Nürnberg - Stunde Null & die 40er Jahre (Galerie)

  • Das überhaupt sowas etwas wie eine halbwegs erträgliche Innenstadt entstanden ist, ist schon bemerkenswert. Allerdings teile ich auch Ursus' Meinung, dass man weit mehr hätte machen müssen. Es wäre doch ziemlich einfach gewesen, durchgängig Sandstein und Sprossenfenster zu verwenden statt der Sprossenlosen und mit Industrieputz errichteten Nachkriegsbauten.

    Ich sehe das etwas anders: Ich persönlich bedaure nicht welche Zerstörung der 2. WK brachte, und auch der Wiederaufbau in den zwei Jahrzehnten nach dem Krieg hat mein weitgehendes Verständnis. Ich muss einfach annehmen, dass das Baumaterial knapp war und es irgendwie schnell gehen musste. Vorallem aber, dass Wiederaufbauwillige Eigentümer vielleicht nicht unbedingt das selbe wiederaufgebaut haben wollten was zuvor dort stand, mit all seiner Windschiefheit, Dunkelheit, und sonstiger Nachteile. Wer die Chance hat neu zu bauen und dafür keine Auflagen hat, baut doch immer das technisch und zeitgeistig Beste. So kam es ja in vielen anderen deutschen Städten.

    Was mich vielmehr stört, sogar anwidert, ist was v.a. ab den Siebzigern geschah, als sowohl Wohnungsnot als auch Materialmangel keine Rolle mehr spielte. Seither hätte man der Altstadt konsequent mehr von seiner Seele zurück geben können. Hätte man ab da vorgegeben, dass Repräsentations- und Eckbauten in Sandstein, Sanierungen mit Sprossenfenstern usw. usf. hätten ausgeführt werden müssen, dann wären sicherlich einige schmerzhafte Abrisse und andre abstoßende Neubauten so nicht gekommen. Und was es so schlimm macht ist für mich, der seit 21 Jahren in Nürnberg lebt, dass sich dieser Trend immernoch fortsetzt. Stichwort Stadtbibliothek, diese Scheußlichkeit am Gewerbemuseum, für die das alte Luitpoldhaus völlig verschwunden ist, was man hätte wieder herrichten MÜSSEN. ich bin Zeuge täglicher Stadtverhässlichung, ohne dass es dafür einen Grund gibt. Das war für mich auch der Impuls Altstadtfreund zu werden, weils die Stadtverwaltung nicht hinkriegt.

    Kurz: Ich finde den Wiederaufbau nachvollziehbar und gelungen, er ist aber irgendwann in den 1970'ern entgleist. Seither entwertet er sich leider selbst.

  • Immerhin wurde in den 80er Jahren einiges geleistet: Trödelmarkt, Häuser am Fembohaus, Karstadt.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Ich finde den Wiederaufbau nachvollziehbar und gelungen, er ist aber irgendwann in den 1970'ern entgleist.

    Das gilt für München genauso (wobei die großen 50er-Jahre-Viertel damals vielleicht das bestmögliche waren, heute aber auch nicht mehr so recht gefallen wollen), was ist da abgesehen von einem kleinen Lückenschluß an der Maximilianstraße (eher eine dünne Gebäudeattrappe) noch nennenswertes entstanden?

    Man denke nur mal an den Stiglmaierplatz mit Justizzentrum und all den neuen Glaskästen...

    Lanes are meant to be crossed. If you're staying in your lane you're obviously advancing too slow.

  • Schwenk zum weißen Turm.

    A41_I-Repro_188_5d Stadtarchiv Nürnberg 1948

    A41_I-Repro_188_9f Stadtarchiv Nürnberg 1948

    A41_I-Repro_188_9h Stadtarchiv Nürnberg 1948

    Die Situation heute:

    In München aber vollzog sich der Wiederaufbau traditionsbewusster und wohl auch weniger komplex-behaftet als in Nürnberg.

    Das wäre auch ein tolles Thema: Wiederaufbau München und Nürnberg im Vergleich.

    Beauty matters!

  • Ich persönlich bedaure nicht welche Zerstörung der 2. WK brachte, ...

    Diese Aussage lässt mich jetzt perplex zurück und ich kann nur vermuten, dass das auf eine Art Nürnberger Komplex-Behaftung zurückzuführen ist.

    Unvorstellbar für mich, dass ein Dresdner Liebhaber historischer Architektur dergleichen über die Zerstörung Dresdens sagen würde.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • ^

    Ja, ich weiß dass diese Ansicht nicht jeder teilt, aber ich finde das Gejammer und Anklagen der Zerstörungen des 2. Weltkriegs ermüdend, wenn man eigentlich über Architektur diskutiert. Besonders aus der Überlegung heraus, dass man eine Zerstörung womöglich nicht verhindern kann, aber man sehr wohl bestimmen kann was man wie wieder aufbauen will, und hier sehe ich gewisse Fehler in der Nachkriegszeit und das Unvermögen bis in die heutigen Tage, aus diesen Fehlern zu lernen. Nürnberg ist nicht mehr das was es mal war durch die Zerstörungen des 2. WK, aber es ist nicht deswegen in weiten Teilen heute so enttäuschend. Enttäuschend ist es durch Fehler beim Wiederaufbau, Unterlassungen sowie dogmatische Entscheidungen, der Verunglimpfung von Rekonstruktionen und vor allem der Abwendung lokaler Gestaltungsprinzipien zugunsten eines Stils der "internationalen Moderne".

    Wien ist bei weitem nicht so zerstört worden, aber wenn man die Forenbeiträge von dort liest bringen architektursensible Personen dieselben Kritikpunkte. Für mich sind daher die Kriegsverluste nicht das eigentliche Problem, sondern die schlechten Entscheidungen beim Wiederaufbau/Weiterbau einer historischen mitteleuropäischen Stadt.

  • Na, ja. Die Verluste sind schon kaum fassbar und schon ein gigantisches Problem (oder eher: eine Tragödie). Aber jammern kann man natürlich immer, daher finde ich es gut sich auf den Wiederaufbau zu konzentrieren.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Na ja, was gäbe es da zu vergleichen?

    Schon beginnend mit Zerstörungsgrad und endend mit dem Wiederaufbauergebnis..

    Mich interessiert es, wie es zu den Entscheidungen kam. Ich bin kein Fan des Wiederaufbaus, grundsätzlich. Man verzichtete auf architektonische Ausdrucksmöglichkeiten. Das pralle städtische Leben genießen, um sich dann in einer dunklen Seitengasse abzuseilen, in einem Hinterhof die Abgeschiedenheit zu genießen, - dieses Lebensgefühl- , sah man als veraltet an. Ersetzt wurde es durch die Anforderungen Licht, Sonne, Luft, Verkehrsverbesserungen (siehe Broschüre von Meister Lampes Beitrag). Das kann ich auch nachvollziehen.

    Deshalb würden mich die Anforderungen in München interessieren, um zu vergleichen, welche Prioritäten München hatte.

    P.S. Dieses Lebensgefühl oben fand ich in Marrakesch, Mantua, grundsätzlich in manch italienischer Stadt, aber auch in Tübingen (ich mietete mich da privat ein).

    Beauty matters!

  • Eigentlich ganz ähnliche: Karl Meitinger

    Quote

    Meitinger hatte bereits am 9. August und 22. November 1945 „Vorschläge zum Wiederaufbau“ vorgestellt, die als Meitinger-Plan in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, und verfasste mit seiner Schrift „Das neue München“ im Jahr 1946 den Leitfaden für den Wiederaufbau der zerstörten Großstadt. Sein Plan, der ebenfalls nahe an den Vorstellungen des damaligen Oberbürgermeisters Karl Scharnagl lagen, zielte auf das „Wiederauferstehen“ des alten Münchens. Insbesondere um die Touristen, bereits damals eine zentrale Einnahmequelle der Stadt, wieder anzulocken, sollte die Stadt möglichst wiederaufgebaut werden: „München wird eines Tages wieder Brennpunkt für den neuen Fremdenverkehr sein, und sein alter Ruf als deutsche Kunststadt wird neu erblühen.“ Rekonstruktionen sollten jedoch nur dort durchgeführt werden, wo noch genügend historische Bausubstanz vorhanden geblieben war, ansonsten wollte er die Gebäude „im Sinne der Altstadt“ frei gestalten. Aber obwohl das „Bild der Altstadt“ wieder neu entstehen sollte, wurde auf die neuen Bedürfnisse des Automobilverkehrs Rücksicht genommen, so dass zum Beispiel der Marienplatz in Meitingers Plänen von einer Hauptverkehrsader durchzogen werden sollte. Auch einen 50 bis 70 Meter breiten Altstadtring sah Meitinger zur Entlastung des Stadtverkehrs vor. Außerdem sprach er sich für die Errichtung von Fußgängerzonen ein, die in München erst zur Olympischen Sommerspielen 1972 Wirklichkeit werden sollten. Der Meitinger-Plan wurde insbesondere von den Vertretern der modernen Architektur im Sinne der Moderne der 1920er Jahre scharf kritisiert, die das „Wiederauferstehen“ des alten Münchens ablehnten.[4]

    Lanes are meant to be crossed. If you're staying in your lane you're obviously advancing too slow.

  • Genau so ist es, dass Nürnberg ohne Kriegsverheerungen noch dasselbe wäre wie auf den Fotos der 1930'er zu sehen wird wohl niemand annehmen. Das Schlagen von Straßenschneisen durch die Stadt, neue überdimensionierte Kauf- und Parkhäuser und damit das Abräumen ganzer Straßenzüge wäre ohnehin gekommen. Weitere historische Wohnhäuser hätten seltsame Sanierungen erhalten, dann wieder bricht mal eines der Häuser zusammen und ein Neues kommt hin. Es hätte sicherlich so wie es auch geschehen ist bis in die 1970'er gedauert bis es einen institutionalisierten Denkmalschutz gegeben hätte.

    Das Gedankenspiel, wie Nürnberg heute ohne Kriegszerstörung aussehen würde ist wirklich reizvoll: Vieles gäbe es sicherlich noch, aber es wäre bestimmt kein Rothenburg o.d.T. Aber die Dinge, auf die es ankommt und die wir heute so vermissen, z.B. das Pellerhaus, das Toplerhaus etc. würde es noch geben, nur die hätte man halt auch wieder aufbauen können. Man hat es aber aus bestimmten Überlegungen heraus bewusst unterlassen obwohl man um deren Bedeutung wusste, und das ist beklagenswert. Viel mehr noch hat es noch hunderte weitere Abrisse von Intaktem gegeben, obwohl das überlieferte schon so rar war.

  • Solche Gedankenspiele las ich schon häufiger. Vielleicht kann man sich damit auch trösten.

    Ich glaube, dass Nürnberg (außer paar Bausünden) erhalten geblieben wäre. Anfangs brauchte man die Wohnungen und dann wären die Hotspots in Nürnberg wunderbar zu Fuß zu erreichen gewesen. Ein Straßenbahnnetz hätte vollkommen gereicht. Der Bahnhof liegt auch direkt vor der Altstadt. Alles richtig gemacht. Vielleicht um die Lorenzkirche hätte es Veränderungen gegeben. Um die Burg herum eher weniger. Parkmöglichkeiten hätte es um die Mauer gegeben (wie in Mantua vor der Altstadt) Und dann hatte Nürnberg in seinem Erhaltungsstand auch ein Alleinstellungsmerkmal. Recht bald wäre es für diverse Heimatfilme entdeckt worden etc. Und heute wäre die Stadt UNESCO-Welterbe.

    In anderen Städten stimme ich Dir mit Deinen Gedankenspielen zu. Aber wer weiß, vielleicht hast Du doch recht, wenn ich so nachdenke…

    Hier am Ludwigstor.

    A41_I-Repro_188-5c Stadtarchiv Nürnberg 1948

    Heute

    Beauty matters!

  • Warum sovielen Gebäuden die alles überlebt hatten oder aufbaufähig waren massenhaft abgebrochen wurden, bleibt ein ewiges Rätsel.
    Das Stadtschloss in Potsdam wurden noch gesichert, die Dächer wieder repariert, riesengrossen Atlanten war noch da über der Eingansportal, trotzdem danach abgerissen und Atlanten nun leider nicht zurückkekehrt.

    Genauso in Köln, Frankfurt (ganze Zeilen noch da, heute weg), Berlin Mitte und dann noch Tabula Rasa ganze Viertel in 70-er Jahren rund die Mauer.

  • Genau so ist es, dass Nürnberg ohne Kriegsverheerungen noch dasselbe wäre wie auf den Fotos der 1930'er zu sehen wird wohl niemand annehmen. Das Schlagen von Straßenschneisen durch die Stadt, neue überdimensionierte Kauf- und Parkhäuser und damit das Abräumen ganzer Straßenzüge wäre ohnehin gekommen. Weitere historische Wohnhäuser hätten seltsame Sanierungen erhalten, dann wieder bricht mal eines der Häuser zusammen und ein Neues kommt hin......

    Deine Gedanken kann ich nicht nachvollziehen - der Krieg ging von Deutschland aus und kam mit voller Wucht zurück.

    Diese "Straßenschneisen" unter Negierung der historischen Parzellierung hätte es mMn nicht gegeben - schon gar nicht in diesem Ausmaß. Welcher Hausbesitzer würde denn ohne Not einer Änderung zustimmen - wie bekäme man das bei zwei nebeneinander liegenden Flurstücken hin und welche Maßnahmen müsste man ergreifen, um eine ganze Straße "plattzumachen" ????

    Ohne die Vorarbeit von Artillerie sowie Panzer und Luftwaffe hätten wir weitgehend historische Bebauung - für Berlin sehr wahrscheinlich aus den Jahren 1850 bis etwa 1930.

  • Diese "Straßenschneisen" unter Negierung der historischen Parzellierung hätte es mMn nicht gegeben - schon gar nicht in diesem Ausmaß. Welcher Hausbesitzer würde denn ohne Not einer Änderung zustimmen - wie bekäme man das bei zwei nebeneinander liegenden Flurstücken hin und welche Maßnahmen müsste man ergreifen, um eine ganze Straße "plattzumachen" ????

    Nunja, die großen Tangenten usw. in West-Berlin wurden durch intakte Gründerzeitviertel geschlagen. Biete dem Besitzer eines baufälligen Hauses ein Sümmchen Geld, und er verkauft. Die die nicht verkaufen wollen kann man enteignen oder sonstwie motivieren. Die alte Luftaufnahme von Nürnberg oben zeigt es eindrucksvoll, dass der heutige Plärrer wohl doppelt so groß ist wie damals, und die gesamte Bebauung drumherum ist verschwunden.

    Ich finde es vielmehr schade dass man auch die städtebaulichen Fehler der Nachkriegszeit hinter den vermeintlichen Kriegszerstörungen versteckt. Während der Kriegshandlungen selbst hat man die Häuser nicht alle erhalten können, ab dem 08.05.1945 wurde daraus ein "nicht-erhalten-wollen".

  • Kleiner Tipp. Wenn man die Webversion von Google Earth anstatt Google Maps benutzt, kann man Screenshots ohne Symbole und Straßennamen aufnehmen. So hab ich meine Vorher / Nachher Videos gemacht 😊👍

    Danke Dir! In diesem Fall hat es mich nicht gestört, bzw fand es hilfreich, dass Nürnberg-Nicht-Kenner zur Orientierung die Straßennamen sehen können. Für direkte Vergleiche werde ich aber dann Google Earth benutzen. :)

    Rechts unten die Weißgerbergasse. Heute, Dank den Altstadtfreunden ein Schmuckstück.

    A41_I-Repro_188_5e Stadtarchiv Nürnberg 1948


    Am Bahnhof

    A41_I-Repro_188_7b Stadtarchiv Nürnberg

    Über den Bahnhof Richtung Lorenzerkirche.

    A41_I-Repro_188 7c Stadtarchiv Nürnberg 1948

    Beauty matters!

  • Hier sieht man auch sehr gut, dass Nürnberg beim Zugang über den Hauptbahnhof so nett wirkt, weil ironischerweise genau dieser sonst so oft schwer zerstörte Bereich, in diesem Fall erstaunlich gut erhalten war.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland