Lübeck - Rückkehr der Straßenbahn?

  • Lübeck, das doch nicht wirklich Dein Ernst??? Diese Art von (schlechtem) Scherz gehört zum 1. April:

    https://www.ln-online.de/lokales/luebec…I77KG4GOCI.html

    Ja, vor einiger Zeit ist eine Gruppe von Phantasten auf die ihrer Meinung nach glorreiche Idee gekommen, dass Lübeck wieder eine Straßenbahn (neudeutsch "Tram") haben müsste. Es gibt mittlerweile sogar einen Verein "Tram für Lübeck e.V.". Ich persönlich halte diese Idee für - mit Verlaub - hochgradig schwachsinnig. Herzhaft lachen musste ich gerade über diese Sprüche auf der o.g. Seite:
    "Eine moderne Tram ist wendig und platzsparend." "Eine Tram bring wirtschaftliche Vorteile für das Verkehrssystem und die Stadt."

    Eine Straßenbahn bringt gegenüber dem bestehenden Busverkehr nur einen Vorteil, wenn sie auf einer eigenen Trasse - unabhängig vom motorisierten Individualverkehr fährt. Ansonsten stünde sie genauso im Stau wie jetzt die Busse. Und bevor ich den ganzen Aufwand mit den Gleisen, Oberleitungen, Ertüchtigungen der Brücken, Umbauten der Kreuzungen und Kreisverkehre etc. betreibe, kann ich genausogut auch einfach die Busse per Busspuren auf eigene Trassen bringen. Beides aber scheitert meiner Meinung nach schlicht am zur Verfügung stehenden Platz. In den breiten vierspurigen Magistralen Fackenburger und Schwartauer Allee kann man sich das vielleicht noch vorstellen, aber in der Ratzeburger Allee hört es doch schon auf: Hier werden gerade zwei der vier Fahrspuren zu einem Fahrradschnellweg umgewidmet - wo sollte da dann noch eine eigene ÖPNV-Trasse hin? Ganz zu schweigen, von der nur zweispuren Moislinger Allee oder weiten Teilen der Ziegelstraße - hier würde gar nichts gehen.

    Ich wäre auch gespannt, wie sich die Bahn durch die enge S-Kurve zwischen Holstentor und Salzspeichern schlängeln würde - da bleiben ja die viel kürzeren Busse jetzt schon an den Kantsteinen hängen. "Lustig" wäre es auch, die Bahn sich durch die engen Altstadtstraßen quälen zu sehen. Die historischen Häuser würde unter dem Gerumpel sicher auch sehr leiden.

    Für mich ist die Idee nichts weiter als ein extrem teures Hirngespinst, dessen Realisierung ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Das ist ja mal ein bunter Strauß an Vorurteilen ...

    Stau in der Innenstadt liegt an einer Verkehrsorganisation, die offenbar dem MIV zu viele Prioritäten einräumt - evtl. sogar mangels leistungsfähiger Alternativen - eine Straßenbahn würde die Verkehrsbedarfe entzerren helfen und wäre der perfekte Anlass, über Mobilität in der Stadt generell nachzudenken. Jede Stadt mit Straßenbahnnetz, und sei es auch noch so klein, hält daran fest, weil die Vorteile für die Mobilität einfach so umfassend sind.

    Ich empfehle mal einen Ausflug (am besten per ÖPNV) nach Bremen, Erfurt, Gotha, Bonn, Mannheim, Leipzig, Dresden, Potsdam, Freiburg, Schwerin, Görlitz, usw. um einen Eindruck zu bekommen, wieviel Platz eine Straßenbahn tatsächlich benötigt und welche Verkehrsbedarfe sie erfüllen kann, v. a. im Innenstadtbereich. Das haben auch andere Städte erkannt, die sich mühsam wieder neue Netze aufbauen, nachdem sie den Fehler der Aufgabe ihrer alten Netze erkannt hatten. Dabei werden auch neue Strecken mitten durch historische enge Innenstadtgassen gebaut, wie z. B. in Florenz.

    Klar, der Initialaufwand ist enorm, aber er würde sich für Lübeck sicher lohnen. Ein neues Straßenbahnnetz würde sowieso über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte aufgebaut werden, da sollte man sich keine Illusionen machen, d. h. Ertüchtigungen der Trassen würden bei ohnehin anstehenden Arbeiten mitgeplant werden. Die geschätzte Milliarde würde also nicht auf einmal fällig. Die Potentialanalyse zeigt, dass es nicht unmöglich ist. Vielleicht sollte man auch mit den Kielern zusammen planen, ausschreiben, und bestellen, um Kosten zu sparen und Synergien zu erzeugen.

  • Na, Du scheinst Dich ja in Lübeck sehr gut auszukennen. Dann sag mir doch bitte mal, wie man in dieser Straße (ich kann das Bild wegen des Urheberrechts wohl nur verlinken und nicht anzeigen lassen) sinnvoll eine Straßenbahntrasse unterbringen soll, auf der die Bahn nicht vom MIV behindert wird? Das ist übrigens die Moislinger Allee (B75) bei mir um die Ecke, die Hauptverbindung zwischen den bevölkerungsreichen Stadtteilen Buntekuh, Moisling und St. Lorenz Süd mit der Innenstadt. Die weiteren Straßen in Richtung Moisling (Moislinger Berg/Baum etc). sehen nicht anders aus. In Moisling und Buntekuh wohnt insbesondere die einkommensschwache Bevölkerung in Geschosswohnungen, die großteils mangels eigenem PKW auf den ÖPNV angewiesen ist. In der Altstadt ist die Platzsituation ungleich prekärer. Man müsste die Bahnstrecke wohl u.a. durch die Wahmstraße führen. Dort kommen stellenweise kaum zwei PKW aneinander vorbei. Wie gesagt, wenn der Platz da wäre, alles sinnvoll unterzubringen, hätte ich ja gar nichts dagegen, aber es ist in Lübeck einfach weltfremd. Und ja, ich war u.a. in Schwerin, Dresden und Potsdam und habe die Straßenbahn zumindest in den Außengebieten meist als große, straßenzerschneidende Schneisen und in engeren Straßen als sich zwischen parkenden und fahrenden Autos hindurchquälend Erinnerung. Furchtbar...

    Edit: Hinzu kommt ja noch folgendes: Die jetzigen Buslinien fahren durch nahezu alle Wohngebiete, quasi jede Straße liegt dicht an irgendeiner Haltestelle. Die Straßenbahn würde hingegen nur die Magistralen abfahren. Ich glaube nicht, dass es auf große Akzeptanz stieße, wenn man statt der jetzt 100-200m zur nachsten Bushaltestelle dann einen Kilometer oder mehr zur nächsten Straßenbahn laufen müsste...

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Wie gesagt, die Einrichtung einer Straßenbahn bedingt die Auseinandersetzung mit allen Verkehrsträgern. Ein "hier zusätzlich eine Straßenbahn und alles andere bleibt, wie es ist" geht eben nicht, aber das ist oft auch gar nicht nachteilig. Das hatte ich versucht auszudrücken.

    Auf das Bild bezogen: Die Straße ist zwischen den Grundstücken ca. 20 Meter breit, es gibt teils breite Gehwege, einen Grünstreifen, Parkierungsstreifen beidseitig, Radwege, breitere Haltestellenbereiche, mehrstreifige Knoten - das ist kein Querschnitt, der nicht mit einer Straßenbahn ausgestattet werden könnte, solche gibt es in anderen Städten zuhauf, auch Bundesstraßen. Zudem gibt es durchgehend Vorgärten bzw. Abstandsflächen zu den Gebäuden - hier wäre also - theoretisch - sogar eine Querschnittsverbreiterung möglich - sowas wird auch anderswo tatsächlich gemacht.

    Was den Innenstadtbereich angeht, hatte ich extra Florenz als Beispiel genannt, dort (und auch anderswo nicht unüblich) werden die Richtungsgleise in parallel verlaufenden Straßen neu (!) angelegt. Auch eingleisige Abschnitte sind bei geringer Auslastung völlig ausreichend (es ist für Lübeck ja anfangs von zwei Linien, also in der Wahmstraße nur einer Linie die Rede).

    Busnetze in Städten mit größeren Straßenbahnnetzen haben üblicherweise eine Zubringer- und Verdichtungsfunktion. Meistens sind die Straßenbahnlinien sternförmig angelegt, die Buslinien eher radial. Reine Busnetze sind häufig beides, bzw. sind diese dann sehr verschlungen und versuchen, ihre geringe Kapazität mit dichteren, dafür aber langsameren Linien auszugleichen. Auch hier muss man also sehen, dass eine Straßenbahn nicht ohne Anpassungen in ein bestehendes reines Busnetz "eingelegt" werden kann. Übliche Einzugsbereiche für Haltestellen im innerstädtischen ÖPNV sind ungefähr diese:

    • S-Bahn: 600 m
    • Stadtbahn/Straßenbahn: 300-400 m
    • Bus: 300 m

    Es ist also alles eine Frage der Priorisierung: Will man die Straßenbahn als Rückgrat des innerstädtischen Verkehrs etablieren (und andere Verkehrsträger damit entlasten und daran ausrichten) oder will man sie zusätzlich zu bisherigen Mobilitätsformen? Letzteres ergibt wirtschaftlich sehr wahrscheinlich keinen Sinn und ist wohl in der Analyse für Lübeck auch nicht untersucht worden.

  • Auf das Bild bezogen: Die Straße ist zwischen den Grundstücken ca. 20 Meter breit, es gibt teils breite Gehwege, einen Grünstreifen, Parkierungsstreifen beidseitig, Radwege, breitere Haltestellenbereiche, mehrstreifige Knoten - das ist kein Querschnitt, der nicht mit einer Straßenbahn ausgestattet werden könnte, solche gibt es in anderen Städten zuhauf, auch Bundesstraßen. Zudem gibt es durchgehend Vorgärten bzw. Abstandsflächen zu den Gebäuden - hier wäre also - theoretisch - sogar eine Querschnittsverbreiterung möglich - sowas wird auch anderswo tatsächlich gemacht.

    Wie gesagt: Wo der Platz da ist - und die Altstadt nicht mit Oberleitungen verhunzt wird (aber da gibt es ja offenbar Möglichkeiten), meinetwegen.

    Aber auf die Moislinger Allee bezogen: Du willst jetzt nicht ernsthaft die Baumstreifen und Vorgärten zu Verkehrsflächen machen? Ich glaube nicht, dass es sehr ökologisch ist, mehrere Kilometer Alleebäume, teilweise um die 80 Jahre alt, abzuholzen und zusätzlich Vorgärten zu versiegeln. Das hat man in den 60ern und 70ern gemacht, um eine autogerechte Stadt zu schaffen. Für den ÖPNV, der ja gerade ökologisch sein soll, halte ich das für absolut widersinnig und nicht akzeptabel. So einen Umweltfrevel möchte ich heutzutage bitte nicht mehr erleben. Zudem hat es in der Vergangenheit schon Enteignungsprozesse gegeben, die jahrelange Verzögerungen beim Ausbau der Straße zur Folge hatten. Das ganze wird wohl ohnehin, wenn es denn käme, eher ein Generationenprojekt werden.

    "Fun-Fact" am Rande: Mit 900 Mio (Lübeck hat übrigens aktuell ein Haushaltsloch von 100 Mio!) ist die komplette Straßenbahn inkl. aller Planungen, Gleise, Züge, Depot, Ertüchtigungen usw. "nur" ca. 20x teurer als das geplante neue Buddenbrookhaus (2 relativ kleine Häuser) mit aktuell 42,5 Mio. Also entweder ist erstere deutlich zu niedrig kalkuliert oder letzteres deutlich zu teuer...

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Du willst jetzt nicht ernsthaft die Baumstreifen und Vorgärten zu Verkehrsflächen machen?

    Nein, das meinte ich nicht, aber man kann die Bedarfe kompakter auf die verfügbare Fläche verteilen, z. B. den schmalen Grünstreifen zwischen Radweg und Parkierungsflächen entfernen, bzw. letztere teilweise ersetzen. Große Straßenbäume sollten selbstverständlich, wo möglich, erhalten bleiben. Umlegungs- und Grunderwerbsverfahren sind langwierig und teuer, das ist richtig, deshalb hatte ich das auch nur als theoretische Möglichkeit beschrieben. Was Oberleitungen in der Innenstadt angeht kann man sagen, dass das auch mit geringer Beeinträchtigung geht, wenn man angepasste Masten und Abspannvorrichtungen ohne oder mit niedriger Kettenfahrleitung einsetzt.

  • Ja, vor einiger Zeit ist eine Gruppe von Phantasten auf die ihrer Meinung nach glorreiche Idee gekommen, dass Lübeck wieder eine Straßenbahn (neudeutsch "Tram") haben müsste. Es gibt mittlerweile sogar einen Verein "Tram für Lübeck e.V.". Ich persönlich halte diese Idee für - mit Verlaub - hochgradig schwachsinnig. Herzhaft lachen musste ich gerade über diese Sprüche auf der o.g. Seite:
    "Eine moderne Tram ist wendig und platzsparend." "Eine Tram bring wirtschaftliche Vorteile für das Verkehrssystem und die Stadt."

    Eine Straßenbahn bringt gegenüber dem bestehenden Busverkehr nur einen Vorteil, wenn sie auf einer eigenen Trasse - unabhängig vom motorisierten Individualverkehr fährt. Ansonsten stünde sie genauso im Stau wie jetzt die Busse. Und bevor ich den ganzen Aufwand mit den Gleisen, Oberleitungen, Ertüchtigungen der Brücken, Umbauten der Kreuzungen und Kreisverkehre etc. betreibe, kann ich genausogut auch einfach die Busse per Busspuren auf eigene Trassen bringen. Beides aber scheitert meiner Meinung nach schlicht am zur Verfügung stehenden Platz. In den breiten vierspurigen Magistralen Fackenburger und Schwartauer Allee kann man sich das vielleicht noch vorstellen, aber in der Ratzeburger Allee hört es doch schon auf: Hier werden gerade zwei der vier Fahrspuren zu einem Fahrradschnellweg umgewidmet - wo sollte da dann noch eine eigene ÖPNV-Trasse hin? Ganz zu schweigen, von der nur zweispuren Moislinger Allee oder weiten Teilen der Ziegelstraße - hier würde gar nichts gehen.

    Ich wäre auch gespannt, wie sich die Bahn durch die enge S-Kurve zwischen Holstentor und Salzspeichern schlängeln würde - da bleiben ja die viel kürzeren Busse jetzt schon an den Kantsteinen hängen. "Lustig" wäre es auch, die Bahn sich durch die engen Altstadtstraßen quälen zu sehen. Die historischen Häuser würde unter dem Gerumpel sicher auch sehr leiden.

    Für mich ist die Idee nichts weiter als ein extrem teures Hirngespinst, dessen Realisierung ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann.

    Hier muss ich Civitas Fortis klar zustimmen. Eine Straßenbahn kann sehr wohl eine extrem positive Sache für praktisch jede Stadt sein. Frankreich hat es vorgemacht, dass das auch für mittelgroße Städte wirtschaftlich funktionieren kann und mit einer enormen Verbesserung des Stadtbildes und der Lebensqualität einhergehen kann. Dass Deutschland bei diesem Thema so mutlos ist, ist bezeichnend für den Zustand unseres Landes. Während überall in Europa und der Welt Straßenbahnnetze neu gebaut werden in Städten, die diese wie in Westdeutschland alle nach dem Krieg allmählich abgewirtschaftet und geschlossen haben, ist in Deutschland hiervon nichts zu sehen. Argumente sind immer die gleichen abgestandenen Sachen von den Kosten bis zum Platzmangel, alles natürlich Dinge, die in allen Städten, die eine neue Straßenbahn bekommen haben, Thema waren und die magischerweise andere Länder anscheinend irgendwie gelöst haben. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass schienengebundene Verkehrsmittel wesentlich mehr genutzt werden als Busse. Wenn ich die Wahl zwischen einem Stadtbus und einer Bahn habe, nehme ich immer die Bahn.

    Ich kenne aber die Verhältnisse in Lübeck nicht und möchte mir kein Urteil über die Sinnhaftigkeit einer solchen Sache erlauben. Wenn man sich ein bisschen mit dem Thema beschäftigt, beginnt man nur die überall und immer bis in Details des Wortlauts gleichen Abwehrreflexe etwas kritischer zu sehen.

    Lübeck hatte übrigens zusammen mit Kiel und Braunschweig das einzige Straßenbahnnetz der Welt mit 1100mm Spurweite. Seit die Lübecker Straßenbahn 1959 endgültig geschlossen wurde und dann Anfang der 80er die in Kiel (als eine der letzten der Nachkriegsschließungswelle im Westen, schon bei der Schließung bereut), ist Braunschweig nun die einzige Stadt der Welt mit einer Straßenbahn mit 1.100 mm Spurweite. Nicht, dass das in irgendeiner Weise relevant wäre, es ist eben so eine kleine interessante Geschichte. In Deutschland sind viele Straßenbahnnetze normalspurig (1435 mm) oder meterspurig (zum Beispiel im Ruhrgebiet und in vielen kleineren Städten im Osten).

  • Also ich finde Straßenbahnen verschandeln das Stadtbild, sind zu laut und der Abrieb der Oberleitungen nervt die Anwohner ebenso.
    Ständig wird geschliffen und mit Hochdruck gereinigt, die Weichen werden im Winter beheizt.
    Dazu noch die unflexible Linienführung.
    Was hier in Potsdam schon Gleise hin und her verlegt wurden.
    Wunderbar ist es immer dann wenn die Busse als Ersatz fahren, die Ruhe ist herrlich.

  • Ich komme aus der selben Stadt und bin sehr froh, dass wir die Straßenbahn haben. Sie kommt regelmäßig, pünktlich, ist nicht von Stau betroffen und macht es einfach, auf ein Auto zu verzichten.

  • ÖPNV stört v.a. diejenigen, die ihn nicht nutzen. Deshalb wollen alle Autofahrer auch am liebsten U-Bahnen in jeder Stadt. Busse stören noch relativ am Wenigsten, deshalb sind sie für Autofahrer die zweitbeste Lösung. Straßenbahnen sind aus dieser Perspektive natürlich nervig, weil sie da zu sein pflegen, wo Autofahrer auch sein wollen (ähnlich wie Radfahrer), also eine direkte Konkurrenz um Platz besteht.

    Es gibt einige gute Argumente gegen Straßenbahnen. Lärm ist sicher einer, v.a. in Kurven, Oberleitungen ein weiterer, insgesamt sind sie relativ langsam, v.a. wenn sie wirklich auf der Straße und nicht auf separaten Gleiskörpern fahren, und unflexibel. Dafür sind sie vergleichsweise billig in Bau und Unterhalt, gut und barrierefrei ohne teure Infrastruktur für jedermann erreichbar, haben kürzere Haltestellenabstände als U-Bahnen und eine deutlich höhere Kapazität als Busse.

    Im Moment feiern Straßenbahnen oder moderner Stadtbahnsysteme entgegen allen Vorhersagen global sogar eher eine Renaissance. Alle Alternativen wie zum Beispiel schienenfreie Systeme (Translohr in Frankreich), Einschienensysteme, Oberleitungsbusse, Doppelgelenkbusse (wie eine Zeitlang in Hamburg auf den stärkstfrequentierten Buslinien) sind teurer und schlechter für diesen mittleren Kapazitätsbereich.

    Was sich am ehesten noch verbreiten wird sind oberleitungsfreie Straßenbahnen, die zumindest in optisch sensiblen Bereichen dann ein paar Stationen ohne Oberleitung auskommen dank Batterie. Mittelfristig sind -ähnlich wie jetzt schon immer öfter bei Bussen- auch komplett oberleitungsfreie Straßenbahnen denkbar, die immer nur an den Endhaltestellen oder an ein paar zentralen Punkten mit längeren Aufenthalten per Oberleitung oder per Induktion nachladen.

  • Bei uns nennen viele das Ding Strapazenbahn.
    Vor allem die alten Bahnen(Tatra?!) nerven jeden Kinderwagenschieber wie mich weil Stufen zu überwinden sind. Leider weiß man nie was kommt, neulich hatten die zurückgelassene Rollstuhlfahrerin und ich dann noch nen netten Plausch. Immerhin

  • Die alten Straßenbahnen werden doch eigentlich nur noch sehr selten verwendet, auf wenig frequentierten Strecken oder wenn es Ausfälle von den modernen Bahnen gibt. Den Namen Strapazenbahn höre ich das erste mal seitdem ich 22 Jahre in Potsdam lebe.

    Da du die Straßenbahn anscheinend auch mit Kinderwagen verwendest, sollte es dir doch wahrscheinlich auch lieber sein, diese statt einem engen, schaukelnden Bus zu verwenden.

  • Eine Stadt ohne Straßenbahn ist das langweiligste, was es gibt. Siehe Hamburg oder West-Berlin. Öde Orte mit Verkehrssystemen aus dem letzten Jahrhundert. Großkotzig wurde in Berlin vor Kurzem noch der Ausbau von U-Bahnstrecken vorgeschlagen. Was aktuell gar nicht mehr Thema ist, da das U-Bahn-System in Berlin vor dem Zusammenbruch steht. Uralte rumpelnde Kisten mit Rost, dass sich die Balken biegen. Folge: Ausmusterung. Jedes Jahr verliert die BVG 5 % ihres Wagenparks. Neufahrzeuge bisher Fehlanzeige. Software-Probleme heißt es. Dazu jeden Tag stinkende Bahnhöfe mit Grafitti und Urin. Obdachlosen und Drogendealern. Gewalt an der Tagesordnung. Ratten und Müll in den Tunneln, sowie ständig Personen im Gleis.

    Beim Bus sieht es nicht besser aus. Es gibt nicht mehr genug Fahrer. Zu oft werden diese Opfer von Gewalt und Pöbeleien. Deutsche Bus-Hersteller kämpfen zudem gegen Konkurrenz aus Asien, denn die Preise für Speichertechnologien steigen wieder. Ladestrukturen müssen auch erst kostenintensiv aufgebaut werden. Keine gute Entwicklung insgesamt. Busse erreichen zudem nicht die Kapazität einer Tram. Das sieht man jedesmal beim SEV.

    Der Bereich Straßenbahn hat diese ganzen Probleme nicht. Zum einen die Kosten. So sind vor allem die aktuellen Baukostens einer U-Bahn enorm: 1 km Strecke kostet mittlerweile 100 Mio €. Für die veranschlagten 900 Mio € kann Lübeck gerade mit einer U-Bahn-Linie und 10 Bahnhöfen rechnen. Wollte man die 4 Straßenbahnlinien als U-Bahn bauen, benötigt man 9 Mrd €. Zum Vergleich: Die 5 Stationen U5 in Berlin-Mitte kosteten in der Schlussrechnung 1,2 Mrd €. Bei immer klammeren Kassen scheidet eine U-Bahn aus. Die Verkehrskapazitätsprobleme indes bleiben, da der Verkehr durch Verdichtung einer Buslinie immer mehr Personal binden würde, welches es nicht gibt.

    Also bleibt die Straßenbahn. Und wenn ohnehin gebaut wird, dann müssen diese Linien auf eigenen Trassen verkehren. Deshalb könnte man auch mal Straßen innerstädtisch abreißen und durch Grünflächen mit Rasengleisen ersetzen. Da kehrt die Ruhe von selbst zurück.