• Derweil in Dresden ... Netzfund!

    Danke für die Verlinkung! Marcus Fuchs war mir bisher gar nicht bekannt.

    Auf der Internetseite ist ein interessanter Beitrag schon vom 11.09.2024 zum Einsturz der Carolabrücke:

    Der Zustand der Carolabrücke war gem. Prüfbericht bereits seit mindestens 2013 “nicht ausreichend” (Note 3,0), der sowohl der Stadtverwaltung als auch dem Stadtrat Dresden vorlag ...

    In dem Bericht von vor 11 Jahren (!) heißt es ausdrücklich, dass die “üblichen Probleme mit DDR-Spannstahl (Potentiale für wasserstoffinduzierte Spannungsrisskorrosion)” zu einer nicht zeitgemäßen Tragfähigkeit der Brücke führen.


    Bild

    Bereits 2019 hat die Stadtverwaltung Dresden den Stadtrat darüber informiert, dass es durch eine undichte Straßenentwässerungsanlage vor 1989 große Mengen tausalzbelasteten Wassers in die Brücke gelangten, die “zur sogenannten chlorinduzierten Spannungsrisskorrosion” führen können und somit “zum schlagartigen Versagen des Spanngliedes” führen kann, “was die Standsicherheit der Brücke gefährdet.”



    Das sind doch interessante Informationen wie ich finde. Ob dies so stimmt, kann ich nicht beurteilen

    Aber ich sehe das anders als manch Diskursteilnehmer hier: ein Brückeneinsturz ist keine Bagatelle, welche man einfach so hin nehmen kann. Ursachen und Verantwortlichkeiten gehören gründlich aufgearbeitet.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Einige Beiträge, die allgemeinpolitische Bezüge des Brückeneinsturzes thematisieren, wurden deaktiviert. Bitte beim Sachthema bleiben.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Abgesehen von ihrer wichtigen Funktion als Verkehrsbrücke war der nun eingestürzte Brückenteil der Carolabrücke neben der Augustusbrücke eine der zwei Brücken, die eine immens wichtige Funktion für das Stadtbild selbst einnahmen. Der Standort und das Stadtpanorama scheinen hier fast untrennbar miteinander verbunden. Man wird diesen schon ikonischen Standort mit ziemlicher Sicherheit nicht aufgeben.

  • Ungeachtet der folgende Begründung ist diesem Satz unbedingt beizupflichten. Man fragt sich, wie ein realpolitisch denkender Mensch auf so eine Idee kommen konnte. Das Ideale wäre, der Vorschlag für eine originale Reko der Carolabrücke würde von irgendeiner Partei der Gegenseite kommen und die AfD würde gegen diese "unsinnige und verantwortungslose Verschwendung von Steuergeld" lautstark protestieren.

    Nein. Wir sollten uns nicht auf die Macht(erhalt)spiele der Parteien einlassen. Konformismus lehne ich ab. Wir sollten wieder auf konstruktive Politiker setzen, die tatsächlich an Problemlösungen interessiert sind. Als Ingenieurin habe ich leider haarsträubende Entscheidungen aus erster Hand mitbekommen (Ausstieg vom Ausstieg der Automkraftwerke etc), die logisch und in dieser Weise nicht nachvollziehbar waren. Ist auch nicht das Thema. Aber in Sachen Infraktstruktur gibt es viel Luft nach oben. Ich kenne die Verhältnisse in Dresden nicht, aber ich bewundere jeden Menschen, der in die Politik geht, um Lösungen zu finden (parteiunabhängig). Darauf sollten wir uns konzentrieren.

    Beauty matters!

  • Abgesehen von ihrer wichtigen Funktion als Verkehrsbrücke war der nun eingestürzte Brückenteil der Carolabrücke neben der Augustusbrücke eine der zwei Brücken, die eine immens wichtige Funktion für das Stadtbild selbst einnahmen. Der Standort und das Stadtpanorama scheinen hier fast untrennbar miteinander verbunden. Man wird diesen schon ikonischen Standort mit ziemlicher Sicherheit nicht aufgeben.

    Aufgeben wird man den Standort allein schon aus verkehrstechnischen Gründen nicht, schließlich hat man ja zu DDR-Zeiten zeitgleich mit der Carolabrücke eine gigantische Durchfahrtstraße über die (heutige) Albertstraße geführt (und mit Platte bebaut), die dann hinter der Carolabrücke südlich der Elbe über Pirnaischen Platz und St. Petersburger ähnlich schneisenartig weitergeht.

    Siehe die beiden Fotos.

    Eine wichtige Funktion für das Städtebild kann ich nicht erkennen, vielleicht noch mit der alten Brücke, allerdings war die nach Marien- und Albertbrücke auch nur ein Nachzügler von 1895.

    Lanes are meant to be crossed. If you're staying in your lane you're obviously advancing too slow.

  • Es ist vielleicht nicht allgemein bekannt, dass die historische Carolabrücke nicht durch Fliegerbomben zerstört, sondern am 7. Mai 1945 durch die SS gesprengt wurde.

    Zustand nach der Sprengung durch die SS:

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hauptkatalog/0619000/df_hauptkatalog_0619920.jpg

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hauptkatalog/0624000/df_hauptkatalog_0624827.jpg

    Der Wiederaufbau der zerstörten Brückenbögen wurde recht früh aufgegeben. Matthias Lerm führt dazu aus, dass dafür der Spezialstahl fehlte.

    Man musste aber schnellstmöglich die Fahrrinne für den Frachtverkehr freimachen.

    Beräumung der Brückenbögen zur Freimachung der Fahrrinne, gemäß Angabe in der Fotothek passierte das 1947

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hp/0006000/df_hp_0006504_034.jpg

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hp/0006000/df_hp_0006500_037.jpg

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hp/0006000/df_hp_0006496_009.jpg

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hp/0006000/df_hp_0006497_013.jpg

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hp/0006000/df_hp_0006505_043.jpg

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hp/0006000/df_hp_0006498_021.jpg

    Anblick nach der Beräumung der Brückenbögen:

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hauptkatalog/0109000/df_hauptkatalog_0109244.jpg

    Und noch ein Detailbild der Brücke "von unten":

    https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/hauptkatalog/0166000/df_hauptkatalog_0166367.jpg

  • Noch ein paar Fakten:

    Am 17.07.2020 berichtet die Sächsische Zeitung über die Kungelei bei der Besetzung des Amts des Dresdner Baubürgermeisters. Die Fraktion der Grünen legt als Kandidaten Stephan Kühn, einen studierten Soziologen und Politiker der Grünen fest, bevor es überhaupt eine Ausschreibung zur Stelle gibt. Torsten Nitzsche (Freie Wähler) beklagte: „Es muss eine Bestenauslese geben“. Die AfD wollte in der Ausschreibung festlegen, dass nur ein Ingenieur, Baurechtsjurist oder Architekt dieses Amt bekommt. FDP-Fraktionschef Holger Zastrow kritisierte: „Hier wurde der Sieger vor dem Rennen gekürt. Das beschädigt sämtliche Ausschreibungsverfahren der Stadt und die Person Stephan Kühn.“ Er nannte es eine „hoch riskante Kungelei“.

    Am 25.08.2023 twittert der Baubürgermeister Stephan Kühn (Post ist inzwischen gelöscht), dass die „Kritik von Zastrow, wir würden die Brücken vergammeln lassen, jeder sachlichen Grundlage entbehre“ und nennt dabei auch explizit die Carolabrücke, die gemeinsam mit den anderen Brücken Dresdens einen Investitionsschwerpunkt darstelle.

    Im Februar 2024 beschloss der Stadtrat Dresdens, bis 2035 klimaneutral zu werden und den Fokus auf eine „nachhaltige Umgestaltung der städtischen Infrastruktur“ zu legen.

    Am 14.06.2024 wurde im Stadtrat Dresden ein Antrag der Freien Wähler behandelt, den Zustand aller Dresdner Brücken zu erfassen. Am 17. Juni lehnte die linksgrüne Mehrheit (Grüne, Linke, SPD, Piraten, Die Partei) den Antrag ab.

    Am 23.07.2024 berichten die Dresdner Neuesten Nachrichten, dass die Klage zur Besetzung des Amts des Dresdner Baubürgermeisters abgewiesen wurde. Das Verwaltungsgericht urteilte, dass die Parteizugehörigkeit entscheidend sei, nicht die fachliche Qualifikation für das Amt. Ein fachlich besser qualifizierter Mitbewerber auf das Amt hatte geklagt.

    Am 2.09.2024 weiht der ADFC einen neuen Radweg auf der Carolabrücke ein. Es handelt sich um einen Verkehrsversuch, bei dem stadteinwärts eine von zwei Autospuren als Radweg ausgewiesen wurde. Die dafür anfallenden Baukosten liegen bei 200.000 Euro.

    Am 11.09.2024 stürzt in den frühen Morgenstunden ein Teil der Carolabrücke ein. Die Ursachen für den Einsturz sind unklar.

  • Für mich sehr interessant, die Alberbrücke wurde 1946 größtenteils aus Stahlbeton wiederaufgebaut und mit Sandstein verblendet.
    Ein Jahr nach dem Krieg legte man also Wert auf ein Stück vom alten Dresden.

    LINK

  • Es wäre auf jeden Fall möglich eine Brücke mit allen Errungenschaften des Brückenbaus bis heute und heutigen Anforderungen zu bauen aber diese historisierend zu verkleiden, um sich möglichst dem Altstadtbereich anzupassen. Nehmen wir die neue Monbijoubrücke in Berlin als gutes Beispiel:

    1280px-July_2007_Berlin_8.jpg

    Leider ist die große Frage ob man das überhaupt will, oder ob man wieder auf vollen Bruch und Störung setzt.
    So unglücklich der Einsturz der Carolabrücke ist, so groß ist jetzt die Chance Dresden mit einem Mal sehr viel schöner zu machen.

  • Es wäre auf jeden Fall möglich eine Brücke mit allen Errungenschaften des Brückenbaus bis heute und heutigen Anforderungen zu bauen aber diese historisierend zu verkleiden, um sich möglichst dem Altstadtbereich anzupassen. Nehmen wir die neue Monbijoubrücke in Berlin als gutes Beispiel:

    1280px-July_2007_Berlin_8.jpg

    Leider ist die große Frage ob man das überhaupt will, oder ob man wieder auf vollen Bruch und Störung setzt.
    So unglücklich der Einsturz der Carolabrücke ist, so groß ist jetzt die Chance Dresden mit einem Mal sehr viel schöner zu machen.

    2 Anmerkungen dazu.

    Eine Prämisse ist die Nutzbarkeit als Wasserstraße auch bei höherem Wasserstand führt unter anderen zur großen Durchfahrtshöhe unter der Waldschlösschenbrücke. daher ist das Beispiel Berlin nicht passend (zusätzlich zu Stützweiten, Verkehrslasten, Stromöffnung etc.)

    Und zweitens war beispielsweise die Prämisse beim sehr ausführlichen Gestaltungswettbewerb der Waldschlösschenbrücke, das gerade keine spezielle Dresdner Brücke gibt, sondern das es gewollt ist zur Dresdner Brückenfamilie aus sehr unterschiedlichen Konstruktionen (von Blauem Wunder als Stahlfachwerk über Gewölbebrücken verschiedener Bauzeit und Bogenöffnung sowie Spannbetonüberbau der DDR Neuzeit bis zu Flügelwegbrücke als Stahlhohlkasten als Nachfolger vom Stahlvollwandträger) eine weitere Brückenkonstruktion hinzuzufügen.

    Die Annahme das Dresdner Brücken zwangsläufig Sandsteinbögen bedeutet ist also aus meiner Sicht nicht zutreffend, eher das Gegenteil.

    Es wäre eher eine zur jeweiligen Bauzeit aktuell übliche oder gar neuartige Konstruktion zu bauen.

    Zur Carolabrücke und den angrenzenden breiten Straßen einer Stadtarchitektur Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts passt also eher nicht eine historische Sandsteinbrücke in Geometrie oder Material. Das Fortschreiben der Geschichte de Brückenbaus wäre meiner Meinung nach eher zielführend.

  • Zur Carolabrücke und den angrenzenden breiten Straßen einer Stadtarchitektur Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts passt also eher nicht eine historische Sandsteinbrücke in Geometrie oder Material. Das Fortschreiben der Geschichte de Brückenbaus wäre meiner Meinung nach eher zielführend.

    Was für einen modernen Brückentyp hälst du denn für geeignet, um sowohl "die Geschichte fortzuschreiben" als auch den ästhetischen Anforderungen an so ein Bauwerk direkt neben dem historischen Altstadtpanorama gerecht zu werden?

    Vielleicht fällt dir ein Vorbild ein, was geeignet wäre?

    Ich kenne mich jetzt nicht in Dresden aus, aber ich könnte mir vorstellen, dass man sämtliche Varianten mit einem über der Fahrbahn aufragenden Tragekonstrukt wie eine Hängebrücke oder Bögen über der Fahrbahn wie bei der Waldschlösschenbrücke ausgeschlossen werden, um den Blick auf das Altstadtpanorama nicht zu verstellen.

    Dann blieben ja eigentlich nur Bögen unter der Brücke, wie beim historischen Vorgängerbau, oder eben Spannbeton wie bei der jetzt eingestürzten DDR-Carolabrücke - und die wird unseren Anforderungen an eine ästhetische Brücke natürlich überhaupt nicht gerecht.

  • ja das sehe ich ähnlich, ich fände nur ein Bauwerk mit unten liegendem Tragwerk passend.

    Ob aus Stahl, Stahlbeton, Stahlverbund oder gar neueren Bauweisen sei dahingestellt.

    Es wird jedoch mit Sicherheit ernst zu nehmende Forderungen nach höher liegender Unterkante geben. Größerer Stützweite ist sicher nicht erforderlich.

    Architektonisch interessant fände ich beispielsweise eine von einer Seite zur Anderen wechselnden Architektur, also von moderneren Bauten Altstadt wie Synagoge und (noch ?) dort befindlichem Hotelhochhaus bzw. Pirnaer Vorstadt hin zu den älteren Bauten Staatskanzlei und Finanzministerium auf der Neustädter Seite.

    Ob es solch einen "Bruch" oder "Wechsel" in der Gestaltung einer größeren Brücke schon gegeben hat weis ich nicht.

  • Generell finde ich, dass Dresden gerade angesichts des vielen Erreichten stadtbildmäßig andere Sorgen bzw vordringlichere Stadtbildprobleme hat als diese Brücke, deren Funktion fürs Stadtbild sich im Blick von der Brücke auf die Altstadt erschöpft. Angesichts der Verkehrssituation hat diese Stelle nicht gerade so etwas wie Aufenthaltsqualität - diesbezüglich gibt es viele bessere Standorte. Daher empfinde ich die Diskussion um eine Rekonstruktion nicht nur als vergebliche Liebesmüh, sondern dem Rekogedanken sogar als abträglich. Vor allem was den Brückenkopf der Inneren Neustadt betrifft, gäbe es mehr als genug zu tun. Für die Carolabrücke sollte sich eine gut verträgliche moderne Lösung finden lassen.

  • Angesichts der Verkehrssituation hat diese Stelle nicht gerade so etwas wie Aufenthaltsqualität - diesbezüglich gibt es viele bessere Standorte.

    Mit einer neuen Carolabrücke ist jetzt endlich die Gelegenheit, an den Brückenköpfen und in anschließenden Bereichen diese fehlende Aufenthaltsqualität (wieder) zu schaffen. Verkehrsplanung und Stadtplanung müssen hier Hand in Hand gehen. Der Status Quo im Bezug auf den Verkehr steht schon lange in Frage und wurde ja in letzter Zeit auch etwas offizieller diskutiert.

    Was die Brückengestaltung angeht war die "neue" Carolabrücke Ausdruck der Planung der autogerechten Stadt, absichtlich die Dresdner Brückengestaltung ignorierend. Es gibt sehr wohl etwas wie die "Dresdner Brücke", bzw. einen Brückentypus im Bereich Sachsen/Oberelbe. Dazu gehören Bogenviadukte und Pfeiler aus Sandstein. Der Überbau ist traditionell entweder ebenfalls aus sandsteinverkleideten Bögen oder mit einem Eisen- oder Stahlfachwerk ausgeführt. Alte Carolabrücke Bad Schandau, Pirnaer Stadtbrücke, Albertbrücke, Augustusbrücke, Marienbrücken, Alte Meißner Brücke; auch die Eisenbahnviadukte an der Elbtalbahn (Hirschgrund, Königstein), der Dresdner Verbindungsbahn und der Bahnstrecke Leipzig-Dresden sprechen diese Formensprache. Gerade bei letzteren Brückenbauten ist in den vergangenen Jahrzehnten so viel historische Gestaltung verloren gegangen. Neuere Brücken, wie die Flügelweg- oder Waldschlößchenbrücke, die Autobahnbrücke, die Hängebrücke Niederwartha, oder die Pirnaer Sachsenbrücke zählen für mich nicht mehr zum jeweiligen Innenstadtbereich und sind daher gestalterisch anders zu bewerten. Die Dresdner Carolabrücke war eine bewusste Abwendung von der traditionellen Gestaltung im Lichte der autogerechten Stadt, technischen Fortschrittsglaubens und der Abkehr von allem Alten. Dass das nicht sinnvoll für die Entwicklung der Stadt war, ist ja sichtbar geworden. Eine neue Carolabrücke sollte dieser Einsicht Ausdruck verleihen.