Wismar - Wiederaufbau des Gotischen Viertels

  • Wie kann man denn die hier geäußerten Bemühungen um die Rekonstruktion des Gotischen Viertels (Alte Schule, St. Marien …) konkret unterstützen? Und ist es überhaupt noch sinnvoll, wenn der Bund nun diesen modernen Abschluss fördert (da gibt es doch bestimmt eine Zweckbindung über mehrere Jahre)?

    Was ist eigentlich aus dieser Initiative geworden? Im November hieß es dort noch:



    … seitdem herrscht auch dort leider Funkstille.

  • Nach der Bewilligung der Fördergelder des Bundes wurden die Pläne zur Neugestaltung des Terrains um den St. Marien-Kirchturm (als "St. Marien-Forum") inzwischen überarbeitet und stehen zur Ausführung bereit. Die Pläne mit zahlreichen Visualisierungen können auch online eingesehen werden, klick >> hier

    Auf der Homepage der Stadtverwaltung ist über die ersten Baumaßnahmen (vermutlich 2018) zu erfahren:

    Die Verwaltung schlägt daher vor, dass die Fertigstellung der Aufmauerung und des Innenraumes des ehemaligen Kirchenschiffes den Kern des neuen Antrages „St.-Marien-Forum Wismar“ bilden. Die zu erwartenden Fördermittel würden es nämlich ermöglichen, das ehemalige Kirchenschiff insbesondere wie folgt fertigzustellen:
    – Fortsetzung der archäologischen Arbeiten und Absenkung des Fußbodens auf das historische Niveau
    – Vereinheitlichung der Mauerkrone
    – Komplettierung des fehlenden Säulenmauerwerkes
    – Höhenausgleich zur Niveauregulierung im Innenraum und Herstellung als archäologischer Garten
    – restauratorische Aufarbeitung und Aufstellung von ersten Grabplatten vor den Wänden, weitere Aufstellungen sind im Zuge der weiteren Planung zu untersuchen
    – Bereitstellung von Sitzgelegenheiten.
    (Quelle)

    Fazit: Die o.g. Maßnahmen sind ein erster Schritt zu einer deutlichen Aufwertung des von den Roten Taliban ruinierten Quartiers, auch wenn wir von möglichen Rekonstruktionen (Alte Schule) noch Lichtjahre entfernt sind. :applaus:
    .

    3 Mal editiert, zuletzt von Maecenas (19. November 2016 um 23:41)

  • Danke für den Hinweis, Kralle. Leider funktioniert der Link nicht (mehr). Bei datenbankgestützten Dokumentverwaltungen, insbesondere bei verschiedenen E-Government-Systemen scheint es heute leider üblich zu sein, dass die vom System erzeugten Links nur temporär (entweder nur für die aktuelle Browsersitzung und/oder für eine bestimmte Zeitspanne) gültig sind.
    Nach einiger Suche in den Sitzungsprotokollen habe ich die Datei aber nun auch gefunden. Mir ist es leider nicht gelungen, einen konstanten Link dorthin zu finden. Offenbar ist aber der Link zur Vorlage der Sitzung konstant. Hier dann nach ganz unten scrollen, dort ist unter "Anlagen" der Link zu dem von Kralle erwähnten Dokument. Leider ist es sehr schlecht aufgelöst, so dass man auch bei Vergrößerung Detailbeschriftungen in den Plänen nicht lesen kann.

    Ich verstehe beispielsweise nicht, warum an der Nordwestecke des Marienwestbaus eine Rampe gebaut werden soll, die m.E. zu dicht an den Bau führt und sicher optisch unschön sein wird. Die Rampe soll bestimmt der "barrierefreien Erschließung" dienen. Aber wozu hier am relativ steilen Hang? Gegenüber ist doch die ganze Südseite komplett ebenerdig auf Straßenniveau. Das Geld für diese Rampe könnte man viel sinnvoller einsetzen!

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Danke für den Hinweis Frank, auch bei mir ist die Datei im Direktzugriff jetzt nur noch temporär erreichbar. Mit dem von dir beschriebenen Umweg über die Sitzungsvorlage klappt es aber problemlos.

  • Aus dem Artikel:

    Zitat von SVZ.de

    „Mit dem Projekt soll die Kultur und Geschichte des Stadtraums um die St.-Marien Kirche für die Bewohner und Besucher der Hansestadt Wismar im Zentrum des Unesco-Welterbes wieder sichtbar und erlebbar gemacht und der vorhandene städtebauliche Missstand beseitigt werden“, betont Wismars Pressesprecher Marco Trunk. ...

    Dabei ist laut Trunk neben der Gewährleistung der Barrierefreiheit mittels Rampen unter anderem Folgendes geplant: Ausbau von alten Pflasterbelägen; Vereinheitlichung der Mauerkrone des ehemaligen Kirchenschiffs sowie Komplettierung des Säulenmauerwerks im Chorbereich;...

    – Quelle: https://www.svz.de/17427446 ©2017

    Wenn ich das schon lese - der städtebauliche Missstand wird erst beseitigt sein, wenn das Kirchenschiff wieder aufgebaut ist.

    "Vereinheitlichung der Mauerkrone und Komplettierung des Säulenmauerwerks" hört sich nach weiterer Aufmauerung an. :thumbup:
    Im Chorbereich ist das neue Mauerwerk nämlich deutlich höher an den Seiten. Ich hoffe doch nicht, dass man es dort wieder herunterzont?

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Vollkommen richtig Frank, der eigentliche städtebauliche Missstand bleibt das zerstörte Kirchenschiff der Marienkirche mit einem durch die Sprengung teilweise unansehnlichen Turm. Gleichwohl ist ein Wiederaufbau der Kirche - das haben wir in diesem Thread schon oft thematisiert - leider völlig illusorisch und utopisch. Es bleibt die bittere Erkenntnis, dass die primitiven Aparatschiks der SED damals vermutlich noch für lange Zeit, vielleicht auch für ewig Fakten geschaffen haben. Dabei war das Gotische Viertel mit seinen zwei monumentalen Kathedralen, die praktisch direkt nebeneinander gebaut waren im gesamten Hanseraum ein Unikat und von unschätzbarem Wert. Als der damalige Bundespräsident v. Weizsäcker Anfang der 90er Jahre im Helikopter über Wismar geflogen wurde stellte er überrascht fest, dass dort unten eine riesige Kirche mit eigenständigem Glockenturm stünde (ein Campanile an der Ostsee ;) ). Man klärte ihn natürlich schnell über die Tragödie der Marienkirche auf, dennoch verdeutlicht diese Anekdote dass ein Wiederaufbau der Kirche eigentlich unabdingbar ist.


    (eigenes Bild)

    Die angesprochene "Vereinheitlichung der Mauerkrone des ehemaligen Kirchenschiffs" wird vermutlich nur bedeuten, dass die teilweise unterschiedlich hoch gemauerten Kirchengrundriss-Mauern vereinheitlicht werden (ich meine auf 80 cm), die deutlich höher gemauerten Chor-Mauern werden aber wohl kaum wieder rückgebaut (das wäre schwachsinnig). Insgesamt begrüße ich die aktuellen Baumaßnahmen, die die Kirche wieder hinsichtlich Grundriss und Größe erfahrbar machen.
    .

    Einmal editiert, zuletzt von Maecenas (28. August 2017 um 19:28)

  • Gleichwohl ist ein Wiederaufbau der Kirche - das haben wir in diesem Thread schon oft thematisiert - leider völlig illusorisch und utopisch.

    Das will ich aber (noch) nicht wahrhaben. Die Georgenkirche ist auch wiederhergestellt worden, was man nach dem Teileinsturz 1990 ebenfalls nicht unbedingt für möglich hielt. Hier standen zum größten Teil zwar noch die Umfassungsmauern, aber durch die deutlich größere Baumasse gegenüber der Marienkirche, die gegen die massiv-trutzige und viel höhere Georgenkirche fast zierlich erscheint, dürfte das aufzuwendende Gesamtvolumen für das Marien-Kirchenschiff nicht viel größer sein als das für die wiederhergestellten Teile der Georgenkirche. Hier fehlte ja ab der Traufe quasi alles (bis auf den Chor sämtliche Dächer, Gewölbe und Fenster, Teile der Schildgiebel, die hohen Ziertürmchen sowie die gesamte Sakristei.

    Mit einer ähnlichen Anstrengung sollte das doch bei St. Marien auch zu machen sein - dann dauert es eben 20 oder 25 Jahre, man kann ja sukzessive vorgehen. Und ein Anfang ist ja mit den neu aufgemauerten Grundmauern auch schon gemacht. Ich meine gelesen zu haben, dass diese sogar tragfähig für eine Rekonstruktion wären.
    In einem anderen Dokument las ich auch mal, dass man mittelfristig auch nicht darum herumkommen wird, die ein oder zwei westlichsten Schiffsjoche zur Stabilisierung des Turms wieder aufzubauen. Das jochweise Vorgehen von West nach Ost wäre ja vielleicht auch eine Möglichkeit, wenn auch nicht die klassische im Kirchenbau. Bei 10 Jochen hätte man dann pro Bauabschnitt nur jeweils 1/10 der Gesamtsumme zu stemmen...

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Das will ich aber (noch) nicht wahrhaben. ... Mit einer ähnlichen Anstrengung sollte das doch bei St. Marien auch zu machen sein - dann dauert es eben 20 oder 25 Jahre, man kann ja sukzessive vorgehen.

    Ich will das auch nicht wahrhaben und wünsche mir den sukzessiven Wiederaufbau. Jedes mal wenn ich in Wismar bin, die zerstörte Kirche und die dadurch entstandene Ödnis sehe, kriege ich schlechte Laune. Nur habe ich bisher nicht den Eindruck, dass die Wismarer irgendwelche nennenswerten Anstrengungen zum (sukzessiven) Wiederaufbau unternehmen (abgesehen von ein paar einfluss- und wirkungslosen Facebookgruppen). Bisher konnte man sich ja noch nicht einmal zu einem zeitnahen Wiederaufbau der benachbarten Alten Schule durchringen, die im Gegensatz zur Marienkirche für einen "Kleckerbetrag" zu haben wäre. :(

  • Es wäre eigentlich schon viel gewonnen, würde man eine einzige Wand des Längsschiffes wiedererrichten, so wie in Erfurt vom Schiff der Barfüßerkirche auch nur eine Hälfte steht.
    Eine derartige gotische Ruine würde nicht nur die Proportion wiederherstellen und die sinnlose Lücke zumindest teilweise ausfüllen, sondern auch dem Charakter des gotischen Viertels gerecht.

    Vielleicht sollte man auf dieses Ziel hinarbeiten. Den Rest kann man ja später wiederaufbauen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Hier ein ungarischer Versuch in diese Richtung:

    https://www.google.at/search?q=budap…f=1504092750014

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Eine Seitenwand allein wiederaufzubauen ist technisch aber anspruchsvoll wegen der Windkraft. So eine rekonstruierte Wand müsste seitlich mit Streben, Seilen o.ä. gesichert werden, was der Optik nicht gerade förderlich wäre. Dann würde ich eher den Chor favorisieren, weil er mit seiner U-Form gegen Winde biegesteifer wäre. Das einstige Schiff könnte gleichzeitig auch als Veranstaltungsort durch Turm und Chorwand besser gefasst werden.

  • Ich sehe das ganze genauso wie Riegel. Hinzu kommt dass die Rekonstruktion einer Seitenwand die durch die Sprengung entstandene städtebauliche Misere nur teilweise beheben würde, aus der Perspektive des Alten Hafens würde die Stadtsilhouette sicherlich durchaus ein wenig "repariert", aus der Perspektive des Marktplatzes würde so eine Teilreko aber eher wenig hilfreich sein.
    Tatsächlich wird in Wismar langfristig (das hat Frank oben erwähnt) daran gedacht, zur statischen Stabilisierung des verbliebenen Turms ein bis zwei Joche des Kirchen- bzw. Hauptschiffs wieder aufzubauen (nähere Infos dazu siehe hier, S.18). Daher könnte an dieser Stelle der Kirche m.E. am ehesten die "Keimzelle" für einen wünschenswerten Wiederaufbau des gesamten Kirchenschiffs liegen. Man könnte also im Idealfall mit einer Reko in den Bereichen nahe des Turms beginnen und sich langsam richtung Chor vorarbeiten. Aber, ich wiederhole mich, dafür müsste in Wismar endlich mal ein ernsthafter Wille erkennbar sein und es dürften nicht ständig Ausreden (kein Geld, kein sinnvoller Verwendungszweck etc.) vorgeschoben werden.
    .

    Einmal editiert, zuletzt von Maecenas (30. August 2017 um 20:05)

  • Zum (mehr oder weniger) aktuellen Stand der Arbeiten am Marien-Forum möchte auf diese >> Foto-Serie im DAF-Forum verweisen.
    Hoffentlich werden die Mauern stabil und solide gemauert, damit man eines Tages ein Kirchenschiff darauf setzen kann! :rolleyes:

  • Der "Förderverein St. Marien" hat sich aufgelöst. Für einen möglichen Wiederaufbau der Kirche und das damit unabdingbar verbundene bürgerschaftliche Engagement ist das keine gute Nachricht.

    Zu den Gründen siehe >> Ostseezeitung

  • "aber die Bürger Wismars ließen sich offensichtlich nicht aktivieren"

    Naja, zum Einen ist eigenständiges bürgerschaftliches Engagement in einer ehemals staatlich sozialistisch gelenkten Gesellschaft sicherlich nicht sehr weit verbreitet.
    Und zum Anderen: wie viele Christen gibt es in Wismar überhaupt noch, die abseits der städtebaulichen Bedeutung Interesse an der Nutzung einer dritten Großkirche in ihrer Stadt haben könnten?

    Ich habs eben mal gegoogelt:
    Beim Zensus 2011 gab es bei etwa 44.000 Einwohnern 1.239 Katholiken und 4.037 Protestanten.
    Das sind ungefähr 12% der Bevölkerung! Da das jetzt schon sechs Jahre alte Zahlen sind, hat inzwischen die Zahl der Gläubigen sicher noch weiter abgenommen.
    5.000 Gläubige passen auch locker in eine der beiden verbliebenen Kirchen...

    Warum also in der gottlosesten Ecke Mitteleuropas ein riesiges Gotteshaus erbauen?

    Versteht mich nicht falsch - ich wünsche mir auch einen Wiederaufbau der Marienkirche und des gotischen Viertels.
    Nur: eine Kirche ohne Funktion und ohne Gemeinde neu zu errichten, ist total sinnentleert.
    Kirche braucht Gemeinde.

    Klar gibt es auch massenhaft Kirchenbauten, die in der Zwischenzeit anders genutzt werden.
    Nur: in diesen Fällen war der Kirchenbau immer zuerst da und wurde dann umgenutzt.
    Als Konzerthalle, Bibliothek, Gaststätte, Wohngebäude etc.
    Bei St. Marien ist das anders.
    Wenn man einen Konzertsaal neu bauen will, baut man eben einen Konzertsaal.
    Und keine alte Kirche neu auf.