Im Folgenden möchte ich einige Fotos aus Halle-Neustadt zeigen, der größten Neugründung einer Stadt in der DDR.
Interessanterweise war Halle-Neustadt trotz des Namens kein Stadtteil von Halle, sondern eine kreisfreie Stadt, die effektiv als Schlafstadt für die Chemiestandorte Buna und Leuna diente ("Plaste und Elaste aus Schkopau"). Beschlossen wurde der Bau 1963, bereits ein Jahr später nahm ein Plattenbauwerk seine Arbeit auf und 1965 zogen bereits die ersten Mieter in die Sozialistische Stadt der Chemiearbeiter ein.
Das Zentrum, bestehend aus 5 Scheibenhochhäusern und einer Passage, entstand dann 1970 bis 1975. Interessanterweise handelt es sich bei den Scheiben um keine Plattenbauten, sondern um eine in Schweden lizenzierte und weiterentwickelte Bauweise, die Hallesche Monolithbauweise, bei der die tragenden Teile vor Ort gegossen wurden.
Chefarchitekt war übrigens Richard Paulick, der am Bauhaus Dessau aktiv war und später unter anderem die Stalinallee in Berlin entworfen hatte.
Geplant war die Stadt für 100.000 Bewohner, maximal erreicht wurden rund 90.000, die Anzahl der Bewohner halbierte sich danach, wächst heute aber wieder an (hier werden wohl bevorzugt Asylbewerber untergebracht, da der verfügbare Wohnraum günstig ist) - nichtsdestoweniger gibt es auch Rückbauten oder ruinöse Plattenbauten.
Interessante Hintergrundinformationen bietet die Website des Deutschlandfunks: klick
Auf mich machte die Anordnung der Bauten einen eher undurchsichtigen Eindruck, generell gibt es in der Mitte eine große mehrspurige Magistrale, die über die Hochstraße bis zum Riebeckplatz nach Halle (Nähe Hauptbahnhof) führt, wo dann eine aufwendige Verkehrskonstruktion den Verkehr abführt. Diese Magistrale war auch für die Adreßangaben maßgeblich, fast so ähnlich wie in Mannheim gab es zu DDR-Zeiten keine Straßennamen, sondern ein eher undurchsichtiges Nummerierungssystem.
Rundherum sind dann 8 sozialistische Wohnkomplexe angeordnet, jeder mit einer eigenen Bildungs-, Betreuungs- und Einkaufsinfrastruktur, nennenswert ist vor allem der legendäre Block 10 aus dem Jahr 1967 mit einer Länge von fast 400 Metern. Historisches Foto: klick
Das Chemieprogramm war wohl in erster Linie ein Anliegen von Walter Ulbricht, nach der Machtübernahme durch Erich Honecker wurde Halle-Neustadt nicht mehr mit so hoher Priorität weiter verfolgt.
Entsprechend ist auch interessant, was es alles in dieser Stadt mit 90.000 Einwohnern nicht gab: kein Hotel, kein Warenhaus, kein Rathaus (das wurde erst 1990 in einem neuen, fast schon barocken Plattenbaustil fertig, als die Stadt schon wieder mit Halle fusioniert hatte). Auch gab es keine Straßenbahnverbindung nach Halle, die gibt es erst seit 1999, sondern nur die Straße und die Bahnverbindung, die aber in einem großen Umweg um Halle herum zum Hauptbahnhof führte.
Wenn man bedenkt, daß gleichzeitig in Halle bis zu 70 % der erhaltenen Bausubstanz immer weiter verfielen und flächendeckend abgerissen wurden, ist das eine etwas eigenartige Ressourcennutzung. Auch die gigantischen Investitionen in die Hochstraße und den Kreisel am Bahnhof in Halle nebst gigantischen Neubauten (Thälmannplatz) erscheinen fehlgeleitet, schließlich wäre der Verkehr durch eine Straßenbahn deutlich besser zu bewältigen gewesen (tatsächlich fehlte es offensichtlich auch hier an Mitteln, den Hauptbahnhof wie zuvor per Straßenbahn zumindest an Halle anzubinden).
Nachfolgend dann Bilder des Zentrums sowie eines Teils der Wohngebiete.