Nürnberg - Stunde Null & die 40er Jahre (Galerie)

  • Alt-Nürnberg - das Los Angeles des späten Mittelalters. Ein städtebaulicher Gesamtorganismus, der sich über Jahrhunderte weiterentwickelte..

    Sehnsuchtsort und Richtmaß für eine einzigartige Baukultur nördlich der Alpen, welches durch die Folge von Wahnsinn, schwersten Verbrechen und maximaler Eskalation im 20. Jahrhundert vernichtet wurde.

    In diesem Strang sollen alle Aspekte des frühen und späten Wiederaufbau des heutigen Nürnbergs beleuchtet werden.

    Als erstes hat mich persönlich die Stunde Null interessiert. Dazu besuchte ich das Stadtarchiv Nürnberg, die mir mit großer Hilfsbereitschaft weitergeholfen haben. Dazu gibt es zig Bilder von Bombenkratern, aber auch Luftbildern. Letztere stelle ich als Erstes ein. Dies sind Luftaufnahmen der US Army, die ihren Sieg 1948 dokumentierten. Man sieht, dass bereits ein Teil geräumt wurde.

    Meinen großen Dank gebührt Sir Moc, der mir die Bilder mit Grafikprogrammen und einer sehr guten KI aufbereitete. Danke, für Deine Hilfsbereitschaft und Deiner Mühe.

    Die zerstörte Sebalder Altstadt.


    Quelle: A41_I-Repro_188_10 b - Stadtarchiv Nürnberg - 1948

    Quelle: A41_I-Repro_188_15 b - Stadtarchiv Nürnberg - 1948

    Quelle: A41_I-Repro_188_15c - Stadtarchiv Nürnberg - 1948

    Quelle: A41_I-Repro_188_10 a-b - Stadtarchiv Nürnberg - 1948

    (Weitere Bilder folgen noch nach..)

    Beauty matters!

  • Snork June 23, 2024 at 2:44 PM

    Changed the title of the thread from “Nürnberg - Stunde Null&Wiederaufbau (Galerie)” to “Nürnberg - Stunde Null & Wiederaufbau (Galerie)”.
  • Hört sich spannend an! Bei aller Kritik an Nürnberg darf man diese Bilder nie vergessen. Die Altstadt war ja praktisch ausgelöscht.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Wenn man diese Bilder sieht versteht man schon, wieso der Wideraufbau der Altstadt so eine hochgelobte Leistung war. Man hat den richtigen Weg eingeschlagen, ist ihn aber nicht konsequent bis zum Ende gegangen, das ist auch die Ursache für die heutige Kritik. Ich bin gespannt auf die Beispiele gelungener Nachkriegsarchitektur. Ich mag z.B. das neue Rathaus, mein Favorit ist aber die ehemalige bayerische Bank, heute Heimatministerium. Das ist wirklich gute Architektur!

  • Das Stadtplanungsamt Nürnberg hat eine Broschüre auf ihrer Homepage zur Verfügung gestellt. Diese Broschüre soll die städtebauliche Entwicklung Nürnbergs zeigen. Die Broschüre trägt den Titel: Stadtentwicklung - Zerstörung - Wiederaufbau

    https://www.nuernberg.de/imperia/md/stadtplanung/broschueren/100_jahre_schmeissner_broschuere040305_gesamt.pdf

    Diese Broschüre finde ich richtig interessant. Es wird sich auch mit dem Pellerhaus beschäftigt und welche Beschlüsse nach dem Zweiten Weltkrieg getroffen wurden, wie und wo man rekonstruiert und wo man es nicht tut bzw. sich dem Stadtgrundriss annähert.

  • Ansicht von der späteren Sebalder Steppe. Bereits zum Teil geräumt. Frühere Bilder habe ich leider nicht gefunden.

    Quelle: A41_I-Repro_188_1g Stadtarchiv Nürnberg 1948

    Blick zur Edidenkirche.

    Quelle: A39_III_FI_S_138 Stadtarchiv Nürnberg - 1948


    Weiter über die Insel Schütt. Hier sieht man die Katharinenruine recht deutlich. Daneben befindet sich jetzt eine schlimme Bausünde, die zu meinen Lebzeiten gebaut wurde: Die neue Stadtbibliothek.

    Quelle A41_I-Repro_188_1 Stadtarchiv Nürnberg

    Quelle A41_I-Repro_188_3e Stadtarchiv Nürnberg


    Quelle A41_I-Repro_188_3e Stadtarchiv Nürnberg (vergrößert)

    Beauty matters!

  • Ich habe mal gehört das es nach dem Krieg einen Vorschlag gab, das man aufgrund des extrem hohen Zerstörungsgrades der Stadt sie einige Kilometer versetzt neu aufbauen könnte.

    Das zerstörte Nürnberg sollte wie auch Pompeji für alle Zeiten im ruinösen Zustand belassen werden.

    Hier noch ein Aufnahme vom Rest des einstigen schönen Pellerhauses. Diese Häuserzeile erlitt einen Totalverlust seiner gesamten Fassaden.:(

  • Im 'Forum des Gartenbahn-Stammtisch Nürnberg' gibt es einen Strang mit Bildern von der Schuttberäumung auf Augenhöhe... recht verstörend, vor allem das letzte Bild in Farbe... Wirklich die Stunde Null!

    https://forum.gartenbahn-stammtisch.de/viewtopic.php?f=54&t=1405&p=15675&hilit=trümmerbahn#p15675

    Gerade vor wenigen Tagen bin ich auf einen Link gestossen, der sich intensiv mit der Anlage der Trümmerbahngeleise und den Umladestationen beschäftigt, sogar der Verlegung einzelner Streckenabschnitte. Er ist in zehn Kapitel gegliedert und voll von Abbildungen und Hintergrundinformationen.

    Die Nürnberger Trümmerbahn

    Das 2. Kapitel 'Räumung während des Krieges' ist sehr empfehlenswert.

  • Ich hab ein ganzes Buch drüber. Der unbestitten enorme (und schlimmerweise so umfassende, sprich lückenlose) Zerstörungsgrad ändert aber nichts an der Kritik an der Ästhetik des Wiederaufbaus, vor allem jener Vierteln, bei denen noch etwas zu machen gewesen wäre (da gehört die Steppe eindeutig nicht dazu).

  • Wenn man sich mal überlegt, wie sich heute bei Bauarbeiten die Archäologen monatelang mit Skalpell und Pinsel durch die Staubschichten pinseln, und hier auf den Aufnahmen liegt der Schutt aus Jahrhunderten meterhoch, sodass alles grob weg gebaggert werden muss.... Aber solche Schuttbahnen gab es ja nicht nur in Nürnberg, das war das Aufräumen nach dem Krieg in ganz Deutschland. Ich höre immer dass man damals andere Sorgen hatte als Türklinken, Gesimssteine etc aus dem Schutt zu retten oder Pläne für eine Reko zu machen. Man wird ganz demütig wenn man sich das ansieht. Aber wenn ich an Dresden denke, das Königschloss mit dem grünen Gewölbe wurde erst ab Ende der 1980'er wieder hergerichtet und auch sonst konnte auf den überlieferten Brachen ganz anders an das Vorkriegs-Stadtbild angedockt werden.

    In der Nürnberger Altstadt gab es aber nunmal nur wenige Schlösser und Paläste. Man kann nur erahnen in welchem Zustand alles im Innern war, welcher Schnitt, die Hygiene.... ich kann schon verstehen dass man lieber was modernes aufbauen wollte. Eine Tragödie ist es trotzdem.

  • Mein erster Impuls war auch Demut. Ich schlümpfe in die Rolle einer Suchenden, die die Trümmerlandschaft absucht, welche Scherben man wieder zusammenfügen könnte. Während in obigen Broschüre deutlich wird, dass Schmeißner/Schlegtendal ab der Stunde Null einen ziemlich genauen Plan hatten, wie es weiterging.

    Ich überlege eh gerade den Strang zu splitten, in den Bereich 40 Jahre, 50er Jahre, 60 Jahre, oder doch einen eigenen Schneckendorf/Ruf/Schmeißner/Schlegtendal-Strang?

    Quelle: A41_I-Repro_188_1h Stadtarchiv Nürnberg - 1947 (links die Egidienkirche)

    Beauty matters!

  • demütig...

    was blieb den Menschen anderes übrig, als wiederaufzubauen...

    Demut bringt nichts. Schaun wir lieber, dass uns so etwas nicht widerfährt. Als ich in Nürnberg war, prangten dort noch Plakate mit der zerstörten Stadt und der Aufschrift "Nürnberg 1945 - nie wieder!" Damals kam mir das etwas blöd vor - wer sollte denn um Himmelswillen so etwas tun oder auch nur fördern wollen, das die neuerliche Zerstörung evozieren würde?

    Heutzutage hingegen...

    Egal. Nicht nur Nürnberg ist (schlecht) wiederaufgebaut worden. Auch das ähnlich oder, sofern noch schlimmer plattgemachte Pforzheim steht heute wieder. Heutzutag hört man ähnliches sogar von Mariupol, und das nach kurzer Zeit. Soll uns das auch demütig machen?

    Die wirtschaftliche Leistung des deutschen Wiederaufbaus bestreitet niemand. Nur: Eine kulturelle Großtat war das heutige Nürnberg, dh die vollständige Aufgabe der Ästhetik des alten Stadtbildes eben keine. Die Wiederherstellung sämtlicher Wahrzeichen war natürlich schon eine gewisse Leistung, jedoch aus heutiger, rückblickender Sicht auch eine Selbstverständlichkeit.

    Vor Schneckendorf, Ruf etc verspür ich nicht ansatzweise Demut.

    ich kann schon verstehen dass man lieber was modernes aufbauen wollte.

    Jein. Nicht in dieser Omnipräsenz, nicht in dieser Dichte, nicht in dieser Ausschließlichkeit. Woanders bekannte man sich wenigstens zum Traditionsinselprinzip. Man darf auch nicht vergessen, dass Nürnberg etwas ganz Besonderes war, etwas, das zu weit mehr hätte verpflichten sollen.

  • Man darf auch nicht vergessen, dass Nürnberg etwas ganz Besonderes war, etwas, das zu weit mehr hätte verpflichten sollen.

    Es war aber eben auch die Stadt der Reichsparteitage und der Nürnberger Gesetze. Die Stadt war historisch belastet. Gewagte These: Vielleicht wollte man sich beim Wiederaufbau von dieser jüngeren Vergangenheit abheben, ohne dabei aber gänzlich den Charakter der Stadt aufzugeben. Diese Einschätzung würde Verständnis, Letzteres sogar eine gewisse Dankbarkeit nach sich ziehen. Mir gefällt das wiederaufgebaute Nürnberg jedenfalls um ein Vielfaches besser als das wiederaufgebaute Pforzheim.

    In dubio pro reko

    Der größte Feind der Ideologie ist die Realität

  • Es war aber eben auch die Stadt der Reichsparteitage ...

    Das war es aber nur, weil die Nationalsozialisten die Traditionslinie zum HRR und zum mittelalterlichen Deutschland suchten.

    Die Stadt der Bewegung und folglich die städtische Wiege des NS war München. In München aber vollzog sich der Wiederaufbau traditionsbewusster und wohl auch weniger komplex-behaftet als in Nürnberg.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Bezüglich der verderblichen Rolle Nürnbergs im 3. Reich darf man ruhig Parallelen zum Umgang mit der Garnisonkirche in Potsdam ziehen. Es wird UNS kaum möglich sein, alle queren Gedanken der früheren (und zum Teil heutigem) Entscheider nachzuvollziehen.

  • Das war es aber nur, weil die Nationalsozialisten die Traditionslinie zum HRR und zum mittelalterlichen Deutschland suchten.

    Die Stadt der Bewegung und folglich die städtische Wiege des NS war München. In München aber vollzog sich der Wiederaufbau traditionsbewusster und wohl auch weniger komplex-behaftet als in Nürnberg.

    Das ist schon richtig. Aber das historische Nürnberg war eben die bevorzugte Kulisse für die Inszenierungen der Nationalsozialisten. Durchaus nachvollziehbar, dass man daran nach dem Krieg nicht 1:1 anknüpfen wollte. Das wollte ich damit sagen.

    In dubio pro reko

    Der größte Feind der Ideologie ist die Realität

  • Das ist schon richtig. Aber das historische Nürnberg war eben die bevorzugte Kulisse für die Inszenierungen der Nationalsozialisten. Durchaus nachvollziehbar, dass man daran nach dem Krieg nicht 1:1 anknüpfen wollte. Das wollte ich damit sagen.

    In diesem Sinne ist auch meine Einlassung zu verstehen.

  • Mein erster Impuls war auch Demut. Ich schlümpfe in die Rolle einer Suchenden, die die Trümmerlandschaft absucht, welche Scherben man wieder zusammenfügen könnte. Während in obigen Broschüre deutlich wird, dass Schmeißner/Schlegtendal ab der Stunde Null einen ziemlich genauen Plan hatten, wie es weiterging.

    Ich überlege eh gerade den Strang zu splitten, in den Bereich 40 Jahre, 50er Jahre, 60 Jahre, oder doch einen eigenen Schneckendorf/Ruf/Schmeißner/Schlegtendal-Strang?

    Quelle: A41_I-Repro_188_1h Stadtarchiv Nürnberg - 1947 (links die Egidienkirche)

    Mir geht es genauso... Ich suche tatsächlich "Häuser" oder besser Mauern, bei denen ich sage: da steht ja noch etwas Wiederaufbaufähiges. Ich bin tatsächlich schwer schockiert ob dieser unfassbaren Zerstörung. Ich hatte immer nur unscharfe oder unvollständige Luftaufnahmen bzw. Fotos im Kopf. Dieses Ausmaß der vollständigen und totalen Zerstörung war mir bis dato nicht bewusst. Von daher muss man tatsächlich sagen, dass der Wiederaufbau eben doch kein schlechter war, man schaue sich alleine die vielen Kirchen an, die ja mehr oder weniger vollständig zerstört waren und heute fast wieder alle nahezu in ihrer alten Form erlebbar sind. Das ist schon fast ein Wunder.

  • Das überhaupt sowas etwas wie eine halbwegs erträgliche Innenstadt entstanden ist, ist schon bemerkenswert. Allerdings teile ich auch Ursus' Meinung, dass man weit mehr hätte machen müssen. Es wäre doch ziemlich einfach gewesen, durchgängig Sandstein und Sprossenfenster zu verwenden statt der Sprossenlosen und mit Industrieputz errichteten Nachkriegsbauten.

    Sowas ist für mich eigentlich in Ordnung (leider ein Ausnahme), wobei es natürlich bessere Bauten gibt: https://www.google.com/maps/@49.45799…05410&entry=ttu

    oder

    Google Maps
    Find local businesses, view maps and get driving directions in Google Maps.
    www.google.com

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Dieses Ausmaß der vollständigen und totalen Zerstörung war mir bis dato nicht bewusst.

    Das sind alles Bilder von der östlichen Sebalder Altstadt oder "Steppe." Meine Kritik hat sich niemals primär auf dieses Viertel bezogen, da war einfach nicht mehr viel zu machen (was nicht heißt, dass man das Ergebnis belobigen muss).

    Der Westteil sah etwas besser aus, aber letztlich auch erschreckend genug. Ein wirkliches kleines Viertel ist nicht erhalten geblieben. Aber hier wäre definitiv etwas zu machen gewesen, wie auch der höhere Anteil an erhaltener Substanz beweist.