Nürnberg - Rekonstruktion des Pellerhauses

  • @ Nothor. Ich war auch beim NZ Dialog dabei. Hatte Herr Ulrich nicht gemeint, dass er sich gegen Abrisse von Denkmälern einsetzt. Die Hauptpost war kein Denkmal (dies hatte jmd. gefragt) und bei den Schwedenbarracken war es der Brandschutz. Wie schaut es aber mit diesem Fall am Marientunnel 2014 aus? https://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/showthre…?t=10443&page=4
    2014 war Herr Ulrich schon in der Verwaltung tätig.

    Ein weiterer Punkt der mich nach der Veranstaltung beschäftigt hat, war eine weitere Aussage von Herrn Ulrich. Er meinte anhand des Publikums könne er sehen, dass sich nur das Bildungsbürgertum für dieses Thema interessiert. An dieser Tatsachs könnte der Vorschlag der Altstadtfreunde, eine Plane mit der Originalfassade vor das Haus zu hängen, durchaus etwas ändern.
    Viele Bürger lesen keine Zeitung und tauschen sich nicht über kulturelle Themen mit ihrem Umfeld aus. Vielleicht löst aber eine beeindruckende Visualisierung und das brechen mit vertrauten Sehgewohnheiten doch etwas in ihnen aus. Ich denke zum Beispiel an die vielen jungen Leute, die am Abend in den Bars der Laufergasse unterwegs sind. Man könnte ihre Blicke zur Spitze des Egidienberg lenken, weil dort ein Ort ist den sie nie bewusst wahrgenommen haben und der sie nun beeindruckt. Schon tauscht man sich mit den Freunden aus. Herr Ulrich meint, eine Visualisierung wäre Werbung für den Abriss eines Denkmals. Man kann es so negativ sehen. Ich sage es wäre Werbung für die Auseinandersetzungen mit einem Denkmal bzw. einer baulichen Situation.

    Manchmal glaube ich das Meyerhaus wurde unter Denkmalschutz gestellt, weil man wusste, dass die Diskussion des Wiederaufbaus nie abbrechen wird. Dadurch wurd vielleicht eine zukünftige demokratische Auseinandersetzung absichtlich erschwert. Auch das Spielearchiv wurde vlt genau aus diesem Grund 2011 in das Gebäude gesetzt, in der Wiederaufbauzeit des Hofes. Es war abzusehen das Teile der Altstadtfreunde, nach dem Wiederaufbau des Pellerhofs, den Wiederaufbau des gesamten Hauses anstreben werden.
    Damit wurden Tatsachen geschaffen, die einen Wiederaufbau dermaßen kompliziert machen.

    Darüber hinaus wäre die Sanierung eines verhältnismäßig winzigen Archivgebäudes für 25 Millionen in einer Innenstadt eine riesige Schnappsidee. Da kann man nur den Kopf schütteln. Dann doch lieber ein Archivgebäude auf der grünen Wiese für diese Summe bauen.

    Vielleicht wird es aber doch etwas mit dem Wiederaufbau wenn bspw. im nächsten Jahr jmd. wie Marcus König von der CSU Oberbürgermeister wird, der sich kürzlich für eine Visualisierung ausgesprochen hat. Auf jeden Fall müssen sich die Altstadtfreunde so schnell wie möglich ein schlüssiges Nutzungskonzept für ein wiederaufgebautes Pellerhaus überlegen. Ihre derzeitigen Pläne sind eindeutig zu dürftig.

  • @ Nbger: Ich stimme dir zu, rational ist der Vorschlag, das Pellerhaus zu einem Archiv zu machen, nicht unbedingt. Das GNM baut gerade ein riesiges Tiefdepot unter die Erde, um die Archivalien vor schädlichen Umwelteinflüssen zu schützen. Sonnenlicht, Temperatur- und Luftfeuchteschwankungen, Ungeziefer, das muss alles ausgeschlossen werden können. In einem Hochbau ist das schwerer machbar. Da das Mayerhaus mit seiner Südfassade mit zahlreichen Fenstern gesegnet ist heizt es sich im Sommer auf wie ein Gewächshaus. Wohl auch der Grund, dass die Stadtbibliothek damals entschied einen Neubau zu errichten und die wertvollen Bücher da rauszunehmen. Moderne Brandschutzanlagen (Halongas oder CO² usw.) passen da auch nicht rein. Um das Mayerhaus zu einem modernen Archiv zu machen, müsste man die Fenster zumauern bzw. von innen eine Wand davor setzen, um dahinter vollklimatisierte Archivräume zu errichten. Ich bin kein Architekt, aber ob das mit der jetzigen Statik usw. zusammengeht, v.a. wenn es womöglich noch Lüftungs- und Klimaaggregate auf dem Dach braucht, bezweifle ich einfach mal, auch, dass der Denkmalschutz da mitspielt. Die Altstadtfreunde weisen ja bewusst darauf hin, dass dieselbe Überlegung dazu führte, dass das denkmalgeschützte kirchliche Archiv aus derselben Bauzeit abgerissen werden durfte.

    Die Alternative wäre, das Gebäude nicht wirklich zu einem modernen Archiv umzubauen, sondern einfach nur Regale reinzustellen um dann die Brettspiele darin zu stapeln. So ein "Mensch-Ärger-Dich"-Spiel aus den 1960'ern ist womöglich auch nicht so schützenswert, dass es einen Millionenteures Superarchiv dafür braucht. Ich frage mich dann aber wie ernst und wie nachhaltig es die Stadt mit dem Spielearchiv eigentlich meint. Oder anders: ist das nicht der Status-Quo, von dem die Sanierung ja weg führen soll?

    Ich habe das Gefühl, dass die Stadt mit ihren Plänen auch nicht viel weiter ist als die Altstadtfreunde. Ein Spielearchiv, ja, gute Idee! Auf der kompletten Archivfläche des Mayerbaus - wieso nicht, Sammlungen wachsen und Depots sind irgenwie immer zu klein. Aber dann hört es irgendwie auch schon auf.

    Was du sagst hinsichtlich des Denkmalschutzes könnte stimmen, ist aber nur eine Vermutung. Ich habe auch eine Vermutung dazu gehabt, nämlich dass es zunächst nur darum ging die Pellerhausreste zu schützen. Z.B. vor einer Überbauung bei einer möglichen Erweiterung der ehem. Stadtbibliothek. Hätte man ja auch machen können, die Hofreste weg und einen modernen vollklimatisierten Klotz dahinter. Wie man es dreht und wendet, der Denkmalschutz ist ein Problem udn er musste notwendigerweise eines werden. Hat Hr. Enderle ja auch gesagt, aber ohne unsere Thesen dabei zu unterstellen.

    Der Gedanke mit der Plane, wie du ihn beschreibst, ist toll. Soetwas gabs ja schon, als damals die Plane für den Hof da aufgestellt wurde sah es von weitem so aus als würde die Vorderhausfassade wieder aufgebaut. Das hat mich angezogen wie das Licht die Motte.

    Ich bekomme richtige Hochgefühle, wenn ich an ein fertig rekonstruiertes Pellerhaus denke, mit dem schönen Zimmer darin, und direkt daneben das vorbildlich restaurierte Imhofhaus mit den schönen Bibliothekssal "Mayersaal". So eine Dichte an herausragenden Architekturzeugnissen so unterschiedlicher Epochen hat Nürnberg sonst glaube ich nirgendwo. Wenn Altstadtfreunde und Stadt gemeinsam an einem entsprechenden Konzept arbeiteten wäre das doch sensationell!

  • Wie schaut es aber mit diesem Fall am Marientunnel 2014 aus? https://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/showthre…?t=10443&page=4
    2014 war Herr Ulrich schon in der Verwaltung tätig.

    Das wurde mindestens kurz vor seiner Zeit entschieden. Hr. Ulrich sagte mal, in seiner Zeit als Baureferent werde kein einziges Denkmal fallen. Womöglich hat er das in weiser Vorausschau auf die Pellerhausdebatte mal gesagt. Ich finde das auch gut, sich inhaltlich so zu positionieren. Er ließ ja am Dienstag auch durchblicken, dass ihn die heutige Architekturpraxis nicht begeistern würde.

    Leider sind dennoch Denkmale seither gefallen. Prozesse dauern manchmal sehr lange und man muss oft mit ansehen, wie etwas umgesetzt wird was der Vorgänger mal entschieden hatte. Das kenne ich auch aus dem privaten Bereich. Und müssen auch andere hinnehmen, heute in der NZ steht, dass irgendwo eine zweihundertjährige Eiche abgeholzt werden soll, und der Beschluss dazu ist aus 2005. Die Welt hat sich seither aber weiter gedreht und es ist auch nachvollziehbar, dass das heute nicht mehr verstanden wird. 2005 war Nürnberg noch eine ganz andere Stadt.

    Was ich sagen will ist dass man wohl manches immer wieder auf den Prüfstand stellen muss.
    Das Pellerhaus ist ein Denkmal. Punkt. Hr. Ulrich sagt er würde dem Abriss niemals zustimmen. Gut. Dennoch muss man achtgeben, dass die Stadt keine Dummheit begeht, auch gerade deshalb, um den Altstadfreunden nicht Recht gegeben zu haben. Das was bei dem landeskirchlichen Archiv oder den Schwedenbaracken gilt, muss auch hier gelten. Und nur weil die Stadt nicht gegen sich selbst klagen wird, bedeutet das nicht dass es keine Widerrede geben darf. Ich persönlich glaube nicht, dass sich die Debatte inhaltlich sonderlich weiter entwickeln wird bevor man weiß, welches Konzept und welche Kosten sich die Stadt genau vorstellt. Von den Altstadtfreunden ein vergleichbares Konzept als Gegendarstellung zu verlangen halte ich für zuviel verlangt. Ich behaupte mal, dass das Denkmalamt hat auch kein Gegenkonzept aufgestellt als die Landeskirche errechnete, dass das Archiv in der Veilhofstraße nicht zu halten sei.

  • Ein weiterer Punkt der mich nach der Veranstaltung beschäftigt hat, war eine weitere Aussage von Herrn Ulrich. Er meinte anhand des Publikums könne er sehen, dass sich nur das Bildungsbürgertum für dieses Thema interessiert.

    Das habe ich nicht so ganz verstanden. Hat er gemeint, dass sich nur das Bildungsbürgertum, das ins Mayerhaus in die Bibliothek gegangen ist, und sich nun für den Erhalt der Bibliothek engagiert? Oder meint er, dass es nur das Bildungsbürgertum ist, dass sich alte Stadtansichten ansieht und denkt, das Pellerhaus muss hierher zurück. Oder beides? In jedem Falle habe ich darin einen plumpen Versuch gesehen, dem Vorschlag der Altstadtfreunde die demokratische Legitimation abzusprechen. Vielleicht habe ich ihn aber auch missverstanden. Ging wohl auch anderen so.
    Ist auch nicht weiter relevant. Es interessiert sich nunmal nicht jeder für alles. Und wenn man sich für etwas nicht interessiert ist es wohl auch nicht immer klug, denjenigen zu fragen.
    Wenn man mich fragt, ob das Frankenstadion saniert, ausgebaut und modernisiert werden soll - frag mich lieber nicht. In einer Demokratie ist es nunmal nicht einfach, den Bürgerwillen belastbar zu ermitteln. Die Mayerhaus-Fraktion argumentiert auch nicht zu unrecht, dass der Denkmalschutz keinem Abstimmungsprozess unterliegen dürfe. Was ich schwierig finde, wenn das Gesetz selbst sagt alles geschehe ausdrücklich im Interesse der Allgemeinheit. Letztlich kommen wir dann irgendwann bei der Kostenfrage an, denn zahlen müssen es alle. Die Stadt muss es bezahlen, und deshalb wird im Stadtrat drüber abgestimmt werden. Also letztlich doch ein Abstimmungsprozess.
    Bei einem privaten Bauvorhaben sieht die Lage wieder anders aus.

  • Ein weiterer Punkt der mich nach der Veranstaltung beschäftigt hat, war eine weitere Aussage von Herrn Ulrich. Er meinte anhand des Publikums könne er sehen, dass sich nur das Bildungsbürgertum für dieses Thema interessiert.

    Klingt so, als bezeichne er sich selbst gar nicht als Angehöriger jenes Bildungsbürgertums. *LOL* Dann würde das aber implizieren, dass er sich als "Proll" sieht. Und von einem Proll möchte wohl niemand gerne regiert werden.

  • Klingt so, als bezeichne er sich selbst gar nicht als Angehöriger jenes Bildungsbürgertums. *LOL* Dann würde das aber implizieren, dass er sich als "Proll" sieht. Und von einem Proll möchte wohl niemand gerne regiert werden.

    Nein, er meinte das tatsächlich in dem Sinn, dass sich vor allem Angehörige des Bildungsbürgertums für den Erhalt des Mayerbaus einsetzen, weil für die irgendwie der Mayerbau "ihre Stadtbibliothek" ist (also eher im Sinn einer "Westalgie" so, wie es eine "Ostalgie" für den Erhalt des Palastes der Republik gab). Das war aber auch mehr so dahingesagt, meinem Eindruck nach.

  • Wow, das ist ja genial, Sensationsfund! Danke!

    Leider finde ich auf der Seite keine Lizenz. Wenn der Autor sich zur Gemeinfreiheit der Visualisierungen bereit erklärt, wäre das auf Wikipedia und via sozialer Medien die beste Werbung, die wir für die Reko überhaupt machen können (neben einem 3D-Video und einer dauerhaften Fassadenplane).. eek:):thumbup:

    Der genannte Künstler Johannes Tscharn hat diese 3D-Bilder ja auch als studentische Abschlussarbeit erstellt, und nicht zu kommerziellen Zwecken. Offenbar auch ein großer Fan alter Stadtbilder und Alt-Nürnbergs. Insofern naheliegend, dass er diese Bilder gemeinnützig einsetzen will. Fragt da mal jemand bei ihm nach bitte?

  • Natürlich! Und es sind ja gerade solch besondere Eckbauten, die ein mittelalterliches Stadtbild wie das von Nürnberg ausmachen. Da würde schon rund ein Dutzend solcher Leitbauten über die Altstadt verteilt genügen (neben mehr Sprossenfenstern usw.), um die Stadt gefühlt auf ein ganz neues Level zu heben.

  • An diesen beiden Visualisierungen finde ich interessant, dass sie in Weiss- und Grautönen gehalten sind. Normalerweise werden solche in Echtfarben erstellt, um dem Betrachter ein möglichst wirklichkeitsnahes Bild zu suggerieren. Aber die beiden Ansichten sind mit Patina versehen, weshalb auch sie 'echt' wirken. Ich finde das noch eine bemerkenswerte Darstellungsart - so eine Stufe zwischen Plan und Wirklichkeit.

  • Schmeissner hat nur seine Position zum Pellerhaus später geändert und es als Fehler bezeichnet, für das Pellerhaus keine Ausnahme gemacht zu haben.

    Das finde ich hochspannend! Gib uns bitte mal eine Quelle dazu. Das gehört unbedingt stärker publiziert, Schmeißner wird als Stadtbaurat und Macher der Wiederaufbaus von Nürnberg ja geradezu glorifiziert und das wäre in der Argumentation sehr, sehr hilfreich.

    So wie ja auch der renommierte Architekturkritiker Dieter Bartetzko sehr kritisch zum Mayer-Haus befand:
    „Die Nürnberger haben das wieder aufgebaute Pellerhaus gehasst, heute ignorieren sie es.“ (Quelle)

  • Im Übrigen habe ich die Bebilderung des Pellerhaus-Artikels mal ordentlich aufgebohrt, wie auch einige entscheidende Infos ergänzt - dort sind gerne noch weitere Sachinformationen und Bilder gesehen (z.B. auch zum schwarzen Pellerhaus, dem Egidienplatz und Genaueres zu den Plänen der Altstadtfreunde!):

    https://de.wikipedia.org/wiki/Pellerhaus

  • Wie ich Herrn Enderle auf der Veranstaltung verstanden hatte, gab es einen Leserbrief von der Tochter Schmeißners, in der sie die Einsicht ihres Vaters beschrieben hat. Ich kenne den Leserbrief aber nicht, in der NZ jedenfalls stand er nicht - oder ich habe ihn übersehen, was mir eigentlich nicht passieren dürfte.

    Ich finde es aber wirklich kritisch hier darüber einfach hinweg zu sehen dass Nürnberg in den 1950'ern in Trümmern lag, und nicht jeder, insbesondere in den "oberen Etagen" im Sinn hatte die Altstadt wieder aufzubauen. Es gab z.B. auch ganz ernst gemeinte Vorschläge, auch den Rest abzureißen und eine Metropolis-artige Futurismusstadt aufzubauen, oder die Stadt als Trümmerwüste und Mahnmal zu belassen, wie es mit der Frauenkirche in Dresden passierte (leider finde ich die Quellen mit entsprechenden Horrorbildern auf die Schnell nicht wieder). Anschließend galt Nürnberg in der späten Nachkriegszeit bis in die Neunziger als ein Musterbeispiel des Wiederaufbaus. Jetzt, inbesondere nach dem Mauerfall, dreht sich diese Einstellung jedoch, wohl auch durch die Eindrücke, die man in den osteuropäischen Metropolen sammeln kann und die eindrucksvoll zeigen, wie trotz Krieg allein durch den Wiederaufbauwillen europäische Altstadtkerne noch aussehen könnten. Den Wiederaufbau hat Schmeißner so gesehen sehr gut begonnen, aber er ist noch nicht beendet.