Nürnberg - Rekonstruktion des Pellerhauses

  • Ich begreife diese Stadt nicht. Sie sitzt auf einem Goldschatz aber ist nicht willens, sich an ihm zu bedienen. Stattdessen findet man sich mit städtebaulicher Armut ab und ist dabei sogar noch selbstzufrieden, lebt allein vom vergangenen Mythos. Warum springt das Feuer von Dresden und Frankfurt nicht auf Nürnberg über? Fehlt den behäbigen Franken die Inspiration und Tatkraft?

    In dubio pro reko

  • In Nürnberg hat man schon den Eindruck: Nach dem Krieg verhältnismäßig (!) nahe am Historischen aufgebaut und seitdem soll sich nicht mehr viel ändern. Als ich im Juli in der Stadt war, war ich ganz überrascht, in der Sebald mehrere Kräne zu sehen (Neues Museum, Burgrestauration etc.). Ansonsten tut sich hier immer sehr wenig. In Frankfurt wird laufend neu gebaut und über Stuttgart habe ich die unglaubliche Zahl gelesen, daß dort alle 25 Jahre 50% der Gebäude neu errichtet wird (kann ich mir nicht vorstellen).
    In Nürnberg verändert sich halt sehr wenig, man kann dies positiv al Gemütlich, negativ als Phlegma der Franken auslegen.

    Ich denke, in Frankfurt spielte der Oberbürgermeister, der eine Arbeit über die ehemalige Altstadt schrieb, eine große Rolle. In Dresden stand man vor leerem Raum und man "mußte" etwas bauen.

    Dennoch sehe ich auch positive Aspekte: Die Altstadtfreunde bohren nach und, als das Thema vor rund einem Jahr in den Zeitungen stand, hat sich eine große Mehrheit für Rekonstruktionen ausgesprochen. Man darf auch nicht vergessen, was die Altstadfreunde samt Mitgliedern und Spendern in Nürnberg schon gerettet haben, was woanders der Spitzhacke zum Opfer gefallen wäre.
    Der Egidienplatz soll, so habe ich mal gelesen, umgebaut werden. Falls das mit dem Pellerhaus und evtl sogar mit dem Gebäude nebenan klappt und der Platz belebt wird, könnte das der Startschuß für mehr sein.
    Ich denke schon, daß die Nürnberger sehr trationsverbunden sind (Altstadtführungen, Kostümierungen, Bardentreffen, Ritterspiele etc.). Zum Vergleich: Frankfurt war vor dem Krieg ebenfalls eine vom Fachwerk geprägte Stadt und historisch als Krönungsort bedeutend. Was ist heute davon noch übrig?

    Meiner Meinung nach "sonnt man sich in Nürnberg im alten Glanz" nicht. Man ist vielmehr mit dem zufrieden, was man hat - auch wenn es nur ein Abglanz des Früheres ist, so bleibt es mit das Beste, was es in der BRD in dieser Größenordnung gibt - und darf auf Verbesserungen nach und nach hoffen. Ein Frankfurter Projekt wird es in Nürnberg wohl nicht geben, ist halt so...

  • In Nuernberg ist es aehnlich den Dresden; man ist sehr Stolz auf seine Stadt, auf seine Wirtschaft, auf seine Kultur
    und Geschichte. Es gibt in Nuernberg oft ein einbringen der Buerger in allen moeglichen belangen.
    Es gibt sehr reges Vereinsleben. Das die Stadt Architektonisch viel mehr kann ist auch vielen bewusst.
    Auch der Wunsch die Dinge anzupacken ist da.
    Das Problem ist wie in Dresden, eine steife Verwaltung, die meist noch von zugereisten Beamten aus dem Westen
    dominiert wird. Nuernberg faehrt halbe Kraft. Man duckt sich. Wer sich nicht duckt, ist "Populist".
    Das ist mit der Grund, vereinfacht gesagt, dass der Nuernberger Verein etwas unter sich bleibt, trotz seiner 6000 Mitglieder! Man versaemt lieber moegliche Spenden aus anderen teillen Deutschlands und der Welt.
    Man wartet aber irgendwie dennoch auf einen Bundesdeutschen Trend. Wenn der aber kommt, so die Nuernberger unter sich, faehrt man obenauf! So die Leute dort untereinander.
    Die Rekonstrucktionen anderer teile Deutschlands uebrigens, werden in Nuernberg was zum rutschen bringen.
    Die Verwaltung schlaegt daher wild um sich. Diese Leute vermuten schon lange, dass Nuernberg ein neues Potsdam
    werden koennte, wenn man einigen Nuernbergern zuhoert. Man will keinen Startschuss dazu geben.
    Ich kenne Leute aus Nuernberg. Ich weiss das es eine starcke Mittelschicht gibt, die Ihre 50`ziger jahre Bauten mit
    Fachwerck aufplatten will oder Mitelalterliche Gauben aufsetzen will.
    Aber man will sich nicht so als Unternehmer unbeliebt machen. Man kennt sich. Man will keinen Streit und das nutzt die Politik gnadenlos aus.
    Aber es gibt einen Trend: Gruenderzeitler werden schon wiederbestuckt. backsteine werden von Putz befreit, u.s.w.
    Meine Einschaetzung: Wenn die moralischen Deiche brechen laufen wir in Nuernberg offene Tuern ein!
    Nuernberg koennte bei Fassaden-rekonstrucktionen Potsdam abhaengen.

  • Zitat von KÖnigsbau

    Ich begreife diese Stadt nicht. Sie sitzt auf einem Goldschatz

    Was meinst du mit Goldschatz? Doch sicher nicht das Heutige, sondern wohl das Alte, Verlorengegangene, oder das brachliegende Potential?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Was meinst du mit Goldschatz?

    Schonmal vom Spitznamen Nürnbergs "des Reiches Schmuckkästlein" gehört ? Es ist nunmal Fakt, dass Nürnberg neben Frankfurt am Main die besterhaltenste und mittelalterlichste Großstadt Süddeutschlands war. Leider und da hat Königsbau recht, gab es nach dem Krieg und gibt es noch genügend Reste des einstigen Glanzes Nürnbergs, nur leider schlummert die Stadt imer noch im Dornröschenschlaf das beste Bsp ist hier der Pellerhof. Nürnberg hätte eine fantastische Zukunft wenn es seine eigene Geschichte mehr beachtet und den Mief der 50er Jahre ablegt!

  • Aber du weißt doch, wie es mit dem Gehabten ist, und wer dafür nichts gibt.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Was meinst du mit Goldschatz?

    "Goldschatz" ist vielleicht nicht das richtige Wort. "Die städtebaulichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen" wäre die bessere Umschreibung. In Nürnberg müsste man nicht wie in Frankfurt ein Technisches Rathaus abreissen, sondern mit relativ kleinen Massnahmen könnte man das historische Stadtbild weiter wiederherstellen. Der Strassenraster ist praktische noch vollständig erhalten, keine Verkehrschneise... nichts. Beim Pellerhaus: man müsste nur das neue Pellerhaus abreissen und könnte gleich mit der Rekonstruktion beginnen. Nebenan das Schwarze Pellerhaus: man müsste nur die Fundamente freilegen und könnte gleich mit Bauen beginnen. An der Weissgerbergasse war es letztes Jahr auch so, auch wenn dort nur Belanglosigkeiten herausgekommen sind. Und der Rahmen dazu, die Stadtmauer, ist auch vorhanden. Über die Pegnitz: keine einzige verunstaltete Brücke... Wermutstropfen bilden das Scharrergymnasium, die Universität bei der Maxtormauer und natürlich das ganze Geschäftszentrum mitten in der Lorenzer Altstadt.

    Nicht viele Grossstädte hätten so tolle Voraussetzungen wie Nürnberg. Das könnte man mit "Goldschatz" umschreiben.

  • Schonmal vom Spitznamen Nürnbergs "des Reiches Schmuckkästlein" gehört ? Es ist nunmal Fakt, dass Nürnberg neben Frankfurt am Main die besterhaltenste und mittelalterlichste Großstadt Süddeutschlands war. Leider und da hat Königsbau recht, gab es nach dem Krieg und gibt es noch genügend Reste des einstigen Glanzes Nürnbergs, nur leider schlummert die Stadt imer noch im Dornröschenschlaf das beste Bsp ist hier der Pellerhof. Nürnberg hätte eine fantastische Zukunft wenn es seine eigene Geschichte mehr beachtet und den Mief der 50er Jahre ablegt!

    War Nurnberg besser erhalten als Regensburg? Ist die Bausubstanz in Regensburg nicht deutlich alter als die in Nurnberg oder Frankfurt? Hatte nicht Regensburg eine hohere Dichte von romanische Profanbauten?

  • Alles richtig, Johan, Aber das Besondere an Nürnberg war halt, dass die nürnberger Altstadt, die zweitgrößte Altstadt Deutschlands, damals noch fast vollständig als spätmittelalterliche Großstadt erhalten war, komplett mit Stadtmauer und Burg sogar. Gerade das ist auch das besonders Schmerzliche an diesem Verlust, denn ein solches Ensemble gibt es heute nirgends mehr, auch nicht in Italien. Regensburg dagegen ist gut vergleichbar mit einigen italienischen Großstädten, nur flächenmäßig etwas kleiner.

  • Der Wert einer mittelalterlichen Stadt oder eines Baudenkmals misst sich nicht nach dem Alter und einer hohen Menge an romanischen Profanbauten. Die Stadtmauer von Nürnberg hatte da eine viel grössere Ausstrahlungskraft, und das zeichnete Nürnberg von allen mittelalterlichen Städten Deutschlands als besonders heraus, sogar noch vor Frankfurt.

  • Das besondere an Nürnberg war halt, dass die nürnberger Altstadt, die zweitgrößte Altstadt Deutschlands, damals noch fast komplett als spätmittelalterliche Großstadt erhalten war, komplett mit Stadtmauer und Burg sogar. Und gerade das ist auch das besonders Schmerzliche an diesem Verlust, denn ein solches Ensemble gibt es heute nirgends mehr, auch nicht in Italien...

    Und Regensburgs als fruhmittelalterliche Grosstadt? Wenn es kommt zu romanische Profanbauten war und ist Regensburg noch ein tick Wertvoller aber das ist eine pesohnliche einschatzung.

    Klar, Nurnberg ist einer grosse Verlust (vielleicht der grosste) und ich glabue bei weitem nicht dass ein paar kosmetische Veranderungen grosse wirkungen haben kann. Die enge der Altstadt ist fur immer verloren.

    Schaut mal nur im Vergleich mit Regensburgs oder die erhaltene Teilen von Lubeck oder Erfurt und da fehlt mehr als nur ein paar kosmetische Verbasserungen.

    Hans Sachs Platz heute
    https://www.esw.de/uploads/pics/H…1500x650_01.jpg

    Damals
    http://www.sg-hausgeschichten.ch/nuernberg/ak-h…hsplatz1932.jpg

    Direkt im Zentrum - was kann man dort machen?

    Hauptmarkt?

    https://www.kubische-panoramen.de/index.php?id_id=377&p=i

    Also die Pellerhaus ist eine Minimum aber wird die Gebaude wirklich der Stadtbild verandern - Nurnberg bleibt doch jetzt fur immer ein moderne Stadt mit Stadtmauer, ein paar Kirchen und ein Burg plus Pellerhaus. Die eng bebaute Altstadt ist fur immer verloren.

    https://c2.staticflickr.com/8/7531/1614477…83f7ec617_b.jpg

  • Der Wert einer mittelalterlichen Stadt oder eines Baudenkmals misst sich nicht nach dem Alter und einer hohen Menge an romanischen Profanbauten. Die Stadtmauer von Nürnberg hatte da eine viel grössere Ausstrahlungskraft, und das zeichnete Nürnberg von allen mittelalterlichen Städten Deutschlands als besonders heraus, sogar noch vor Frankfurt.

    So viel ich weiss gab es nirgendswo in Deutschland mehr Romanische Wohnturme wie in Regensburg. Aber letztendlich liegt mein Fokus da anders.

    Und war Nurnbergs blutezeit doch spater als Regensburg?

    Und so viel ich weiss hatte Lubeck als Konigin der Hanse eine grosse Stellenwert?

  • Ich denke, in Frankfurt spielte der Oberbürgermeister, der eine Arbeit über die ehemalige Altstadt schrieb, eine große Rolle.

    Nicht der Oberbürgermeister hat über die ehemalige Altsadt geschrieben, sondern Olaf Cunitz, der von März 2012 bis Juli 2016 Dezernent für Planen und Bauen und Bürgermeister war. Mit der Entscheidung zum Wiederaufbau des Frankfurter Dom-Römer-Areals hatte er nichts zu tun. Der Abriss des Technischen Rathauses erfolgte bereits ab 2010, die Grundsteinlegung der Altstadt fand Januar 2012 statt.

  • Was meinst du mit Goldschatz? Doch sicher nicht das Heutige, sondern wohl das Alte, Verlorengegangene, oder das brachliegende Potential?

    Ganz genau, so war es gemeint. Der Goldschatz ist das, was die Stadt bis 1945 besaß und bis heute dokumentiert ist, und das man (siehe Pellerhaus) wieder zum Leben erwecken könnte - wenn man denn wollte. Zum Vergleich: Stuttgart hatte auch vor dem Krieg keine Gebäude von diesem Rang. Nürnberg sitzt hier wahrlich auf einem Schatz, den man wieder ans Licht holen könnte, wenn man ideologische Bedenken überwinden und sich an das Abenteuer Rekonstruktion machen würde.

    In dubio pro reko

  • Ich denke in Nürnberg ist das auch eine Generationenfrage. Wie eigentlich noch in vielen Städten Deutschlands.
    Solange die "Wiederaufbau-Generation" noch am Leben ist und Einfluss hat, wird die Veränderung v.a. bei Bestandsbauten sehr schwierig bleiben. In den kommenden 10-20 Jahren sieht die Lage dann schon ganz anders aus.

  • Es ist rührend, wie sehr du immer auf die verheißungsvolle Zukunft setzt. Ich denke allerdings, dass du dir da falsche Hoffnungen machst. Gerade heute erleben wir eine junge Generation Studierter, die den Betonbrutalismus feiern und sich voller Eifer für die Nachkriegsmoderne einsetzen. Einen Wechsel der Geisteshaltung hin zu stärkerem Geschichtsbewusstsein kann ich bei unserer (vorrangig linken) akademischen Nachwuchs-"Elite" nicht erkennen. Eher das Gegenteil, eine wieder zunehmende Politisierung der Architekturfrage, sowie verstärkte Spannungen zwischen "Progressiven" und "Traditionalisten". Dabei wird das Thema Rekonstruktion zunehmend als "rückwärtsgewandte" Position im Fahrwasser "rechtspopulistischer" Strömungen verleumdet. Die Gegenwart ist nicht von rationaler Auseinandersetzung sondern von moralischen Etikettierungen und inszenierter Empörung geprägt, das dürfte niemand entgangen sein. Als Anhänger einer restaurativen Idee muss man in diesem geistigen Klima ein dickes Fell haben.

    In dubio pro reko

  • Vielleicht war man in der kurzen postmodernen Phase undogmatischer, aber das war (vor allem) in den späten 80ern und in den 90ern überall so. Das war eine Zeit des Aufbruchs und der Experimente.

    Heute ist man wieder gesetzter. Aber die neuklassische Architektur-Lobby wird immer größer. Rekonstruktionen finden zudem an immer mehr Orten statt. Entgegengesetzte Tendenzen gibt es immer, aber das große Bild ist mE ganz klar pro-klassischer geworden.

    Wozu immer diese Schwarzmalerei... Da wird man doch depri. Sehen wir lieber die vielen positiven Entwicklungen.

    Vielleicht baut dich ja dieser nette Fakt für heute auf, Königsbau:

    BauNetz, das Online-Sprachrohr der Modernisten: 2.563 Fans auf Facebook (die schaffen's nichtmal, dort Inhalte zu platzieren)

    Stadtbild Deutschland, das Sprachrohr der Architekturhumanisten: 4.516 Fans auf Facebook


    Wir haben mehr Leute hinter uns, das zeigen auch diverse Erhebungen. Jetzt müssen wir diesen Einfluss noch stärker auf Entscheidungsebenen bringen. Das gelingt peu á peu schon. Nur Mut! :thumbup:

  • Das hat nichts mit Schwarzmalerei zu tun, und es ist mir klar dass deine Position populärer ist, weil von einem unerschütterlichen Optimismus getragen. Den Vergleich mit Baunetz halte ich allerdings für naiv, Reichweite und Einfluss dieses Portals dürften um ein Vielfaches höher sein als die von SD. Ich denke, das ist dir selbst auch klar. Facebook-Likes sagen hier rein gar nichts aus.

    In dubio pro reko