Kann man privaten Bauherren Rekonstruktionen vorschreiben?

  • Vielleicht wäre unsere Zeit ja besser investiert, wenn wir uns damit beschäftigen würden, die finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen, selber die Dinge in die Hand zu nehmen, anstatt nur fruchtlos irgendwelche Bitten an Leute zu richten, die lediglich an Renditeoptimierung interessiert sind und denen alles andere vollkommen egal ist.

    Heißt konkret, du schlägst vor, dass der Verein - ähnlich wie die Nürnberger Altstadtfreunde - selbst Objekte oder Grundstücke erwirbt, um dann zu rekonstruieren und zu sanieren? Ist das denn mit der Satzung und der Vereinsstruktur überhaupt realistisch umsetzbar? Und wie genau sollen solche finanziellen Rahmenbedingungen erreicht werden?

  • Die Ausgangsbedingungen sind in Dd. nicht mit Nürnberg zu vergleichen, die Nürnberger Altstadtfreunde weisen eine viel höhere Mitgliederzahl auf, konnten in mehreren Jahrzehnten weitaus stärker Fuß fassen, nach Schema N läßt sich in Dd. nicht verfahren. Die gleiche Konstellation hatten wir vor etwa 20 Jahren beim Schützhaus bereits schon einmal. Man muß hier einfach mehr auf dem Teppich bleiben.

  • Bei diesem Beispiel standen eine Anzahl von speziellen Hintergründen im Raum, wie die Umwandlung einer Hauptverkehrszone in eine Fußgängerzone in 1972, das Denkmalschutzjahr und das gefakede Domjubiläum 1975. Realisierung der Pläne von Wolfram Becker zur Umgestaltung der Markt-Nordseite und Umsetzung des Marktbrunnens an seinen angestammten Standort. Auf dem Bild von 1978 sieht man auf der linken Seite sehr gut die beiden eingeschossigen Nachkriegsprovisorien, die meines Erinnerns in privater Hand waren. Markt 1 und 5 wurden kplt. neu errichtet, die restlichen Fassaden bestehenden Gebäuden vorgeblendet.

    Markt 1: Großer und kleiner Steinkram. Ursprünglicher zweiachsiger Bau auf mittelalterlicher Vorgängerparzelle, etwa zwischen 1700-1715, frühklassizistische Überformung und wohl Aufstockung. Rekonstruktion in den 1980ern.

    Markt 3: Löwen-Apotheke. Stadtaufnahme 1568, NB Johann Ludwig Liebler, wohl 1770. Im 19. Jh. aufgestockt. 1980 Fassade vorgeblendet.

    Markt 5: Großer und kleiner Flaming. Caspar Herwartel, 1708. Betten-Kern in der Nachkriegszeit. 1990 und -91 unter Verwendung vorgefertigter Teile rekonstruiert, Farbgebung auf Wunsch der Denkmalpflege ahistorisch einfarbig (statt weißer Putzflächen). War 1991 Abschluß der Markt-Nordseite.

    Markt 7-15 waren 1975 wohl nur in zwei verschiedenen Händen: 7-9 einerseits sowie 11-15 (Wohnbau).

    Markt 7-9 ahistorische und translozierte Reko von Kästrich 1 (1980er), das bereits 1906 die gesicherte Bauplastik der 1903 abgerissenen Augustinerstraße 67 aus den 1720ern und 1770ern wiederverwendete.

    Markt 11: Kaiserberg, nach 1820 durch Stadtbaumeister Augustin Wetter. Nachfolgebau als Kino von 1955, 1981 Fassade vorgeblendet. 2008 abermalige Reko wegen NB.

    Markt 13: Zum Boderam. 1581 dreigeschossiger Renaissance-Neubau, UB. 1691 durch Maximilian von Welsch. Dem Kinoneubau 1981-82 die verändert proportionierte Fassae vorgeblendet. NB. 2008.

    Markt 15: zum Salmen. Gotisches Patrizierhaus mit Treppengiebel wohl 14. Jhd., 1890 umgebaut. Fassade war 1979 die erste fertiggestellte der Markt-Nordseite. Rekovorlage der Fassade von rechts nebenan, Mailandsgasse 1, zum ewigen Nest / zum jungen Aben, für das Erdgeschoss Korbgasse 15 (zum Ottenkeller / zu alten Münze / zum offenen Keller).

    Wiki:

    Markt (Mainz) – Wikipedia
    de.wikipedia.org
  • Das Problem ist doch leider, dass der gemeinhin als 'Investor' bezeichnete Aktuer idR gar nicht der spätere, langfristige Bestandshalter ist, sondern nur der Projektentwickler/Developer. Dessen Geschäftsmodell besteht nicht darin, Gebäude zu halten. Es ist vielmehr das schnelle Hochziehen von Gebäuden mit anschließendem Verkauf. In diesem Geschäftsmodell gibt es keinen umsichtigen Ansatz. Den Developer interessiert nur der schnelle Exit, nicht die Stadt oder das Umfeld.

    Der 'wahre' Investor - dessen Geld am Ende langfristig in dem Objekt gebunden ist - hat eigentlich einen, vom Developer abweichenden Ansatz, muss aber das kaufen, was am Markt verfügbar ist.

    Im Zuge von Baugenehmigungen, Entwicklungsmaßnahmen etc. spricht die öffentliche Hand leider nur mit dem Developer und ignoriert die Existenz des späteren Bestandshalters. Gäbe es bei den Kommunen eine andere Wahrnehmung, würden die Interessen der Bestandhalter, die meist sogar mit denen der Kommune konform gehen, auch anders antizipiert.

  • Die Frage ist, auf welche Art und Weise wir an die Öffentlichkeit gehen. Klar kann man auf Social Media ganz viele Beiträge machen mit "man sollte", "es wäre viel schöner", usw.

    Aber wenn man beispielsweise eine Pressemitteilung verfasst oder mit Politikern spricht, ist ja schon die Frage, welche Botschaft man eigentlich transportieren will.

    Ja, das muss Stadtbild wirklich mal klären, was eigentlich die konkreten Ziele und Aussagen in der Öffentlichkeit sein sollen. Welche Strategie verfolgt wird.

    Bei Architectural Uprising / Architektur-Rebellion ist das Vorgehen simpel und klar strukturiert. So viele gute Beispiele wie möglich zeigen, einige schlechte Beispiele zeigen, große Communities aufbauen, den Menschen vor Ort die Tools selbst an die Hand geben, um aktiv zu werden.