Nürnberg - Rekonstruktion des Pellerhauses

  • Danke gropeltop, deine Montage zeigt auch sehr gut, wie der Mayer'sche Neubau eben keine gelungene Synthese von Alt und Neu ist und eben auch, wie der Bau eben Nicht zum Egidienplatz passt. Denn vom Fotostandort aus gesehen läuft der Platz perspektivisch verjüngt nach oben zu, und das findet seinen Höhepunkt in der giebelständigen Fassade des Pellerhauses, die die Nachbargebäude eben so nicht aufgewiesen haben. Der Mayer'sche Bau macht an der Stelle eigentlich alles falsch was man falsch machen kann.

    Stadtbild Deutschland e.V. hat sich heute in der NZ zur Wort gemeldet:

    Soweit ich das überblicken kann gibt es nach wie vor keine überregionale Stimme für den Mayer-Bau. Das ist doch sehr deutlich. Klasse!

  • Geehrte Architektur-Gleichgesinnte,

    danke für das freundliche Feedback.

    "gropeltop" steht für groLandhaus, pelLerhaus und topLerhaus. Wohl mit die Top 3 der früheren bürgerlichen Altstadtbauten.
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    Die "Nürnberger Nachrichten" druckten das obige Foto am 30.3.2016 im kompletten Verlagsgebiet ab.
    Jetzt setzte ich den Giebelabschluss mit einer schwarzen Konturlinie. Im Zeitungsfoto geht der weiße leider fast unter.
    Mir war wichtig, die rekonstruierte Pellerhaus-Fassade im jetzigen Umfeld zu zeigen.
    Was bringen Gegenüberstellungen des alten und des jetzigen Baus? Das Pellerhaus lebt(e) auch von der Fernwirkung.
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    Mir liegt die nackte Steinfassade bei einer möglichen Rekonstruktion wirklich im Bauch. Über die Jahrzehnte würden die Steine auch bei einer milderen Klimawandel-Witterung wieder so leiden wie bisher. Die Steine brauchen einen Schutz.
    Die farbige Fassung der Pellerhaus-Fassade ist nicht meine Idee (siehe rechte Bildhälfte). Nach gesichterter Quellenlage war sowohl der Innenhof als auch die Prunkfassade mit der Stadtfarbe "Nürnberger Rot" gestrichen. Und darauf kamen dann weiße Quaderlinien.
    Das Pellerhaus war in früheren Jahrhunderten auch als das "weiße" bekannt. Dies muss ja einen Grund gehabt haben.
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    Dann bin ich gespannt, was die Zukunft bringt. Die politisch Verantwortlichen in Nürnberg und der Denkmalschutz haben sich bisher sehr zurückgehalten.
    Ich plädiere als Galerist und Künstler für eine zwischenzeitliche Planenlösung vor der jetzigen "hässlichen" Fassade. Bedruckt in Form und Farbe gäbe sie einen guten Raumeindruck. Fotos können dies nicht ersetzen.

  • Erst mit der Rekonstruktion der Frauenkirche ist die Dresdner Stadtshilouette von Weitem und das Stadtzentrum im Innern wieder komplett. Selbst gesehen und gefühlt.

    Ähnlich verhält es sich mit dem Nürnberger Pellerhaus. Dem Egidienberg fehlt die Originalfassade schmerzlich.
    Die Frage ist aber: Als nackte Steinfassade oder farbig gefasst (wie im Pellerhaus-Innenhof dokumentiert). Die damaligen Bürgerhäuser des 16./17. Jahrhunderts waren der Optik und auch des Schutz des Steines vor der Witterung wegen mit Kalkfarbe gestrichen.

    Einmal editiert, zuletzt von gropeltop (3. April 2016 um 13:41)

  • Die Frage der Farbfassung ist glaube ich eher ein kleineres Problem: Im Pellerhof scheinen die Altstadtfreunde einer Schlämmung des Sandsteines relativ offen gegenüberzustehen, so wie ich es mitgekriegt habe. Der Witz an der alten Pellerhausfassade war ja, dass sie wegen ihrer Farbe auch als das "weiße Pellerhaus" bezeichnet wurde. Im Gegensatz zu dem Nachbarhaus links, was Martin Peller nach Nachbarschaftsstreit ebenfalls aufkaufte und das später als "schwarzes Pelllerhaus" betitelt wurde.
    Schon allein aus diessem Grund fände ich es nur konsequent die rekonstruierte Pellerhausfassade auch wieder weiß zu fassen.
    Im Moment sehe ich eher das Problem, dass es überhaupt soweit kommt. Man müsste ein rundes Jubiläum finden, beispielsweise die Fertigstellung des Pellerhauses oder der Geburtstag von Martin Peller o.ä. und dann zu diesem Anlass eine bedruckte Plane installieren wie gropeltop es auch schon vorgeschlagen hast. Ich habe auch schon überlegt ob man das nicht an der blauen Nacht machen könnte, da wird ja viel mit Projektionen auf Fassaden gearbeitet.

  • Die Idee, im Rahmen der "Blauen Nacht" auf das jetzige Pellerhaus die alte Fassade zu projizieren, ist sehr gut. 2017 soll/kann der Pellerhaus-Innenhof fertig rekonstruiert sein. Die Feierlichkeiten hierzu wären doch ein guter Anlass für eine Fassaden-Projektion.

    Spätestens bei dieser Gelegenheit müsste auch die Stadtpolitik und der OB endlich Stellung beziehen. Vom Denkmalschutz ganz zu schweigen.

  • Gestern sendete der BR einen Kurzfilm zum Thema Pellerhof und Pellerhaus, mit Bildern der Treppenturmrestaurierung und einer kurzen Stellungnahme des Nürnberger Baureferenten Daniel Ulrich:

    https://www.bing.com/videos/search?…C25&FORM=VRDGAR

    Zitat von Bayerischer Rundfunk

    Das Pellerhaus in Nürnberg galt vor seiner Zerstörung 1945 als eines der schönsten und am besten erhaltenen Renaissance-Gebäude Deutschlands. 1953 wurde das Vorderhaus im Stil der 1950er Jahre wieder aufgebaut. Seit 2008 bauen die Altstadt-Freunde mit Spendengeldern den Hof wieder auf.

  • wenn ich schon diesen Baureferent sehen kriege ich das Erbrechen :kotz:
    Nur die Fassade aus dem 50er Jahren sei denkmalwürdig? Dann müsse er ganz Nürnberg unter Denkmal stehen und zwar jede Mietskaserne aus der damaligen Zeit!
    Und die Originarenaissancefassade sei ein Nichtdenkmal? Gehts noch? Von der baulichen Qualität allein hat das Original einem billiardenmal höheren Wert als dieses Provisorium aus den 50ern!
    Und auch der symbolische und historische Wert der Renaissancefassade ist xmal höher als der Jetztzustand!
    Der Herr Enderle von den Altstadtfreunden hat mich am Anfang aber ein bisschen enttäuscht! Seiner Meinung nach sei die Nachkriegsfassade qualitätvolle und denkmalwürdig ? :kopfwand:

  • Auch hier wieder ein völlig unqualifizierter Satz von diesem Herrn Ulrich:

    Zitat

    Die Rekonstruktion einer Fassade und sei sie noch so schön, wird nie ein Denkmal sein.

    Das ist ja ganz objektiv falsch. Es hört nicht auf mich zu erstaunen, mit welcher Nonchalance hier angebliche Fachleute ihre persönliche Meinung als eine unabänderliche Wahrheit verkaufen wollen. Was der Mann sagt, stimmt ganz einfach nicht. Weder, wenn man den Denkmalsbegriff ideell und subjektiv formuliert, noch wenn man sich an den in den jeweiligen Denkmalschutzgesetzen festgelegten Begriff hält. (Teil)Rekonstruktionen stehen massenweise ganz offiziell unter Denkmalschutz. Ja Herrgott, die rekonstruierte Warschauer Altstadt ist sogar offiziell Weltkulturerbe. Dass sie diesen Status nicht als ein Werk vergangener Jahrhunderte sondern als idealisierte Rekonstruktion dessen aus der Nachkriegszeit bekommen hat, spielt für den Status als Denkmal keine Rolle.
    Ich hoffe wirklich, dass diesen Menschen ihr belehrender und zugleich schlichtweg infantiler Umgang mit einer zunehmend interessierteren Bürgerschaft endlich mal gehörig auf die Füße fällt.

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia (4. April 2016 um 23:17)

  • Ganz ganz starke Aussage von Baureferent Daniel Ulrich: "Ich kann nicht ein Denkmal gegen ein Nicht-Denkmal aufwiegen. Und die Rekonstruktion einer Fassade, und sei sie noch so schön, wird nie ein Denkmal sein."

    :D Ich musste sehr sehr herzhaft lachen und hatte gleichzeitig eine ziemliche Wut. Er ist Baureferent in einer Stadt, die zig Denkmäler aufweist, die Fassadenrekonstruktionen sind. Wie erklärt er sich denn da den Denkmalstatus?!?! (Erwähnt seien hier dann nur mal so das Nassauer Haus, quasi alle Altstadt-Kirchen, Wolffscher Bau des Rathauses, Altes Rathaus, Fembohaus, Zeughaus, Mauthalle und und und und..... Ob er die alle kennt?!)
    Und weiß dieser durchaus adrette Mensch denn nicht, dass er quasi in einem Nicht-Denkmal, ginge es nach seiner Definition und Anschauung, arbeitet? Das Baumeisterhaus war meines Wissens ebenfalls kriegszerstört und der Saal wurde erst in den 70er Jahren rekonstruiert.
    Bedauerlicherweise habe selbst ich als Nicht-Nürnberger offenbar mehr Ahnung von der Stadt, als dies ihr Baureferent hat. Das sollte mir als Baureferent dann doch zu denken geben. Sollte, wie gesagt. Wird es wahrscheinlich nicht.

    Ich fasse zusammen: Der Nürnberger Baureferent, der offenkundig nicht einmal in Nürnberg wohnt, residiert/arbeitet in einem Renaissancegebäude, errichtet von Jakob Wolff d. J., bekanntlich der Sohn von Jakob Wolff dem Älteren (der ja bekanntlich das Pellerhaus errichtete), das als Denkmal eingetragen ist, seiner Ansicht nach aber niemals ein Denkmal sein darf, da es zumindest eine Teilrekonstruktion darstellt.

    Aaaaaaaaaaaaah ja, äußerst schlüssige Logik also. *Hust* Um diese seine Logik und Argumentation aber sowas von auseinanderzunehmen, würde es also einfach genügen Herrn Ulrich einmal aus seinem, seiner Argumentation folgend, Nicht-Denkmal herauszuholen, ihm die Fassade zu zeigen, die Geschichte des Hauses darzulegen und ihn dann noch einmal seine Aussage wiederholen zu lassen. Ob es ihm selber auffallen würde?

  • Tja, so ist es wenn man den Wert der Steine höher bemisst als den Wert des künstlerischen Konzepts.
    Man stelle sich mal vor man hätte die Burg oder das Wolfsche Rathaus in den 1950'ern in Stile der Zeit wieder aufgebaut. Wir hätten da die gleiche Diskussion. Hat man aber gottseidank nicht, sondern sich dessen besonnen, was in Jahrhunderten an Ort und Stelle entworfen und gewachsen ist. Heute sind beides unbestreitbare Attraktionen und Denkmäler ersten Ranges. Das es in wesentlichen Teilen Rekonstruktionen sind ist in der Literatur eine Randnotiz und auch Denkmalschützer stören sich angesichts des mittlerweile stolzen Alters nicht daran. So wird es dem wiederaufgebauten Pellerhof einst auch ergehen, und das selbe Schicksal wartet auf das Vorderhaus. Da hat man eben einen Bentley durch einen Fiat ersetzt und wundert sich, das man sich den Bentley zurückwünscht.

    Ulrich sollte man hier nicht missverstehen, er ist oberster Denkmalschützer der Stadt Nürnberg und hat sich da für meine Begriffe doch eher zurückhaltend gegenüber dem Mayer'schen Pellerhaus geäußert, es habe "so viel Eigenwert, gerade diese eine Fassade, dass man sie sicherlich nicht leichtfertig hergeben würde".

    Entscheidend wird die Finanzfrage sein.

  • In der Tat: Es gibt Sätze, die mehr Bereitschaft zum Kämpfen oder Verteidigen ausdrücken."..., gerade diese eine Fassade, dass man sie sicherlich nicht leichtfertig hergeben würde".
    Herr Ulrich scheint ein lockerer, pragmatischer und eigentlich für neue Ideen offener Mensch zu sein. So wirkt er auf mich. An ihm würde ein Rekonstruktion der Fassade nicht scheitern.
    Es wird immer wieder - auch in Nürnberg - der Denkmalschutz für Gebäude aus den 1950-er Jahren-Bauten aufgehoben.

    "Frauenkirche" in Dresden und "Schwarzhäupterhaus" in Riga: Diese rekonstruierten Bauten beleben das Altstadtbild und ziehen in Massen Touristen an. Es ist diesen egal, ob der Bau original ist. So würde es auch in Nürnberg sein.

  • Herr Ulrich scheint ein lockerer, pragmatischer und eigentlich für neue Ideen offener Mensch zu sein.

    Ich glaube dass die Idee einer Rekonstruktion des Pellerhauses für den Herrn Baudezernet keine "neue Idee" ist und "locker" ist der in dieser wichtigen Sache mit Sicherheit nicht!

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Die Frage, die ich mir stelle, ist er tatsächlich so inkompetent oder will er diese eigentlich so nicht mehr wirklich begründbare Gegnerschaft zu einer Rekonstruktion dem Volke mit seiner aberwitzigen Theorie zum Thema Denkmalschutz und Rekonstruktion verkaufen?

  • Ulrich ist nicht der Hauptgegner in dieser Frage.
    Ich sehe OB Maly als Haupthinderungsgrund für eine mögliche Rekonstruktion der Fassade. Dieser hat Ulrich vorgeschickt. Warum interviewte der BR für seinen Bericht denn nicht Maly? Könnte man erwarten. Von ihm war hierzu bisher überhaupt nichts zu Hören oder zu Lesen. Maly will für ein "modernes Nürnberg" stehen. Das alte Pellerhaus ist für ein rückwärtsgewandter und konservativer Baustil.

  • Ich würde nicht so argumentieren.
    Der Mann irrt natürlich, auch wenn er in Einzelpunkten recht hat:
    1) eine Reko ist idR kein Denkmal (kann es nur durch enorme, nicht reproduzierbare handwerkliche Fertigkeiten bzw durch Zeitablauf werden).
    2) Ein Denkmal sollte idR nicht für eine Reko geopfert werden. Das Problem stellt sich häufig bei historistischen Nachfolgebauten bzw Umgestaltungen. vgl den sehr zwielichtigen Fall des Torgauer Rathauses, wo keine Denkmalbehörde was dabedifindet, dass ein historisch gwachsenes Denkmal zugunsten eines früheren einfacheren Zustandes letztlich zerstört wird.
    3) Nürnbergs Sehenswürdigkeiten sind durchwegs Denkmäler, da auf authentischer Substanz beruhend -eine ex nihilo Reko hat es hier nicht gegeben.

    Einzuhaken ist letztlich hier: der Mayerbau ist nie und nimmer ein Denkmal (da authentisch beliebig reproduzierbar, alle verwandten Techniken und Fertigkeiten werden noch beherrscht), sondern ein Schandfleck!

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Die Argumentation UC halte ich, bis auf den letzten Absatz, für richtig.

    Aber ich meine schon, dass grundsätzlich auch der Mayerbau ein Denkmal ist. Dies ergibt sich für mich allein daraus, dass er in die Denkmalliste eingetragen ist. Dies mag ein rechtspositivistischer Ansatz sein. Ich finde auch, dass hierüber nicht einfach so hinweggegangen werden kann. Insbesondere die Argumentation der Bau sei nicht schön, das was nach dessen Abriss kommt sein besser, ist eine, die im Zusammenhang mit Baudenkmälern eine gefährliche ist. Dies kann nämlich dazu führen, dass ein Abriss eines alten Fachwerkhauses mit der Begründung erfolgt, die an seiner Stelle geplante Kindertagestätte oder das Altenheim seinen wichtiger, Fachwerkhäuser gebe es genug, das tagelöhnerhauus sei abzureißen, weil es doch gut ist, dass Menschen so nicht mehr leben müssen usw.

    Die Abwägung, ob eine Baudenkmal abgerissen werden und durch ein anderes Gebäude ersetzt werden soll, sollte meiner Meinung nach, alleine auf ausschließlich denkmalpflegerische(noch nicht einmal stadtbildliche) Punkte beschränkt sein. Und hier ist im Fall des Pellerhauses festzustellen, dass die (denkmalgeschützte) Fassade des Nachkriegsbaues, die Reste des (denkmalgeschützten) Renaissancebaues bedrängen und dieses Denkmal beinträchtigen.

    Bei der Beantwortung der Frage welches das wertvollere Denkmal ist, ist der von UC aufgeführten Gründe für den Abriss, nämlich die beliebige Reproduzierbarkeit vergleichbarer Bauten ein gewichtiges Argument. Hinzu kommt auch die Tatsache, dass es zeittypische erhaltenswerte Bauten der Nachkriegszeit in Nürnberg nun einmal mehr gibt als Renaisancebürgerhäuser, zumal von einer solchen Bedeutung wie es das Pellerhaus war und selbst in seinen Resten noch ist.

    Diese Abwägung muss daher dazu führen, das hier vorliegend (ausnahmsweise) ein denkmalgeschützter Bau weichen muss um einen anderen denkmalgeschützen Bau wieder herzustellen.

  • Andreas, deine Gedanken sind gut, auch wenn sie sich irgendwie im Kreis drehen. Es geht immer wieder um das Gegenüberstellen von Substanz und künstilerischer idee.

    Frage: Wie würde es um den Mayer-Bau stehen, wenn er nicht an Ort und Stelle des Pellerhauses, auf dessen Resten, stünde? Ich wage zu behaupten, dass es nicht ausgeschlossen wäre wenn sich heute Bürgerinitiativen darum bemühen müssten das Haus unter Denkmalschutz zu stellen. Ich wage ferner zu behaupten, dass schon allein die Tatsache, dass der Bau auf den Resten des Pellerhauses sitzt, baukulturell Aufmerksamkeit erzeugt und mit ein Grund für den Denkmalschutz ist. Dadurch kommt es ja zu den kruden Begründungen "gelungene Verbindung von alt und neu", "sensibel im Umgang mit den Resten", "zurückhaltend in den Platz einfügend" etc.

    Das Gebäude hat den Denkmalschutz schon deshalb nicht verdient, weil es den Wiederaufbau des Originalbaus verhindert. Denn dies hätte wiederaufgebaut werden müssen. In Nürnberg wurde nicht nur die Stadtmauer mit einer ganzen Reihe von Türmen rekonstruiert, da hätte es nicht auf jeden einzelnen ankommen müssen, auch nicht auf jeden einzelnen Mauermeter. Viele Großstädte begnügen sich da mit deutlich weniger Stadtmauer. Es besteht in Nürnberg also durchaus der Trend, wichtige Bauten aus der Glanzzeit der Stadt zu erhalten und gfls. zu rekonstruieren. Und das mittelalterliche Nürnberg, bekannt für sein emanzipiertes, selbstbewusstes und erfolgreiches Bürgertum war geprägt durch deren Bauten, deren wichtigstes das Pellerhaus war. Wir wären beim Pellerhaus deutlich weiter, wenn man sich 1950 lediglich entschieden hätte die Mayersche Stadtbibliothek anderswo aufzubauen.

    Das Substanzargument allein lasse ich nicht gelten, denn der Denkmalschutz opfert auch Gebäude, die in ihrer Originalsubstanz unumstritten konsistent sind bzw. sie überhaupt gar nicht erst schützt. Überhaupt ist das Substanzargument äußert dehnbar, denn danach dürfte es den Fall nicht geben, dass der Denkmalschutz abgelehnt wird, weil "nicht genug Orignalsubstanz" vorhanden ist. Was genau soll das denn bedeuten? Darf nach dem Zeitpunkt der Schlüsselübergabe an den Bauherrn nichts mehr verändert worden sein? Und warum? Was ist mit einem Fachwerkhaus aus dem 16. Jhrd, das im 18. Jhrd eine barocke Sandsteinfassade davorgesetzt bekam? Was davon ist nun schutzpflichtige Originalsubstanz? Denkmalschützer erleben bei solchen Objekten oft Überraschungen. Wenn ich mir den Bau der Hauptpost anschaue, das nun eine Entwurfsfassung um ca. 1928, eine veränderte realisierte Fassung um 1935 und eine dem Ursprungsentwurf angenäherte Fassung um 1950 darstellt, die seit den 1960'er Jahren in wesentlichen Teilen unverändert geblieben ist und Stadtgeschichte pur bedeutet, steht sie genau deshalb NICHT unter Denkmalschutz, weil zu wenig Originalsubstanz vorhanden ist. Das Substanzargument versagt hier und ist m.E. auch nicht allein tragfähig, um daran die Denkmalfähigkeit festzumachen. Substanz ist nur eines von mehreren Hilfsargumenten.

    Ein weiteres Hilfsargument ist der Zeugniswert. Der Zeugniswert ist die Ablesbarkeit von Geschichte, und m.E. ein durchaus starkes Argument. Es müssen also wesentliche geschichtliche Ereignisse an einem Bau ablesbar sein. Das ist auch das einzige Argument, das m.E. für das Mayersche Pellerhaus spricht, den es ist die steingewordene Fehlentscheidung, ein bedeutendes Denkmal modern interpretiert wiederaufzubauen. Bzw. den mutigen Entschluss dazu getroffen zu haben. Er muss jedoch schließlich als gescheitert angesehen werden, denn:

    Das wichtigste Argument ist jedoch m.E. das künstlerische, architektonische Konzept, das einem Gebäude innewohnt. Dieser ist es auch der Rekonstruktionen nicht nur ermöglicht, sondern sie auch so erfolgreich macht. Gewiss, man bekommt so die alte Originalsubstanz nicht zurück. Aber es entsteht neue Originalsubstanz, die alt wird und nach Generationen wieder als unwiederbringlich und nicht reproduzierbar gilt. Zudem wird der Entwurf lebendig und erlebbar erhalten. Architekten arbeiten nicht für die Schublade oder das Fotoarchiv, sondern um Stadträume zu gestalten. Das gebaute Haus ist also die einzig befriedigene Existenz eines Entwurfs. Deshalb wurden überall auf der Welt viele verlorene Denkmäler wieder aufgebaut. Wenn eine Rekonstruktion nicht befriedigt, dann deshalb weil man vom Originalentwurf handwerklich oder gestalterisch abgewichen ist. Deshalb sind in Nürnberg auch Stadtmauer, Rathaus und Burg unumstrittene Einzeldenkmale. Und deshalb ist das Mayer'sche Pellerhaus so unbefriedigend. Es steht schlicht am falschen Ort und machte weiterhin den Fehler, nicht alle Altsubstanz weggeräumt zu haben. Es ist ein unglücklich machender Hybrid aus Neubau und Altsubstanz.

    Wenn es also im wesentlichen darum geht Entwürfe miteinander zu vergleichen obsiegt das alte Pellerhaus, da es in nahezu allen Kategorien die Nase vorn hat:

    1. Das alte Pellerhaus ist der höherwertigere Entwurf.
    2. Der Zeugniswert würde schon allein durch den Verzicht auf eine 100%-Reko im Innenbereich gewährleistet.
    3. Originalsubstanz ist noch ausreichend vorhanden (Keller, Erdgeschoss, wesentliche Teile des Hofs), sodass eine originalgetreu komplettierende Reko legitim sein muss. Was man vor 60 Jahren architektonisch hätte machen müssen kann heute nicht grundverkehrt sein. Auch handwerklich schätze ich eine Reko als anspruchsvoller und anstrebenswerter ein als den Ist-Zustand, der sich konstruktiv und handwerklich schon durch bloßes Anschauen schnell erschließt.

    2 Mal editiert, zuletzt von nothor (6. April 2016 um 00:07)