Nürnberg - Rekonstruktion des Pellerhauses

  • Dennoch sollte ein Minimum an Stilempfinden bei den Verantwortlichen vorhanden sein. Die Debatten werden jedoch von tagespolitischem Klein/Klein überlagert, das persönliche Eitelkeiten über städtebauliche Qualität stellt. Auch in diesem Fall ist es eine Antihaltung, die sich gänzlich vom Gegenstand entfernt hat und die in Gremien beiwohnenden Kunsthistoriker anscheinend in Geiselhaft nimmt. Jedes Kind erkennt, dass Florenz von höherem ästhetischem Wert ist, als z.B. Köln. Jedes Kind erkennt auch sehr schnell, weswegen das so ist. So auch beim Pellerhaus.

    Ein Buchhalter (womit ich nicht den Beruf, sondern die Geisteshaltung meine) erkennt nur, dass der momentane politische Gegner etwas anderes will. Die Stadt als Gesamtkunstwerk sieht er nicht- er sieht nur Parzellen und Parkplätze. Er kann den Wert von Kunst gar nicht einschätzen, da er nur in Kategorien der Nützlichkeit denken kann. Das Maximum an ästhetischem Feinsinn entfaltet sich bei ihm, wenn die Hecke des Nachbarn zu hoch ist. Und in den Händen solcher Menschen liegt die Gestaltungshoheit in ohnehin architektonisch -gelinde gesagt- durchwachsenen Städten. Daher: übergebt die Beurteilung gänzlich den Kunsthistorikern, die in Jahrhunderten denken können und ästhetisch geschult sind, ohne Druck auf sie auszuüben (und nicht den Architekten!) und im nächsten Schritt vielleicht sogar dem Wahlvolk.

    Diese geistige Enge und das miefige Kleinbürgertum, das sich in solchen Debatten zeigt, ist schier unerträglich. Man könnte meinen, beim Pellerhaus handelte es sich um eine Kathedrale unbekannten Ausmaßes, so wie es sich hinzieht. Und mit jedem kleinbürgerlichen „Nein!“ entwertet man ein solches Gebäude. Man macht daraus einen Zankapfel niederster Interessen und ein ‚Haus unter Häusern‘, so dass man am Ende denkt: diese Possen hat das Gebäude nicht verdient- baut einen Betonblock und suhlt euch in diesem Abbild eurer kleinen Seele.

  • "East_Clintwood", Du hast ja völlig Recht von einem idealistischen Standpunkt. Aber so funktionieren die Leute eben nicht. Die politische Ebene ist ganz stark von solchen Fehden und solchen "kleinbürgerlichen" Streits durchzogen. Und ich nehme da die Kunsthistoriker nicht aus. Die sind doch auch an den hiesigen Universitäten durch eine gewisse Schulung gegangen. Gerade aus diesen Kreisen ist der Widerstand gegen Rekonstruktionsprojekte hoch. Ich kann mich noch erinnern, wie mir eine Mitarbeiter in der "Schirn"-Kunsthalle in Frankfurt mitteilte, dass sie das dortige Dom-Römer-Areal für ein "reaktionäres Konzept" halte. Oder eine Architektur-Journalistin im Bekanntenkreis, die an einer Führung zur 50er-Jahre-Architektur im Frankfurter Altstadtbereich teilgenommen hatte und danach vom Nachkriegs-Wiederaufbau in Frankfurt schwärmte.

    Du gehst von einem gesunden Menschenverstand aus. Nach diesem erkenne man, dass Florenz ästhetisch gefälliger sei als das Pellerhaus oder die Bauhaus-Meisterhäuser in Dessau. Dabei verkennst Du, wie stark das Denken menschlicher Hirne umprogrammiert werden kann.

    Ein Beispiel aus anderer Zeit: Normal wäre es eigentlich, die eigenen Verwandten zu beschützen. Wir wissen aber das eifrige HJ- oder FDJ-Pimpfe oder Rotgardisten in China bisweilen zu Parteizentralen gelaufen sind und ihre eigenen Eltern angezeigt haben, die daraufhin abgeholt und verschleppt wurden. Wenn der Mensch dazu gemacht werden kann, dann ist es ein leichtes, ihm einzureden, dass das Potsdamer Mercure-Hotel einen ebenso hohen künstlerischen Wert hat wie die Kathedrale in Florenz.

    Die Leute werden Dir also antworten: "Ja, Florenz.... das ist ja auch Italien... das ist ja eine andere Sache.... Aber hier gab es so etwas nie... Und was hier war, ist nun einmal weg... Das ist eben Folge von dem Krieg... Klar, da steht noch das ein oder andere Rathaus in der Gegend herum... Aber, es ist doch illusorisch, etwas Altes wieder aufbauen zu wollen... Die Kosten... Und das ist ja völlig rückschrittlich gedacht... Man muss doch mal nach vorne schauen..." Das wirst Du gerade von Akademikern (und Kunsthistorikern) hören, nicht vom kleinen Arbeiter. Aber letzterer hat andere Probleme.

  • Ohne jetzt in die Politik abschweifen zu wollen, ich halte eine Koalition aus CSU und FW für Nürnbergs Stadtbildinteressen für das sinnvollste. Mit Herrn Pollmann würde wohl auf jeden Fall die Rekonstruktion des Pellerhauses vorangetrieben werden.

  • Was ist das für eine Wahl? Stellt euch mal vor Herr Pollmann würde überraschend Bürgermeister werden 8)

    :) Wer soll dann so meisterlich wie er die Steine hauen?

    Überrascht hat mich das Plakat aber allemal. Er könnte möglicherweise als Person auch bekannter sein als der SPD-OB-Kandidat.

  • Seit 1945 stellt die SPD fast durchgehend den Oberbürgermeister. Die einzige Ausnahme gab eine Ausnahme zwischen 1996 - 2002, da hat die CSU den Oberbürgermeister gestellt.

    Die stärkste Fraktion ist die SPD mit 31 Sitzen, danach folgt die CSU mit 21 Sitzen und die Grünen mit sechs Sitzen. Danach folgt die Linke Liste und die Freien Wähler mit drei Sitzen. Mit zwei Sitzen folgt die ÖDP und die BIA. FDP und die Guten haben einen Sitz.

    Die Aufführung der Parteien und Sitze zeigt, dass die Freien Wähler keine große Rolle in der Stadtpolitik spielen und somit eine Koalition zwischen CSU und Freie Wähler keine Mehrheit finden würde.

    Hier eine Stellungnahme der Freien Wähler (FW) zum Pellerhof/Pellerhaus.

    https://fw-nuernberg.eu/vom-pellerhof-zum-pellerhaus/

  • Ich selbst bin Mitglied der Altstadtfreunde und finde es gut, dass der Verein sich eindeutig gemäß seiner Interessen positioniert.

    In dem aktuellen Rundschreiben der Altstadtfreunde wird aber auch unumwunden eingeräumt, dass weder SPD noch CSU oder Grüne eine klare Haltung ggü. den Vereinsinteressen einnehmen.

    Und genau das macht es so kompliziert. Ein Trugschluss ist insbesondere, von der CSU hier Unterstützung zu erhalten. Frau Lehner ist ja bekanntlich die vehementeste prominente Kritikerin der Pellerhausreko und eine zentrale Figur in der Kampagne der CSU...

    d.

  • Wie es Dexter schon richtig ausführt. Durch die CSU geht ein Riss, wenn es um eine vollständige Diskussion des Pellerhaus geht. Während MdB Sebastian Brehm (CSU) und der Oberbürgermeisterkandidat Marcus König (CSU) sich eine Rekonstruktion des Pellerhaus vorstellen können, ist Frau Lehner (CSU) ebenfalls CSU gegen die Rekonstruktion des Pellerhaus.

    Es gab hier folgende Aussage auf einer Podiumdiskussion: "ein Dekmal ist ein Denkmal und das Pellerhaus in seiner jetzigen Form ist ein Denkmal". Die SPD ist gegen eine Rekonstruktion des Pellerhaus und die Meinung des Oberbürgermeisterkandidaten Brehm (SPD) kenne ich nicht.

  • Das ist natürlich richtig, daß durch allen Fraktionen hinweg die Meinungen um diese Themen recht unterschiedlich sind. Ob die gesame SPD tatsächlich dagegen ist, weiß ich nicht - die Genossen ergeben sich auch gern mal einen Fraktionszwang, wo jeder der gleichen Meinung ist....ob er will oder nicht :D

    Meiner Erfahrung nach, sind die meisten Rekobefürworter in den konservativen Kreisen anzutreffen. So wohl Pollmann als auch König wären hier im Bezug des Stadtbildes Nürnberg, insbesondere des Pellerhauses die geeignetsten Kandidaten.

    Natürlich ist hier auch ein mehrheitlicher Stadtratsbeschluß von Nöten, aber auch wenn es Gegenstimmen von Seiten gewisser CSU Stadträte gibt, so denke ich wird es Fürstimmen aus anderen Frakktionen geben, welche diese wieder ausgleicht.

    Nur muß es erst einmal als Antrag im Stadtrat eingereicht werden.

  • Aus meiner Sicht ist die Haltung der Rekonstruktionsgegner dogmatisch, und mit zwei wesentlichen Argumenten verknüpft. Das eine ist der bestehende Denkmalschutz, das andere ist das "was weg ist ist weg"-Argument. Und diese zwei Argumente verstellen den Blick für alles andere. Sobald es aber um konkrete Kosten, Konzepte usw. geht wird es dannschwierig, und ich denke jene, bei denen die beiden o.g. Argumente nicht verfangen, sind dann auch für eine Diskussion zugänglich. Das Konzept des "Haus des Spiels" leuchtet mir bis heute nicht so ganz ein, auch wenn ich es ganz spannend finde. Ich verstehe allerdings nicht wieso das zwingend an den bestehenden Bau gekoppelt ist, aus meiner Sicht wäre es besser in einem rekonstruierten Pellerhaus aufgehoben. Die Rekogegner verbinden das aber alles immer untrennbar miteinander, ohne es genau zu begründen.

  • OberstMadig

    Die These, eher konservative Kreise wären Pro-Reko, trifft in meinem Fall nicht zu ;)

    Für den Freund der Nürnberger Altstadt besonders schwierig: Die CSU tritt recht klar für eine autofreundliche Politik ein und lehnt die bereits umgesetzten Sperrungen bzw. geplanten autofreien Zonen in der Altstadt ab - so zum Beispiel am Weinmarkt, eine Maßnahme die hier zur Weiterentwicklung des öffentlichen Raums klar überfällig ist (man denke an das dort liebevoll sanierte Irrerbad, praktisch immer zugeparkt).

    Sofern die FW sich auch klarer und eindeutiger positionieren, kann es in der tat ein gutes Angebot für Stadtbild-interessierte Bürger sein.

    Grundsätzlich glaube ich, das Stadtbildpflege, inklusive der Frage nach Rekonstruktionen, keine politische Ausrichtung kennt. Das ist ein Querschnittsthema das nach meiner Erfahrung quer durch alle Parteien läuft. Leider haben SPD und CSU in Nürnberg bislang wenig Bereitschaft gezeigt, diesem Thema in einer öffentlichen Debatte Raum zu geben. Raus kommen dann nur die von nothor beschriebenen, dogmatischen Beschwörungen oder eben halbgare Nichtpositionierungen.

    d.

  • Die CSU scheint da mehr pragmatisch als dogmatisch zu sein. Die Praxis, den Denkmalschutz aufzuheben um einen Abriss zu ermöglichen, ist ja bereits Alltag. Das entsprechende Argument wäre ein unwirtschaftliches Sanierungskonzept oder eines, dass das bestehende Denkmal substanziell durch massive Eingriffe ruiniert. Dem gegenüber stünde ein Leutturmprojekt mit Strahlkraft, das zudem teilweise Spendenfinanziert sein könnte. In der Tat glaube ich, dass die CSU da wohl am ehesten mitgehen würde. Mal sehen, die Plakate sind für meine Entscheidung jedenfalls hilfreich. Das ist ureigenste Kommunalpolitik, viel mehr als Umwelt- oder Sozialthemen.

  • Schade, dass ich in Nürnberg nicht wahlberechtigt bin!

    Die CSU scheint da mehr pragmatisch als dogmatisch zu sein

    Dann stehe ich wohl der CSU nahe. Ich sehe solche Fragen nämlich auch pragmatisch. Ich plädiere dafür, nüchtern das Für und Wider abzuwägen. Der Mayerbau hat gewisse Qualitäten, aber die Argumente für eine Rekonstruktion des Pellerhauses sind doch deutlich stärker. Da ist die kunsthistorische Bedeutung des historischen Pellerhauses, die Tatsache, dass relativ viel davon noch vorhanden ist, und die Möglichkeit, das Vorderhaus mit dem herrlichen Innenhof zu verbinden. Das Image von Nürnberg wird überregional durch die große Geschichte dieser Stadt geprägt. Da ist es für die Stadtentwicklung nur gut, wenn ein bedeutendes Patrizierhaus zurückgeholt werden kann.

    Es ist ein gutes Zeichen, dass dieses Thema es auf die Wahlplakate schafft. Noch ist Nürnberg nicht verloren.