Bremen - Seehausen/Strom

  • Seehausen/Strom

    Unter der Rubrik "Bremen - Innenstadt" hatte ich bereits meine Fahrt nach Seehausen und Strom erwähnt. Ich habe jetzt festgestellt, dass es noch keinen eigenen Strang hier im Forum gibt. Das soll hiermit nachgeholt werden.

    Die ländliche Struktur hat die beiden Ortsteile geprägt. Heute stellt sich die Bebauung als eine Abfolge von alten Bauernhöfen und Wohngebäuden aus den 1950er-Jahren bis heute dar. Deren Architektur ist banal und langweilig und uns ja allen bekannt, denn diese Wohnhäuser stehen ja in gleicher Form und Aussehen in der gesamten Republik. Ich beschränke mich deshalb auf die historischen Gebäude und deren ländlichem Umfeld.

    Beide Ortsteile haben eine in Bremen ungewöhnliche rechtliche Stellung. Normalerweise gibt es Stadtteile, die aus Ortteilen bestehen. Beispiel: Stadtteil Blumenthal, Ortsteil Rönnebeck. Aber hier im nördlichen Bremer Süden ist das anders. Auf den Hinweisschildern steht: Bremen, Ortsteil Seehausen (oder Strom).

    Das vorweg.

    Seehausen

    Der Ortsteil besteht aus zwei Dörfern: Seehausen und Hasenbüren. Die einzige Hauptstraße schlängelt sich parallel zur Weser durch diese zwei Dörfer. 1100 Menschen wohnen hier, der älteste Bauernhof hier stammt aus dem Jahre 1643. Erstmals erwähnt wurde Seehausen 1187, die gotische ev. Dorfkirche St. Jacobi wurde 1234 errichtet.

    Wenn man als "Auswärtiger" durch das Dorf fährt, riecht man, dass sich in Seehausen die große Bremer Kläranlage befindet. Seehausen hat durch den Bau des Neustädter Hafens, des Güterverkehrszentrums sowie neuer Gewerbeflächen große Teile seines landwirtschaftlich genutzten Gebietes verloren.

    Typische Dorfstraße Seehausen

    Entlang der Dorfstraße.....Richtung Hasenbüren

    1868

    Weitere "Lieferungen" folgen.

  • Snork September 10, 2024 at 2:14 PM

    Changed the title of the thread from “Seehausen/Strom” to “Bremen - Seehausen/Strom”.
  • Bremen-Seehausen ist 11 Quadratkilometer groß. ES verfügt über eine Kirche, die - und ich kann das kaum glauben - seit mindestens 1384 an seinem Ort steht. Mindestens - weil es auch eine andere, frühere Angabe gibt: 1234! Schauen wir uns diese kleine gotische Dorfkirche mal an:

    Ein Blick in den die Kirche umgebenden Friedhof


    Der Bau des Weser-Tunnels

    Ungefähr an der Grenze der beiden Dörfer Seehausen und Hasenbüren ist eine breite Schneise entstanden, hier entsteht der 1,68 Km lange Wesertunnel. Der Autobahnbau zur Weser hin ist zu meiner Überraschung schon weit fortgeschritten und geht mitten durchs Dorf. Nach Fertigstellung wird man davon aber nichts mehr sehen.

    Der Tunnel wird im Einschwimm- und Absenkverfahren in einem vorbereiteten Trog gebaut, d. h., die Tunnelteile werden vorgefertigt und dann per Schiff an den hier abgebildeten Ort gebracht.

    Bauvorbereitungen für den Tunnel. Im Hintergrund: das Stahlwerk Bremen auf der anderen Weserseite.

    Auch auf der gegenüberliegenden Weserseite wird der Tunnelbau vorbereitet

    Das Stahlwerk hat gewaltige Ausmaße. Es wurde in den 1960er-Jahren erbaut. Dafür wurde das Dorf Mittelsbüren geopfert. Die Bauerhäuser dort stammten aus dem 17. Jahrhundert. Eines wurde gerettet und ist im Bremer Focke-Museum zu besichtigen. Die hier schon seit Jahrhunderten lebenden Familienstämme verloren Heimat, Haus und Hof. Und Bremen ein weiteres Stück bäuerliche Kultur.

    Reizvolle Gegensätze: Im Vordergrund Symbole bäuerlichen Wirtschaftens. Gegenüber auf der anderen Weserseite: ein gigantischer Industriebau, das Stahlwerk Bremen. In den 60er-Jahren hieß das: die Moderne nimmt sich ihren Raum. Die Wandlung des bäuerlichen Raumes zum Industriegebiet.

    Unten: Wir sehen einen Pferdestall, dessen Fassade mit Aufwand gestaltet wurde. Zwei Pferdeköpfe weisen auf die Funktion des Gebäudes hin, sind aber gleichzeitig schmuckvoller Zierrat. Die Fenster zeigen ornamentale Umrandungen, das aufwändig hergestellte kleine Rundfenster in der Spitze eine sternförmige Gestaltung. All dies erzeugt Individualität und Schönheit. Bei einem ordinären Pferdestall! Wie würden Architekten wohl heute einen simplen Pferdestall bauen ("Ornament ist Verbrechen"?)? Das Gebäude müsste aus der späten zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen.

    Daneben dieses Bauernhaus. Es verweist durch seine differenzierte Fassadengestaltung darauf, dass bei den Bauherren/Eigentümern des Hofes ein gewisser Wohlstand herrschte. So etwas konnte sich nicht jeder leisten. Vermutlich gehörte der Pferdestall zum Anwesen, das ich ebenfalls auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts datieren würde.

  • Auf dem Weg ein verlassenes Ausflugslokal direkt an der Weser.....Früher war das eigentlich immer gut besucht....Wir nähern uns langsam der Mündung des Wesernebenflusses "Ochtum".

    In Sicht: Ochtum-Speerwerk kurz vor der Mündung. Leider eine schlechte Aufnahme.

    Die Ochtum kurz vor der Mündung...

    Weites Land auch im Umfeld

    Am Deich stehen Hinweistafeln der Bremer Naturschutzbehörde und informieren die Besucher, Beispiel:

    Schließlich: Mündung der Ochtum in die Weser

    Einige Motorboote haben das Speerwerk passiert und fahren Richtung Bremen-Vegesack.

  • Bremen-Seehausen ist 11 Quadratkilometer groß. ES verfügt über eine Kirche, die - und ich kann das kaum glauben - seit mindestens 1384 an seinem Ort steht. Mindestens - weil es auch eine andere, frühere Angabe gibt: 1234! Schauen wir uns diese kleine gotische Dorfkirche mal an:

    Ich erlaube mir hier zu ergänzen:

    Bilder vom Sommer 2024

  • Schön, Ostwestfale, dass Du noch Fotos vom Inneren der Kirche hattest. Ich wollte ja auch welche machen, aber - die Tür war verschlossen. So stand ich nun vor dieser Kirchentür und rüttelte an ihr wie weiland Gerhard Schröder vor dem Kanzleramt am Tor und rief: "Ich will hier rein"! Da ich hier nun keine entsprechenden Bilder geliefert habe, kannst Du Dir denken, wie die Sache dann ausgegangen ist.

  • Strom

    Kommen wir nun zum letzten Teil, dem Ortsteil Bremen-Strom. Etwas über 7 Quadrat-Km groß und ländlich geprägt.

    Der Name des Dorfes geht auf die Strömung des Flusses Ochtum zurück, der hier in Richtung Weser fließt. Nur 410 Einwohner umfasst der Ortsteil. Etwa 1250 wurde Strom gegründet. Im Aussehen unterscheidet sich Strom von Seehausen dadurch, dass es hier eine relativ breite Landstraße mit viel Autoverkehr gibt, nur eine Seite ist bebaut, auf der gegenüberliegenden Seite: Weideland . Dieser Autoverkehr setzt den Bewohner immer mehr zu, entsprechend gibt es zunehmende Proteste.

    1962 war nicht nur Hamburg von der großen Sturmflut betroffen, sondern auch Strom. Deshalb entstand 1971 das Speerwerk an der Ochtummündung.

    Über mehrere Kilometer zieht sich die Hauptstraße parallel zur Ochtum. Das schmale Stück Land dazwischen ist mit alten Bauern- und neuen Wohnhäusern bebaut. Damit ist auch schon der Charakter des Ortsteils beschrieben. Der Verkehr nervt nicht nur die Anwohner sondern auch den Fahrradfahrer, der auf einem engen Streifen in unmittelbarer Nähe des Verkehrs etwas schlotternd vorwärts kommen will. Schauen wir uns die Bilder an.

    Die Hauptstraße

    Am Ochtumdeich, rechts die nicht zu sehende Hauptstraße

    Idyllische alte Höfe

    und Wohnhäuser...

    gegenüber...

    Der "Stromer" an sich gilt in Bremen als sehr humorvoll. Humorvoll wie ein Stromer heißt es schon seit Menschengedenken:

    Auch sonst konnte ich mich über die hier lebenden Geschöpfe nicht beklagen. Ich wurde immer freundlich begrüßt:

  • Abschließenden Bemerkungen.

    Wer aus dem Großstadtgetöse mal aussteigen will, findet hier, etwa 10 km von der Innenstadt entfernt, eine überraschende Abwechslung mit dörflichem Ambiente. Das betrifft allerdings nur Seehausen. Strom ist für den Fahrradfahrer eher ungeeignet und verkehrsstressig. Umso interessanter ist die Fahrt durchs langgezogene Seehausen. Man kann auch an der Weser entlang fahren, aber der Fluss verliert viel von seiner Anziehung durch reichlich Industrie auf der gegenüberliegenden Weserseite. Größere Schiffe fahren seit der Stilllegung der innerstädtischen Häfen hier kaum noch. Das war früher mal anders. Da konnte man vor 30 Jahren noch große Ozeandampfer auf ihrem Weg in den Überseehafen beobachten.

    Das Stahlwerk Bremen ist natürlich eine visuelle Herausforderung, besonders wenn man die Hintergründe seiner Entstehung in den 50er-Jahren kennt. Bauern wurden enteignet, ihre Höfe und das Inventar zwangsversteigert, das Dorf Mittelsbüren ausgelöscht. Es gibt Fotos von diesen Zwangsversteigerungen mit betrübt aussehenden Familien.

    Wie ich schrieb, ist das Stahlwerk gigantisch, das Gelände umfasst 7 Quadratkilometer. Auf der Karte sieht man die Ausmaße dieser Industrieanlage. Oben verläuft die Lesum, links die Weser und unten links sieht man die Ochtum

    Hier noch mal das Stahlwerk von Bremen-Gröpelingen aus betrachtet.

    Ob das Stahlwerk überhaupt noch überlebt, ist noch nicht ausgemacht. Woanders wird billiger produziert und damit ist nicht Thyssen-Krupp im Ruhrgebiet gemeint. Das Stahlwerk ist, wenn man in Seehausen wohnt, hautnah......

    Geärgert habe ich mich über die Qualität der Fotos. Zu oft waren die Wolken vor der Sonne - so lange, dass sich das Warten nicht lohnte. Na ja, manche sind auch gelungen.