Nürnberg - Rekonstruktion des Pellerhauses

  • "Architekten, Denkmalschützer. Kunsthistoriker schütteln nahezu geschlossen den Kopf"
    Wenn ich so etwas schon lese, wird mir zum Kotzen ! Diese Nachkriegsfassade verdient meiner Meinung nach einen Ehrenplatz, und zwar im Müll. Wie kann man so was abscheuliches unter Denkmalschutz stellen. Ich will mal sehen, was die Denkmalschützer machen, wenn wieder Altbauten in Altstädten wegen Geldmangel oder anderen Ausreden abgerissen werden. Bestes aktuelles Beispiel in Donauwörth, wo das älteste Bürgerhaus Bayerns abgerissen wird. Diese Heuchler sollte man allesamt aus dem Land jagen ! :wuetenspringen::kopfwand:

  • Ich habe aber den Eindruck, daß sich hier etwas zum Positiven bewegt. Gut ist, daß sich das Thema "Rekonstruktion" so weit und offen herumspricht. Der Durchschnittsbürger ohne historischen Komplex ist auf unserer Seite. Sehr wichtig sind die vielen Bilder, die das Thema von der theoretischen und grundsätzlichen Ebene auf eine unmittelbar fassbare bringen.
    Schön, daß die NN so offen Leserbriefe abdrucken. Bitte weiter schreiben!

  • Ach, wenn nur einer der Milliardäre sich für die Rekonstruktion des Pellerhauses begeistern würde und anböte, die Kosten der Original getreuen Rekonstruktion zu übernehmen. Ich bin davon überzeugt, dass es dann ziemlich schnell mit der Rekonstruktion zur Sache ginge. Denn ein solches Geschenk könnte auch die Stadt Nürnberg nicht ausschlagen. Erstens würde sie die Kosten für die überfällige Renovierung des derzeitigen Pellerhauses ersparen und zweitens kämen wegen des rekonstruierten Pellerhaus viele zusätzliche Kunstfreunde und Touristen nach Nürnberg. Diese würden dann dabei auch Geld in der Stadt ausgeben. Also wäre eine Rekonstruktion auch ein nachhaltiger und nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor für die Stadt Nürnberg.

  • Richtig. Es geht am Ende immer ums Geld. Auch und vor allem dann, wenn andere Denkmäler weichen. Is ja nicht so dass wir Denkmäler niemals verlieren würden, andauernd verschwinden Denkmäler, und wenn man nachforscht weswegen geht es immer ums Geld. Der Denkmalschutz steckt tief in der Sinnkrise. Wenn ein Denkmal abgerissen wird wird das mit vorherigem Entzug des Schutzstatus geheilt nach dem Motto "Neubewertung hat ergeben dass da doch nicht so viel Originalsubstanz war", oder "so herausragend ist der Bau dann doch nicht gewesen" - da werden die Denkmalschützer immer ganz kleinlaut - aber Ursache sind Druck aus der Politik, weil irgend ein Investor etwas investieren will und dazu der Abriss notwendig ist.

    Jeder, der Privat ein Denkmal besitzt, weiss wie man sich sogar um die Farbe von Fußleisten streiten kann... der Denkmalschutz hat ein Problem, sein gesellschaftlicher Stellenwert ist nicht exakt definiert. Von den Details, was ein Denkmal im Einzelfall ausmacht, mal ganz abgesehen.

  • Hallo nothor,

    da hast es exakt auf den Punkt gebracht, genau so ist es. Wenn ein großer und reicher Investor kommt, der mit langwierigen Prozessen durch gewiefte (Winkel-) Advokaten und dem Risiko der Denkmalschützer im Falle des Unterliegens neben der Mehrarbeit dann auch noch die Prozesskosten tragen zu müssen, dann geben sie gerne nach und Begründungen, ä Ausreden, warum der Denkmalschutz aufgehoben werden muss, gibt es viele. Du hast ja einige gängige treffend zitiert. Beim sog. "kleinen Mann" aber da ist der Denkmalschutz sehr gestreng und schreibt, auf gut deutsch gesagt, jeden Furz vor.

    Wieviele Rekonstruktionen hätte es in Potsdam ohne die großzügigen Mäzene gegeben? Das dortige Stadtschloss wäre jedenfalls ohne Herrn Hasso Plattner wohl nicht wieder gekommen. Gibt es in Nürnberg und Umgebeung wohlhabende Menschen, die man begeistern könnte? Oder vielleicht Vereinigungen wie etwa die Rotarier, die bekanntlich auch gute Zwecke unterstützen. Vielleicht könnte der Chef der Altstadtfreunde versuchen, solche Personen oder Vereinigungen im persönlichen, direkten Gespräch mit ins Boot zu holen und für die Rekonstruktion und zur finanziellen Unterstützung zu gewinnen. Selbstverständlich mit namentlicher Erwähnung des großzügigen Spenders auf einer Gedenktafel am Pellerhaus.

    3 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (24. März 2016 um 21:33)

  • Auch wenn ich mein Herz an das Stadtschloss Potsdam und seine Figuren verloren habe und mir das Stadtschloss Berlin (Humboldtforum) auch keine Ruhe lässt, interessiere ich mich als "Nürnberger" mehr und mehr für das Pellerhaus.

    Ich werde keine Ruhe lassen und das Thema immer und immer wieder auf die Agenda bringen das es mit in den Stadtrat genommen wird. Mit dem Argument das die Fassade durch Spenden finanziert wird haben wir doch schon einmal eine klare Aussage.

  • Das Angebot, so was ausschließlich durch Spenden zu finanzieren, ist ein gangbarer Weg und zeugt vom Optimismus einer engagierten Bürgerschaft. Allerdings hab ich dabei auch immer etwas Bauschmerzen, gerade wenn deratig Geschaffenes dann in öffentlichen Besitz übergeht, ob wohl die Stadt, oder wie bspw. im Falle der Figuren auf dem Potsdamer Schloss das Land, keinen Cent beigesteuert hat und sich sprichwörtlich mit fremden Federn schmückt. Gleichzeitig wird aber gerne allerlei Geld für Unsinn ausgegeben, der sich Kunst nennt, aber außerhalb eines in sich geschlossenen "Expertenkreises" keinerlei optischen Mehrwert für das Stadtbild bietet.

  • So sehe ich das nicht. Engagierte Bürger haben schon immer etwas für ihre Stadt getan, reiche Industrielle haben früher wie selbstverständlich Brunnen, Theater oder Plätze gestiftet und so dazu beigetragen, dass sich eine Stadt entwickeln und verschönern konnte. Die Aussicht, dass ein spendenfinanziertes Projekt wie der Pellerhof und was auch immer noch kommen mag in den Besitz der Stadt, also aller, übergeht, finde ich sehr wohltuend.

    Bauchschmerzen habe ich allerdings, wenn eine Stadt sagt sie habe Bauchschmerzen, wenn sich spendenfinanzierte Projekte entwickeln. So hat sich Herr Oberbürgermeister Maly ja über den Pellerhof geäußert, soetwas kann ich aus keiner Perspektive irgendwie nachvollziehen. Bauchschmerzen kann man haben wenn Diehl Waffen in den Nahen Osten liefert, aber was haben Bauchschmerzen mit den Pellerhof zu tun.

    Leider ist dieses Mäzenatentum heute nicht mehr so verbreitet, weil das Prinzip der Aktiengesellschaften soetwas oft verhindert.
    Ich finde es völlig richtig, dass sich die Bürger an aktiver Stadtverschönerung beteiligen, das muss eine Stadt m.E. nicht unbedingt aus Steuermitteln selber machen, insbesondere bei Rekonstruktionen. Sie sollte aber Private dazu ermuntern und den Weg dafür frei machen!

    Einmal editiert, zuletzt von nothor (25. März 2016 um 15:27)

  • Im zweiten Band des 1882 erschienenen Buches "Geschichte der Renaissance in Deutschland" von Wilhelm Lübke habe ich einen mit Sicherheit äußerst seltenen Holzstich "vom Hausthor des Pellerhauses" entdeckt. Den Kunstschmiedearbeiten hat man allgemein nicht die Aufmerksamheit geschenkt, die sie tatsächlich verdienen. Deshalb halte ich es für möglich, dass den Nürnberger Altstadtfreunden die schmiedeeisernen Beschläge des Haustores des Pellerhauses wohl eher nicht bekannt sein dürften.

    Es dürften zwei gleich große Torflügel gewesen sein, von denen hier der linke Türflügel der Haustor-Innenseite dargestellt ist, (also von innen betrachtet).

    Vom (von innen aus gesehen) rechten Torflügel ist nur etwa 1/3 abgebildet, da die übrigen Beschläge des rechten Torflügels denen des linken Flügels (spiegelbildlich) entsprechen und man sich diese deshalb auch ohne bildliche Wiedergabe gut vorstellen kann.

    Der linke Torflügel hatte einen Schließkasten mit Türgriff, darüber befand sich ein weiteres Kastenschloss (ohne Türgriff) und darüber eine Vorrichtung mit einem eisernen Bolzen, mit dem man zusätzlich das Tor versperren konnte.

    Sämtliche Beschläge, Torschlösser etc. waren m. E. von allerhöchster Qualität, was auch beim Pellerhaus nicht Wunder nimmt:


    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (25. März 2016 um 22:52)

  • Ich gehe stark davon aus, dass die Altstadtfreunde diese Abbildung kennen. Das Pellerhaus ist übrigens auch ausführlich dargestellt in Buch "Deutsche Renaissance" von August Ortwein u. a. aus dem Jahr 1871. Das Buch kann hier angesehen und heruntergeladen werden: Klick

    Die Innentür nochmals in voller Breite:

    Zwei fantastische "Kamintüren" (wohl eher Kaminzimmertüren?) aus dem 1. Obergeschoss.

    Im Einleitungstext verneigt sich der Autor verbal vor dem Pellerhaus, die Stadt Nürnberg möchte es dagegen lieber nicht wiederbekommen. :gehtsnoch:

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Das heutige Nuernberg ist eben nicht mehr das altehrwuerdige Nuernberg von einst und das Provinzbuergertum von heute auch nicht mehr das der einstigen Patrizier, die ihre Stadt praechtig machen wollten.

    Nuernberg soll sich dieser Biederkoepfe aus BDA und Denkmalpflege der 1950er Jahre entledigen und sich wieder an den glorreichen Zeiten orientieren als Nuernberg noch weltweit ein Begriff war. Was ist es heute noch? Die Pellerhoffassade kann nur der Anfang von etwas noch Groesseren sein!

  • Diese Kamintüren sind ja unglaublich. So schön wie im Märchen. Damals besaßen den Leute noch Fantasie. Im Grunde wäre es eigentlich leicht, Nürnberg wie früher erscheinen zu lassen, nur der Wille zählt. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zu letzt :harfe::rolleyes:

  • Gerade im Bauwesen können Rekonstruktionen verhältnismäßig leicht wieder auferstehen: Die Materialien sind eigentlich alle noch verfügbar, und die Bauwerke gut dokumentiert. Zusätzlich kann so die Handwerkskunst gehegt und gepflegt werden, aktiv daran geforscht und an Generationen weiter gegeben werden. Jammern denn nicht gerade die Hüter historischer Substanz darüber, dass Wissen und Fertigkeiten verloren gehen durch moderne industrielle Herstellungsmethoden? Rekonstruktionen sind also auch aktive Pflege von Kultur und Wissen.

  • Zitat von memme

    Diese Nachkriegsfassade verdient meiner Meinung nach einen Ehrenplatz, und zwar im Müll. Wie kann man so was abscheuliches unter Denkmalschutz stellen.

    ja. Das ist es auf den Punkt gebracht. Genau so verhält es sich, und das ist bisher viel zu wenig betont worden. Es handelt sich nicht um "interessanten" Wiederaufbau, sondern um den größten Mist, der je gebaut wurde. Plumper und hässlicher geht gar nicht. An jeder Stelle wäre hinsichtlich dieses läppischen Machwerks für Abriss zu plädieren, da bräuchte es gar kein Wissen um den Vorgängerbau.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zumal die Fassade ja auch den Rest des Originalbaues - das vollständige Erdgeschoss des Renaissancebaues - geradezu erdrückt. Ich halte diese Fassade, anders als die (in diesem Forum auch oft geschmähte) 50iger Jahre Fassade des Salzhauses in Frankfurt, für einen völlig ungelungenen Versuch, die Reste des Gebäudes die den Bombenkrieg überstanden haben, mit zeitgenössischer Architektur zu verbinden. So etwas kann sehr reizvoll sein, aber doch nicht auf eine so, das zerstörte Gebäude nicht einmal in Ansatz zitierende, nicht einmal die Umrisse des Originals wahrenden, geradezu plumpe Art und Weise.

    Der Vorwurf bei der Wiederherstellung der Fassade des Renaissancebaues würde ein Disneyland entstehen, ist gerade im Fall des Pellerhauses so absurd, wie sonst bei kaum einer Rekonstruktion. Hier soll doch nicht eine Kopie irgendwo in Florida oder der Wüste Nevadas entstehen. Es wird doch nicht einmal nur am Originalstandort nach alten Plänen neu erbaut oder werden in einen weitgehenden Nachbau des Originals Spolien eingefügt. Vielmehr wird die Kriegsruine eigentlich nur repariert, indem man des Fehlende ergänzt.

    Wenn das "Disneyland" wäre, wären dies die Frauenkirche und andere wiederaufgebaute Kunstdenkmäler Nürnbergs auch, die vielfach nach erheblichen Schäden in weiten Teilen neu aufgemauert werden mussten.

    Einmal editiert, zuletzt von Andreas (29. März 2016 um 16:42)

  • Hallo, in der ganzen Pellerhaus-Diskussion sieht man derzeit verschiedene (historische) Fotos und Abbildungen – aber nichts, was die alte Pellerhaus-Fassade in die jetzige Bausituation einbindet. Daher eine Foto-Montage von mir: ein Dreier-Bild (siehe Foto).

    Links die nackte Sandstein-Fassade vor der Zerstörung 1945, in der Mitte der jetzige Bau von 1957 und rechts die Originalfassade von 1605. Mit der damaligen (Kalk-)Hausfarbe “Nürnberger Rot” bestrichen. Und darauf weiße Kalklinien zum Betonen der Steinquader. Das ist keine Erfindung von mir. So ist die dokumentierte Sachlage. Siehe hierzu auch die originalen Farbfelder im Pellerhaus-Innehof.

    Zu meiner Person: Als Galerist, Künstler und auch Nürnberger Bürger beschäftigt mich die Geschichte der Stadt schon immer.

    Und anbei die neue Post-/Ansichtskarte zu diesem Motiv (mit Sütterlin-Schriftzeile):

    6 Mal editiert, zuletzt von gropeltop (5. April 2016 um 00:00) aus folgendem Grund: Aktuelleres Foto. Der obere Fassadenabschluss jetzt mit schwarzer Konturlinie. Die weiße Linie vorher ging optisch unter/fiel nicht auf. Ein Layout-Fehler. Leider eine falsche Sütterlin-Schriftzeile. Langes-s statt Endungs-s. Ich bekam eine Rückmeldung. Muss man wissen. Ist korrigiert.

  • Vielen Dank gropeltop, ein schöner Einstand hier im Forum!

    Wäre es vielleicht bitte sogar möglich, eine Fotomontage zu erstellen, die den heutigen Egidienplatz mit der kompletten Pellerhausfassade zeigt?
    Damit könnte man die Öffentlichkeit sicher noch besser für die Wichtigkeit einer Rekonstruktion sensibilisieren als mit den üblichen Vorkriegsaufnahmen, die in Schwarz-Weiß eine weitgehend andere Platzsituation zeigen.