Stadthagen (Galerie)

  • Die kleine Stadt Stadthagen liegt im mittleren Niedersachsen im Landkreis Schaumburg-Lippe an der Grenze zu Westfalen. Obwohl sie touristisch eher unbekannt sein dürfte, hat sie dennoch einige Sehenswürdigkeiten zu bieten, allen voran das Schloss der Grafen (später Fürsten) zu Schaumburg im Stil der Weserrenaissance und das Mausoleum an der Stadtkirche. Kurzzeitig war Stadthagen auch Universitätsstadt. Ein gewisser Reichtum zeigt sich durch das Rathaus, viele schön beschnitzte Renaissancefachwerkhäuser und sogar den einen oder anderen profanen Steinbau aus der frühen Neuzeit.

    Ich beginne den Rundgang im Süden der Altstadt mit Amtspforte und Schloss, mache einen Gang durch die Altstadt und beende meine Bilderreihe mit der Stadtkirche und dem Mausoleum des Fürsten Ernst zu Schaumburg.

    Südlich der Habichhorsterstraße steht am Beginn des Schlossparks dieses schöne Häuschen in einem großen Teich:

    Die Altstadt betreten wir über die Obernstraße, an der sich die Amtspforte von 1553 befindet. Heute ist darin das Heimatmuseum untergebracht. Leider wurde das Haus in den 60ern oder 70ern so stark saniert, dass sich von der ursprünglichen Bausubstanz nur noch wenig erhalten hat:


    Rechterhand hinter der Amtspforte liegt das Areal des Schlosses, das aus einer älteren Burg hervorgegangen ist. Davon hat sich noch das in der Renaissance überforderte Torhaus erhalten:

    Vor dem eigentlichen Schloss liegen mehrere große Steinbauten im Stil der frühen Weserrenaissance, ehemals vermutlich Wirtschaftsbauten:

    Das Schloss ist eine Vierflügelanlage, die jedoch nicht vollkommen geschlossen ist. Im Inneren ist es stark historistisch überformt. Aus der Bauzeit haben sich nur wenige Ausstattungsstücke wie Kamine und Türrahmen erhalten. Die Fenster sind übrigens erst kürzlich erneuert worden. Als das Finanzamt dort in den 70ern einzog, hatte man hässliche Einscheibenfenster eingebaut. Übrigens war ursprünglich sicher die ganze Fassade verputzt, nicht nur der Treppenturm:

    Im Inneren gibt es ein schönes Treppenhaus mit gusseisernen Leuchtern:


    Auch die Raumaufteilung stammt erst aus dem Historismus. Solche Flure hat es in der Renaissance sicher nicht gegeben:

    Einer der drei erhaltenen Renaissancekamine in ziemlich bunter Bemalung:

    Der zweite Kamin steckt in einem winzigen Büro, wo er kaum hineinpasst:


    Historistischer Fußbodenbelag:

    Im Treppenturm:

    Der Festsaal ist um 1900 besonders aufwändig gestaltet worden. Hier hat sich auch die historistische Wandbemalung in Resten erhalten. Der Kamin stammt noch von der ursprünglichen Ausstattung des Schlosses und befindet sich möglicherweise sogar noch an der Stelle, an der er im frühen 16. Jahrhundert eingebaut wurde:






    Das Erdgeschoss wird gerade restauriert. In diesem bauzeitlichen Gewölberaum befand sich einst die Schlossküche - wie auch die Details an der Tür zeigen:

    Im Schlosshof gibt es eine Durchreiche von der Küche aus, die vermutlich dazu diente, den Hausbediensteten das Essen zu reichen, ohne dass sie in die Küche gehen mussten:


    Noch ein letzter Blick zurück aufs Schloss...

    ...dann geht's hinein ins Getümmel der Altstadt. Hier die Obernstraße:



    Es lohnt sich, wenn möglich auch mal auf die Rückseiten der Häuser zu schauen. In diesem fachwerkhaus verbirgt sich zum Beispiel der Rest eines älteren Steinhauses:

    Dieses Haus besitzt noch einen komplett steinernen Saalanbau:

    Die Lateinschule an der Pfarrkirche St. Martini ist nicht ganz so prächtig wie ihr Pendant in Alfeld, dafür aber einige Jahrzehnte älter (erbaut 1556):

    Der Marktplatz mit dem alten Rathaus aus dem frühen 16. Jahrhundert wirkt für die Größe der Stadt riesig. Er wird von zahlreichen Fachwerkhäusern und dem einzigen erhaltenen Bürgerhaus mit Steinfassade im Stil der Weserrenaissance gesäumt - ach ja, und von der Sparkasse, die sogar mal einigermaßen annehmbar aussieht:







    Blick in die Echternstraße ("echtern" kommt übrigens von achtern = hinten):

    Auch hier gibt es reichlich Renaissance-Fachwerk:



    Dieses Bild möge man mal etwas genauer betrachten. Ich war einfach nur schockiert, als ich sah, wie entstellt dieses arme Haus ist. Zum einen gibt's da das erneuerte Erdgeschoss mit diesem komischen Betonbalkon als Abschluss, dann das erste Obergeschoss mit den unpassenden Pseudosprossenfenstern und dann noch die überdimensionierten Einscheibenfenster im Giebel. Und was man sich bei dieser seltsamen fast fensterlosen Auslucht gedacht hat, möchte ich lieber gar nicht erst wissen. Aber wahrscheinlich handelt sich's ohnehin um einen Neubau mit ein paar Fassadenresten des Vorgängerbaus:

    Weiter geht's, vorbei an diesem für Stadthagen äußerst mächtig wirkenden Gründerzeitler:


    Seltsam zusammengeflickt wirkendes Haus in der Klosterstraße:

    Hier müsste dringend was getan werden:

    Ein richtiges Ackerbürgerhaus:

    Vom ehemaligen Franziskanerkloster ist nur noch der Chor der gotischen Kirche geblieben:

    Dieses Fachwerkhaus hat für die Zeit um 1570 ein außerordentlich flach geneigtes Dach. Vermutlich wurde es später erneuert:

    Ohne Worte:

    Auch hinter dieser Fassade verbirgt sich Fachwerk des (frühen) 16. Jahrhunderts, wie man an den Knaggen an der Traufseite sieht:

    Nun zur 1318 erbauten St.-Martini-Kirche mit ihrem wuchtigen Turm:

    Die Ausstattung stammt teilweise noch aus der Renaissance (leider etwas unscharf geraten):

    Manch eine hochrangige Persönlichkeit begnügte sich mit einem Epitaph in der Kirche...

    ...doch Fürst Ernst III. zu Schaumburg genügte das nicht. Er ließ ab 1609 ein Mausoleum an den Chor der Kirche anbauen, das hinter dem Altar betreten werden kann. Leider habe ich keine Außenaufnahmen des ungewöhnlichen siebeneckigen Baus, da er gerade saniert wurde. Doch das Innere, allem voran der Sarkophag mit den Gebeinen des Fürsten, ist auch schon beeindruckend genug:



    Zum Abschluss noch eine Spolie an einem Haus (weiß leider nicht mehr wo) in der Stadt, die zeigt, dass es früher offenbar noch mehr (Renaissance-)Steinbauten in Stadthagen gab:

  • Da war ich auch schon :D ...und sehr überrascht.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Maxileen
    Vielen Dank für die wunderbaren Fotos und Erläuterungen. Ich war noch nie in Stadthagen, obwohl es sehr nah an meinen „Wegen“ liegt. Muss ich unbedingt nachholen. Das Schloss werde ich sicher nicht so intensiv besichtigen können wie Du. Sehr schön, dass jetzt wieder Sprossenfenster eingebaut wurden, den unschönen Zustand mit der Ein-Scheiben-Verglasung kenne ich von Fotos. Etwas eigenartig finde ich, dass man den Treppenturm verputzt hat und quasi in den Zustand der Renaissance zurückversetzt hat, während die anderen Fassaden den steinsichtigen (romantischen) Zustand des 19. Jahrhunderts bewart haben. Deine Bilder zeigen wieder mal, was für eine wunderbare vielschichtige Ausstattung unzerstörte Schlösser wie Stadthagen bieten, auch wenn vieles aus jüngerer Zeit ist. Und dass in der üblichen, oft veralteten Literatur (Hansen/Kreft, Die Weserrenaissance... usw., du kennst die verdächtigen Titel sicher) nur weniges dazu zu finden ist (so der große Kamin aus Stadthagen).
    Das herrliche Renaissance-Mausoleum sucht wirklich seines gleichen, absolut sehenswert.

  • Ich war nicht so begeistert von Stadthagen. Einige doch gravierende Bausünden, und viele unvorteilhafte 'Modernisierungen'. In Summe kommt keine besondere Stimmung auf.
    Vielleicht ist das Urteil zu hart und ich war nur übersättigt von Goslar, Wolfenbüttel, Celle und auch Braunschweig. Kann sein, jedenfalls riss mich Stadthagen nicht vom Hocker.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Es kommt halt immer darauf an, was man erwartet...

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
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  • Unvorteilhafte (bzw. von fachlicher Unkenntnis zeugende) Umbauten ja, unrettbar ist da aber wenig. Gerade die Struktur von Fachwerkbauten kann selbst aus geringen Bestandsresten noch rekonstruiert werden, erst recht, wenn älteres Bildmaterial oder Pläne eines ungeplünderten Stadtarchivs vorhanden sind, insofern sehe ich das Ganze nicht so dramatisch. Über den Erhaltungszustand eines Stadtbilds, wie hier zu sehen, dürfte sich weitaus die Mehrheit gleich großer Städte in Deutschland freuen...

    P.S.: Wieso ist eine Bank in Deutschland eigentlich grundsätzlich ein 70er Jahre Neubau? Ich kenne praktisch keine Stadt, wo dem nicht so wäre - selbst in Dinkelsbühl trifft diese Regel zu, wenngleich dort wohl auch der traditionalistischste Bankneubau der letzten 50 Jahre steht...

  • Maxileen: Danke, daß Du uns an Eurer Exkursion so teilnehmen läßt. So kommen auch wir wenigstens am Rande in den Genuß des Aufbaustudiums ;)

    Gab es überhaupt steinsichtige Weserrenaissance-Häuser, oder waren die immer verputzt?

    Das Bild mit dem Haus mit dem steinernen Saalanbau ist zwar nicht "schön", aber besonders interessant. Da wäre auch Anpacken angesagt. Leider will der Neubau an der rechten Seite sein Lebensgefühl einer bereits wieder vergangenen Mode etwas stark aufdrängen.

  • Vielen Dank für die Impressionen aus dem Weserraum. Das Grabdenkmal seiner Durchlaucht ist wirklich beeindruckend. Bereits vor dem Dreißigjährigen Krieg waren die Menschen offenbar unglaublich auf das Jenseits fixiert - so stark wie wahrscheinlich nie zuvor und nie mehr danach. Dieser Höhepunkt des monumentalen Grabdenkmals ist nicht einmal ein spezifisch protestantisches Phänomen, sondern zeigt sich ebenso im katholischen Bereich, wenn man etwa an das Mausoleum Kaiser Ferdinands II. in Graz oder an dasjenige für Erzherzog Karl II. in Seckau denkt.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Katharine…ausoleum_(Graz)

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Zitat von "ursus carpaticus"

    Ich war nicht so begeistert von Stadthagen....Vielleicht ist das Urteil zu hart und ich war nur übersättigt von Goslar, Wolfenbüttel, Celle und auch Braunschweig...

    Ich war noch nie in Stadthagen, deshalb kann ich mir kein eigenes Urteil erlauben. Aber mir geht es auch so, dass ich nicht nur bei einem Besuch bei schlechtem Wetter, sondern z.B. auch nach dem Betrachten von Karaseks Prag-Bildern selbst die schönsten deutschen Städte architektonisch nur noch zweit- und drittklassig finde. Pfui, Karasek :zwinkern:

    Aber dann komme ich (meistens) doch zur Vernunft und freue mich auch an den zweifellos vorhandenen Schönheiten, die auch ein solcher Ort wie Stadthagen zu bieten hat.

    Maxileen: Und dir natürlich vielen Dank für deine umfangreiche Bildserie!

  • Eines der schönsten Werke der Kunst in Deutschland kann man glaube ich nicht oft genug sehen, deshalb auch mein Photo hierzu (das ich eben mit der Testversion von DxO Optics bearbeitet habe, Danke noch einmal für den Tipp, slesiano):

    Einmal editiert, zuletzt von -Frank- (12. Januar 2014 um 23:31)

  • Nachdem ich gestern bereits ein erstes Bild gezeigt hatte, möchte ich heute das Fürstenmausoleum an der St.-Martini-Kirche in Stadthagen etwas genauer präsentieren. Die Bilder stammen vom Sommer des letzten Jahres.

    Das original erhaltene und zuletzt bis 2010 restaurierte Mausoleum ist sicherlich jedem APHler bekannt, da es als ein Meisterwerk des Manierismus in Deutschland gilt, das kurz vor Beginn der Barockepoche geschaffen wurde.

    Es wurde schon zu Lebzeiten des 1622 verstorbenen Fürsten Ernst von Holstein-Schaumburgals Gesamtkunstwerk für sich, seine Frau Hedwig von Hessen-Kassel und seine Eltern seit 1607 geplant. Es sollte der Erinnerung an das aussterbende Geschlecht der Holstein-Schaumburger dienen, da der Fürst kinderlos blieb. Vollendet wurde es erst ein paar Jahre nach seinem Tod. Den Entwurf schuf Giovanni Maria Nosseni, die Bauausführung und die Innenausmalung stammen von Anton Boten.

    Das Hauptwerk des Mausoleum ist das aus 13 Bronzeplastiken und 6 Bronzereliefs zusammengesetzte Zentralmonument des berühmten damals auch für den Kaiser tätigen Adriaen de Vries. De Vries selbst war übrigens nie in Stadthagen, seine zwischen 1617 und 1622 geschaffenen Skulpturen und Reliefs wurden nach und nach angeliefert und dann in Stadthagen vor Ort gemäß der Planung von De Vries zusammengesetzt.

    Einmal editiert, zuletzt von -Frank- (13. Januar 2014 um 23:10)

  • Hier das Mausoleum von außen, der weltweit angeblich einzige siebeneckige Zentralbau mit Kuppel und Laterne in 24 Meter Höhe ...


    Die krönende Laterne von Innen gesehen mit 7 Engeln und einem Familienzeichen in der Mitte …

    darunter die Kuppel …

    … mit 14 musizierenden Engeln , die den Fürsten nach seinem Tod hoffentlich empfangen haben ;-)…

  • Unter der Kuppel die ebenfalls nach italienischem Vorbild dekorierten Wände des Zentralbaus …

    … mit Familienwappen …

    … und in der Wand eingelassenen Gemälden, hier der Auferstehung des Lazarus, passend zur Auferstehungsthematik des Mausoleums …

  • Im Zentrum nun das Meisterwerk von De Vries, ...

    …, mit dem Alabastersarkophag für den Fürsten in der Mitte …

    …, welcher bekrönt wird von der Figur des Auferstandenen …

  • … und vier auf einem Marmorpodest sitzenden römischen Soldaten, die der Bibel nach das Grab Jesus bewachen sollten, aber eingeschlafen waren, hier ist der Moment dargestellt, wo der Soldat im folgenden Bild vorne gerade überrascht die Auferstehung von Jesus bemerkt:

    Seine drei Kameraden dösen allerdings noch …

    Wie man sieht, ist uns mit dem Schaumburger Mausoleum ein wunderbares Zeugnis der künstlerischen Schaffenskraft der Vergangenheit überliefert worden, das in seiner Genialität gleichzeitig wieder einmal die Stümperei der allermeisten „modernen“ Künstler eklatant offenbart.

    Das war´s.

  • Dann möchte ich mich hier auch mal beteiligen an den schönen Galerien rund um Stadthagen:

    Stadthagen - Residenzstadt der Renaissance

    Es waren die Schaumburger Grafen, die Stadthagen Anfang des 13. Jahrhunderts nördlich des Bückeberges, einem Ausläufer des Weserberglandes, planmäßig als militärischen Stützpunkt sowie Wirtschafts- und Verwaltungszentrum anlegten. Für das späte 13. Jahrhundert ist der Name Grevenalveshagen (Graf Adolfs Hagen) bezeugt. Später setzte sich die heutige Bezeichnung durch. Das Stadtrecht erhielt die Siedlung allerdings erst 1344.


    Mit dem Ausbau des Schlosses Anfang des 16. Jahrhunderts erlebte Stadthagen seine Blütezeit. Die Stadt wurde Sitz der Landesverwaltung und die bevorzugte Residenz der Schaumburger. Doch schon 1608 verlegten diese den Regierungssitz in das nahe gelegene Bückeburg. Trotz der damit verbundenen Stagnation in der Entwicklung des Ortes blieb Stadthagen weiterhin Begräbnisort der Grafen bzw. Fürsten des Hauses. Heute präsentiert sich das hübsche Stadtbild vor allem mit zahlreichen Bauten der frühen Renaissance.


    Zur historischen Architektur Stadthagens siehe: https://www.zeilenabstand.net/architektur-un…-in-stadthagen/

    Residenzschloss

    Rathaus

    Haus Markt 4

    Amtspforte

    Ehemaliger Gildenhof

    Mausoleum des Grafen Ernst

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen