Nachkriegswiederaufbau deutscher Städte im Vergleich

  • Sollte dort einmal ein modern überbautes Quartier zum Verkauf stehen und die minderwertige Bebauung abgerissen werden, könnte man doch um irgend einen (auch ausländischen) Investor werben, der nach Las-Vegas-Vorbild ein Eventhotel mit historischen Braunschweiger Fassaden, Innenräumen, historisch gekleidetem Personal und meinetwegen auch einem Kasino (das alles muss sich ja schließlich auch rechnen) hochzieht ("Old Brunswick, dive in and enjoy our history" oder so ähnlich). Natürlich geht es nicht ganz ohne Disneyland, aber um ein verlorenes Stadtbild zurückzugewinnen, sollte man ruhlg auch solche Wege einschlagen. Der Zweck heiligt die Mittel!

    Bitte nicht! Das hat mir seriöser Rekonstruktion, Urbanisierung und Stadtraumgewinnung nichts zu tun. Hier ist dann wirklich der Vorwurf des Disneylands berechtigt. Und wenn man sich erst einmal auf dieses Niveau herabbegeben hat, wird man diesen Makel nicht mehr los. Ich finde bereits das Nutzungskonzept beim Wiederaufbau des Braunschweiger Schlosses grenzwertig. Die Konzepte müssen die Authentizität des Ortes fördern, ihr nicht zuwiderlaufen.

    Kunsthistoriker | Webdesigner | Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing - Meine Kulturthemen

  • Ich finde bereits das Nutzungskonzept beim Wiederaufbau des Braunschweiger Schlosses grenzwertig. Die Konzepte müssen die Authentizität des Ortes fördern, ihr nicht zuwiderlaufen.

    Grundsätzlich richtig. Aber irgendwie passen Schloss und Konsumtempel zusammen, ich kann mir nicht helfen.

  • Ich finde bereits das Nutzungskonzept beim Wiederaufbau des Braunschweiger Schlosses grenzwertig. Die Konzepte müssen die Authentizität des Ortes fördern, ihr nicht zuwiderlaufen.

    Nur dieses Nutzungskonzept hat einen Aufbau des Schlosses erst möglich gemacht. Ja,dann doch lieber ein Neubau mit"Stadtschloss" Fassade und angebauten EK Center als Braunschweig ganz ohne "Stadtschloss". Klar ohne EK Center wäre es besser. Aber in manchen Fällen muss man Kompromisse machen wenn es um etwas sehr wichtiges geht.

  • Aber in manchen Fällen muss man Kompromisse machen wenn es um etwas sehr wichtiges geht.

    Aber man sollte rote Linien definieren. Die sind für mich längst überschritten, wenn wir über ein Las Vegas mit barocker Kutschenpracht reden. In einem solchen Fall würde ich persönlich die Seiten wechseln und zu einem Rekonstruktionsgegner mutieren.

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  • Das Schloß wird doch zu mindestens 80 % durch die Stadt genutzt, das Einkaufszentrum ist in dem gläsernen Anbau dahinter.

    Umfeld:

    Lanes are meant to be crossed. If you're staying in your lane you're obviously advancing too slow.

  • Rekonstruktionen, um einen äußeren, oberflächlichen Rahmen zu Unterhaltungs- und Kommerzhintergründe zu schaffen - ein klares Nein. Ein rekonstruiertes Gebäude sollte so nahe wie möglich an das verlorene Original anknüpfen. Mit nichts würde man seine Rückkehr mehr ins Lächerliche ziehen, als mit einer travestierenden, bildlichen Verkitschung von überschaubarer Halbwertszeit. Bilder aus Las Vegas und so manch weiterer Cinderella´s Castles sind ohne größere Mühen abrufbar und können insoweit als guter Maßstab dienen, sich nicht in den Dunstkreis eines solchen Fahrwassers begeben zu sollen. Fahrwasser - ja... Auch sie findet man in Vegas als Nil und Venedig inszeniert vor und sie zeigen das Problem klar auf. Ein bestimmter Bronzeschuh auf der Treppe von Moritzburg ist schon problematisch genug.

  • Das Schloß wird doch zu mindestens 80 % durch die Stadt genutzt, das Einkaufszentrum ist in dem gläsernen Anbau dahinter.

    Wenn dem so ist, dann will ich mich an dieser Stelle korrigieren. Alles, was ich aber bisher über Braunschweig lesen konnte, ließ mich darauf schließen, dass der Bau (fast) ausschließlich als Einkaufszentrum genutzt wird. Sollte ich da einem Trugschluss aufgesessen sein? Offensichtlich:

    Residenzschloss
    2006 wurden die Hauptfassaden samt Schlossvolumen mit mehr als 600 Originalteilen in ursprünglicher Gestalt der jüngsten Welfenresidenz nach dem Entwurf Carl…
    www.braunschweig.de

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  • Das ist tatsächlich nicht richtig, im Schloss selbst sind vor allem kulturelle Einrichtungen, der kleine Rest wird vermutlich von Gastronomie genutzt:

    Das Gebäude beherbergt neben dem Schlossmuseum die Stadtbibliothek, das Stadtarchiv und den Fachbereich Kultur der Stadt Braunschweig (mit dem Kulturinstitut und der Abteilung Literatur und Musik). Es bildet den Eingang in das Einkaufszentrum Schloss Arkaden.

    Das Einkaufszentrum ist dahinter:

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  • In 30,40,....Jahren wird das EZ vielleicht abgerissen. Und dann ergibt sich Möglichkeit die Gartenseite des Schlosses zu Rekonstruieren. Aber das wichtigste ist doch,das das Schloß erst einmal da .

  • Das Schloß bestand damals wie heute nur aus dem C-förmigen Gebäude, der Innenhof ist überbaut und geht nahtlos in das Einkaufszentrum über.

    Heute: https://www.nuernbergluftbild.de/1059-braunschweig-schloss-arkaden

    Früher: https://www.magniviertel.de/quartier/album…ild_von_so_1930

    Es fehlt die Rotunde, von 16.500 Quadratmetern Nutzfläche entfallen 13.300 Quadratmeter auf die Nutzung durch die Stadt (klick).

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  • Aber man sollte rote Linien definieren. Die sind für mich längst überschritten, wenn wir über ein Las Vegas mit barocker Kutschenpracht reden. In einem solchen Fall würde ich persönlich die Seiten wechseln und zu einem Rekonstruktionsgegner mutieren.

    Großartig, was mein Beitrag an Diskussionen ausgelöst hat. Da werden selbst Befürworter alter Stadtbilder zu eventuellen Reko-Gegnern, nur weil ich Worte wie Disneyland und Las Vegas benutzt habe. Nein, Reko-Fassaden aus Plastik oder Pappmachee will ich auch nicht. Aber wenn die Preise für Bauleistungen immer weiter steigen, rechnet sich selbst eine authentische Fassadenrekonstruktion nicht mehr, es sei denn, der Investor wäre mit einer Ausschreibung einer historisch authentischen Fassade als Jugendbauhüttenprojekt einverstanden. Auf dem Gebiet muss unbedingt die Werbetrommel gerührt werden. Viele Investoren haben ja auch in Dresden am Neumarkt Barockfassaden detailgetreu nachbilden lassen. Als ich 2018 Dresden besucht habe, war ich begeistert von den historischen Platzwänden, die schon erste Patina angesetzt haben und eher wie frisch saniert als neu gebaut auf mich wirkten. Wo ist da der Unterschied zwischen einem Eventhotel mit korrekt rekonstruierten Rekofassaden am alten Ort und einem nostalgischen (kitschigen) Innenleben, und den historischen Fassaden an Dresdens Neumarkt mit modernem Innenleben? Wenn wir uns nicht abfinden wollen mit gesichtsloser Nachkriegsarchitektur und zähen Verhandlungen mit ideologisch verkrusteten Behörden, müssen wir wohl auf eventuelle Angebote mit Event-Investoren eingehen und als Bedingung eine authentische Rekonstruktion der Außenfassaden einfordern. Dass das möglich ist, zeigen uns die Ergebnisse am Dresdner Neumarkt rund um die Frauenkirche.

  • Das Schloß wird doch zu mindestens 80 % durch die Stadt genutzt, das Einkaufszentrum ist in dem gläsernen Anbau dahinter.

    Der Schlosskörper selber ist innen genau in der Hälfte der Gebäudetiefe geteilt und nur die Hälfte zum Bohlweg besitzt die originalen Raumhöhen. Die Hälfte zum Innenhof hingegen besitzt ein oder auch zwei Geschosse mehr. Eine Rekonstruktion der Hoffassade wäre also faktisch unmöglich. Die Räume zum Innenhof des Schlosses, unter der Glasüberdachung, werden durch Läden bespielt. Wesentliche Teile des Schlosses selber sind also schon Bereiche des Centers. Sogar zum Bohlweg hin, hinter den Säulen des Hauptportals, befindet sich Gastro. Zumindest war da früher mal eine Eisdiele untergebracht.

    Insgesamt handelt es sich bei Center und Schloss um einen einzigen Baukörper aus Beton, welcher zum Bohlweg teilweise mit der Fassade des ehemaligen Schlosses verkleidet wurde. Soweit mir bekannt, ist diese an der dicksten Stelle gerade mal 15 cm stark. Was man von diesem Gebäude halten mag, muss jeder für sich entscheiden.

    Der Einkaufsbereich des Centers selber besteht im Wesentlichen aus einer großen Nord-Süd-Verbindung, die nach oben wegen der Parkdecks gedeckelt ist und keinerlei Tageslicht hinein lässt.

    Edit.: Ich muss das Gebäude leider noch weiter entzaubern. Sämtliche historisch anmutenden Innenräume des Schlossmuseums incl. Thronsaal sind nichts als Fake und hat es so nie gegeben. So wäre es z. B. wegen der unterschiedlichen Geschosshöhen gar nicht möglich, den ehemaligen Thronsaal zu rekonstruieren. Weder die originale Größe des Raumes noch dessen ursprüngliche Lage innerhalb des Gebäudes ließen dieses zu.

  • Für mich war das Schloß eigentlich der Hauptgrund für meinen Abstecher nach Braunschweig, es gibt einige "Traditionsinseln" in der Innenstadt, schön war das Magniviertel, das Städtische Museum, der Löwenwall, aber sonst?

    Leider viel typische Nachkriegsarchitektur:

    Da gefällt das Schloß um so mehr:

    Lanes are meant to be crossed. If you're staying in your lane you're obviously advancing too slow.

  • Edit.: Ich muss das Gebäude leider noch weiter entzaubern. Sämtliche historisch anmutenden Innenräume des Schlossmuseums incl. Thronsaal sind nichts als Fake und hat es so nie gegeben. So wäre es z. B. wegen der unterschiedlichen Geschosshöhen gar nicht möglich, den ehemaligen Thronsaal zu rekonstruieren. Weder die originale Größe des Raumes noch dessen ursprüngliche Lage innerhalb des Gebäudes ließen dieses zu.

    Da gibt es eigentlich nichts zu „entzaubern“ da das alles seit Anbeginn bekannt und Teil der Geschichte des Wiederaufbaus ist. Primär wollte man die erhaltenen Original-Möbel wieder an einem angemessenen Ort zeigen und man hat sich entschieden, sie nicht z.B. aufgereiht in weißen Museumsräumen auf Podesten zu zeigen, sondern ein wenig an den ursprünglichen Kontext orientiert, obwohl die original Räume nicht mehr zur Verfügung stehen. Es ist quasi ein (nicht selbstverständlicher) Bonus.

  • Es gibt noch den Dom, den Löwen, die Burg, Katharinenkirche, Altsstadtmarkt, Gewandhaus, das Landtagsgebäude St Martini, Alte Waage, Altstadtrathaus St Martini, StÄgidien... usw, also nicht nur wenige Traditionsinseln

  • Es gibt noch den Dom, den Löwen, die Burg, Katharinenkirche, Altsstadtmarkt, Gewandhaus, das Landtagsgebäude St Martini, Alte Waage, Altstadtrathaus St Martini, StÄgidien... usw, also nicht nur wenige Traditionsinseln

    Naja, um die rekonstruierte Alte Waage gibt es nur nüchterne unpassende Nachkriegsbauten. Von einer Traditionsinsel könnte dort nur dann die Rede sein, wenn man die umgebenden Platzwände im historischen Sinne "aufhübscht", z.B. mit farblicher Gestaltung der öden Putzfassaden (vielleicht "fachwerkig"?).

  • Für mich war das Schloß eigentlich der Hauptgrund für meinen Abstecher nach Braunschweig,

    buarque, waren sie auch zu Füßen der Brunonia? Man kann mit einem Luft zur Brunonia hinauffahren und von dort (Aussichtsbereich) die Stadt überblicken.

    Hier ein Modell des Schlosses (Gesamtübersicht)