graffiti befindet beachtet worden sein.

  • Centralbahnhof Könntest Du erläutern, warum man in diesem Zuge nicht gleich vorgeschlagen hat dieses Portal wieder zu öffnen?

    St. Cäcilien wird nicht mehr als Kirche genutzt, sondern ist Teil des Museum Schnütgen. Ein richtiges Kirchenportal wird also nicht mehr benötigt, da der Zugang über das Museum erfolgt. Nichtsdestotrotz wäre ein richtiges Portal natürlich trotzdem schöner, allerdings natürlich ungleich teurer, als das Graffiti komplett entfernen zu lassen. Daher halte ich einen solchen Vorschlag aktuell für eher unrealistisch.

    [...]

    ...zumal wenn der Eigentümer das gerade nicht möchte. Die Argumentation ruft, zumindest bei mir, auch Assoziationen an andere Zeiten und Vorgänge hervor, die einem sich kulturellen Anliegen verpflichteten Verein sicher nicht gut zu Gesicht stehen. Ob man gerade in Köln unseren Interessen mit so etwas dient?

    Ich weiß ehrlich gesagt nicht, an welche andere "Zeiten und Vorgänge" dich die Entfernung von Sauereien im öffentlichen Raum erinnert. Als kulturellen Anliegen verpflichteter Verein ist es meiner Ansicht nach selbstverständlich, dass wir uns gegen die Abwertung des öffentlichen Raums durch Schmierereien und Graffities positionieren.

    Wir kritisieren als Verein hässliche Architektur, wir kritisieren hässliche Skulpturen, aber bei nachträglich legitimierten Schmierereien sollen wir schweigen müssen? Ich kann diese Haltung in unserem Forum nur mit einer gewissen Irritation zur Kenntnis nehmen.

    Tatsache ist aber auch, dass hier die Debatte mittels Urheberrecht geführt wurde - von Dir aufgeworfen - und natürlich entsprechend von einem Urheber zu beanspruchen, was ich bei einer Straftat (und das war die ursprüngliche Beschmierung) für kritikwürdig halte. Das wollte ich zum Ausdruck bringen und nicht suggerieren, dass es ein Urheber bereits in Anspruch genommen hätte.

    Das Urheberecht ist in diesem Fall vollkommen irrelevant. Das käme nur zum Tragen, wenn eine Veränderung des "Kunstwerks" gefordert würde. Wir haben aber die Entfernung gefordert, was mit dem Urheberrecht in keiner Weise kollidiert.

    Das Museum Schnütgen stellt mittelalterliche Kunst aus. Dass man sich als solche Institution dagegen verwehren sollte, dass eine sehr wertvolle mittelalterliche Klosterkirche, die man selber mitnutzt, durch Schmierereien versaut wird, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

  • Hierbei wird sicher die seinerzeitige und jetzige Nutzung und die Stelle an der sich das Graffiti befindet beachtet worden sein.

    Finde ich jetzt nicht weiter beruhigend die Vorstellung. Da kollidieren Partikularinteressen mit denen übergeordneter Interessen der Gesellschaft. Es kann nicht im Interesse der Gesellschaft sein, wenn jahrhundertealte Gebäude ihren Schutz davon abhängig machen müssen, ob der Eigentümer den Wert eines weiteren potentiellen Exponats geringer schätzt, als die Sicherung des ihm überlassenen Baudenkmals. Genau dafür gibt es doch Denkmalschutzbehörden, um eben gerade nicht Eigentümerinteressen regelmäßig dem Baukulturerhalt zuwider laufen zu lassen. Ich vermute, diese (nachträgliche) Abwägung der Denkmalschutzbehörde kommt nur deshalb zu diesem irrigen Urteil, weil es sich um eine jüngere Vermauerung an dem Gebäude handelt, bzw. die Schäden Teile der Fassade von 1849 betreffen. Demfolgend wäre jedoch jede jüngere oder neue Anpassung an einem Baudenkmal das Einfallstor für Beschädigungen an Denkmalbauten.

  • Das Urheberecht ist in diesem Fall vollkommen irrelevant. Das käme nur zum Tragen, wenn eine Veränderung des "Kunstwerks" gefordert würde. Wir haben aber die Entfernung gefordert, was mit dem Urheberrecht in keiner Weise kollidiert.

    Da ist der Verein leider vollkommen auf dem Holzweg. Ich würde doch empfehlen, sich mit dem Urheberrecht etwas näher zu befassen, bevor man derart heikle Forderungen an die Öffentlichkeit gibt. Der BGH hat 2019 klargestellt, dass die Vernichtung eines Kunstwerkes sehr wohl eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann:

    BGH Vernichtung einer Kunstinstallation durch Gebäudeumbau kann Urheberpersönlichkeitsrecht verletzen
    Die Entfernung und Zerstörung von Kunstinstallationen im Zuge der Umgestaltung von Räumlichkeiten eines Gebäudes kann zu Ansprüchen der Künstler gegen den…
    rsw.beck.de

    Der Fall ist insofern von ganz besonderem Interesse, weil das Kunstwerk auch hier mit einem Gebäude verbunden war. In einem solchen Fall müssen die Interessen vom Eigentümer der Immobilie und des Künstlers abgewogen werden. Im Kölner Fall ist die Abwägung nun sogar eindeutig, denn hier haben beide Seiten dieselben Interessen: den Erhalt des Werkes.

    Wir kritisieren als Verein hässliche Architektur, wir kritisieren hässliche Skulpturen, aber bei nachträglich legitimierten Schmierereien sollen wir schweigen müssen? Ich kann diese Haltung in unserem Forum nur mit einer gewissen Irritation zur Kenntnis nehmen.

    Auch wenn diese Worte sich nicht an mich richteten, empfinde ich es als höchst irritierend, wenn ein Kulturverein die Deutungshoheit über Kunst an sich reißt - mit dem Ergebnis, dass in der Kunstwelt geschätzte Museums-Exponate kurzerhand als Schmierereien deklariert werden, die lediglich von nicht normalen Menschen als Kunstwerk angesehen werden könnten. Ich denke, diese Einordnung ist beim Museum Schnütgen weitaus besser aufgehoben.

    Das Museum Schnütgen stellt mittelalterliche Kunst aus. Dass man sich als solche Institution dagegen verwehren sollte, dass eine sehr wertvolle mittelalterliche Klosterkirche, die man selber mitnutzt, durch Schmierereien versaut wird, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

    Wie nun hier mehrfach vorgestellt und verlinkt, stellt das Museum nicht nur mittelalterliche Kunst aus. 2022 gab es eine Sonderausstellung zum Werk von Naegeli. Das Museum verfügt über eine dreistellige Anzahl von Kunstwerken des Künstlers. Weitere Werke liegen in anderen Häusern. Eine graphische Sammlung des Künstlers liegt an der Universität Tübingen. Es ist doch offensichtlich, dass man das künstlerische Schaffen von Naegeli in der Wissenschaft und der Kunstwelt schätzt.

  • Gleich mehre Ebenen verbinden sich hier.

    Laut Wiki hat Neagli gesprüht aus «Protest gegen die Unwirtlichkeit der Städte, der Architektur». Nun ist die Graffitisprüherei ubiquitär und einer der wesentlichen Gründe der Unwirtlichkeit moderner Städte. Neaglie hat diesen offensichtlichen Widerspruch villeicht nicht erkannt oder wahrscheinlicher war er ein Blender, der sich selbst mit gut klingenden Motiven schmeichelt.

    Dass Naegil sich Kirchen aussucht, kann auch nicht einfach ignoriert werden. Nachdem sich Neagil an Kirchen rangemacht hat, wurde er mit Preisen überschüttet. Hätte er Synagogen besprüht bzw. zu einem Protest genutzt, würden sich die Befürworter sofort wenden und keine Debatte um Kunstwerte oder Meinungsfreiheit zulassen, wie wir aktuell in einem anderen Faden sehen.

    Dass das Establishment Graffiti an Kirchen gut findet ist bekannt, aber kein intrinsisches Argument für einen Zuspruch. Warum folgt daraus eine notwendige Zustimmung? Viele Dinge, die der Verein fordert, sind nicht obrigkeitsfromm, sonst würden unsere Städte nicht so aussehen, wie sie sind.

  • tegula Schwieriges Thema. Ja, die Kunst soll frei bleiben. Unbedingt sogar. Gleichzeitig bedarf es der Sensibilität für den öffentlichen Raum, da letzterer uns alle betrifft. Es ist keine Kunst mehr im geschlossenen Bereich des Museums, man ist damit konfrontiert, ob man will oder nicht. Und das halte ich für problematisch. Also ist Kritik durchaus zulässig (bewusst provozierende Kunst setzt die negative Reaktion immer voraus, dieses Wechselspiel ist elementar für sie und letztlich auch gewollt). Hier in Basel wird über Ähnliches mitunter abgestimmt (vor allem über Architektur, so wurde ein Bau von Zaha Hadid an prominenter Stelle abgelehnt). Das gilt es dann zu akzeptieren. Dass aber Künstler nicht mehr die Freiheit haben sollen, sich nach eigenem Können und eigenen ästhetischen Prinzipien auszutoben, halte ich dagegen für falsch. Aber eben das „Wo“ ist das entscheidende hierbei.

    Dennoch: mich persönlich stört das Graffiti nicht, aber ich bin ja auch kein Kölner. Meinetwegen kann man es lassen, da ja bei vielen sicherlich auch Gewohnheit eine Rolle spielt. Hier in Basel gibt es eine gesprayte Banane an einem Altstadthaus (bekannter Graffitikünstler, dessen Name mir entfallen ist). Auch da habe ich eine gewisse Toleranz. Das gehört halt jetzt zur Stadt dazu. Diesen ganzen Wirbel verstehe ich auch nicht ganz. Da gäbe es wortwörtlich in Köln ganz andere „Baustellen“, die relevanter sind.

    Und du hast ja recht, Diskussionen à la „Ist das noch Kunst?“ können gefährlich enden. Nicht umsonst hat die Kunst auch in Deutschland große verfassungsrechtliche Freiheiten, die über bloße „Meinungsfreiheit“ hinausgehen. Man lernte aus den oben genannten Diskussionen und das halte ich in freiheitlichen Gesellschaften für äußerst wichtig. Auch wenn ich mit einem Werk nicht einverstanden bin. Und das bin ich hier ausdrücklich nicht. Das ist FÜR MICH keine Kunst. Deswegen kann ich der Zeichnung dennoch nicht ihre künstlerische Legitimation absprechen.

    Aber ich bin dennoch der Meinung, dass sobald ein Werk den öffentlichen Raum betritt, die Gesellschaft ein Mitspracherecht hat und eine Diskussion zulässig ist. Wogegen ich mich aber vehement wehre, ist, wenn man plötzlich anfängt, in Museen und Galerien zu wildern und „gute von schlechter Kunst“ zu säubern beginnt. Diesen zivilisatorischen Tabubruch würde ich nicht mehr mitmachen. Aber das sehe ich hier auch ausdrücklich nicht. Der Fokus liegt hier auf dem öffentlichen Raum und nicht auf der Kunstfreiheit.


    Wie gesagt: ein schwieriges Thema.

  • East_Clintwood

    Danke für deinen differenzierten Beitrag. Ich sehe es in vielen Punkten genauso wie du. Natürlich darf darüber diskutiert werden, ob das Kunstwerk an dieser Stelle verbleiben soll oder es Möglichkeiten einer Translotion gibt. Neageli, das hat er deutlich gemacht, wäre der Letzte, der sich dagegen sperren würde. Da es sich um Kunst im öffentlichen Raum handelt, ist eine solche Abwägung umso mehr gestattet. Was ich kritisiere, ist, dass ein Kulturverein in aller Öffentlichkeit die Kunst eines immerhin renommierten Künstlers als Schmierereien bezeichnet sowie andere Kulturliebhaber, Museen und Kulturinstitutionen, die dies anders sehen, pauschal als nicht normal oder bodenständig deklariert - und in letzter Konsequenz die Vernichtung des Kunstwerks fordert. Man wertet Mensch und Kunst ab und würgt damit jegliche ernsthafte Diskussion ab. Und damit erweist man dem eigenen Anliegen einen Bärendienst!

    Ich könnte das noch viel schärfer formulieren, aber letztlich ist es genau das, was man (zum Teil zu Recht) Rekonstruktionsgegnern vorwirft, nämlich die pauschale Abwertung der ebenfalls an Kultur interessierten Gegenseite. Ich fände es schon erschreckend, wenn Privatpersonen derartige Statements von sich geben, aber von Kulturvereinen, die zudem meine Interessen vertreten, erwarte ich erheblich mehr Sensibilität bei Kulturthemen. Ich frage mich daher, ob der Ortsverband hier wirklich die Ansichten des Gesamtvereins vertritt. Von letzterem hört man dazu bisher nichts.

    unify

    Nun ist die Graffitisprüherei ubiquitär und einer der wesentlichen Gründe der Unwirtlichkeit moderner Städte. Neaglie hat diesen offensichtlichen Widerspruch villeicht nicht erkannt oder wahrscheinlicher war er ein Blender, der sich selbst mit gut klingenden Motiven schmeichelt.

    Genau, immer erst einmal negative Absichten unterstellen. Man könnte aber auch davon ausgehen, dass er als Pioneer dieser Kunstform diese Widersprüchlichkeit einsetzte, um seine Botschaft zu verstärken. In den 1970 und Anfang der 80er war die Graffitisprüherei in der Schweiz und in Deutschland noch gar kein Thema, weshalb deine Schlussfolgerungen ahistorisch sind. Seine Kunst entfaltete eine ganz andere Wirkung, als es heute in der Masse der - und das schreibe ich ganz bewusst - "Schmierereien" tut.

    Dass Naegil sich Kirchen aussucht, kann auch nicht einfach ignoriert werden. Nachdem sich Neagil an Kirchen rangemacht hat, wurde er mit Preisen überschüttet.

    An welche Kirchen und Preise denkst du da? Und wie stehen die im Zusammenhang miteinander?

    Dass das Establishment Graffiti an Kirchen gut findet ist bekannt

    In dieser Behauptung steckt ungefähr so viel Wahrheitsgehalt und Erkenntnisgewinn wie in "Das Proletariat findet Ketchup auf Spaghetti gut".