Nürnberg - Rekonstruktion des Pellerhauses

  • Zumal das Denkmalschutzproblem hier auch besteht, denn die gesamte Altstadt ist ein denkmalrechtliches Ensemble, ohne Ausnahmegenehmigung darf keine einzige Fassade geändert werden.

    Das ist übrigens noch einmal ein Riesenfaß im Hinblick auf die Idee, in Nürnberg durch Fassadenverbesserungen etwas zu erreichen.

    Denn nicht nur bedeutet der Ensembleschutz, dass jedes einzelne kleine Sprossenfenster vom Denkmalamt genehmigt werden muss. Es ist vielmehr sogar so, dass der Ensembleschutz in Nürnberg nämlich ein Schutz des Erscheinungsbildes der 50'iger Jahre ist.Damit kann das Denkmalamt jeden Versuch unterbinden, Nürnberg wieder sein Vorkriegserscheinungsbild zurück zu geben und ist eigentlich sogar rechtlich dazu verpflichtet, solche Versuche zu unterbinden.

    Wenn ich mich recht erinnere, dann ist das in der Vergangenheit sogar öfter geschehen, wenn die AF solche Versuche unternommen haben. Da wurde es offenbar vom Denkmalamt schon einmal untersagt, frühneuzeitliche Dacherker wieder an einem Haus anzubringen, das in den 50'igern in der alten Kubatur wiederaufgebaut worden war. Und zwar mit dem Argument, dass dadurch das unter Schutz stehende Erscheinungsbild der 50'iger zerstört würde.
    Kurz gesagt, steht die Hässlichkeit der 50'iger Jahre in Nürnberg als ganze unter Denkmalschutz und es ist damit eigentlich rechtlich unmöglich, Nürnberg wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zurückzugeben.

  • denn die gesamte Altstadt ist ein denkmalrechtliches Ensemble, ohne Ausnahmegenehmigung darf keine einzige Fassade geändert werden.

    Oh, das ist krass. Wobei Ensembleschutz ja keinen Schutz im Sinne von Einzeldenkmalen bedeutet.
    Das heißt Veränderungen an Fassaden sind im Rahmen einer entsprechenden Satzung schon möglich. Zumindest in den Landesgesetzen die ich dazu kenne, müsste mal in Bayern nachschauen, wie da der Wortlaut ist.

    Ensembleschutz ist generell deutlich weicher reguliert als der Denkmalschutz. Wobei das eben auch immer Interpretationsspielraum der örtlich zuständigen Denkmalschutzbehörden lässt.

  • Das heißt Veränderungen an Fassaden sind im Rahmen einer entsprechenden Satzung schon möglich.

    Möglich sind sie, aber sie bedürfen der Genehmigung durch das Denkmalamt. Und dessen Entscheidungen müssen sich am Erscheinungsbild der 50'iger Jahre orientieren.

  • Was ist denn mit dem Augustinerhof oder dem Neubau der IHK? In der Altstadt wird doch öfter mal etwas abgerissenen und neu gebaut. Wenn ich also genügend Geld hätte und den Platzhalter am Toplerhaus kaufen würde, könnte ich doch sicher eine Rekonstruktion durchziehen. Wenn sich der Denkmalschutz zu doof anstellt, könnte ich mir auch eine Rekonstruktion am Rand der Altstadt vorstellen. Das Toplerhaus ist einfach zu schön, um es nicht wieder neu zu bauen.

    Natürlich geht es hier um das Pellerhaus und die Chance für den Wiederaufbau ist gerade günstig. Aber falls das Projekt tatsächlich verhindert wird, wäre das Toplerhaus eine gute Alternative. Das wollte ich nur ausdrücken.

  • Ensembleschutz ist, soweit ich das verstanden habe, dass die Fassaden, also das von der Straße aus sichtbare Erscheinungsbild geschützt ist. Das Innere des Hauses ist nicht geschützt. Ein Einzeldenkmal dagegen ist in allen seinen Bestandteilen geschützt, jeder Fußboden, jeder Lichtschalter, jede Türzarge ist im Einzeldenkmal geschützt. Jetzt kann man sich gut vorstellen wieviel Arbeit allein der Ensembleschutz für das Denkmalamt ist, wenn im Ensemble 15.000 Menschen wohnen und unzählige Geschäfte liegen, und alle wollen immer irgendwas modernisieren (Fenster, Türen, Dachgauben, Balkone, Fassadendämmungen etc.). Immer kommt irgend ein altkluger BWL'er daher und möchte in seiner Altstadtwohnung prakische Plastefenster mit Außenrollo einsetzen. Ich stelle mir das irgendwie deprimierend vor. Eigentlich müsste der Denkmalschutz immer mit am Tisch sitzen, wenn im Notariat eine Immobilie den Besitzer wechselt, um den neuen gleich mal einzunorden.

    I.d.R. arbeiten Altstadtfreunde und Denkmalschutz Hand in Hand. Die Denkmalschützer sind i.d.R. begeisterte Besucher, Berater und Aufseher auf den Baustellen der Altstadtfreunde. Bisher war ja auch die Alternative zum Engagement der Altstadtfreunde stets der Verlust des Bauwerks. Aus dieser jahrzehntelangen vertrauensvollen Zusammenarbeit erwächst dann auch die Verwunderung vieler, dass die Altstadtfreunde mit dem Mayerhaus ein Denkmal infrage stellen. Die Motivation der Altstadtfreunde ist aber nunmal nicht das Durchsetzen des Bayrischen Denkmalschutzgesetzes, sondern eine Vision des überlieferten Nürnbergs. Das wird leider immer missverstanden, ich glaube sogar seitens der Offiziellen der Stadt. Der Denkmalschutz ist nämlich eine kommunale Aufgabe der öffentlichen Hand und des staatlichen Handelns.

    Dass Nürnberg mit den Altstadtfreunden den deutschlandweit größten Verein dieser Art hat wird von der Stadt immer als Beleg dafür gesehen, dass die Stadt sehr schön sei. Aber man könnte darin auch einen Beleg dafür sehen, dass die Stadt nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen hat oder trifft, und deshalb dieses starke Korrektiv entstanden ist. Wir alle hier spüren das ja instinktiv!

  • Dass Nürnberg mit den Altstadtfreunden den deutschlandweit größten Verein dieser Art hat wird von der Stadt immer als Beleg dafür gesehen, dass die Stadt sehr schön sei. Aber man könnte darin auch einen Beleg dafür sehen, dass die Stadt nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen hat oder trifft, und deshalb dieses starke Korrektiv entstanden ist.

    Genau das ist der Punkt! Ich denke in der Power der Altstadtfreunde drückt sich bereits das Wissen um die Bedeutung Alt-Nürnbergs aus, und wie dieses Bewusstsein wachgehalten wurde. Und dass es neben einigen durchaus engagierten Leistungen der Nachkriegszeit unzählige wichtige Stellschrauben zur Verbesserung dieser so bedeutenden Altstadt gibt.

    Die Altstadtfreunde waren lange recht leise und agierten in der Außenwahrnehmung sehr unauffällig und bescheiden.
    Doch mit dem Pellerhof-Projekt und vielen Neuzugängen im Verein hat sich das gewandelt. Jetzt geht es auf die nächste Stufe, und auf der ist so viel mehr möglich!

  • Als für den Neubau der IHK am Hauptmarkt (Waaggasse) die 50'er-Jahre-Gebäudeteile abgerissen wurden haben die Altstadtfreunde durchaus vorsichtig angemerkt, dass es sich dabei um Denkmale handelt. Aber mit Blick auf die nun neu entstehenden modernen Gebäudeteile mit Sandsteinverkleidung wird man sich mit Kritik wohl zurück gehalten haben. Ich persönlich finde die neuen Gebäude auch weit schöner als das was da vorher Stand.
    In meinen Augen ist es nicht nur legitim, ein Denkmal in Frage zu stellen wenn man sieht, was neu dahin kommen soll. Das ist längst gängige Praxis in der Altstadt. Es ist im Hinblick auf künftige Generationen auch ehrlich.

  • dann sollen sie aber auch den Mut haben und das in Prospekte schreiben:

    Zitat von U.C. Tourismusmanager Stadtamt Nürnberg

    Nürnberg ist ein denkmalgeschütztes Flächenensemble aus den 50er und 60er Jahren und somit eines der großartigsten Beispiele für damaliges Bauen. Nirgendwo in Europa findet man einen derartig geschlossenen Bestand an Wohnbauten aus dieser Zeit, was der Stadt ihr eindrucksvolles und einzigartiges Flair verleiht. Selbst ein paar Relikte aus dem Mittelalter, glücklicherweise ziemlich vereinzelt geblieben und dank vorausschauender Stadtentwicklung nunmehr losgelöst vom ursprünglichen Zusammenhang können diese vortreffliche Gesamtwirkung nicht nennenswert beeinträchtigen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Da steht ja nix im Weg, es könnte direkt losgehen.

    Nun ja.... :lachentuerkis: ...wenn die Altstadtfreunde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Mauerkelle schwingen vielleicht...

    Ich denke aber, so schnell geht es nicht. Das Grundstück dürfte gar nicht im Eigentum der Altstadtfreunde sein, müsste erst mal erworben werden. Dann müssten Baupläne und Nutzungskonzept her, dann eine Baugenehmigung. Und ich denke, dass es auch hier Widerstände geben wird, da das Ensemble Mayer-Bau optisch beeinträchtigt werden könnte. Also, ich bin für den Mit-Wiederaufbau des "schwarzen Pellerhauses", aber das wird nicht losgelöst von einer Rekonstruktion des Pellerhauses stattfinden.

  • Der offizielle Artikel der NZ zur Diskussion ist online nachlesbar:

    Als Foto zum Artikel ist "natürlich" wieder die monsterhafte bzw. größenmäßig falsche Abbildung der Fassade zu sehen. Jesus Christus... Dieses Bild wird die "NZ" (und auch die "NN") ohne Gnade (aus irgendeinem Grund) die nächsten Jahre weiter verwenden.

    Sind die beiden Zeitungen eigentlich für oder (doch) gegen eine Rekonstruktion? Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie das Ganze torpedieren wollen.

  • Das "Schwarze Pellerhaus" ist nicht entwicklungsfähig solange die Pellerhausfrage nicht gelöst ist. Ich wüsste auch nicht wieso man das schwarze Pellerhaus rekonstruieren soll wenn der Rest des Platzes sein Erscheinungsbild behalten soll. Es wäre ja halb verdeckt und ich höre jetzt schon die "Fremdkörper-Rufe". Das erscheint mir sinnlos, v.a. wenn es ein Erschließungsbau zum Pellerhaus werden soll. Dann wäre sozusagen der Erschließungsbau das eigentliche Highlight, irgendwie grotesk.

    Ich habe den Grundriss des Mayerbaus, also der Teile Pellerhaus und Imhoffhaus nicht ganz im Kopf, aber es könnte tatsächlich sein, dass das geschwungene Treppenhaus das einzige Treppenhaus für den gesamten Komplex ist. Wenn das so ist, und man das Denkmal erhalten will, muss man irgendwo ein Treppenhaus dranbauen. Das wäre in einem zu errichtenden Nachbarhaus "schwarzes Pellerhaus" möglich. Ich bin kein Brandschützer, aber ob das den Anforderungen auch genügen kann ein zusätzliches Treppenhaus im schwarzen Pellerhaus einzubauen, weiter westlich also als das bestehende, wenn sich die Leute alle weit östlich vom Imhoff-Treppenhaus aufhalten? Sollte es darin brennen wäre der Erschließungsbau unerreichbar. Und überhaupt, wenn der Pellerhausquader ein Magazin bleiben soll, dann müssten die Leute ja alle da durch. Mitten durch die Flure des Magazins... Und zuletzt, wie soll ein schwarzes Pellerhaus eigentlich aussehen, wenn nicht eine Reko? Ein 50'er-jahre-Phantasiegebäude, oder so ein Glaskasten wie die Touristeninfo am Hauptbahnhof?
    Je mehr ich drüber nachdenke, die Stolpersteine für das Mayerhaus kommen wohl erst alle noch. Nacheinander. Die Kosten, die Gestaltung eines möglichen Erschließungsbaus, Brandschutz und innere Umbauten im Einzeldenkmal. Die Tiefe dieses Problems ist wirklich enorm, vielleicht promoviert darüber noch jemand?

  • Die Fassade des Schwarzen Pellerhauses sollte mE. auch rekonstruiert werden, denn schon diese beide Fassaden wuerden zusammen einen richtingen Hingucker darstellen! Und hoffentlich kommt dann irgendwann auch noch der Peststadel... :rolleyes:

  • Tatsächlich, ich hab einen gefunden, im "Architekturführer Nürnberg" von Richard Woditsch (erschienen 2015, Seite 52) ist ein Grundriss des Gesamtkomplexes enthalten. Es gibt tatsächlich nur ein Treppenhaus, das zweite im historischen Treppenturm ist nicht erreichbar und zugemauert. uiuiui....

    Aus Urheberrechtsgründen kann ich den Grundriss hier aber unmöglich einstellen.

  • Aktualisierung:

    Für alle Facebook-Nutzer/innen darf der entsprechende Artikel auch gerne hier bewertet und kommentiert werden:

    https://www.facebook.com/28026454532511…?type=3&theater

    Die betreffende Seite, der Artikel und selbstredend alle kritischen Kommentare wurden offensichtlich auf der Facebookseite von german-architects gelöscht!?


    Auf der Facebookseite von "Architektur im Kopf" ist der entsprechende Artikel ebenfalls verlinkt und kann auch dort kommentiert werden:

    https://www.facebook.com/28026454532511…?type=3&theater